Titel:
(Landes) Personalvertretungsrecht, Wahlanfechtung der Haupt-Jugend- und Auszubildendenvertretung, Wahlberechtigung der Studienreferendare im ersten Halbjahr, Engere Bindung an die Dienststelle (bejaht)
Normenketten:
BayPVG Art. 25
BayPVG Art. 13 Abs. 3 Buchst. a)
BayPVG Art. 58
BayPVG Art. 64
Schlagworte:
(Landes) Personalvertretungsrecht, Wahlanfechtung der Haupt-Jugend- und Auszubildendenvertretung, Wahlberechtigung der Studienreferendare im ersten Halbjahr, Engere Bindung an die Dienststelle (bejaht)
Fundstelle:
BeckRS 2025, 4930
Tenor
Die Wahl zur Haupt-Jugend- und Auszubildendenvertretung im Jahr 2023 beim Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus am 28./29./30.11.2023 wird für ungültig erklärt.
Gründe
1
Der Antragssteller begehrt im Wege der Wahlanfechtung zum Verwaltungsgericht München die Ungültigerklärung der Wahl zur Haupt-Jugend- und Auszubildendenvertretung (HJAV) im Jahr 2023 beim Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus (StMUK) wegen des Ausschlusses von Studienreferendaren im ersten Referendariatshalbjahr an den Gymnasien, Realschulen und beruflichen Schulen von der Wahl.
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Bei der Wahl zur HJAV beim StMUK konnten Studienreferendare an den Gymnasien, Realschulen und beruflichen Schulen, die sich zum Zeitpunkt der Wahl am 28./29./30. November 2023 im ersten Halbjahr ihres Referendariats befanden, nicht teilnehmen. Insofern wurden sie auf der Grundlage eines insoweit empfehlenden Schreibens des Hauptwahlvorstands vom 30. Mai 2023 in Form einer Entscheidungshilfe an die örtlichen Wahlvorstände nicht als wahlberechtigt zugelassen. Nach Mehrheitsentscheidung des Hauptwahlvorstands fehle es an der gesetzlich geforderten engen Bindung zur Dienststelle i.S.v. Art. 13 Abs. 3 Bayerisches Personalvertretungsgesetz (BayPVG), die erst bei eigenverantwortlichem Unterricht gegeben sei.
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Daraufhin hat der Antragsteller mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 22. Dezember 2023 die Wahl angefochten. Der genannte Personenkreis hätte zur Wahl zugelassen werden müssen. Hierzu wird schriftsätzlich sowie in der mündlichen Anhörung am 21. Januar 2025 näher ausgeführt, worauf Bezug genommen wird.
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Der Antragsteller beantragt,
die Wahl zur Haupt-Jugend- und Auszubildendenvertretung im Jahr 2023 beim Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus am 28./29./30.11.2023 ist für ungültig zu erklären.
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Der Beteiligte zu 1) beantragt,
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Zur Begründung wurde schriftsätzlich insbesondere zur zentralen Bedeutung eigenverantwortlichen Unterrichtens durch die Studienreferendare ausgeführt und dass es sich insoweit um ein taugliches Mittel zur Bestimmung einer engen Bindung zur Dienststelle i.S.v. Art. 13 Abs. 3 BayPVG handle. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Erwiderung vom 2. Februar 2024 sowie die Niederschrift über die Anhörung am 21. Januar 2025 Bezug genommen.
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Die Beteiligte zu 2) stellt keinen Antrag.
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In der mündlichen Anhörung am 21. Januar 2025 wurden die Vertreter des StMUK insbesondere zur Struktur des Referendariats an Gymnasien, Realschulen und beruflichen Schulen und die Einbindung der Referendare organisatorisch und tatsächlich in den Schulalltag gehört. Auf die Niederschrift über die Anhörung wird Bezug genommen.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf Gerichtsakte Bezug genommen.
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Die Wahlanfechtung ist zulässig und begründet. Auch Studienreferendare an den Gymnasien, Realschulen und beruflichen Schulen im ersten Halbjahr ihres Referendariats sind wahlberechtigt und hätten daher nicht von der Teilnahme an der Wahl ausgeschlossen werden dürfen. Die Wahl zur HJAV im Jahr 2023 beim StMUK ist daher für ungültig zu erklären.
