Inhalt

VG München, Urteil v. 17.02.2025 – M 19L DK 23.699
Titel:

Entfernung eines Rechtspflegers aus dem Beamtenverhältnis wegen Sich-Verschaffen und Besitz von Kinder- und Jugendpornographie

Normenketten:
BayDG Art. 11, Art. 14 Abs. 1, Abs. 2 S. 1, Art. 25 Abs. 1, Art. 33 Abs. 1 S. 3, Art. 47 Abs. 1 S. 2, Art. 55
StGB § 20, § 21, § 184b Abs. 3, § 184c Abs. 3
Leitsätze:
1. Der außerdienstliche Besitz kinder- und jugendpornographischer Bild- oder Videodateien weist einen hinreichenden Bezug zum Amt eines Rechtspflegers auf. (Rn. 46 – 48) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Dienstpflichtverletzungen wegen des außerdienstlichen Besitzes von kinder- und jugendpornographischen Bildern eines Rechtspflegers wiegen nach der gebotenen Gesamtwürdigung so schwer, dass die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis die angemessene Disziplinarmaßnahme darstellt. (Rn. 49 – 67) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Disziplinarklage, Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, Sich-Verschaffen und Besitz von Kinder- und Jugendpornographie, Justizbeamter (Rechtspfleger), Beamte, Dienstvergehen, Disziplinarverfahren, Entfernung aus dem Dienst, Ermessensentscheidung, Strafrahmen, Beamtenverhältnis, Sich-Verschaffen, Besitz, Kinderpornographie, Jugendpornographie, Rechtspfleger, Justizbeamter, außerdienstliche Pflichtverletzung, Amtsbezug
Fundstelle:
BeckRS 2025, 4941

