Inhalt

VG München, Beschluss v. 03.03.2025 – M 11 SN 24.7851
Titel:

Eilantrag einer Standortgemeinde gegen eine auf drei Jahre befristete Baugenehmigung für eine Unterkunft für Flüchtlinge und Asylbegehrende (erfolgreich), Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters, Rückbauverpflichtung

Normenketten:
BauGB § 14
BauGB § 35 Abs. 5
BauGB § 36
BauGB § 246 Abs. 9
BauGB § 246 Abs. 13
§ 246 Abs. 14 BauGB:
Schlagworte:
Eilantrag einer Standortgemeinde gegen eine auf drei Jahre befristete Baugenehmigung für eine Unterkunft für Flüchtlinge und Asylbegehrende (erfolgreich), Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters, Rückbauverpflichtung
Fundstelle:
BeckRS 2025, 4928

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 7. November 2024 gegen den Bescheid des Landratsamts Bad Tölz-Wolfratshausen vom … Oktober 2024 (* … …*) wird angeordnet.
II. Der Antragsgegner und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte.
III. Der Streitwert wird auf EUR 7.500,-- festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin begehrt als Standortgemeinde die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen eine der Beigeladenen erteilte, auf drei Jahre befristete Baugenehmigung für den Neubau einer Containeranlage zur Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbegehrenden auf dem Grundstück FlNr. 1280/14, Gemarkung G* … (Baugrundstück).
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Das Baugrundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 133 in der Fassung der am 8. April 2021 in Kraft getretenen 4. Änderung (nachfolgend: Bebauungsplan), der – entsprechend den Darstellungen im Flächennutzungsplan der Antragstellerin – für das Baugrundstück ein emissionskontingentiertes Gewerbegebiet nach § 8 BauNVO festsetzt. Anlagen für soziale Zwecke sind nicht ausgeschlossen.
3
Im Oktober 2023 beantragte die Beigeladene die Erteilung einer auf zehn Jahre befristeten Baugenehmigung für den Neubau einer Containeranlage zur Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbegehrenden. Später erklärte die Beigeladene formlos, nur noch eine auf drei Jahre befristete Baugenehmigung zu begehren.
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Nach Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens fasste der Stadtrat der Antragstellerin in der Sitzung vom … Oktober 2023 einen Aufstellungsbeschluss für die 5. Änderung des Bebauungsplans und beschloss hierzu eine Veränderungssperre. Durch die 5. Änderung sollen insbesondere Anlagen für soziale Zwecke ausgeschlossen werden. Aufstellungsbeschluss und Veränderungssperre wurden am *. November 2023 ortsüblich bekannt gemacht.
5
Mit Beschluss vom … März 2024 versagte der Stadtrat der Antragstellerin das gemeindliche Einvernehmen zu der von der Beigeladenen unter dem**. Januar 2024 – der Antragstellerin von dem Antragsgegner am … Februar 2024 übermittelt – beantragten Ausnahme von der Veränderungssperre.
6
Mit Schreiben vom … April 2024 und vom … August 2024 hörte der Antragsgegner die Antragstellerin auch zu der beabsichtigten Abweichung von der Veränderungssperre nach § 246 Abs. 14 BauGB sowie zur Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens an. Die Antragstellerin nahm mit Schreiben vom … Mai 2024 und … September 2024 Stellung und versagte mit Beschluss vom … September 2024 das gemeindliche Einvernehmen.
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Mit Bescheid vom … Oktober 2024 erteilte der Antragsgegner unter Zulassung einer Ausnahme von der Veränderungssperre (hilfsweise unter Abweichung von der Voraussetzung, dass überwiegende öffentliche Belange der Ausnahme nicht entgegenstehen dürfen) sowie unter Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens eine Baugenehmigung für den Neubau von drei Containergebäuden als Unterkunft für Flüchtlinge und Asylbegehrende für 160 Personen, befristet auf drei Jahre ab Nutzungsaufnahme. Der Bescheid enthielt unter anderem die Nebenbestimmung, dass das Vorhaben nach Ablauf der Geltungsdauer der Baugenehmigung zurückzubauen sei (Ziffer IV. Nr. 5 des Bescheids).
8
Am 7. November 2024 erhob die Antragstellerin Klage gegen den Bescheid vom … Oktober 2024, über die noch nicht entschieden ist (M 11 K 24.6650).
9
Am 23. Dezember 2024 hat die Antragstellerin Eilrechtsschutz beantragt. Sie greift den Bescheid unter verschiedenen rechtlichen Gesichtspunkten an und beruft sich dabei sowohl auf ihre gemeindliche Planungshoheit als auch die Rechtsposition, die ihr durch ihre eigentümerähnliche Rechtsstellung an dem unmittelbar an das Baugrundstück angrenzenden Vorhabengrundstück (Fl.Nr. 1280/12) zukomme. Insbesondere seien die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Ausnahme von der Veränderungssperre nicht gegeben, sodass die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens bzw. die Abweichung von diesem Erfordernis rechtswidrig sei. Die Voraussetzungen von § 246 Abs. 12, 13a und Abs. 14 BauGB seien nicht erfüllt. Unter anderem fehle es an einer förmlichen Abweichungsentscheidung nach § 246 Abs. 14 BauGB sowie an einer gesicherten Rückbauverpflichtung. Die im Lauf des Eilverfahrens vorgelegte, von der Beigeladenen abgegebene Rückbauverpflichtung vom … Januar 2025 sei nicht ausreichend, ebenso wenig die Nebenbestimmung in Ziffer IV. Nr. 5 des Bescheids.
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Die Antragstellerin beantragt,
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1. Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 07.11.2024 gegen den Baugenehmigungsbescheid des Landratsamts Bad Tölz-Wolfratshausen vom …10.2024 – Geschäftszeichen: … … – wird angeordnet.
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2. Die Vollziehung des Baugenehmigungsbescheids des Landratsamts Bad Tölz-Wolfratshausen vom …10.2024 – Geschäftszeichen: … … – wird bis zur Entscheidung über den Antrag nach Ziffer I. ausgesetzt.
13
Der Antragsgegner beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Der Antragsgegner tritt dem Vorbringen der Antragstellerin entgegen. Er meint darüber hinaus, der erste Bürgermeister der Antragstellerin sei zur Beauftragung eines Prozessbevollmächtigten mit der Stellung des Eilantrags nicht befugt gewesen. Der erforderliche ordnungsgemäße Stadtratsbeschluss fehle. Das gemeindliche Einvernehmen sei zurecht ersetzt worden. Der Veränderungssperre mangele es am Sicherungsbedürfnis, da der zu ändernde Bebauungsplan unwirksam sei. Die Festsetzung von Emissionskontingenten sei fehlerhaft. Überdies bestehe ein Bekanntgabemangel. Der Beigeladenen sei statt einer Rückbauverpflichtung als Nebenbestimmung der Rückbau des Vorhabens nach Befristungsablauf aufgegeben worden. Jedenfalls habe sich dieser Punkt durch Vorlage der auf den … Januar 2025 datierenden Rückbauverpflichtung der Beigeladenen erledigt.