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1. Die Wahlanfechtung erfolgte durch den Bayerischen Realschullehrerverband e.V. innerhalb der vierzehntägigen Frist des Art. 25 Abs. 1 BayPVG nach Bekanntgabe der Wahlergebnisse am 11. Dezember 2023 unter Angabe eines Sachverhalts, der dem Antragsteller Anlass zur Annahme gab, bei der angefochtenen Wahl sei gegen wesentliche Wahlvorschriften verstoßen worden (vgl. zu diesem Erfordernis VG München, B.v. 10.10.2023 – M 20 P 23.1359 – beck-online Rn. 12). Der Antragsteller ist ein Berufsverband für Lehrerinnen und Lehrer an bayerischen Realschulen. Als solcher fällt er unter den in Art. 25 Abs. 1 BayPVG genannten Begriff der Gewerkschaften.
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2. Bei der Wahl wurde gegen wesentliche Wahlvorschriften verstoßen, indem Studienreferendare an Gymnasien, Realschulen und beruflichen Schulen in ihrem ersten Halbjahr des Referendariats von der Teilnahme an der Wahl ausgeschlossen wurden. Dieser Verstoß gegen die Wahlvorschriften kann sich durchaus auf das Ergebnis der Wahl ausgewirkt haben, Art. 25 Abs. 1 BayPVG.
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a) Gemäß Art. 13 Abs. 3 Buchst. b) BayPVG sind Dienstanfänger, Beamte im Vorbereitungsdienst und Beschäftigte in entsprechender Berufsausbildung, die ausschließlich zum Zweck der Ausbildung ohne engere Bindung zur Dienststelle beschäftigt werden, nicht wahlberechtigt. Dieser Ausschluss von der grundsätzlich bestehenden Wahlberechtigung der Beschäftigten einer Dienststelle gilt gemäß Art. 64 Abs. 1 S. 2, Art. 58 Abs. 1 S. 2 BayPVG entsprechend für die vorliegende Wahl zur HJAV. Insofern ist herauszustellen, dass nicht zwischen der Wahlberechtigung für die Personalratswahl und die Wahl zur Jugend- und Auszubildendenvertretung unterschieden werden kann (so aber eine im Hauptwahlvorstand vertretene und im Protokoll vermerkte Meinung mit dem Ziel einer zweckmäßigen Differenzierung).
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Für die Frage eines Ausschlusses von der Wahlberechtigung – der Gesetzgeber geht vom Grundsatz her von einer Wahlberechtigung für Auszubildende aus – ist dem Wortlaut der Regelung nach auf das Fehlen einer engeren Bindung zur Dienststelle abzustellen. Maßgeblich hierfür sind nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs Art und Umfang der organisatorischen und tatsächlichen Einbindung (BayVGH, B.v. 2.3.1983 – 17 C 82 A.2753 – beck-online). Dabei knüpft der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in der Bejahung der engeren Bindung an die Dienststelle im dortigen Fall bezüglich der organisatorischen Einbindung an die Führung der Personalakten, die Zuständigkeit für Personalentscheidungen, soweit sie nicht den Status berühren, also etwa Gewährung von Urlaub und Dienstbefreiung, die Erteilung von Nebentätigkeitsgenehmigung etc. und die Zuständigkeit der Dienststellenleiter als Dienstvorgesetzte und Disziplinarvorgesetze an. Die zu bejahende ausgeprägte tatsächliche Eingliederung entnimmt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof der Einbindung in den täglichen Arbeitsablauf mit Heranziehung zur Erledigung der jeweils anfallenden Dienstaufgaben, teils unter Aufsicht, teils selbstständig; die Anwärter seien an die Dienstzeiten gebunden und nähmen an dienstlichen Veranstaltungen und Dienstbesprechungen, an Personalversammlungen, Betriebsausflügen und ähnlichen Gemeinschaftsveranstaltungen teil (BayVGH, a.a.O.).
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b) Nach den Ausführungen in der Anhörung am 21. Januar 2025 steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Studienreferendare an den Gymnasien, Realschulen und beruflichen Schulen bereits in ihrem ersten Halbjahr des Referendariats von Art und Umfang her derart organisatorisch und tatsächlich in den Dienstbetrieb ihrer Seminarschule eingebunden sind, dass sie gerade nicht von der Wahlberechtigung ausgeschlossen sind. Ausgangspunkt ist dabei, dass der betroffene Personenkreis zu dieser Zeit einer Seminarschule zugeordnet ist.