Tenor

I. Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt mit seiner Disziplinarklage die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis.
2
Der 1980 geborene Beklagte ist nach dem Erwerb der allgemeinen Hochschulreife und dem Abschluss seiner Ausbildung zum Rechtspfleger seit dem 7. April 2007 bayerischer Justizbeamter auf Lebenszeit, seit dem 1. Juli 2019 als Gruppenleiter beim … … *. Zum 1. Januar 2020 erfolgte seine Ernennung zum Rechtspflegerat (Besoldungsgruppe A 13). In der letzten dienstlichen Beurteilung vom 5. Oktober 2018 erhielt der Beklagte 13 Punkte. In der Zwischenbeurteilung vom 29. Juli 2019 wurden ihm für den Beurteilungszeitraum vom 1. Januar 2018 bis 30. Juni 2019 herausragende Fähigkeiten, Einsatzbereitschaft und Verwendungseignung in den unterschiedlichsten Tätigkeitsbereichen bescheinigt. Im November 2008, Juni 2011 und in den Jahren 2013, 2014, 2015, 2017, 2018 und 2019 erhielt der Beklagte jeweils Leistungsprämien. Im Einzelnen wird auf die vorgelegte Personalakte verwiesen.
3
Der unverheiratete Beklagte hat zwei 2013 bzw. 2015 geborene Kinder, die nicht bei ihm leben.
4
Das Amtsgericht Fürstenfeldbruck verurteilte den Beklagten mit Urteil vom 9. November 2021, rechtskräftig seit dem 11. Oktober 2022 (Az. 2 Ds 24 Js …*) wegen Sich-Verschaffens kinderpornographischer Schriften in 23 Fällen in Tatmehrheit mit Sich-Verschaffen jugendpornographischer Schriften in Tatmehrheit mit dem Besitz kinderpornographischer Schriften in Tateinheit mit dem Besitz jugendpornographischer Schriften zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten. Die Vollstreckung der Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt (Bewährungszeit 3 Jahre). Der Beklagte ist ansonsten strafrechtlich nicht vorbelastet und bisher nicht disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten.
5
Mit Verfügung der Präsidentin des ... vom 4. März 2020 wurde wegen des der strafgerichtlichen Verurteilung zugrundeliegenden Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft M. II ein Disziplinarverfahren gegen den Beklagten eingeleitet. Dem Beklagten wurde dies mit Schreiben vom 10. Februar 2021 mitgeteilt und Gelegenheit zur Äußerung gegeben, wovon er keinen Gebrauch machte. Mit Verfügung vom 2. März 2021 wurde das Disziplinarverfahren im Hinblick auf das laufende Strafverfahren ausgesetzt.
6
Mit Verfügung der Generalstaatsanwaltschaft M. vom 10. August 2021 übernahm diese das Verfahren als Disziplinarbehörde. Das Disziplinarverfahren wurde zugleich auf die weiteren Sachverhalte der Anklage vom 13. Juli 2021 ausgedehnt und blieb ausgesetzt. Der Beklagte erhielt mit Schreiben vom selben Tag hierzu sowie zur beabsichtigten vorläufigen Dienstenthebung unter teilweisem Einbehalt von Bezügen Gelegenheit zur Äußerung, worauf er keine Stellungnahme abgab.
7
Mit Schreiben vom 6. September 2021 wurde die Dienstenthebung des Beklagten und der Einbehalt von Dienstbezügen in Höhe von 30% verfügt.
8
Mit Verfügung vom 26. Oktober 2022 wurde das Disziplinarverfahren fortgesetzt und auf den der strafrechtlichen Verurteilung zugrundeliegenden Sachverhalt beschränkt. Der Beklagte wurde mit Schreiben vom selben Tag abschließend angehört.
9
Auf den Antrag des Beklagten hin erfolgte die Anhörung der Personalvertretung. Der Personalrat des Landgerichts München I nahm mit Schreiben vom 29. November 2022 Stellung und sprach sich gegen eine Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis aus.
10
Dem Beklagten wurde mit Schreiben vom 29. November 2022 erneut Gelegenheit zur abschließenden Äußerung gegeben. Er übermittelte eine selbstverfasste Stellungnahme vom 20. Januar 2023, auf deren Inhalt verwiesen wird.
11
Am 15. Februar 2023 erhob die Disziplinarbehörde Disziplinarklage. Auch hinsichtlich deren Einzelheiten wird gemäß § 117 Abs. 3 VwGO auf die Disziplinarklageschrift vom 6. Februar 2023 Bezug genommen.
12
Der Kläger beantragte,
13
auf die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu erkennen.
14
Der Beklagte beantragte sinngemäß,
15
die Disziplinarklage abzuweisen, hilfsweise, auf eine mildere Disziplinarmaßnahme zu erkennen.
16
Er habe den Sachverhalt bereits mehrfach, unabhängig von Zugeständnissen oder Absprachen, eingeräumt. Ebenso habe er stets sein Bedauern, dass er in den Besitz von Kinderpornographie gelangt sei, und seine Reue zum Ausdruck gebracht. Er könne dies nur wiederholen, jedoch die Taten nicht ungeschehen machen. Aus dem Gesetzeswortlaut sei nicht nachvollziehbar, dass der bloße Besitz und das Sich-Verschaffen derart moralisch verwerflich seien, dass auf die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu erkennen sei. Andernfalls müsste die Generalstaatsanwaltschaft größeres Engagement bei der Bekämpfung der Drahtzieher zeigen, um Bürger vor leichtfertiger Begehung zu schützen. Vom Beklagten seien mehrfach die Namen und Internetseiten genannt worden, die die fraglichen Bilder und Videodateien gewerblich und unter Angabe der Gesetzeskonformität zur Verfügung stellten. Offenbar sei diesbezüglich nichts unternommen worden.
17
Es sei eine Ermessensentscheidung zu treffen. Die Tatbestände des Sich-Verschaffens und des Besitzes kinderpornographischer Dateien deckten ein sehr breites Spektrum der Tatbegehung ab. Wie das Gutachten des Sachverständigen … … bestätige, seien von 9000 Bildern 91 solche mit kinderpornographischem Inhalt, 34 solche mit jugendpornographischem Inhalt. Zwei von 1000 Filmen, die sich wohl alle im Cache, also einem bloßen Zwischenspeicher befanden, hätten kinderpornographischen Inhalt gehabt. Deren Spieldauer habe zusammen 54 Sekunden betragen. Ca. ein Drittel der kinder- und jugendpornographischen Dateien sei systemseitig, ohne Zutun des Nutzers angelegt worden. Es handele sich ausschließlich um beanstandete Einzelbilder und nicht um Bilderserien, die eine höhere Erkennbarkeit ermöglicht hätten. Es habe keine besondere Speicherung von Dateien festgestellt werden können; sie sei willkürlich, ohne Muster, ohne besondere Kennzeichnung oder Sortierung erfolgt. Rückschlüsse auf eine besondere Interessenlage beim Beklagten seien nicht möglich. Es gebe keine Hinweise auf die Nutzung eines virtuellen persönlichen Netzwerks (VPN) oder eines verschlüsselten Messenger-Dienstes, ebenso wenig auf die Einwahl ins D. , wodurch jeweils auf eine angestrebte Verschleierung der Identität geschlossen werden könne. Der vollständige Nachrichtenaustausch sei mittels SMS und MMS erfolgt, sodass alle Inhalte systemseitig hätten mitgelesen werden können. Die MMS hätten den Jugendschutzvorrichtungen der Mobilfunkbetreiber zum Schutz vor Kinderpornographie unterlegen. Das Nutzungsprofil widerspreche einer gezielten Absicht zur Erlangung solcher Dateien. Die Art der Bilder und die Art der Speicherung schlössen eine beabsichtigte Beschaffung aus. Es gebe auch keine Hinweise auf eine Mitgliedschaft in einer Tauschbörse oder eine kostenpflichtige Mitgliedschaft bei einer Pornoseite. Das staatsanwaltschaftlich eingeholte Gutachten bezeuge somit eher das Gegenteil dessen, was behauptet werde.
18
Hinsichtlich Anzahl und Länge der Videodateien handele es sich um eine sehr geringe Menge an kinder- und jugendpornographischem Material, das ohne Zusammenhang verteilt zwischen anderen Dateien in den Besitz des Beklagten gelangt sei. Im zeitlich parallelen Ermittlungsverfahren gegen den Vorsitzenden Richter am ... sei eine mehr als 40-fach größere Dateimenge aus Quellen ermittelt worden, die ausschließlich dem Erwerb von kinderpornographischen Dateien gedient hätten. Darunter hätten sich auch Dateien befunden, die der Richter dienstlich erhalten habe. Auch in anderen vergleichbaren Fällen eines zielgerichteten Besitzes, die öffentlich bekannt geworden seien, handele es sich regelmäßig um Zigtausende Dateien. Der Gutachter könne hierzu Auskunft geben.
19
Weiterhin sei zu beachten, dass die im Sachverständigengutachten dargestellte Bildqualität nicht derjenigen beim Nutzer entspreche. Im Gutachten werde ausgeführt, dass wegen der unterschiedlichen Möglichkeiten und Konfigurationen des Ausgangssystems stets auf eine einheitliche Darstellung umgestellt worden sei. Das Gutachten weise also alle Bilder und Videos mit dem System- und Bildbearbeitungsstand der beim Gutachter vorhandenen Geräte und Software aus. Dies betreffe Vergrößerungen, Verbesserungen der Datenqualität und damit der Darstellung. Vorhandene Wasserzeichen und Copyright-Signaturen seien bei der Gutachtenerstellung ausgeblendet worden. Diese erweckten aber auf Webseiten den Eindruck einer völlig legalen Darstellung. Die klare Erkennbarkeit eines Bildinhalts im Gutachten bedeute nicht, dass es dem Beklagten mit der Originaldatei, seiner Hardware und den ihm zur Verfügung stehenden Recherchemöglichkeiten habe gelingen können, das Alter der Personen auf den Bildern zu erkennen. Hierzu könne der Gutachter ebenfalls Auskunft geben.
20
Im Bereich des Sich-Verschaffens bestehe eine große Bandbreite, die im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen sei. Bereits die Duldung einer Übersendung könne den Tatbestand erfüllen. Selbst die sofortige Löschung verhindere dies nicht. Am anderen Ende des Spektrums stehe die aktive Suche in Foren oder anderen Quellen gegen Entgelt. Das von der Staatsanwaltschaft M. II in Auftrag gegebene Gutachten gebe nur Hinweise auf eine passive Duldung der Übersendung als Beimengung im Rahmen einer fiktiven Chat-Handlung, auch wenn sich dadurch am Vorwurf des Sich-Verschaffens nichts ändere. Hätte der Beklagte bei seinen umfangreichen Recherchen erkannt, dass es sich um kinder- oder jugendpornographische Dateien handelte, hätte er selbstverständlich, wie er es bei anderen Kontakten mehrfach getan habe, den Chat beendet und die Dateien gelöscht.
21
Weiterhin sei die Art der Darstellung in den kinder- und jugendpornographischen Dateien zu berücksichtigen. In der Berufungsverhandlung vor dem Landgericht München II sei vom Gericht ausgeführt worden, dass es drei Kategorien gebe. Kategorie 1 beinhalte Posing und nackte Darstellung. In die Kategorie 2 falle die Darstellung „einvernehmlichen“ Geschlechtsverkehrs. Zur Kategorie 3 zähle sexuelle Gewaltdarstellung und Tierpornographie. Beim Beklagten sei Bildmaterial der Kategorien 1 und 2 aufzufinden gewesen. Es handele sich also um den Normalfall der Tatbegehung. Der Sachverständige habe die Zuordnung zu den Kategorien bestätigt. Gegebenenfalls müsse der Vorsitzende Richter als Zeuge geladen werden.
22
Zudem dürfe die Art und Weise der vom Beklagten geführten Chats keine Rolle spielen. Diesbezüglich sei das Strafverfahren eingestellt worden. Abgesehen davon seien Chats mit sexuellen Inhalten legal. Es gebe diverse Gewerbebetriebe, die derartige Dienstleistungen frei zugänglich anböten. Soweit sexuelle Inhalte angesprochen worden seien, habe der Beklagte stets bei seinem Gegenüber durch eine telefonische Kontaktaufnahme abgeklärt, dass er es mit einer volljährigen Person zu tun habe und der Inhalt des Chats zwingend Personen ab 18 Jahren betreffen müsse. Jede Handlung sei fiktiv gewesen, ein „Märchen“, wie es auf diversen Internetseiten inhaltsgleich abrufbar sei. Leider habe der Beklagte die telefonischen Absprachen nicht im SMS-Verlauf dokumentiert. Es dränge sich der Verdacht auf, dass der Beklagte durch das Ausbreiten der Chatführung „unmöglich“ gemacht werden solle. In seiner damaligen Situation seien die Chatpartner die einzigen Personen gewesen, mit denen er unbefangen, zu den unmöglichsten Zeiten und ohne Bezug zu seinem tatsächlichen Leben Gespräche habe führen können. Er bedauere es, dass er zum damaligen Zeitpunkt keine anderen Wege gefunden habe, seine psychischen und körperlichen Belastungen zu bewältigen.
23
Hinsichtlich der Angaben zum beruflichen Werdegang seien neben den Leistungsprämien auch noch diverse Belobigungsschreiben für außerordentliches Engagement und erfolgreiches Handeln zu berücksichtigen. Insbesondere sei auf die Leistungsprämie hinzuweisen, die dem Beklagten anlässlich der abgesicherten Abgabe von kinderpornographischem Material an das Bayerische Hauptstaatsarchiv bzw. der Vernichtung solchen Materials verliehen worden sei. Hauptaugenmerk sei dabei gewesen, dass keine unberechtigten Personen Zugang erhalten. Dies zeige den Einsatz des Beklagten, den Besitz von kinderpornographischem Material zu verhindern. Soweit der Beklagte in der Aus- und Fortbildung aller Qualifikationsebenen und Altersstufen tätig gewesen sei, sei dies ausschließlich aus dem Antrieb heraus erfolgt, schlechter Qualifikation aktiv zu begegnen. Auch hierfür habe der Beklagte mehrfach Dank und Anerkennung erfahren, weil er „unbeliebte“ Fächer übernommen habe. Es sei umso befremdlicher, wenn ihm die Tätigkeit in der Aus- und Fortbildung zum Nachteil ausgelegt werde. Es habe keine nachfolgenden, persönlichen Kontakte zu Anwärtern gegeben. Es habe keine Beschwerden oder Hinweise auf unangemessenes Verhalten gegeben. Nicht anders verhalte es sich hinsichtlich der Tätigkeit des Beklagten als Führungskraft, zu der auch kein Bezug bestehe. Zwar seien die Ansprüche an eine mit Personalführung betraute Person höher. Eine übermenschliche Fehlerfreiheit sei aber nicht zu verlangen. Es müsse berücksichtigt werden, in welchem Umfang und auf welche Aspekte bezogen vorsätzliches Verhalten und aktiver Tatentschluss vorlägen. Er habe die ihm obliegende Verantwortung nicht außer Acht gelassen.
24
Mit Schreiben vom 29. Juni 2023 teilte der Beklagte mit, dass er die Erstellung eines Persönlichkeitsbildes der Präsidentin des … … * für erforderlich halte. Frühere Äußerungen der Präsidentin seien angesichts des fortschreitenden Verfahrens zu ergänzen. Ebenso könne der Entwurf eines qualifizierten Tätigkeitszeugnisses informativ sein.
25
Der Kläger erwiderte mit Schreiben vom 17. April 2023 und 11. Juli 2023.
26
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird ergänzend auf die Gerichtsakte mit dem Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 17. Februar 2025 sowie die von der Disziplinarbehörde vorgelegten Akten verwiesen.