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Die Beigeladene beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Sie verteidigt den angefochtenen Bescheid. Eine Rückbauverpflichtung sei gar nicht erforderlich, da sich die streitgegenständliche Baugenehmigung auf § 14 Abs. 2 i.V.m. § 246 Abs. 12 Satz 1 Nr. 1 BauGB stütze. Die nachgereichte Rückbauverpflichtung sei jedenfalls ausreichend und werde durch die Nebenbestimmung in Ziffer IV. Nr. 5 des Bescheids abgesichert. Ergänzend führt sie u.a. aus, die Veränderungssperre sichere eine Negativplanung ab und sei deshalb unwirksam.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die beigezogene Behördenakte sowie die Gerichtsakten des Eil- und des Hauptsacheverfahrens sowie der Parallelverfahren (Nachbarklage), die unter den Az. M 11 K 24.6762 und M 11 SN 25.413 anhängig sind.
II.
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Der Antrag zu 1. ist zulässig (1.) und begründet (2.). Der Antrag zu 2. auf Erlass einer Zwischenverfügung ist gegenstandslos geworden (3.).
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1. Der Antrag zu 1. ist zulässig.
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a) Der Eilantrag wurde durch einen ordnungsgemäß bevollmächtigten Rechtsanwalt im Namen der Antragstellerin gestellt. Zwar war der erste Bürgermeister selbst zur Beauftragung und Bevollmächtigung des Prozessbevollmächtigten mangels Organkompetenz nicht befugt, Art. 38 Abs. 1 Satz 2, 29, 37 GO (aa). Es lag jedoch bereits im Zeitpunkt der Antragstellung ein ordnungsgemäßer Beschluss des organzuständigen Stadtrats vor (bb). Jedenfalls aber wurde die Prozessführung durch den ersten Bürgermeister mit Beschluss des Stadtrats der Antragstellerin vom … Februar 2025 rückwirkend genehmigt (cc).
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aa) Bei der Stellung des hier gegenständlichen Eilantrags handelte es sich nicht um eine Angelegenheit, für die der erste Bürgermeister der Antragstellerin organzuständig war.
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(1) Die Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters im Außenverhältnis ist nach Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GO nicht umfassend, sondern mit der kommunalverfassungsrechtlichen Zuständigkeitsverteilung im Innenverhältnis synchronisiert (vgl. BayLT-Drs. 17/14651, S. 17). Gemäß Art. 29 GO wird die Gemeinde durch den Gemeinderat verwaltet, soweit nicht der erste Bürgermeister selbständig entscheidet. Nach Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO erledigt der erste Bürgermeister in eigener Zuständigkeit insbesondere die laufenden Angelegenheiten, die für die Gemeinde keine grundsätzliche Bedeutung haben und keine erheblichen Verpflichtungen erwarten lassen. Diese Merkmale sind unbestimmte Rechtsbegriffe und verlangen eine auf die konkrete Gemeinde bezogene Betrachtung (Wernsmann/Kriegl in BeckOK Kommunalrecht Bayern, 24. Edition Stand: 1.11.2024, Art. 37 Rn. 2 ff.). Der Gemeinderat kann den Begriff der laufenden Angelegenheiten durch Richtlinien nach Art. 37 Abs. 1 Satz 2 GO weiter präzisieren. Diese Richtlinien wirken konstitutiv und sind gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar (BayVGH, U.v. 16.2.2006 – 4 N 05.779 – juris Rn. 50 ff.). Darüber hinaus kann der Gemeinderat dem ersten Bürgermeister nach Maßgabe von Art. 37 Abs. 2 GO weitere Angelegenheiten zur selbständigen Erledigung übertragen.
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(2) Bei der Stellung des hier gegenständlichen Eilantrags handelt es sich weder um eine Angelegenheit der laufenden Verwaltung nach Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO noch um eine dem Bürgermeister nach Art. 37 Abs. 2 GO übertragende Angelegenheit.
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Nach § 15 Abs. 1 Nrn. 1 und 4 der Geschäftsordnung des Stadtrats der Antragstellerin (nachfolgend: Geschäftsordnung) erledigt der Bürgermeister in eigener Zuständigkeit die laufenden Angelegenheiten i.S.v. Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO (Nr. 1) sowie die ihm vom Stadtrat nach Art. 37 Abs. 2 Satz 1 GO übertragenen Angelegenheiten (Nr. 4). Zu den Aufgaben des ersten Bürgermeisters gehören nach § 15 Abs. 2 Nr. 2 der Geschäftsordnung die unter Buchst. a bis f aufgezählten Angelegenheiten mit finanziellen Auswirkungen für die Stadt, insbesondere Handlungen oder Unterlassen jeder Art mit Auswirkungen für die Stadt, darunter der Abschluss von Verträgen und sonstiger Rechtsgeschäfte sowie die Wahrnehmung von Rechten und Pflichten der Stadt bis zu einem Betrag oder einer Wertgrenze oder einem geschätzten Auftragswert von 50.000 EUR (Buchst. d). Nach § 15 Abs. 2 Nr. 3 der Geschäftsordnung ist der Bürgermeister auch in den unter Buchst. a und b aufgezählten Rechts- und Verwaltungsangelegenheiten zuständig. Dazu gehören die Behandlung von Rechtsbehelfen einschließlich Abhilfeverfahren, die Abgabe von Prozesserklärungen einschließlich Klageerhebung, Einlegung von Rechtsmitteln und Abschluss von Vergleichen sowie die Erteilung des Mandats an eine/n Prozessbevollmächtigte/n, wenn die finanzielle Auswirkung auf die Stadt bzw. falls diese nicht bestimmbar, der Streitwert voraussichtlich 50.000 EUR nicht übersteigt und die Angelegenheit keine grundsätzliche Bedeutung hat (Buchst. a). Ob es sich dabei um Richtlinien nach Art. 37 Abs. 1 Satz 2 GO handelt, die auch in eine Geschäftsordnung integriert werden können (vgl. BayVGH, U.v. 16.2.2006 – 4 N 05.779 – juris Rn. 74), oder um eine Aufgabenübertragung nach Art. 37 Abs. 2 GO, ist unklar. Der Stadtrat wollte sich insoweit erkennbar nicht festlegen. Dies geht aus § 15 Abs. 4 der Geschäftsordnung hervor, wonach Aufgaben nach Absatz 2, die nicht unter Art. 37 Abs. 1 Satz 1 GO fallen, dem Ersten Bürgermeister gemäß Art. 37 Abs. 2 GO zur selbständigen Erledigung übertragen werden. Ob ein Fall des Art. 37 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 Satz 1 GO vorliegt, kann letztlich dahinstehen: Die Zuständigkeit des ersten Bürgermeisters kann nicht aus § 15 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. d der Geschäftsordnung hergeleitet werden. Der Begriff der Wahrnehmung von Rechten und Pflichten im Sinne dieser Bestimmung der Geschäftsordnung kann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass er auch die Erhebung einer Klage oder eines Eilantrags erfasst. Zwar ist in Buchst. d von „Handlungen oder Unterlassen jeder Art“ die Rede, was grundsätzlich auch die Einlegung von Rechtsbehelfen umfassen könnte. Allerdings legen die in der Vorschrift genannten Beispiele („Abschluss von Verträgen und sonstiger Rechtsgeschäfte“) nahe, dass es in erster Linie um Rechte