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Nach den Angaben der Vertreter des StMUK in der Anhörung am 21. Januar 2025 und den ergänzenden Ausführungen des antragstellerischen Vertreters geht das Gericht für die Frage der organisatorischen und tatsächlichen Einbindung dabei von Folgendem aus:
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Es ist zu differenzieren zwischen dem Einsatz zunächst (nur) an der Seminarschule zu Beginn des Referendariats, d.h. Schulen mit regulärem Unterrichtsbetrieb, aber besonderem Schwerpunkt im Bereich der Ausbildung von Studienreferendaren, und dem sich anschließenden Einsatz an den sog. Einsatzschulen. Den Seminarschulen sind die Referendare im Realschulbereich und Bereich der beruflichen Schulen ein Jahr, im Gymnasialbereich ein halbes Jahr in Vollzeit zugewiesen. Im Bereich der beruflichen Schulen kommt eine Zuweisung an zwei Seminarschulen, nämlich zum einen die berufliche Fachrichtung betreffend und sodann eine Schule für die weiteren allgemeinen Unterrichterfächer in Betracht. Dann sind die Studienreferendare für drei Tage in der Woche der Seminarschule der beruflichen Fachrichtung zugewiesen und einen Tag der zweiten Seminarschule.
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Mit Ausnahme statusberührender Entscheidungen obliegen dem Dienstvorgesetzten an der Seminarschule Personalentscheidungen rund um die Themen Krankheit, Urlaub, einzelne Dienstbefreiungen – ausgenommen Elternzeit –, Nebentätigkeit etc..
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In Bezug auf ihre arbeitsmäßige Ausstattung erfolgt diese durch die Seminarschule mit Zur-Verfügung-Stellung einer dienstlichen E-Mail-Adresse, Ausstattung durch Dienstgeräte und eines zur Verfügung stehenden Seminarraums für die Referendare.
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Die Studienreferendare sind auch bereits in ihrem ersten Halbjahr an der Seminarschule mit einer Vollzeitbeschäftigung und einem festen Stundenplan in den Schulbetrieb der Seminarschule eingebunden. Auch wenn sie nicht vollumfänglich von Unterrichtsbeginn bis -ende im Unterrichtsgeschehen eingesetzt werden, fallen nach Angaben der Vertreter des StMUK jeden Tag Präsenztermine für die Referendare an. Neben den ausbildungsbezogenen Veranstaltungen durch – wöchentlich 90minütige – Fachsitzungen und – im Wesentlichen nachmittägliche – Ausbildung in den allgemeinen Fächern sind die Referendare in ihren ersten sechs Wochen im Wesentlichen mit Hospitation sowie eigener Vor- und Nachbereitung beschäftigt, danach unterrichtet ein Studienreferendar in seinen Fächern mittels zusammenhängenden Unterrichts, wobei hierbei wohl nicht nur von einem streng klassenbezogenen Unterricht auszugehen ist, jedenfalls unterrichten sie nicht eigenverantwortlich.
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Die Studienreferendare sind dabei durchaus in den Schullalltag integriert. Neben der Erteilung zusammenhängenden Unterrichts nehmen sie an den Klassenkonferenzen und Elternsprechtagen teil. Auch wenn die Ausübung von Pausenaufsicht und Unterrichtsvertretung vermieden werden soll, kommt es in der Praxis zu solchen Einsätzen. Bei schulischen Veranstaltungen, wie den in der mündlichen Verhandlung erörterten Schulkonzerten, -sportveranstaltungen oder -gottesdiensten sind die Referendare je nach Lehrfach von Anfang an eingebunden. Dass sie bei Wandertagen, Schulausflügen, Projektarbeiten oder Veranstaltungen des Schullebens nicht beteiligt würden – und auch nicht jdfs. teilweise mit Aufgaben betraut –, lässt sich für das Gericht nicht erkennen. Vielmehr nehmen die Studienreferendare am gesamten Schulleben teil, möglicherweise mit den Besonderheiten des Schullebens an einer Seminarschule im Vergleich zu den späteren Einsatzschulen. Nachvollziehbar, aber einer derartigen Gesamtwürdigung nicht entgegenstehend ist die Aussage der Vertreterin der Beteiligten zu 2) in der Anhörung, dass die Seminaristen von großen Unterschieden bei den jeweiligen Seminarschulen in Bezug auf die Einbindung in das Schulleben berichteten.