Entscheidungsgründe

27
Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (Art. 11 BayDG) erkannt.
28
1. Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine wesentlichen Mängel auf. Solche sind vom Beklagten auch nicht gemäß Art. 53 Abs. 1 BayDG innerhalb von zwei Monaten ab Zustellung der Disziplinarklage geltend gemacht worden.
29
Soweit der Beklagte in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, dass kein Persönlichkeitsbild der Dienstvorgesetzten eingeholt worden sei, kann sich hieraus ein wesentlicher Mangel des Verfahrens, wegen dem sich nicht mit hinreichender Sicherheit ausschließen ließe, dass er sich auf das Ergebnis des gerichtlichen Verfahrens ausgewirkt haben kann, nicht ergeben. Abgesehen davon, dass sich das vorbildliche dienstliche Verhalten des Beklagten und seine herausragenden dienstlichen Leistungen während seiner gesamten Beamtenlaufbahn seiner Personalakte entnehmen lassen, kann dieses in Anbetracht der vorliegenden schwerwiegenden Dienstpflichtverletzung, wegen der von einem endgültigen Vertrauensbruch des Dienstherrn und der Allgemeinheit auszugehen ist, nicht zu einer milderen Disziplinarmaßnahme führen. Auf die nachfolgenden Ausführungen zur Maßnahmebemessung unter 5. wird insoweit verwiesen.
30
2. Dem Beklagten ist der Sachverhalt zur Last zu legen, der dem seit dem 11. Oktober 2022 rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts … vom 9. November 2021 zugrunde liegt und dementsprechend in der Disziplinarklage dargestellt ist (s. S. 6 ff.):
31
"I.) Zu den nachfolgend bezeichneten Zeitpunkten führte der Angeklagte von einem nicht näher bestimmbaren Ort, vermutlich von seiner Wohnung in der …, … aus mittels seines Mobiltelefons mit der Nummer … mit den nachfolgend bezeichneten, unbekannten Personen einen Chatverkehr, welcher dem Austausch kinderpornographischen Materials diente. Der Angeklagte erhielt dabei auf Aufforderung die nachfolgend bezeichneten Bild- und Videodateien:

Nr.

Tatzeit

Versender

Dateiname

Dazugehöriger Text

Bildbeschreibung

1

01.07.2017, 00:23 Uhr

Die süsse ist geil bitte mehr. Kiss …

Erkennbar unter 14-jähriges, unbekleidetes Mädchen, welches mit weit gespreizten Beinen auf einer Couch liegt

2

01.07.2017, 00:34 Uhr

Ja super dann kann ich weiter rubbeln.

lg …

Etwa 3- bis 4-jähriges Mädchen, welches den Oralverkehr an einem erwachsenen Mann durchführt

3

01.07.2017, 01:37 Uhr

Mit 7 geil auf schwanz

Erkennbar unter 10-jähriges, unbekleidetes Mädchen, welches den Oralverkehr an einem erwachsenen Mann ausführt.

4

01.07.2017, 12:25 Uhr

Das möchte ich auch

Etwa 7 – bis 8-jähriges Mädchen, welches unbekleidet vornübergebeugt auf einem Ball liegt, wobei die Beine des Mädchens gespreizt sind, sodass die Scheide und der Anus zu erkennen sind.

5

07.07.2017, 21:00 Uhr

Erkennbar unter 10-jähriges unbekleidetes Mädchen, welches in einem Badezimmer steht, wobei das Mädchen den rechten Fuß auf dem Badewannenrand abgestellt hat, sodass die Beine leicht gespreizt sind

6

16.07.2017, 15:29 Uhr

Aber die letzte war nicht geil. will gefickt werden. Zeig dein Pimmei?

Unbekleidete Scheide eines erkennbar unter 14-jährigen Mädchens, in welche ein erigierter Penis eingeführt wird.

7

29.07.2017, 21:30 Uhr

Betreff: Meine schwester

Allenfalls 10 Jahre altes Mädchen, dessen top nach unten gezogen ist, sodass die halbnackte rechte Brust zu erkennen ist.

8

01.02.2018, 21:04 Uhr

Nur geil sind alle 15-17j

Erkennbar unter 14-jähriges, unbekleidetes Mädchen, welches mit weit gespreizten Beinen auf einem Bett liegt.

9

22.07.2018, 16:56 Uhr

Magst du so?

Erkennbar unter 14-jähriges Mädchen, welches mit gespreizten Beinen auf einem Bett liegt.

10

22.7.2018, 17:00 Uhr

Das ist …

Erkennbar unter 14-jähriges unbekleidetes Mädchen, welches in Rückenlage auf einem Bett liegt, wobei ein Bein seitlich weg gespreizt ist.