und Pflichten geht, die im Zusammenhang mit Rechtsgeschäften stehen. Andernfalls hätte die Bestimmung einen nur betragsmäßig, sachlich aber fast nicht beschränkten Anwendungsbereich, was unter Bestimmtheitsgesichtspunkten bedenklich wäre. Zudem handelt es sich bei der Einlegung von Rechtsbehelfen nach der vom Stadtrat vorgenommenen Differenzierung zwischen verschiedenen Aufgabenbereichen um Rechts- und Verwaltungsangelegenheiten (§ 15 Abs. 2 Nr. 3 der Geschäftsordnung), die nicht zum Kreis der Angelegenheiten mit finanziellen Auswirkungen für die Stadt (§ 15 Abs. 2 Nr. 2 der Geschäftsordnung) gehören. Auch auf § 15 Abs. 3 Buchst. a der Geschäftsordnung kann die Zuständigkeit des ersten Bürgermeisters nicht gestützt werden. Zwar erfasst diese Regelung die Abgabe von Prozesserklärungen einschließlich Klageerhebung, also – erst recht – auch die Stellung eines Eilantrags und auch die Begrenzung auf einen Streitwert von 50.000 EUR ist vorliegend eingehalten. Bei dem hier gegenständlichen Eilantrag handelt es sich jedoch um eine Angelegenheit von grundsätzlicher Bedeutung. Das wird schon daran deutlich, dass die Antragstellerin selbst nicht von einer Zuständigkeit des ersten Bürgermeisters ausgegangen zu sein scheint. Denn andernfalls hätte es des in der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses der Antragstellerin am *. November 2024 getroffenen Beschlusses zu Tagesordnungspunkt 6 nicht bedurft. Zudem handelt es sich bei dem vorliegenden Rechtsstreit auch objektiv um eine Angelegenheit von grundsätzlicher Bedeutung. Die Errichtung einer Unterkunft für Flüchtlinge- und Asylbewerber für bis zu 160 Personen ist in einer Gemeinde in der Größenordnung der Antragstellerin kein alltäglicher Vorgang, sondern berührt zahlreiche, für die Gemeinde und ihre Einwohner grundsätzlich bedeutsame Fragen (Städtebau, öffentliche Einrichtungen, sozialer Friede, öffentliche Sicherheit und Ordnung usw.). Das wird nicht zuletzt dadurch unterstrichen, dass die Antragstellerin das geplante Vorhaben zum Anlass genommen hat, ein Verfahren zur Änderung des für das Baugrundstück geltenden Bebauungsplans einzuleiten und das Wiederkaufsrecht hinsichtlich des Baugrundstücks sowie des Nachbargrundstücks auszuüben.
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(3) Auch die Eilkompetenz nach Art. 37 Abs. 3 Satz 1 GO konnte der erste Bürgermeister nicht in Anspruch nehmen. Nach dieser Vorschrift ist der erste Bürgermeister befugt, an Stelle des Gemeinderats oder eines Ausschusses dringliche Anordnungen zu treffen und unaufschiebbare Geschäfte zu besorgen. Eine Angelegenheit ist dringlich, wenn eine spätere Entscheidung des an sich zuständigen Gemeinderats nicht abgewartet werden kann, weil dieser auf Grund des Zeitablaufs nicht mehr oder nicht mehr ebenso entscheiden könnte, wodurch der Gemeinde Nachteile entstünden (BayVGH, B.v. 3.3.2023 – 1 NE 22.2231 – juris Rn. 19; B.v. 13.8.2014 – 22 CS 14.1224 – juris Rn. 21). Im vorliegenden Fall fasste der Haupt- und Finanzausschuss des Stadtrats der Antragstellerin in seiner Sitzung vom … November 2024 zu Tagesordnungspunkt 6 den Beschluss, durch den der erste Bürgermeister ermächtigt wurde, „alle mit der für die beiden Klagen zur Ausübung des Wiederkaufsrechtes sowie gegen die Baugenehmigung an Flurstück 1280/14 der Gemarkung G* … verbundene Aufträge zu erteilen bzw. jegliche Erklärungen hierüber abzugeben.“ Erst am 23. Dezember 2024 – beinahe sieben Wochen später – ging der Eilantrag bei Gericht ein. In dieser Zeit wäre hinreichend Zeit gewesen, den Stadtrat einzuberufen und Beschluss zu fassen.
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bb) Da ein Handeln des Bürgermeisters in eigener Zuständigkeit demnach ausscheidet, bedurfte es eines ordnungsgemäßen Stadtratsbeschlusses. Der Beschluss des Haupt- und Finanzausschusses vom *. November 2024 genügt diesen Anforderungen.
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(1) Dass der Haupt- und Finanzausschuss anstelle des Stadtrats entschieden hat, führt nicht zur Unwirksamkeit des Beschlusses vom *. November 2024.
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Nach Art. 32 Abs. 2 Satz 1 GO kann der Gemeinderat die Verwaltung bestimmter Geschäftszweige oder die Erledigung einzelner Angelegenheiten beschließenden Ausschüssen übertragen. Die Bildung dieser Ausschüsse und die Bestimmung ihres Zuständigkeitsbereichs kann jedenfalls durch die Geschäftsordnung geregelt werden (vgl. BayVGH, U.v. 30.1.2009 – 1 N 08.1119 – juris Rn. 29).
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Der Stadtrat der Antragstellerin hat in § 11 der Geschäftsordnung Regelungen zu beschließenden Ausschüssen getroffen. Nach § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a der Geschäftsordnung ist der Haupt- und Finanzausschuss für Angelegenheiten mit finanziellen Auswirkungen für die Stadt zuständig, soweit diese keinem anderen Ausschuss übertragen sind und soweit nicht der erste Bürgermeister dafür zuständig ist. Nach § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a Spiegelstrich 4 der Geschäftsordnung trifft der Haupt- und Finanzausschuss Entscheidungen jeder Art mit finanziellen Auswirkungen für die Stadt, wie insbesondere der Abschluss von Verträgen, Durchführungsverträgen und sonstigen Rechtgeschäften sowie die Wahrnehmung von Rechten und Pflichten der Stadt. Wie bereits ausgeführt, spricht der Vergleich zu § 15 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. d und Nr. 3 Buchst. a der Geschäftsordnung dagegen, die Einlegung von Rechtsbehelfen unter den Begriff der „Wahrnehmung von Rechten und Pflichten“ zu subsumieren. Letztlich kommt es darauf aber nicht entscheidend an. Denn selbst wenn der Haupt- und Finanzausschuss unzuständig gewesen sein sollte, läge darin zunächst nur ein Verstoß gegen die Geschäftsordnung der Antragstellerin, der die Wirksamkeit des Beschlusses vom *. November 2024 grundsätzlich unberührt lassen würde. Ein unter Verstoß gegen die Geschäftsordnung gefasster Beschluss ist nämlich nur dann unwirksam, wenn er zugleich gegen gesetzliche Vorschriften über die Verfassung und Verwaltung der Gemeinde verstößt (BayVGH, U.v. 30.1.2009 – 1 N 08.1119 – juris Rn. 29; OVG NW, U.v. 27.8.1996 – 15 A 32/93 – juris Rn. 5 ff.; Gaß in Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, 34. EL Januar 2024, Art. 45 Rn. 8; Jung/Wolff, BeckOK Kommunalrecht Bayern, 24. Edition, Stand: 1.11.2024, Art. 45 Rn. 2 a.E.). So liegt der Fall hier aber nicht. Bei der Beschlussfassung über die Einlegung eines Rechtsbehelfs handelt es sich insbesondere nicht um eine Angelegenheit, die nach Art. 32 Abs. 2 Satz 2 GO nicht auf einen beschließenden Ausschuss hätte übertragen werden dürfen.