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Soweit der Hauptwahlvorstand und auch der Beteiligte zu 1) an die Erteilung eigenverantwortlichen Unterrichts i.S. der jeweiligen Zulassungs- und Ausbildungsordnungen (§ 19 Abs. 1 Nr. 5 ZALG, § 17 Abs. 1 Nr. 5 ZALR, § 3 Abs. 3 Satz 3 ZALBV, § 21 Abs. 1 Satz 1 ZALGM, § 19 Abs. 1 Satz 1 ZALS) und der sich daraus ergebenden Mitgliedschaft in der Lehrerkonferenz gemäß Art. 58 Abs. 2 Satz 1 BayEUG als entscheidendem Merkmal anknüpfen, handelt es sich um zwei durchaus wichtige Aspekte, die es nicht zu verkennen gilt, aber auch nicht zu übergewichten. Der Lehrerkonferenz kommt als zentralem schulischem Gremium nach den für alle Schularten geltenden Art. 58 BayEUG ein hohes Gewicht zu. Alleine hierauf abzustellen, genügt jedoch nicht den hohen Anforderungen an den Ausschluss von der Wahlberechtigung. Schließlich sind die Referendare durchaus zuhörend an der Lehrerkonferenz teilnahmeberechtigt, solange ihnen mangels eigenverantwortlichen Unterrichts keine Mitgliedschaft zukommt. Bereits während ihrer Zeit an der Seminarschule obliegt den Studienreferendaren – nach den ersten sechs Wochen – die Erteilung von Unterricht, sog. zusammenhängendem Unterricht. Dieser mag noch nicht eigenverantwortlich sein, ist aber dennoch Bestandteil des schulischen Alltags, insbesondere an den Seminarschulen. Für die Frage der organisatorischen und tatsächlichen Einbindung an der Dienststelle handelt es sich somit um zwei bedeutsame Faktoren bezüglich der formalen Stellung von Studienreferendaren, aber angesichts der übrigen organisatorischen und tatsächlichen Einbindung nicht um Aspekte, die eine engere Bindung zur Seminarschule entfallen ließen.
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c) Durch die Wahlberechtigung kommt es entgegen bestehender Befürchtungen auch nicht zu nicht mehr hinnehmbaren Verzerrungen bei der Wahl und mit Blick etwa auf den örtlichen Personalrat eine verhältnismäßig höhere Gewichtung der Stimmenanteile der nur vorübergehend zugewiesenen Studienreferendare gegenüber dem Stammpersonal. Hierbei ist aus Sicht der Kammer vielmehr zu berücksichtigen, dass der betroffene Personenkreis an einer sog. Seminarschule eingesetzt ist, die sich gerade in besonderer Weise durch die Anzahl der Studienreferendare und ihre Ausrichtung mit Ausbildungsschwerpunkt auszeichnet. Folglich bildet ein entsprechendes Stimmengewicht des Personenkreises der Studienreferendare auch durchaus die Struktur dieser Dienststellen ab und wäre selbst eine womöglich größere Gewichtung der Interessen der Studienreferendare in den dortigen Personalvertretungen nicht nur hinnehmbar, sondern ggf. gerade realitätsbezogen und dienststellenadäquat.
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d) Ein Vergleich mit Rechtsreferendaren und dem juristischen Vorbereitungsdienst verbietet sich schon insoweit, als diese gerade nicht näher in den Dienstbetrieb eingebunden sind und sich die nur punktuellen Berührungspunkte zum Dienstbetrieb – statt Einbindung in den gesamten Gerichts- und Behördenalltag – auf den Zweck der Ausbildung beschränken.
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Soweit in der Kommentarliteratur in einer älteren Ausgabe noch die Auffassung vertreten wurde, „Studienreferendare ohne Lehrauftrag“ seien von der Wahl ausgeschlossen (Ballerstedt u.a., Bayerisches Personalvertretungsgesetz, 176 Aufl. Stand Dezember 2021 – Art. 13 Rn. 34a) und hierzu auf eine Entscheidung des VGH Baden-Württemberg (B.v. 21.9.1972 – IX 203/72) Bezug genommen wird, findet sich diese Kommentierung in der neuesten Ausgabe nicht mehr (Ballerstedt u.a., Bayerisches Personalvertretungsgesetz, 184 AL September 2023). Auch vermag der Bezug auf eine 50 Jahre zurückliegende Rechtsprechung nicht zu überzeugen, nachdem sich seitdem Schulsystem und Ausbildung im Referendariat wesentlich verändert haben. Folglich wurde in der Literatur zuletzt zutreffend kritisch die vorliegende Frage diskutiert und die bisherige Auslegung in Zweifel gezogen (Shah in Der Personalrat 2023 S. 37 ff.).
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Auf die Wahlanfechtung hin war daher die Wahl zum HJAV beim StMUK für ungültig zu erklären.
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Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.