11

22.07.2018, 17:27 Uhr

Soll ich bei dir auch mal so machen?

Erkennbar unter 14-jähriges Mädchen, welches den Oralverkehr an einem erwachsenen Mann ausführt.

12

22.07.2018, 18:26 Uhr

Weiss nicht wie alt wenn ihr spass macht gibt da welche die machen schon gern mit 7 o 8 sex

Erkennbar unter 14-jähriges Mädchen, welches nur mit einem T-Shirt bekleidet ist und mit gespreizten Beinen auf einem unter ihr sitzenden erwachsenen Mann sitzt, wobei dessen Penis in ihre Scheide eingeführt wird.

13

22.07.2018, 18:37 Uhr

Die ist ja auch süss naja haben mal am see so über jungs u sex geredet u was jeder schon so gemacht hat u auch Bilder u Video angekuckt

Erkennbar unter 14-jähriges, unbekleidetes Mädchen, welches draußen mit gespreizten Beinen auf einer Decke sitzt

14

22. 7. 2018, 18:48 Uhr

Na … hat gesagt dass sie erste mal sex mit 6 mit ein jungen der war 14 und jetzt macht sie öfter mit ihrn onkel

Erkennbar unter 14-jähriges, unbekleidetes Mädchen, welches neben einem älteren Jungen mit erigiertem Penis steht.

15

31.08.2018, 17:18 Uhr

Auja mag gern mal dein puller lutschen u magst du meine Scheide mal küssen u dran lecken?

Erkennbar unter 14-jähriges Mädchen, welches mit gespreizten Beinen auf einem Sofa sitzt.

16

31.08.2018, 18:36 Uhr

Kannst ja mal versuchen bei … rein zu stecken die hier ist auch erst 5

Etwa 5-jähriges Mädchen, welches mit einem hochgezogenen Kleid bekleidet ist und mit gespreizten Beinen auf einem Mann sitzt, dessen Penis in ihre Scheide eingeführt wird.

17

05.11.2018, 17:06 Uhr

Erkennbar unter 14-jähriger Junge, welcher mit einem T-Shirt bekleidet auf einem Sofa liegt, wobei dessen erigierter Penis im Fokus des Bildes liegt.

18

16.01.2019, 19:48 Uhr

Erkennbar unter 14-jähriges Mädchen, welches unbekleidet in einem Bett liegt, wobei es die Beine in die Höhe gespreizt hat.

19

04.02.2019, 21:55 Uhr

Möchte gerne dein Pimmel saugen mein Schatz

Erkennbar unter 14-jähriges Mädchen, welches den Oralverkehr an einem Jungen ausführt.

20

22.07.2018, 17:51 Uhr

Soll ich so?

Erkennbar unter 14-jähriges Mädchen, welches den Oralverkehr an einem Jungen ausführt.

21

22.07.2018, 18:02 Uhr

Willst mich da lecken u puller reinstecken?

Erkennbar unter 14-jähriges Mädchen, welches mit weit gespreizten Beinen auf einem Bett liegt, wobei in Nahaufnahme der Intimbereich gezeigt wird, den das Mädchen auch mit einem Finger anfasst und anschließend weit die Schamlippen auseinander zieht

22

01.09.2017, 18:32 Uhr

Erkennbar unter 14-jähriges Mädchen, welche nur mit Unterwäsche bekleidet ist und in sexuell aufreizender Haltung für die Kamera posiert.

23

04.02.2019

Du bist ja eine Süße! Hast du dich auf dem Dach auch gleich poppen lassen?

Erkennbar unter 18 Jahre altes Mädchen, das auf dem Bauch liegend die Beine weit auseinanderspreizt. Der Fokus der Aufnahme liegt auf der nackten Scheide und dem nackten Anus.