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(3) Auch der Umstand, dass der Beschluss vom … November 2024 in nichtöffentlicher Sitzung gefasst worden ist, führt nach summarischer Prüfung nicht zu seiner Unwirksamkeit.
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Nach Art. 52 Abs. 2 Satz 1 GO sind die Sitzungen des Gemeinderats öffentlich, soweit nicht Rücksichtnahme auf das Wohl der Allgemeinheit oder auf berechtigte Ansprüche Einzelner entgegenstehen. Über den Ausschluss der Öffentlichkeit wird nach Satz 2 der Vorschrift in nichtöffentlicher Sitzung beraten und entschieden. Bei Anwendung und Auslegung der Rechtsbegriffe „Wohl der Allgemeinheit“ und „berechtigte Ansprüche Einzelner“ ist einer bayerischen Gemeinde ein gewisser Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum eingeräumt. Demnach ist die Entscheidung für den Ausschluss der Öffentlichkeit rechtlich nicht zu beanstanden, wenn sie von objektiv nachvollziehbaren Sachgründen getragen ist (BayVGH, 3.4.2018 – 15 ZB 17.318 – juris Rn. 9; B.v. 20.4.2015 – 4 CS 15.381 – juris Rn. 16; Glaser in Widtmann/Grasser/Glaser, BayGO, 34. EL Januar 2024, Art. 52 Rn. 39; Geis, Kommunalrecht, 6. Aufl. 2023, § 11 Rn. 131; Becker in Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, Öffentliches Recht in Bayern, 2. Teil, Rn. 267; Gaß, BayVBl 2016, 463/465; a.A. Jung in BeckOK Kommunalrecht Bayern, 24. Edition, Stand: 1.11.2024, Art. 52 Rn. 29 f. [stattdessen: ex-ante-Betrachtung]; Paehlke, BayVBl 2010, 357/363). Dabei spricht viel dafür, dass es sich bei dem Öffentlichkeitsgrundsatz nicht um eine bloße Ordnungsvorschrift handelt (so noch BayVGH, B.v. 14.3.2000 – 4 ZB 97.1313, 4 C 97.1396 – BayVBl. 2000, 695; E.v. 23.11.1906, VGH 28, 11), sondern um tragendes Prinzip der Kommunalverfassung, sodass ein zu Unrecht erfolgter vollständiger Ausschluss der Öffentlichkeit zur Unwirksamkeit des in nichtöffentlicher Sitzung gefassten Beschlusses führt (BVerwG, U.v. 27.9.2021 – 8 C 31.20 – juris Rn. 17 ff.; BayVGH, B.v. 29.1.2018 – 20 CS 17.1824 – juris Rn. 18; U.v. 26.1.2009 – 2 N 08.124 – juris Rn. 8). Diese Frage kann jedoch offenbleiben, denn im vorliegenden Fall wurde nicht gegen Art. 52 Abs. 2 Satz 1 GO verstoßen:
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Aus dem von der Antragstellerin vorgelegten – teilweise verdeckten – Beschlussbuchauszug ergibt sich, dass Gegenstand des in nichtöffentlicher Sitzung behandelten Tagesordnungspunktes 6 die Klagen der Antragstellerin im Zusammenhang mit der Ausübung des Wiederkaufsrechts u.a. an dem Baugrundstück und der Baugenehmigung für das streitgegenständliche Vorhaben waren. Der Entscheidung, ob Klage erhoben und ggf. auch ein Eilantrag gestellt werden soll, liegen prozesstaktische Erwägungen zugrunde, deren Erörterung in nichtöffentlicher Sitzung nicht zu beanstanden ist; denn andernfalls könnte die Prozessstrategie der Gemeinde der Gegenseite vorzeitig bekannt werden (OVG Saarl, B.v. 21.4.2010 – 3 B 123/10 – juris Rn. 12; OVG NW, U.v. 24.4.2001 – 15 A 3021/97 – juris Rn. 33; Jung in BeckOK Kommunalrecht Bayern, 24. Edition, Stand: 1.11.2024, Art. 52 Rn. 23.3). Ob in der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am *. November 2024 tatsächlich geheimhaltungsbedürftige Fragen erörtert worden sind, ist ohne Belang. Dies liefe auf eine ex-ante-Betrachtung hinaus, die mit Blick auf die Unvorhersehbarkeit der einzelnen Wortbeiträge und die Tatsache, dass über den Ausschluss der Öffentlichkeit naturgemäß nur vor einer Sitzung entschieden werden kann, nicht sachgerecht ist.
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Auch der nach Art. 52 Abs. 2 Satz 2 GO erforderliche Beschluss liegt vor. Denn hierfür genügt ein konkludenter Beschluss, der auch darin liegen kann, dass der beschließende Ausschuss die vom ersten Bürgermeister vorgesehene Behandlung eines Beratungspunktes für die nichtöffentliche Sitzung stillschweigend akzeptiert (Glaser in Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, 34. EL Januar 2024, Art. 52 Rn. 45; Jung in BeckOK Kommunalrecht Bayern, 25. Edition, Stand: 1.2.2025, Art. 52 Rn. 27). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben, denn aus den von der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 21. Februar 2025 übermittelten Unterlagen ergibt sich, dass die Beschlussfassung über die Klage gegen die streitgegenständliche Baugenehmigung als Tagesordnungspunkt 6 in der Tagesordnung für die Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am *. November 2024 aufgeführt war. Zu der zu Beginn der Sitzung gestellten Frage des ersten Bürgermeisters, ob Einwände gegen die Tagesordnung bestünden, sind in dem von der Antragstellerin vorgelegten Auszug aus der Niederschrift keine Wortmeldungen verzeichnet, sodass von einer konkludenten Billigung auszugehen ist. Selbst wenn man einen ausdrücklichen Beschluss verlangen wollte (Wachsmuth in PdK Bayern, 29. Nachlieferung Mai 2024, Art. 52 GO Anm. 4.3), so bliebe ein Verstoß gegen Art. 52 Abs. 2 Satz 2 GO jedenfalls folgenlos, da es sich hierbei um eine reine Ordnungsvorschrift handelt (Jung in BeckOK Kommunalrecht Bayern, 25. Edition, Stand: 1.2.2025, Art. 52 Rn. 27).