24

07.06.2019

Kleine schwester und ich mit bruder

2 Mädchen im Alter von allenfalls 12 Jahren lecken am erigierten Penis eines vermutlich erwachsenen Mannes.

II.
32
Am 17.02.2022 gegen 20:20 Uhr bewahrte der Angeklagte in seiner Wohnung in der … … …, einen Laptop Packard Bell, ein Smartphone Sony, einen USB-Stick Intenso, einen USB-Stick hama und einen Laptop msi auf, auf welchen sich – wie er wusste – insgesamt 91 kinderpornographische Bilddateien und 34 jugendpornographische Bilddateien befanden.
33
Dabei zeigt das Bild mit dem Dateinamen „…jpg“ den unbekleideten Intimbereich eines erkennbar weit unter 10-jährigen Mädchens, wobei in den Anus des Mädchens ein erigierter Penis eingeführt wird.
34
Das Bild mit dem Dateinamen „f* …“ zeigt ein etwa 3- bis 4-jähriges Mädchen, welches unbekleidet auf dem Boden kniet, wobei es mit beiden Händen den erigierten Penis eines Mannes umfasst.
35
Das Bild mit dem Dateinamen „…jpg“ zeigt ein nicht ausschließbar bereits 14-, aber noch nicht 18-jähriges unbekleidetes Mädchen, welches mit nach oben gespreizten Beinen auf einer Couch sitzt, wobei es einen Gegenstand in seine Scheide einführt.
36
Alle weiteren Bilder haben einen ähnlichen oder vergleichbaren Inhalt und sind damit ebenfalls als kinder- oder jugendpornographisch einzustufen.“
37
3. Der vorstehende Sachverhalt steht nach Art. 55 Halbs. 1 i.V.m. Art. 25 Abs. 1 BayDG fest. Sämtliche tatsächlichen Feststellungen zur objektiven und subjektiven Seite einer Straftat eines rechtskräftigen Urteils im Strafverfahren, das den selben Sachverhalt wie das Disziplinarverfahren betrifft, sind für das Verwaltungsgericht als Disziplinargericht bindend (vgl. BayVGH, U.v. 17.1.2024 – 16a D 21.2138 – juris Rn. 38). Die Bindungswirkung umfasst im Fall der Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Straftat auch die Feststellung, dass der Beamte vorsätzlich und schuldhaft gehandelt hat, wobei Letzteres sowohl für die Frage der Schuldunfähigkeit nach § 20 StGB als auch wegen des zweistufigen Aufbaus des § 21 StGB für die Frage der erheblich verminderten Schuldfähigkeit gilt (vgl. BayVGH, U.v. 17.1.2024 a.a.O. Rn. 43 m.w.N.).
38
Das erkennende Gericht hat keinen Anlass, sich aufgrund des Vorbringens des Beklagten oder sonstiger Erkenntnisse im Disziplinarverfahren von den strafgerichtlichen Feststellungen zu lösen. Nach Art. 55 Halbs. 2 BayDG sind die Disziplinargerichte nur an offenkundig unrichtige Feststellungen in einem rechtskräftigen Strafurteil nicht gebunden. Solches käme z.B. in Betracht, wenn das Strafgericht gegen allgemeine Denkgesetze verstoßen hätte, wenn Feststellungen in einem entscheidungserheblichen Punkt unter offenkundiger Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften zustande gekommen wären oder wenn neue Beweismittel benannt werden könnten, die dem Strafgericht noch nicht zur Verfügung standen und nach denen Tatsachenfeststellungen zumindest auf erhebliche Zweifel stoßen würden (vgl. BVerwG, B.v. 27.12.2017 – 2 B 18.17 – juris Rn. 28; BayVGH, U.v. 11.5.2016 – 16a D 13.1540 – juris Rn. 53; B.v. 10.12.2007 – 16a D 07.1337 – juris Rn. 55). Dies ist hier nicht der Fall.
39
Soweit der Beklagte andere Strafverfahren betreffend kinder- und jugendpornographische Delikte und die diesbezügliche Ahndung der Taten anspricht, stellt er damit die Tatsachenfeststellungen des Amtsgerichts nicht in Frage. Gleiches gilt im Ergebnis auch, soweit er sich im Einzelnen mit den Feststellungen im von der Staatsanwaltschaft eingeholten Gutachten zu auf seinen Datenträgern vorhandenen inkriminierten Dateien auseinandersetzt. Dieses Gutachten lag dem Strafgericht vor und wurde vom Gutachter in der Hauptverhandlung vom 9. November 2021 erstattet. Es stellt somit kein neues Beweismittel dar. Dem Strafgericht war demnach u.a. bekannt, dass bei der Begutachtung von einer üblichen Endanwendernutzung ausgegangen wurde (S. 12 des Gutachtens), aufgefundene „Thumbnails“ oder „Miniaturansichten“ bedeuten, dass ein zugehöriges Originalbild vorgelegen hat (S. 13 f.), sich die exemplarisch dargestellten 29 inkriminierten Bilddateien mit kinderpornographischem Inhalt ungelöscht auf einem Laptop oder dem Smartphone befanden und u.U. in der (Papier-) Anlage zum Gutachten (anders als auf der zugehörigen CD) nicht der Originalgröße entsprechen, sondern die Bilder aus Gründen der besseren Erkennbarkeit verkleinert oder vergrößert worden sein können (S. 24 ff.). Ebenso ist dem Gutachten zu entnehmen, dass die kinderpornographischen Bilddateien sehr wahrscheinlich zum Teil automatisch ohne Zutun des Nutzers und zum Teil vom Nutzer an dem jeweiligen Speicherort abgelegt wurden (S. 25 f.) und auf den untersuchten Beweismitteln keine Verzeichnisse für die Ablage kinderpornographischer Dateien oder Hinweise auf die Verschleierung von Nutzerspuren gefunden wurden (S. 36).
40
Der Beklagte führt zwar auch aus, dass das Gutachten auf ungewollte, versehentliche, untergemengte Beimengung kinder- und jugendpornographischer Dateien schließen lasse. Soweit er damit der tatsächlichen Feststellung aus dem Strafurteil des Amtsgerichts vom 9. November 2021 (S. 2) entgegentreten will, dass der Chatverkehr dem Austausch kinderpornographischen Materials diente und er Bilder sowie Videodateien „auf Aufforderung“ erhielt, legt er aber keine unrichtigen Feststellungen im Sinne des Art. 55 Halbs. 1 BayDG dar. Dafür, dass das Strafgericht offenkundig fälschlich festgestellt hat, dass sich der Beklagte die fraglichen Dateien vorsätzlich verschaffte, bestehen keine Anhaltspunkte. Die bloße Möglichkeit, dass ein Geschehen objektiv oder subjektiv anders gewesen sein könnte, würde für eine Lösung des Disziplinargerichts von den strafgerichtlichen Feststellungen nicht ausreichen (vgl. BayVGH, U.v. 13.7.2011 – 16a D 09.3127 – juris Rn. 104 m.w.N.).
41
Der Beklagte räumte bereits im strafgerichtlichen Verfahren ein, dass ihm anlässlich Chats mit sexuellen Inhalten Bilder und Videos übermittelt wurden (s. Protokoll zur Hauptverhandlung vom 9.11.2021, S. 147 der Strafakte). Die übermittelten Bilder und Videos selbst sowie die dazugehörigen Texte, die sich dem Strafurteil entnehmen lassen und zum Teil ebenfalls ausdrücklich das Kindes- oder Jugendalter thematisieren, bestätigen den kinder- bzw. jugendpornographischen Kontext. Darüber hinaus deuten auch die in der Strafakte dokumentierten SMS-Chats, bezüglich denen zum Teil Anklage erhoben (s. Anklageschrift vom 13.7.2021, S. 124 ff. der Strafakte), das Strafverfahren aber gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt wurde (s. Protokoll zur Hauptverhandlung v. 9.11.2021, S. 147, 149 der Strafakte), darauf hin, dass die strafgerichtlichen Feststellungen in vollem Umfang zutreffen. In den besagten Chats hat das Alter der vermeintlichen Chatpartnerinnen erheblichen Raum eingenommen. Nach zum Teil gezielter Abfrage durch den Beklagten und der Angabe des Gegenübers, minderjährig zu sein, ist nicht erkennbar, dass der Beklagte den Chat jeweils abgebrochen hätte. Vielmehr hat er den sexuellen Inhalt des Chats zum Teil selbst durch Fragen nach Sexualerlebnissen oder durch die Schilderung solcher mit Kindern oder Jugendlichen angestoßen bzw. forciert. Dabei hat er zudem in einigen Fällen die angeblich minderjährige Gesprächspartnerin dazu aufgefordert, sich oder andere angesprochene „Mädchen“ (durch die Übersendung von Bildern oder Videos) zu zeigen. Das erkennende Gericht glaubt dem Beklagten in Anbetracht der vorliegenden Aktenlage und auch unter Berücksichtigung seiner Einlassungen in der mündlichen Verhandlung nicht, dass er kein Interesse an kinder- oder jugendpornographischen Bilddateien gehabt und sich sogar bemüht habe, solche Zusendungen zu verhindern. Im Übrigen genügt das Sich-Verschaffen oder der Besitz fiktiver, jedoch wirklichkeitsnaher Darstellungen, um den Tatbestand der §§ 184b, 184c StGB zu erfüllen (vgl. z.B. Ziegler in BeckOK StGB, Stand Februar 2025, § 184b Rn. 9 m.w.N.).
42
4. Durch das dem Beklagten zur Last gelegte Verhalten hat er ein einheitliches Dienstvergehen gemäß § 47 Abs. 1 BeamtStG begangen.
43
Der Beklagte hat gegen die Pflicht zu gesetzmäßigem (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG i.V.m. §§ 184b Abs. 3, 184c Abs. 3 StGB in der im Tatzeitraum ab 27.1.2015 geltenden Fassung – a.F.) und zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Satz 3 in der bis zum 6.7.2021 geltenden Fassung – a.F.) verstoßen. Das vorsätzliche und schuldhafte Dienstvergehen ist außerdienstlich begangen, weil es weder formell in das Amt des Beklagten noch materiell in die damit verbundene dienstliche Tätigkeit eingebunden war. Die kinderpornographischen Dateien waren ausschließlich auf privaten Geräten des Beklagten gespeichert (vgl. BVerwG, U.v. 19.8.2010 – 2 C 5.10 – juris Rn. 9; U.v. 18.6.2015 – 2 C 9.14 – juris Rn. 10; BayVGH, U.v. 18.12.2024 – 16a D 23.525 – juris Rn. 28).
44
Die außerdienstliche Pflichtverletzung ist disziplinarrechtlich zu ahnden, da der Besitz des Beklagten von kinder- und jugendpornographischen Schriften „nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für das Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen“ (§ 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG).
45
a) Losgelöst vom konkreten Dienstbezug kann ein Dienstvergehen regelmäßig angenommen werden, wenn der vom Gesetzgeber vorgegebene Strafrahmen für eine vorsätzlich begangene Straftat mit einer Höchststrafe von bis zu zwei Jahren im mittleren Bereich liegt und der daran gemessene Unrechtsgehalt der konkreten Tat nicht nur gering wiegt (BayVGH, U.v. 20.9.2023 – 16a D 22.2292 – juris Rn. 35). Der hier zu berücksichtigende Strafrahmen für das Sich-Verschaffen und den Besitz kinderpornographischer Schriften liegt bei einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder Geldstrafe (§ 184b Abs. 3 StGB a.F.). Der Strafrahmen für das Sich-Verschaffen und den Besitz jugendpornographischer Schriften liegt bei einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe (§ 184c Abs. 3 StGB a.F.).
46
b) Der außerdienstliche Besitz kinder- und jugendpornographischer Bild- oder Videodateien weist nach der Auffassung des Gerichts – ohne dass es an dieser Stelle darauf ankäme – darüber hinaus auch einen hinreichenden Bezug zum Amt des Beklagten auf. Anknüpfungspunkt für den Amtsbezug ist das dem Beamten verliehene Amt im statusrechtlichen Sinn, wobei sich aus dem sachlichen Bezug des Dienstvergehens zum konkreten Aufgabenbereich eine Indizwirkung ergeben kann. Der Dienstbezug ist gegeben, wenn das außerdienstliche Verhalten den Beamten in der Dienstausübung beeinträchtigt (vgl. BVerwG, U.v. 24.10.2019 – 2 C 3.18 – BVerwGE 166, 389 = juris Rn. 13 f., 16).
47
Die vom Beklagten begangenen Straftaten wecken erhebliche Zweifel daran, dass er bei der Erfüllung seiner Aufgaben die Gesetze achtet und somit dem Vertrauen des Dienstherrn und der Öffentlichkeit in die ordnungsgemäße Amtsausübung gerecht wird. Er kann als Rechtspfleger und gehobener Justizbeamter in allen Bereichen der Justizverwaltung, auch im Bereich der Strafgerichtsbarkeit, eingesetzt und/oder mit Rechtspflegeraufgaben betraut werden. Es lässt sich daher nicht ausschließen, dass er in diesem Zusammenhang mit kinder- und jugendpornographischen Daten in Berührung kommt oder auf sie (ggf. erleichtert aufgrund entsprechender Rechteeinräumung) Zugriff erhält. Wie der Beklagte im Rahmen seiner Anhörung durch die Disziplinarbehörde selbst ausführte, hätte er bereits beim Amtsgericht Weilheim, wo er nach eigenen Angaben auch originäre Rechtspflegeraufgaben wahrnahm, Zugang zu kinderpornographischen Unterlagen haben können. Nach seiner Versetzung an die Generalstaatsanwaltschaft M. hatte er im Zusammenhang mit der ihm obliegenden Aufgabe der Archivsachenbehandlung und der insoweit zu organisierenden Aussonderung der „Zentralstelle des Freistaates Bayern zur Bekämpfung gewaltdarstellender, pornographischer und sonstiger jugendgefährdender Schriften“ nach seinen eigenen Angaben bei Interesse auf Dokumente mit kinder- und jugendpornographischen Inhalten Zugriff erlangen können. Letzteres gelte ebenso für seine anschließende Zuständigkeit für die Registratur am Oberlandesgericht München. Wie der Beklagte zudem in der mündlichen Verhandlung ausführte, wurden ihm im Rahmen seiner letzten Verwendung als Gruppenleiter beim Landgericht München I eigens geringfügig Rechtspflegeraufgaben zugewiesen, um „rechtssicher“ Zugang zu Gerichtsdateien zu ermöglichen.
48
Der Amtsbezug kann auch nicht deshalb verneint werden, weil der Beklagte in anderen Bereichen eingesetzt werden könnte. Ein Beamter muss auf allen seinem Statusamt gemäßen Dienstposten einsetzbar sein. Es kann dem Dienstherrn nicht auferlegt werden, einen Beamten nur noch eingeschränkt auf solchen Dienstposten zu verwenden, auf denen dies mit Rücksicht auf dessen straf- oder disziplinarrechtlich geahndetes Fehlverhalten möglich ist. Die Organisationshoheit und Dispositionsbefugnis des Dienstherrn betreffend die Verwendung seiner Beamten steht dem entgegen (vgl. BVerwG, U.v. 16.6.2020 – 2 C 12.19 – juris Rn. 29).
49
5. Die festgestellten Dienstpflichtverletzungen wiegen nach der gebotenen Gesamtwürdigung vorliegend so schwer, dass die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis die angemessene Disziplinarmaßnahme darstellt.
50
Nach Art. 14 Abs. 1 BayDG ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 12 m.w.N.). Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist nur zulässig, wenn der Beamte wegen der schuldhaften Verletzung einer ihm obliegenden Pflicht das für die Ausübung seines Amts erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG).
51
Da die Schwere des Dienstvergehens nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des Art. 6 Abs. 1 BayDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zugeordnet werden. Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzungen, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 16).
52
Zur konkreten Bestimmung der disziplinaren Maßnahme bei einem außerdienstlichen Dienstvergehen ist in einer ersten Stufe auf den Strafrahmen zurückzugreifen, weil der Gesetzgeber mit der Strafandrohung seine Einschätzung zum Unwert eines Verhaltens verbindlich zum Ausdruck gebracht hat. Diese grundsätzliche Ausrichtung am gesetzlichen Strafrahmen gewährleistet eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarrechtliche Ahndung der Dienstvergehen und verhindert, dass die Disziplinargerichte ihre jeweils eigene Einschätzung des Gehalts eines Dienstvergehens an die Stelle der Bewertung des Gesetzgebers setzen. Maßgeblich ist damit die Einschätzung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers, nicht die Vorstellung des jeweiligen Disziplinargerichts (BVerwG, U.v. 16.6.2020 – 2 C 12.19 – juris Rn. 21). Begeht ein Beamter eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorsieht, so reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme schon bei Straftaten, die keinen besonderen Bezug zu der dienstlichen Stellung des Beamten aufweisen, bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG, U.v. 24.10.2019 – 2 C 3.18 – juris Rn. 29; BayVGH, U.v. 18.12.2024 – 16a D 23.525 – juris Rn. 34).