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cc) Die Prozessführung durch den vom ersten Bürgermeister beauftragten Prozessbevollmächtigten wurde jedenfalls durch den in öffentlicher Sitzung mehrheitlich gefassten Beschluss des Stadtrats der Antragstellerin vom 25. Februar 2025 mit Rückwirkung genehmigt. Dieser Beschluss lässt sich trotz seines eher auf eine noch bevorstehende Ergreifung von Rechtsbehelfen hindeutenden Wortlauts als Genehmigung der bisherigen Prozessführung verstehen. Eine solche Genehmigung hat gem. § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 89 Abs. 2 ZPO rückwirkende Kraft (vgl. BayVGH, B.v. 26.2.2015 – 11 ZB 14.2491 – juris Rn. 19; ThürOVG, U.v. 27.10.2008 – 3 KO 452/06 – juris Rn. 61).
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b) Der Eilantrag ist nach § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung statthaft, da der Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung (Ziffer I. 1. Tiret des Bescheids) sowie die ihr beigegebene Abweichung von örtlichen Bauvorschriften (Ziffer I. 2. Tiret des Bescheids) und die Entscheidungen in Ziffer I. 3. Tiret des Bescheids (Ausnahme gemäß § 14 Abs. 2 BauGB und Befreiung nach § 246 Abs. 12 Satz 1 Nr. 1 BauGB) und 4. Tiret des Bescheids (Ausnahme gemäß § 14 Abs. 2 BauGB und Abweichung nach § 246 Abs. 14 BauGB) nach § 212a BauGB abweichend von § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO keine aufschiebende Wirkung zukommt (vgl. Széchényi in Jäde/Dirnberger, BauGB, 9. Auflage 2018, § 212a Rn. 2; Kalb/Külpmann in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 156. EL September 2024, § 212a Rn. 24). Dasselbe gilt für die einen eigenständigen Verwaltungsakt darstellende Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens (Ziffer II.), wobei angesichts der Regelung in Art. 67 Abs. 3 Satz 2 BayBO offenbleiben kann, ob § 212a BauGB hierauf anwendbar ist (vgl. Széchényi in Jäde/Dirnberger, BauGB, 9. Auflage 2018, § 212a Rn. 2; Kalb/Külpmann in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 156. EL September 2024, § 212a Rn. 24).
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2. Der Eilantrag ist auch begründet.
39
Das Gericht hat im Rahmen der nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden eigenen Ermessensentscheidung abzuwägen, ob die Interessen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts sprechen, oder diejenigen, die für die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung streiten, höher zu bewerten sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen. Diese sind ein wesentliches, aber nicht das alleinige Indiz für und gegen den gestellten Antrag. Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein (weil er zulässig und begründet ist), so wird regelmäßig nur die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben (weil er unzulässig oder unbegründet ist), so ist dies ein starkes Indiz für die Ablehnung des Eilantrags. Sind schließlich die Erfolgsaussichten offen, findet eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten unabhängige Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt (vgl. BayVGH, B.v. 18.9.2017- 15 CS 17.1675 – juris Rn. 11; B.v. 7.11.2022 – 15 CS 22.1998 – juris Rn. 25; BVerwG, B.v. 11.11.2020, 7 VR 5.20 – juris Rn. 8).
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Nach diesem Maßstab wird die in der Hauptsache erhobene Anfechtungsklage voraussichtlich Erfolg haben.
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a) Maßgeblich für die Beurteilung, ob die Erteilung der Baugenehmigung vom … Oktober 2024 ohne das Einvernehmen der Antragstellerin zu Recht erfolgt ist, ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Bescheiderlasses. Bei der Klage einer Gemeinde gegen eine Genehmigung, die unter Ersetzung erforderlichen Einvernehmens erteilt wurde, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses dieses Bescheids abzustellen; nach diesem Zeitpunkt eintretende Änderungen müssen unberücksichtigt bleiben (BVerwG, U.v. 9.8.2016 – 4 C 5.15 – juris Rn. 14 zu § 14 Abs. 2 Satz 2 BauGB; BayVGH, B.v. 4.10.2024 – 9 CS 24.545 – juris Rn. 19 zu § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Diese zu § 36 Abs. 2 und § 14 Abs. 2 Satz 2 BauGB ergangene Rechtsprechung kann auch auf Fälle übertragen werden, in denen die Anhörung der Gemeinde nach § 246 Abs. 14 Satz 3 BauGB an die Stelle des gemeindlichen Einvernehmens tritt, da auch diese Regelung dem Schutz der gemeindlichen Planungshoheit dient.
42
b) Die angefochtene Baugenehmigung war im maßgeblichen Zeitpunkt ihres Erlasses rechtswidrig, da es an einer Rückbauverpflichtung und deren Sicherstellung fehlte. Eine solche war unabhängig davon erforderlich, ob der Bebauungsplan, dessen Änderung durch die Veränderungssperre abgesichert werden soll, unwirksam ist.
43
aa) Die von der Antragstellerin erlassene Veränderungssperre erweist sich bei summarischer Prüfung nicht schon deshalb als unwirksam, weil hierdurch – wie die Beigeladene meint – eine reine Negativ- bzw. Verhinderungsplanung abgesichert werden soll.
44
Eine Negativplanung, die sich darin erschöpft, einzelne Vorhaben auszuschließen, reicht für den Erlass einer Veränderungssperre nicht aus (BVerwG, B.v. 23.8.2023 – 4 BN 18.23 – juris Rn. 5; BVerwG, U.v. 9.8.2016 – 4 C 5.15 – juris Rn. 19; B.v. 1.10.2009 – 4 BN 34.09 – juris Rn. 9; B.v. 5.2.1990 – 4 B 191.89 – juris Rn. 3; U.v. 10.9.1976 – IV C 39.74 – juris Rn. 29). Von einer Verhinderungsplanung ist indes nur auszugehen, wenn dem zu sichernden Bebauungsplan keine positive Planungskonzeption zugrunde liegt oder eine in Wirklichkeit gar nicht gewollte positive Zielsetzung nur vorgeschoben wird, um einen Bauwunsch zu durchkreuzen (BVerwG, B.v. 18.12.1990 – 4 NB 8.90 – juris Rn. 13 ff.). Dass die Gemeinde ein konkretes Vorhaben zum Anlass der Aufstellung oder Änderung eines Bebauungsplanes nimmt, lässt dabei keinen Schluss auf die Rechtmäßigkeit der Planung zu (BVerwG, B.v. 18.12.1990 – 4 NB 8.90 – juris Rn. 15). Dabei ist zu beachten, dass eine positive Planung stets auch negative, den Festsetzungen widersprechende Vorhaben verhindernde Wirkungen haben kann (BayVGH, U.v. 11.10.2021 – 2 N 19.2383 – juris Rn. 32). Gleichzeitig können positive Planungsziele auch durch negative Festsetzungen erreicht werden (BayVGH, U.v. 13.2.2025 – 9 N 24.940 – juris Rn. 20; B.v. 29.9.2005 – 1 CS 05.1959 – juris Rn. 19).