53
Demnach ist vorliegend der Orientierungsrahmen bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis eröffnet. Für die vorsätzliche Besitzverschaffung von kinderpornographischen Schriften sieht § 184b Abs. 3 StGB a.F. eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vor. Für die Festlegung des Orientierungsrahmens ist die Anzahl der einschlägigen Dateien ebenso ohne Bedeutung wie das Tätigkeitsfeld des betroffenen Beamten (vgl. BVerwG, B.v. 26.10.2021 – 2 B 12.21 – juris Rn. 12 f.; BayVGH, U.v. 18.12.2024 a.a.O. Rn. 35).
54
Nach der anzustellenden Gesamtbetrachtung ist der Beklagte aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, weil er durch sein Dienstvergehen das Vertrauen des Klägers und auch der Allgemeinheit endgültig verloren hat (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG).
55
a) Das Dienstvergehen ist als äußerst schwerwiegend anzusehen. Die Missachtung gesetzlicher Vorschriften, insbesondere – wie hier – solcher des Strafrechts zum Schutz besonders vulnerabler Personen, ist eine Verhaltensweise eines Beamten, die seinem Ansehen und dem des Staates in erheblichem Maße abträglich ist. Der Staat kann den Anspruch an den Bürger auf Beachtung der Gesetze umso weniger glaubhaft erheben, je mehr seine eigenen Beamten sich nicht gesetzestreu verhalten (vgl. BayVGH, U.v. 18.12.2024 – 16a D 23.525 – juris Rn. 37). Dies gilt erst recht für einen gehobenen Beamten mit weitreichender Verantwortung für das gesetzmäßige Funktionieren der Justiz, dem Rechtspflegeaufgaben übertragen werden können, in denen er weisungsungebunden nur dem Gesetz unterworfen ist, und der sich in Bezug auf für ihn aufgrund seiner Amtsträgerschaft ggf. leichter erreichbare sensible Daten nicht als zuverlässig erweist oder auch nur als unzuverlässig von der Allgemeinheit angesehen wird. Bei einem Justizbeamten, wie dem Beklagten, besteht – wie bereits ausgeführt – beim außerdienstlichen Besitz von kinderpornografischem Bildmaterial aufgrund der mit seinem Amt verbundenen Aufgaben- und daraus resultierenden Vertrauensstellung ein spezifischer Bezug zum Statusamt, der zu einem gravierenden, die Höchstmaßnahme rechtfertigenden Vertrauensverlust führt. Vorliegend ist zudem zu beachten, dass der Beklagte seit Juli 2019 als Gruppenleiter eine Führungsfunktion innehat, mit deren Achtungs- und Autoritätsanspruch sowie Vorbildwirkung und Vertrauensstellung hinsichtlich der Einhaltung der Gesetze Taten wie die Vorliegenden nicht zu vereinbaren sind. Bereits der Besitz kinder- und jugendpornographischer Schriften trägt mit der damit verbundenen Nachfrage nach derartigen Bild- und Videodateien zum schweren sexuellen Missbrauch von Kindern und damit zum Verstoß gegen ihre körperliche Unversehrtheit und Menschenwürde bei (vgl. BVerwG, U.v. 24.10.2019 – 2 C 4.18 – juris Rn. 27).
56
Zusätzlich wirkt sich nachteilig der über zwei Jahre andauernde Zeitraum aus, in dem der Beklagte die verschiedenen Teilakte des Dienstvergehens begangen hat. Auch der Inhalt des kinderpornografischen Materials fällt als besonders verwerflich ins Gewicht. Auf zahlreichen Bildern sind sexuelle Missbrauchshandlungen im Sinne des § 176, § 176a StGB in Form sexueller Handlungen an oder von Kindern (vgl. I.2, 3, 6, 11, 12, 16, 19, 20 und 24, und II. bezüglich der ersten beiden Beispielsfälle) wiedergegeben (vgl. BayVGH, U.v. 18.12.2024 – 16a D 23.525 – juris Rn. 38). Der Austausch solcher Darstellungen ist geeignet, den Markt kinder- und jugendpornographischen Materials und damit sexuellen Missbrauch zu fördern. Schilderungen sexuellen Missbrauch von Kindern wurden vom Beklagten im Übrigen auch im Rahmen der in den strafrechtlichen Ermittlungsakten dokumentierten Chats ab- bzw. nachgefragt. Solche erfolgten von ihm auch selbst.
57
Der Umstand, dass die sich vom Beklagten verschafften bzw. die bei ihm in seinem Besitz aufgefundenen kinderpornographischen und jugendpornographischen Schriften zum Teil dem Bereich des „Posing“ zuzurechnen sind, wirkt sich dabei nicht entlastend aus. Auch die Anfertigung derartiger Bilder stellt sich in hohem Maße als persönlichkeits- und sozialschädlich dar und bringt erhebliche Belastungen für die kindlichen Opfer mit sich, die in Zukunft zu nicht absehbaren Störungen in der Entwicklung ihrer Persönlichkeit führen und erheblichen Therapiebedarf nach sich ziehen können (vgl. BayVGH, U.v. 18.12.2024 – 16a D 23.525 – juris Rn. 40). Vor diesem Hintergrund ist auch die einheitliche Strafandrohung (bis drei Jahre, § 184b Abs. 3 StGB a.F.) zu verstehen, die sich auf „sexuelle Handlungen von, an oder vor einer Person unter vierzehn Jahren“ (Nr. 1a), aber auch auf „die Wiedergabe eines ganz oder teilweise unbekleideten Kindes in aufreizend geschlechtsbetonter Körperhaltung“ (Nr. 1b) bezieht. Vorliegend hat sich der Beklagte ohnehin nicht „nur“ sog. Posing-Bilder verschafft, sondern in erheblicher Zahl Bilder im Sinne des § 184b Abs. 1 Nr. 1a StGB. Der Annahme einer die Verhängung der disziplinaren Höchstmaßnahme indizierenden Schwere des Dienstvergehens kann daher auch die Anzahl der bei dem Beklagten aufgefundenen kinder- und jugendpornografischen Dateien nicht entgegenstehen, da eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen ist, die einerseits zwar die Anzahl, andererseits jedoch auch den Inhalt des inkriminierten Materials in den Blick zu nehmen und zu würdigen hat (BVerwG, B.v. 17.6.2019 – 2 B 82.18 – juris Rn. 21).
58
b) Entlastende Umstände von erheblichem Gewicht, die zu einer anderen Disziplinarmaßnahme als zur Entfernung aus dem Dienst führen müssten, greifen nicht durch. Die in der Rechtsprechung entwickelten sogenannten „anerkannten“ Milderungsgründe (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – Rn. 25 bis 36) kommen dem Beklagten nicht zugute. Solche können teilweise zu einer Disziplinarmaßnahme führen, die um eine Stufe niedriger liegt als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Maßnahme, es sei denn, es liegen gegenläufige belastende Umstände vor (vgl. BVerwG, B.v. 15.6.2016 – 2 B 49.15 – juris Rn. 13).
59
aa) Im Hinblick auf mögliche entlastende Gesichtspunkte ist dem Umstand, dass der Beklagte weder straf- noch disziplinarrechtlich vorbelastet ist, keine ausschlaggebende Bedeutung beizumessen. Eine straffreie außerdienstliche Lebensführung und ordnungsgemäße Erfüllung der Dienstpflichten darf der Dienstherr von jedem Beamten erwarten (stRspr, vgl. etwa BVerwG, U.v. 28.2.2013 – 2 C 3.12 – juris Rn. 43; B.v. 28.8.2018 – 2 B 4.18 – juris Rn. 48).
60