45
Nach diesem Maßstab handelt es sich bei der 5. Änderung des Bebauungsplans nicht um eine unzulässige Negativ- bzw. Verhinderungsplanung. Zwar zielt die zu sichernde Planung in erster Linie auf den Ausschluss bestimmter Nutzungen (Anlagen für soziale Zwecke und Beherbergungsbetriebe) ab. Dem liegt jedoch die (positive) städtebauliche Konzeption zugrunde, durch den Ausschluss dieser Nutzungen Immissionskonflikte mit bestehenden Gewerbebetrieben zu vermeiden und u.a. die Ansiedlung auch emissionsintensiver Betriebe zu fördern. Dass die Antragstellerin dieses Ziel auch tatsächlich verfolgt, erscheint plausibel. Denn bereits in der geltenden Fassung des Bebauungsplans ist ein entsprechendes gemeindliches Planungskonzept erkennbar. So sind nach Ziffer 2.3 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans Betriebsleiterwohnungen nur unter einschränkenden Voraussetzungen zulässig, um den Gebietscharakter des Gewerbegebiets zu erhalten (vgl. Begründung zur 1. Änderung des Bebauungsplans, S. 5 unter 8.). Dass auch die Ansiedlung emissionsintensiver Gewerbebetriebe ermöglicht und nun abgesichert werden soll, zeigt sich zudem – ungeachtet ihrer Wirksamkeit – an der Festsetzung von Emissionskontingenten von bis zu 70 dB(A)/m2 am Tag.
46
Ob die Veränderungssperre deshalb unwirksam ist, weil der zu ändernde Bebauungsplan möglicherweise an beachtlichen Fehlern leidet (insbesondere im Zusammenhang mit der Festsetzung von Emissionskontingenten), kann offen bleiben, da der Erfolg der Hauptsache hiervon nicht abhängt.
47
bb) Die von der Antragsgegnerin erlassene Veränderungssperre konnte, sofern sie nicht wegen der möglichen Unwirksamkeit des Bebauungsplans unwirksam wäre, nur durch eine Abweichung nach § 246 Abs. 14 BauGB und nicht durch Zulassung einer Ausnahme nach § 14 Abs. 2 Satz 2 BauGB überwunden werden. Die Voraussetzungen des § 246 Abs. 14 BauGB lagen indes nicht vor.
48
(1) Die dem Vorhaben entgegenstehende Veränderungssperre konnte nicht durch Zulassung einer Ausnahme nach § 14 Abs. 2 Satz 2 BauGB überwunden werden. Zwar hat der 9. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs unter Heranziehung der Wertungen des § 246 Abs. 12 BauGB entscheiden, dass überwiegende öffentliche Belange einer Ausnahme von der Veränderungssperre nach § 14 Abs. 2 Satz 1 BauGB nicht entgegenstehen, wenn die Genehmigung für das mit der künftigen und durch die Veränderungssperre abgesicherten Planung unvereinbare Vorhaben – wie hier – auf drei Jahre befristet ist (BayVGH, B.v. 24.6.2024 – 9 CS 24.458 – juris Rn. 13 ff.). Das ändert nichts daran, dass eine Ausnahme gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 BauGB nur im Einvernehmen mit der Gemeinde zugelassen werden darf. Die Antragstellerin hat ihr Einvernehmen mit Beschluss vom … März 2024 indes versagt. Eine Ersetzung des Einvernehmens nach Art. 67 Abs. 1 Satz 1 BayBO kam insoweit nicht in Betracht. Nach Art. 67 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann das gemeindlichen Einvernehmen nur ersetzt werden, wenn es rechtswidrig versagt wurde. Hier war die Versagung des gemeindlichen Einvernehmens durch Beschluss des Bau- und Umweltausschusses vom 12. September 2024 indes rechtmäßig. Denn gehört eine materiell-rechtliche Norm zum Prüfprogramm der Baugenehmigung, die ein Genehmigungsermessen einräumt, so kann das gemeindliche Einvernehmen nur ersetzt werden, wenn dieses Ermessen auf Null reduziert ist (vgl. Dirnberger in Busse/Kraus, BayBO, 156. EL Dezember 2024, Art. 67 Rn. 85). Das war vorliegend nicht der Fall. Zwar ist in der älteren Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Falle einer auf zwei Jahre befristeten Baugenehmigung für eine Containeranlage zur Unterbringung von rund 150 Asylbewerbern eine Reduzierung des der Gemeinde in § 14 Abs. 2 Satz 2 BauGB eingeräumten Ermessens auf Null bejaht worden, wobei sich die Streitsache nach Auffassung des Senats „an der Grenzen dessen bewegt[e], was eine Gemeinde (als Trägerin der Planungshoheit) hinzunehmen“ habe (BayVGH, B.v. 12.8.1992 – 1 CS 92.2058 – NVwZ 1993, 278/279). Im vorliegenden Fall geht es indes um eine auf drei Jahre befristete Baugenehmigung. Der damit verbundene Eingriff in die Planungshoheit der Antragstellerin ist deutlich größer, sodass eine Ermessensreduzierung auf Null nicht mehr gerechtfertigt erscheint. Nichts anderes ergibt sich aus § 246 Abs. 12 BauGB. Denn nach § 246 Abs. 12 Satz 4 i.V.m. § 36 BauGB kann von den Festsetzungen des Bebauungsplans nur im Einvernehmen mit der Standortgemeinde befreit werden, wobei der Gemeinde auch hier bei der Entscheidung über die Erteilung des Einvernehmens ein Ermessensspielraum zusteht (Kment in Jarass/Kment, BauGB, 3. Aufl.2022, § 246 Rn. 24; Mitschang/Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 15. Aufl. 2022, § 246 Rn. 39). Eine Verengung des gemeindlichen Ermessensspielraums ist auch nicht erforderlich, um den Belangen von Flüchtlingen und Asylbegehrenden und ihrer Unterbringung (vgl. § 1 Abs. 6 Nr. 13 BauGB) Rechnung zu tragen. Denn hierfür hat der Gesetzgeber in den vergangenen Jahren zahlreiche Sonderregelungen geschaffen, insbesondere in § 246 Abs. 8 bis 17 BauGB. Diesen liegt eine vom Gesetzgeber selbst getroffene Abwägungsentscheidung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Flüchtlingsunterbringung, der gemeindlichen Planungshoheit und den Interessen des Bauherrn zugrunde, die nicht durch eine extensive Auslegung der allgemeinen bauplanungsrechtlichen Vorschriften unterlaufen werden darf. Insbesondere dürfen die Subsidiaritätsklauseln in § 246 Abs. 13a und Abs. 14 Satz 1 BauGB nicht umgangen werden, die ein Zurücktreten der gemeindlichen Planungshoheit insbesondere an die Voraussetzung eines dringenden Unterkunftsbedarfs im Gebiet der Gemeinde, in der sie entstehen sollen, knüpfen.
49
(2) Die Voraussetzungen für eine Abweichung von der Veränderungssperre nach § 246 Abs. 14 Satz 1 BauGB lagen im Genehmigungszeitpunkt nicht vor.
50
(a) Für unter Anwendung des § 246 Abs. 14 Satz 1 BauGB genehmigte Vorhaben bestimmen § 246 Abs. 14 Sätze 5 bis 8 i.V.m. § 35 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 1 und Satz 3 BauGB als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung die Abgabe einer Verpflichtungserklärung durch den Vorhabenträger, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung (oder – im Falle einer Befristung – spätestens nach Ablauf der Geltungsdauer der Baugenehmigung) zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen. Die Erfüllung dieser Verpflichtung soll zudem von der Baugenehmigungsbehörde nach Maßgabe des § 35 Abs. 5 Satz 3 BauGB gesichert werden. Die Rückbauverpflichtung gilt dabei für alle Vorhaben, die nach § 246 Abs. 14 Satz 1 BauGB zugelassen worden sind, d.h. auch dann, wenn der Vorhabenstandort nicht dem Außenbereich zuzuordnen sein sollte (BT-Drs. 18/6185, S. 55 a.E.).
51
Das Anerkenntnis der Rückbaupflicht in Gestalt einer Verpflichtungserklärung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 35 Abs. 5 Satz 1 BauGB konstitutiv für die Genehmigungserteilung (BVerwG, U.v. 17.10.2012 – 4 C 5.11 – juris Rn. 10). Dies gilt auch bei entsprechender Anwendung dieser Vorschrift nach § 246 Abs. 14 Satz 5 BauGB. Insoweit kann die Rückbauverpflichtung zwar nicht dem Außenbereichsschutz dienen, wenn das nach § 246 Abs. 14 Satz 1 BauGB genehmigte Vorhaben nicht im Außenbereich liegt. Die Rückbauverpflichtung soll jedoch nach der Systematik des § 246 Abs. 14 BauGB absichern, dass der mit der Anwendung des Sonderabweichungstatbestandes verbundene Eingriff in die durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG verfassungsrechtlich geschützte gemeindliche Planungshoheit auch in zeitlicher Hinsicht tatsächlich auf das Maß des Erforderlichen beschränkt bleibt (VG München, B.v. 4.12.2024 – M 1 SN 24.6216 – juris Rn. 26; vgl. auch VG Würzburg, B.v. 12.6.2024 – W 5 S 24.502 – juris Rn. 41).
52
(b) Die im Eilverfahren vorgelegte, auf den 20. Januar 2025 datierende Rückbauverpflichtung kann nicht mehr berücksichtigt werden, weil es in der Hauptsache auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung ankommt. Darüber hinaus bestehen – ohne, dass dies hier entscheidungserheblich wäre – Bedenken, ob diese Rückbauverpflichtung ausreicht. Denn nach ihrem Wortlaut verpflichtet sich die Beigeladene darin, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der dem Genehmigungsantrag zugrundeliegenden Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen. Diese Formulierung passt nicht auf eine befristete Baugenehmigung. Eine Befristung der Baugenehmigung dürfte aber wiederum mit Blick auf § 246 Abs. 14 Satz 1 BauGB geboten sein, wonach Abweichungen nach diesem Absatz nur in dem erforderlichen Umfang zulässig sind.
53
(c) Auch die Nebenbestimmung in Ziffer IV. Nr. 5 der Baugenehmigung, wonach das Vorhaben nach Ablauf der befristeten Baugenehmigung zurückzubauen ist und Bodenversiegelungen zu beseitigen sind, vermag das Fehlen einer Verpflichtungserklärung im Genehmigungszeitpunkt nicht zu kompensieren. Hiergegen spricht bereits der Wortlaut des Gesetzes, das in § 246 Abs. 14 Satz 5 BauGB i.V.m. § 35 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 1 BauGB eine solche Erklärung ausdrücklich fordert. Zudem handelt es sich bei der Verpflichtung zum Rückbau um ein bauplanungsrechtliches (bundesrechtliches) Erfordernis und die Bauaufsichtsbehörde ist nicht befugt, hiervon durch in Nebenbestimmungen gekleidete bauordnungsrechtliche (landesrechtliche) Regelungen abzuweichen. Denkbar wäre allenfalls, gemäß Art. 36 Abs. 1 BayVwVfG die Wirksamkeit der Baugenehmigung von der Abgabe der Verpflichtungserklärung im Sinne einer aufschiebenden Bedingung abhängig zu machen. Dadurch wäre sichergestellt, dass mit der Bauausführung nicht vor Abgabe der Verpflichtungserklärung begonnen werden könnte. Es gibt jedoch keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Bauaufsichtsbehörde befugt wäre, die Verpflichtungserklärung durch ein aliud – etwa die vom Antragsgegner als „antizipierte Beseitigungsanordnung“ verstandene Nebenbestimmung Ziffer IV. Nr. 5 – zu ersetzen. Einen Ermessensspielraum billigt das Bundesrecht der Bauaufsichtsbehörde nur in § 35 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Satz 3 BauGB zu, allerdings beschränkt auf die Auswahl unter mehreren in Betracht kommenden Sicherungsmitteln. Deshalb kommt es auch nicht darauf an, ob eine vorweggenommene Beseitigungsanordnung – wie der Antragsgegner meint – möglicherweise effektiver ist als eine Rückbauverpflichtung. Diese Annahme ist im Übrigen zweifelhaft. Denn der Pflichtige kann sich nach Abgabe einer Rückbauverpflichtungserklärung nicht mehr mit Erfolg gegen eine spätere Beseitigungsanordnung wenden (BVerwG, U.v. 17.10.2012 – 4 C 5.11 – juris Rn. 11). Sollte der Pflichtige dennoch Rechtsschutz hiergegen suchen, so dürften die dadurch hervorgerufenen Verzögerungen nicht größer ausfallen als diejenigen, die durch Klage und Eilantrag gegen eine auch bei einer „antizipierten Beseitigungsanordnung“ noch gemäß Art. 36 Abs. 1 Satz 1 VwZVG erforderliche (isolierte) Zwangsmittelandrohung eintreten würden. Schließlich würden die vom Antragsgegner behaupteten Vorteile einer vorweggenommenen Beseitigungsanordnung erst mit deren Bestandskraft eintreten, die naturgemäß erst nach dem Zeitpunkt der Genehmigungserteilung erfolgen kann, also nach dem für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung maßgeblichen Zeitpunkt.
54
(d) Schließlich fehlt es nach summarischer Prüfung jedenfalls an der nach § 246 Abs. 14 Satz 5 i.V.m. § 35 Abs. 5 Satz 3 BauGB erforderlichen Sicherung. Da das bayerische Landesrecht die in § 35 Abs. 5 Satz 3 BauGB aufgeführte Baulast nicht kennt, kommt nur eine Sicherstellung auf andere Weise in Betracht. Insoweit steht der Bauaufsichtsbehörde ein Ermessen zu, welche Sicherungsmaßnahmen in Betracht gezogen werden. In Betracht kommen neben dinglichen Sicherungen (z.B. einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit, § 1090 BGB) z.B. auch Bürgschaften, Hinterlegung, Grundschulden usw. (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 156. EL September 2024, § 35 Rn. 108). Ggf. kann die Baugenehmigung unter die aufschiebende Bedingung gestellt werden, dass eine bestimmte Sicherung erbracht wird. Eine „antizipierte Beseitigungsanordnung“ genügt den Anforderungen des § 35 Abs. 5 Satz 3 BauGB indes nicht, selbst wenn sie bestandskräftig wird. Denn hierdurch steht die Bauaufsichtsbehörde allenfalls unwesentlich besser als bei schlichter Abgabe einer Verpflichtungserklärung, durch die der Anfechtung einer allfälligen späteren Beseitigungsanordnung von vornherein der Boden entzogen wird.
55
bb) Das Ergebnis wäre kein anderes, wenn der Bebauungsplan unwirksam wäre. In diesem Fall spräche viel für die Annahme, dass die Veränderungssperre ebenfalls unwirksam wäre. Denn diese würde dann eine Änderungsplanung absichern, die bei unterstellter Unwirksamkeit des Bebauungsplans voraussichtlich ins Leere ginge (vgl. OVG NW, U.v. 28.10.2019 – 4 C 2447/17.N – juris Rn. 45; U.v. 12.12.2005 – 10 D 27/03.NE – juris Rn. 71; VGH BW, U.v. 22.3.2006 – 3 S 1119/04 – juris Rn. 19).
56
Dann wäre das Vorhaben nach § 35 BauGB zu beurteilen, da der Vorhabenstandort weder im Geltungsbereich eines wirksamen Bebauungsplans noch im Innenbereich läge. Denn nach den über den BayernAtlas verfügbaren Karten und Luftbildern nimmt der Vorhabenstandort voraussichtlich nicht mehr an dem im Regelfall – und nach summarischer Prüfung auch hier – an den Außenwänden der Gebäude auf den Grundstücken im Norden und (Nord-)Osten des Vorhabengrundstücks endenden Bebauungszusammenhang teil (vgl. BVerwG, U.v. 12.11.2014 – 9 C 7.13 – juris Rn. 25; U. v. 16.9.2010 – 4 C 7.10 – juris Rn. 12; BayVGH, U.v. 12.2.2015 – 2 B 14.2817 – juris Rn. 33). Mangels ersichtlicher Privilegierung läge hier ein sonstiges Vorhaben i.S.v. § 35 Abs. 2 BauGB vor, das voraussichtlich planungsrechtlich grundsätzlich unzulässig wäre, da es die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert, also einen öffentlichen Belang nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 5 BauGB beeinträchtigen dürfte. Zweck dieses öffentlichen Belangs ist die Wahrung der natürlichen Eigenart der Landschaft, um eine wesensfremde Bebauung des Außenbereichs zu verhindern; der Außenbereich mit seiner naturgegebenen Bodennutzung soll für die Allgemeinheit erhalten bleiben. Aus diesem Grund sollen bauliche Anlagen abgewehrt werden, die der Landschaft wesensfremd sind oder die der Allgemeinheit Möglichkeiten der Erholung entziehen (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 154. EL April 2024, § 35 Rn. 96 m.w.N.). Mit der Errichtung des geplanten Vorhabens würde eine dem Außenbereich wesensfremde, störende Nutzung Einzug halten. Insoweit wäre die Landschaft weder der naturgegebenen Bodennutzung mehr zugänglich noch als Erholungsraum geeignet.
57
Das Vorhaben könnte demnach nur zugelassen werden, wenn der vorgenannte öffentliche Belang dem Vorhaben nicht nach § 246 Abs. 9 oder 13 i.V.m. § 35 Abs. 4 Satz 1 BauGB entgegengehalten werden könnte. Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Normen sind indes voraussichtlich nicht erfüllt: Die Voraussetzungen des von § 246 Abs. 13 BauGB unberührt bleibenden § 246 Abs. 9 BauGB dürften nicht vorliegen. Denn nach dieser Vorschrift müsste das Vorhaben im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit nach § 30 Absatz 1 oder § 34 zu beurteilenden bebauten Flächen innerhalb des Siedlungsbereichs erfolgen. Sofern man der Bebauung im (Nord-)Osten überhaupt die Qualität eines Ortsteils i.S.v. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB zusprechen wollte, so läge der Vorhabenstandort jedenfalls nicht mehr „innerhalb des Siedlungsbereichs“. Ausweislich der Gesetzesmaterialien soll § 246 Abs. 9 BauGB insbesondere in Ballungszentren ermöglichen, „zur Bewältigung der Zuwanderung in geeigneten Fällen auch die sogenannten ‚Außenbereichsinseln im Innenbereich‘, also die im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit bebauten Flächen gelegenen Außenbereichsflächen [zu] nutzen.“ (BT-Drs. 18/2752, S. 7 a.E.). Die Erweiterung eines Siedlungsbereichs nach außen trägt § 246 Abs. 9 BauGB indes nicht (VGH BW, B.v. 23.2.2017 – 3 S 149/17 – juris Rn. 14; VG Ansbach, U.v. 29.6.2017 – AN 3 K 16.00874 – juris Rn. 75 ff.; Battis/Mitschang/Reidt, NVwZ 2014, 1609/1613; Kment in Jarass/Kment, Baugesetzbuch, 3. Aufl. 2022, § 246 Rn. 10). Hierzu käme es jedoch voraussichtlich durch Verwirklichung des streitgegenständlichen Vorhabens. Denn die Flächen westlich und südlich des Vorhabenstandorts sind nicht bebaut, während das nächste Gebäude im Norden auf Grundstück FlNr. 1280/15 mehr als 80 m entfernt ist. Die nur etwa 20 m entfernte Bebauung im Osten auf Grundstück FlNr. 1280/12 führt nicht dazu, dass der Vorhabenstandort noch dem Siedlungsbereich zugeordnet werden könnte.
58
Deshalb wäre das Vorhaben nur dann teilprivilegiert, wenn die Voraussetzungen des § 246 Abs. 13 BauGB vorlägen. Insoweit fehlte es aber jedenfalls im maßgeblichen Zeitpunkt an einer Rückbauverpflichtung und es fehlt – soweit ersichtlich – auch noch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an einer § 246 Abs. 13 Satz 4 i.V.m. § 35 Abs. 5 Satz 3 BauGB erforderlichen Sicherstellung dieser Verpflichtung (s.o.).
59
c) Da die Hauptsache bereits wegen einer Verletzung der gemeindlichen Planungshoheit voraussichtlich Erfolg haben wird, kommt es nicht mehr darauf an, ob die Antragstellerin auch in ihrer Rechtsposition als Grundstücksnachbarin verletzt ist.
60
Die vorgenannten Mängel des Bescheids vom … Oktober 2024 können im gerichtlichen Verfahren aufgrund des maßgeblichen Zeitpunkts der Sach- und Rechtslage voraussichtlich auch nicht mehr geheilt werden. Dem Antragsgegner bleibt es indes unbenommen, den Bescheid vom … Oktober 2024 aufzuheben und – unter Beachtung der gemeindlichen Beteiligungserfordernisse – insbesondere unter Beachtung der Voraussetzungen von § 35 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 1 und Satz 3 BauGB erneut zu erlassen.
61
3. Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer Zwischenverfügung ist durch die vorliegende Entscheidung gegenstandslos geworden (BayVGH, B.v. 1.12.2022 – 10 CE 22.2378, 10 C 22.2379 – juris Rn. 36; B.v. 4.10.2022 – 10 CE 22.1365 – juris Rn. 18; B.v. 15.12.2010 – 6 CS 10.2697 – juris Rn. 22).
62
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 und 3 VwGO.
5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und 9.10 des Streitwertkatalogs.