bb) Bei der Schwere des vom Beklagten begangenen Dienstvergehens, aufgrund dessen er sich als Beamter untragbar gemacht hat, können überdies seine herausragenden dienstlichen Leistungen, die letztlich auch zu der Beförderung in die Führungsposition führten, und der Umstand, dass er in der Vergangenheit zahlreiche Leistungsprämien und Belobigungen erhalten hat, nicht zur Verhängung einer milderen Disziplinarmaßnahme führen. Diese sind nicht geeignet, die Schwere des Dienstvergehens derart abzumildern, dass bei einem Beamten, der das in ihn gesetzte Vertrauen von Grund auf erschüttert hat, von einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis abgesehen werden könnte (vgl. BayVGH, U.v. 29.7.2015 – 16b D 14.1328 – juris Rn. 40). Hinsichtlich der zum Arbeitsverhalten ebenfalls durchweg positiven Stellungnahme von Seiten des Personalrats beim … …, der zufolge empfohlen wird, von einer Entfernung aus dem Dienst abzusehen, gilt dasselbe.
61
cc) Dass der Beklagte – nach Aufdeckung der Tat – geständig war, stellt angesichts der klaren Beweislage ebenfalls keinen gewichtigen disziplinaren Milderungsgrund dar. Da der Beklagte mehrfach und über einen längeren Zeitraum Kinder- und Jugendpornographie konsumiert hat, handelt es sich zudem nicht um eine einmalige persönlichkeitsfremde Augenblickstat, die zu einer milderen Bewertung führen könnte (vgl. BVerwG, B.v. 20.12.2013 – 2 B 35.13 – juris Rn. 6; B.v. 9.10.2014 – 2 B 60.14 – juris Rn. 28 f.).
62
dd) Der Beklagte kann sich nicht mit Erfolg auf eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit im Sinne des §§ 20, 21 StGB als durchgreifenden Milderungsgrund berufen. Abgesehen davon, dass keine Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung bestehen, aufgrund der der Beklagte nicht in der Lage gewesen sein könnte, sein pflichtwidriges Verhalten zu erkennen, hat das Strafgericht in seinem Strafurteil keines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB als erfüllt angesehen. Diese tatsächliche Feststellung eines rechtskräftigen Urteils im Strafverfahren nimmt an der Bindungswirkung teil (BVerwG, U.v. 20.4.2023 – 2 A 18.21 – Rn. 33 ff.).
63
ee) Die Therapieteilnahme, zu der der Beklagte mit Beschluss des Amtsgerichts vom 9. November 2021 angewiesen wurde, kann sich ebenfalls nicht mildernd auswirken. Zwar kann zu Gunsten eines Beamten grundsätzlich zu berücksichtigen sein, wenn er die von ihm eingeräumten Taten nachträglich aufgearbeitet hat und eine erneute Begehung entsprechender Dienstvergehen nicht mehr zu besorgen ist (vgl. BVerwG, B.v. 16.3.2017 – 2 B 42.16 – juris Rn. 26). Das gilt jedoch nicht, wenn – wie hier – auf diese Weise der Ansehens- und Autoritätsverlust nicht mehr rückgängig gemacht werden kann (vgl. BayVGH, U.v. 18.12.2024 -16a D 23.525 – juris Rn. 49 m.w.N.).
64
c) Art. 14 Abs. 1 BayDG sowie das im Disziplinarverfahren geltende Schuldprinzip und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangen, dass – über die in der Rechtsprechung entwickelten „anerkannten“ Milderungsgründe hinaus – bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme sämtliche be- und entlastenden Gesichtspunkte ermittelt und vom Gericht bei seiner Entscheidung berücksichtigt werden (BayVGH, U.v. 18.12.2024 – 16a D 23.525 – juris Rn. 50 m.w.n.). Dies führt vorliegend aber ebenfalls zu der Annahme eines vollständigen Vertrauensverlustes des Dienstherrn und der Allgemeinheit (vgl. Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG).
65
aa) Es war zwar zu erwägen, ob eine so genannte negative Lebensphase während des Tatzeitraums bestand, die je nach den Umständen des Einzelfalles mildernd berücksichtigt werden kann. Eine solche ist hier aber zu verneinen. Beim Milderungsgrund „Entgleisung während einer negativen, inzwischen überwundenen Lebensphase“ müsste es sich um eine persönlich besonders belastende Situation gehandelt haben, die so gravierend ist, dass die Pflichtverletzung des Beamten in einem milderen Licht erscheint, weil ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten vom Beamten nicht mehr erwartet und damit nicht mehr vorausgesetzt werden kann. Wenn aber das Verhalten des Beamten zum Tatzeitpunkt in keiner Hinsicht auffällig gewesen ist, bestehen auch keine Anhaltspunkte für die Annahme, der Beamte sei aufgrund von außergewöhnlichen Umständen „zeitweilig aus der Bahn geworfen“ (vgl. BVerwG, B.v. 15.6.2016 – 2 B 49.15 – juris Rn. 11; BayVGH, U.v. 10.7.2019 – 16a D 17.2126 – juris Rn. 45 m.w.N.). Selbst wenn die geschilderten privaten Probleme in Bezug auf die mehrjährige und zunehmend umfassendere Betreuungsbedürftigkeit der an Demenz erkrankten Großmutter sowie die Konflikt- bzw. Trennungssituation mit der Lebensgefährtin und Mutter der gemeinsamen Kinder als außergewöhnliche Verhältnisse im vorstehenden Sinne angesehen werden könnten, ist nicht ersichtlich ist, dass das Verhalten des Beklagten im fraglichen Zeitraum auffällig gewesen wäre. Vielmehr spricht alles für seine uneingeschränkte und sogar herausragende Leistungsfähigkeit im Dienst. Unabhängig davon stellt sich das Sich-Verschaffen und der Besitz von Kinder- und Jugendpornographie aber jedenfalls nicht als nachvollziehbare oder gar verständliche Reaktion auf die geschilderten Lebensumstände dar (vgl. BayVGH, U.v. 18.12.2024 – 16a D 23.525 – juris Rn. 51).
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bb) Schließlich ist auch das zahlenmäßige Verhältnis zwischen den aufgefundenen Dateien mit erlaubten und solchen mit strafrechtlich relevanten pornographischen Inhalten im Rahmen der Disziplinarmaßnahmenbemessung ohne wesentlichen Belang (vgl. BayVGH, U.v. 28.9.2022 – 16a D 20.1901 – juris Rn. 39). Der Besitz legaler Erwachsenenpornographie, auf die sich der beklagte insoweit beruft, vermag das Sich-Verschaffen und den Besitz kinder- bzw. jugendpornographischer Schriften nicht zu relativieren (BayVGH, U.v. 18.12.2024 – 16a D 23.525 – juris Rn. 54).
67
6. Angesichts des vom Beklagten begangenen Dienstvergehens und der aufgezeigten Gesamtwürdigung ist die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nicht unverhältnismäßig. Der Beklagte hat ein besonders schweres Fehlverhalten gezeigt. Er hat die Vertrauensgrundlage für die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses endgültig zerstört. Seine Entfernung aus dem Dienst ist die einzige Möglichkeit, das durch den Dienstherrn sonst nicht lösbare Beamtenverhältnis einseitig zu beenden. Eine anderweitige Verwendung des Beklagten – verbunden mit einer Disziplinarmaßnahme unterhalb der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis – kommt nicht als „mildere Maßnahme“ in Betracht. Wenn – wie hier – das Vertrauensverhältnis des Dienstherrn zu dem Beamten endgültig zerstört ist, weil er als Beamter „nicht mehr tragbar ist“ und es dem Dienstherrn nicht zumutbar ist, das Beamtenverhältnis mit dem Beklagten fortzusetzen, muss der Frage, ob der Beamte anderweitig, ggf. in einer anderen Behörde oder sogar Laufbahn eingesetzt werden kann, nicht nachgegangen werden (vgl. BayVGH, U.v. 24.5.2017 – 16a D 15.2267 – juris Rn. 192). Die darin liegende Härte für den Beamten ist nicht unverhältnismäßig oder unvereinbar mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise. Sie beruht auf dem vorangegangenen Fehlverhalten des für sein Handeln verantwortlichen Beklagten, der sich bewusst gewesen sein muss, dass er hiermit seine berufliche Existenz aufs Spiel setzt (BayVGH, U.v. 24.5.2017 – 16a D 15.2267 – juris Rn. 193)
68
Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG.