Inhalt

OLG Nürnberg, Beschluss v. 14.01.2025 – Ws 1047/24
Titel:

Haarprobe als Suchtmittelkontrollweisung im Rahmen der Führungsaufsicht

Normenketten:
StGB § 68b Abs. 1 Nr. 10, Abs. 2 S. 1 und 4,
§ 56c Abs. 3 Nr. 1
StGB § 68a, § 68b Abs. 1 S. 1 Nr. 10, § 68f, § 223
Leitsätze:
1. Im Rahmen der Führungsaufsicht kann gemäß § 68b Abs. 1 Nr. 10 StGB auch ohne Einwilligung des Verurteilten angeordnet werden, dass er sich Suchtmittelkontrolle durch Entnahme von Haarproben zu unterziehen hat. Diese Maßnahme ist nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden (§§ 68b Abs. 2 Satz 4, 56c Abs. 3 Nr. 1 StGB).  (Rn. 25 – 28)
2. Die Führungsaufsichtsweisung, Anordnungen des Bewährungshelfers gewissenhaft Folge zu leisten, widerspricht dem Bestimmtheitsgebot. (Rn. 32)
Schlagworte:
Führungsaufsicht, Haarprobe, Suchtmittelkontrollweisung
Vorinstanz:
LG Amberg, Beschluss vom 08.10.2024 – 2 StVK 589/22
Fundstellen:
FDStrafR 2025, 000490
BeckRS 2025, 490

Tenor

1. Die Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der Kleinen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Amberg vom 08.10.2024 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die in Ziffer 4.a) erteilte Weisung, Anordnungen des Bewährungshelfers gewissenhaft zu befolgen, aufgehoben wird und die in Ziffer 3.f) erteilte Weisung klarstellend wie folgt neu gefasst wird:
Der Verurteilte wird gemäß § 68b Absatz 1 StGB strafbewehrt angewiesen,
„…
f) sich nach näherer Weisung durch die Bewährungshilfe mindestens einmal, höchstens dreimal pro Quartal bei dem für den Wohnsitz zuständigen Gesundheitsamt, einer forensischen Ambulanz, dem Landgerichtsarzt, dem rechtsmedizinischen Institut einer deutschen Universität, einem Krankenhaus oder einem niedergelassenen Arzt oder einem medizinischen Labor Suchtmittelkontrollen hinsichtlich Betäubungsmitteln nach dem BtMG, Cannabis und neuen psychoaktiven Stoffen zu unterziehen, die nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sind, namentlich Suchtmittelscreenings und/oder Haarentnahmen, und die Ergebnisse sodann unverzüglich der Bewährungshilfe zuzuleiten oder zuleiten zu lassen. Die Kosten der Untersuchung trägt bis auf weiteres die Staatskasse (§ 68b Absatz 1 Satz 1 Nr. 10 StGB).“
2. Die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird als unbegründet verworfen.
3. Der Verurteilte trägt die Kosten seiner Rechtsmittel.

Gründe

1
Die Kleine Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Amberg hat mit Beschluss vom 08.10.2024 festgestellt, dass die nach Vollverbüßung der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren wegen gefährlicher Körperverletzung mit Vergewaltigung mit sexueller Nötigung sowie gefährlicher Körperverletzung aus dem Urteil des Landgerichts Augsburg vom 24.06.2020 (Az. 3 KLs 201 Js 119310/19) eintretende Führungsaufsicht nicht entfällt und die Höchstdauer von fünf Jahren nicht abgekürzt wird. Neben Unterstellung des Verurteilten unter die Aufsicht und Leitung der Bewährungshilfe- und Führungsaufsichtsstelle erteilte die Strafvollstreckungskammer dem Verurteilten strafbewehrte und nicht strafbewehrte Weisungen.
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In Ziffer 3.f) wird der Verurteilte strafbewehrt angewiesen, „sich nach näherer Weisung durch die Bewährungshilfe mindestens einmal, höchstens dreimal pro Quartal bei dem für den Wohnsitz zuständigen Gesundheitsamt, einer forensischen Ambulanz, dem Landgerichtsarzt, dem rechtsmedizinischen Institut einer deutschen Universität, einem Krankenhaus oder einem niedergelassenen Arzt oder einem medizinischen Labor Suchtmittelkontrollen zu unterziehen, die nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sind, namentlich Suchtmittelscreenings und/oder Haarentnahmen, und die Ergebnisse sodann unverzüglich der Bewährungshilfe zuzuleiten oder zuleiten zu lassen. Die Kosten der Untersuchung trägt bis auf weiteres die Staatskasse.“
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In Ziffer 4.a) wird der Verurteilte nicht strafbewehrt angewiesen, „Anordnungen des Bewährungshelfers gewissenhaft zu befolgen“.
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Mit seinem Schreiben vom 18.10.2024, eingegangen beim Landgericht Amberg am 21.10.2024, legte der Verurteilte „form- und fristgerecht Rechtsmittel der Beschwerde“ ein und kündigte eine Beschwerdebegründung durch seinen Rechtsanwalt an.
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Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Schreiben vom 08.11.2024 beantragt, die sofortige Beschwerde und die Beschwerde als unbegründet kostenfällig zu verwerfen.
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Der Verurteilte hatte Gelegenheit zur Stellungnahme, eine Beschwerdebegründung ist nicht eingegangen.
II.
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Das Beschwerdeschreiben des Verurteilten ist nach § 300 StPO umfassend sowohl als sofortige Beschwerde gegen das Nichtentfallen der Führungsaufsicht in Ziffer 1. Satz 1 des angegangenen Beschlusses als auch als Beschwerde gegen die unter Ziffer 1. Satz 2 und Ziffern 2. bis 5. im angegangenen Beschluss getroffenen Regelungen anzusehen.
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1. Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen das Nichtentfallen der Führungsaufsicht in Ziffer 1. Satz 1 des Beschlusses ist statthaft, rechtzeitig erhoben und damit zulässig (§ 463 Abs. 3 S. 1, 454 Abs. 1 und Abs. 3 S. 1, 306, 311 StPO).
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Hinsichtlich der nach §§ 463 Abs. 2, 453 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1, 306 StPO statthaften, formgültig erhobenen und damit zulässigen Beschwerde gegen die unter Ziffer 1. Satz 2 und Ziffern 2. bis 5. des angefochtenen Beschlusses getroffenen Regelungen hindert die fehlende Nichtabhilfeentscheidung eine Entscheidung des Senates nicht, da diese keine Verfahrensvoraussetzung ist (Meyer-Goßner/Schmitt, Kommentar, StPO, 67. Aufl., zu § 306 Rdnr. 10 m.w.N.).
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2. Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen das Nichtentfallen der Führungsaufsicht in Ziffer 1. Satz 1 des Beschlusses hat in der Sache keinen Erfolg.
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Nach § 68f Abs. 1 S. 1 StGB tritt nach vollständiger Vollstreckung einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen vorsätzlicher Straftaten mit der Entlassung des Verurteilten aus dem Strafvollzug Führungsaufsicht ein. Zwar kann gemäß § 68f Abs. 2 StGB angeordnet werden, dass die Maßregel entfällt, wenn zu erwarten ist, dass der Verurteilte auch ohne die Führungsaufsicht keine Straftaten mehr begehen wird. Eine solche Anordnung hat jedoch Ausnahmecharakter. Zweifel gehen zu Lasten des Verurteilten. Die Anforderungen nach § 68f Abs. 2 StGB sind strenger als die nach § 57 Abs. 1 Nr. 2 StGB (Fischer, Kommentar, StGB, 71. Aufl., zu § 68f Rdnr. 9). Insoweit hat die Strafvollstreckungskammer zutreffend ausgeführt, dass keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Verurteilte auch ohne die Führungsaufsicht keine Straftaten mehr begehen wird und es deshalb bei der grundsätzlich vorgesehenen Führungsaufsicht verbleiben muss.
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3. Die Beschwerde gegen die Nichtabkürzung der Höchstdauer der Führungsaufsicht in Ziffer 1. Satz 2 des Beschlusses hat keinen Erfolg.
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Dass das Landgericht die Höchstdauer der befristeten Führungsaufsicht von fünf Jahren nicht gemäß § 68c Abs. 1 S. 1 StGB abgekürzt hat, ist nicht zu beanstanden. Die Höchstdauer der Führungsaufsicht ist nur dann schon bei Beginn der Maßregel zu verkürzen, wenn bereits in diesem Zeitpunkt aufgrund einer zuverlässigen Prognose feststeht, dass die Höchstdauer verfehlt ist (Fischer, ebenda, zu § 68c Rdnr. 3). Vorliegend sind keine Umstände erkennbar, aus denen sich dies ergibt.
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4. Die Beschwerde gegen die Unterstellung unter die Aufsicht und Leitung der Bewährungshilfe und der Führungsaufsichtsstelle in Ziffer 2. des Beschlusses ist unbegründet, denn sie ist gesetzliche Folge der Führungsaufsicht (§ 68a Abs. 1 StGB).
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5. Die Beschwerde gegen die Anordnung einzelner Weisungen der Führungsaufsicht in Ziffern 3. und 4. des angefochtenen Beschlusses ist im Wesentlichen unbegründet und hat nur in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg.
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a) Hinsichtlich der erteilten Weisungen kann die eingelegte Beschwerde nach den §§ 463 Abs. 2, 453 Abs. 2 S. 2 StPO nur darauf gestützt werden, dass eine Anordnung der Strafvollstreckungskammer gesetzwidrig ist. Eine erteilte Weisung ist gesetzeswidrig, wenn sie im Gesetz nicht vorgesehen, unverhältnismäßig oder unzumutbar ist, oder wenn sie sonst die Grenzen des dem erstinstanzlichen Gericht eingeräumten Ermessens überschreitet. Außerdem kann eine Weisung gesetzeswidrig sein, wenn sie dem Bestimmtheitsgrundsatz nicht entspricht. Im Übrigen verbleibt es bei dem Grundsatz, mit Führungsaufsichtsanordnungen verbundene Ermessensentscheidungen der ersten Instanz zu überlassen.
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b) Das Kontaktverbot in Ziffer 3.a) des angefochtenen Beschlusses dient dem Opferschutz, beruht auf § 68b Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StGB und ist vor dem Hintergrund, dass beim Verurteilten eine nicht behandelte Gewaltproblematik wiederholt zu Gewaltstraftaten führte, nicht zu beanstanden.
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c) Die in Ziffer 3. b) erteilte strafbewehrte Weisung beruht auf § 68b Abs. 1 S. 1 Nr. 7 StGB und ist nicht zu beanstanden. Eine mindestens einmal, höchstens viermal monatliche persönliche – oder auch telefonische – Meldung beim Bewährungshelfer belastet den Verurteilten nicht übermäßig, selbst wenn er in der Gesamtschau der Weisungen noch maximal zwei weitere monatliche Vorstellungstermine bei der Fachambulanz für Gewaltstraftäter, höchstens einen monatlichen Termin im Rahmen der Suchtmittelscreenings und maximal vier monatliche Termine bei der Suchtberatung wahrzunehmen hat.
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d) Die strafbewehrte Weisung in Ziffer 3.c) ist nicht zu beanstanden. Die Mitteilungspflicht bei Wechsel der Wohnung und/oder des Arbeitsplatzes beruht auf § 68b Abs. 1 S. 1 Nr. 8 StGB und ist bestimmt genug.
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e) Die strafbewehrte Weisung in Ziffer 3.d) ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Meldepflicht im Falle der Erwerbslosigkeit bei der Agentur für Arbeit oder einer anderen zur Arbeitsvermittlung zugelassenen Stelle beruht auf § 68b Abs. 1 S. 1 Nr. 9 StGB.
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f) Die strafbewehrte Weisung in Ziffer 3.e), sich binnen einer Woche nach der Entlassung und sodann pro Monat mindestens einmal, höchstens zweimal bei der Fachambulanz für Gewaltstraftäter in München nach näherer Weisung der dortigen Mitarbeiter persönlich vorzustellen, ist vor dem Hintergrund der unbehandelten Gewaltproblematik, die im Anlassdelikt zum Ausdruck kam, nicht zu beanstanden. Die Vorstellung bei der Fachambulanz dient dem Zweck, durch den regelmäßigen Kontakt zur Ambulanz einen Therapiewunsch bei dem Verurteilten zu erzeugen. In Ausübung des verfassungsrechtlich noch zulässigen Initialzwangs ist es dabei auch erlaubt, innerhalb der Vorstellungsweisung auf den Verurteilten mit der Zielsetzung der Therapieaufnahme einzuwirken. Gleichzeitig soll mit dieser Weisung den Fachleuten ermöglicht werden, sich von der verurteilten Person regelmäßig einen Eindruck zu verschaffen und Krisen schneller zu erkennen. Einen bestehenden Therapiewillen setzt die Weisung somit gerade nicht voraus und kann daher auch gegen den erklärten Willen des Verurteilten angeordnet werden. Die Weisung dient der effektiven Überwachung des Verurteilten und so dem Schutz der Allgemeinheit vor Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit. Diese verfassungsrechtlich geschützten höchsten Rechtsgüter rechtfertigen eine gewisse Einschränkung der privaten Lebensführung. Dies gilt hier insbesondere, da die hier vorliegende Einschränkung bei einem Termin einmal, höchstens zweimal im Monat (auch neben den weiteren Terminen bei der Bewährungshilfe und der Suchtberatung) gering ist.
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g) Die Suchtmittelkontrollweisung in Ziffer 3.f) beruht auf § 68b Abs. 1 S. 1 Nr. 10 StGB und ist klarstellend dahingehend zu konkretisieren, dass hier – wie sich aus der Begründung des angefochtenen Beschlusses der Strafvollstreckungskammer entnehmen lässt – eine Untersuchung im Hinblick auf den Konsum von Betäubungsmitteln, Cannabis und neuen psychoaktiven Stoffen angeordnet wird.
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(1) Die Erteilung der Kontrollweisung hat die Strafvollstreckungskammer in nicht zu beanstandender Weise begründet. Die Kammer hatte dabei insbesondere die ungelöste Drogenproblematik des Verurteilten im Blick und hat ausführlich dargelegt, dass dem Verurteilten eine Kontrollweisung im konkreten Fall zugemutet werden kann. Sie hat die Erkenntnisse aus den Vorstrafen und dem Vollstreckungsverlauf berücksichtigt und in ihre Abwägung eingestellt. Die Sucht (Cannabis, Betäubungsmittel) ist beim Verurteilten ein kriminogener Faktor.
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Von einer strafbewehrten Abstinenzweisung wurde gerade wegen der nicht überwundenen Suchterkrankung des Beschwerdeführers abgesehen. Gleichwohl kann nach § 68b Abs. 1 S. 1 Nr. 10 StGB eine Kontrollweisung erteilt werden. Die bestehende Suchterkrankung hindert den Verurteilten nicht, die geforderten Kontrollen durchzuführen. Die Kontrollweisung dient weder dazu, eine Abstinenz mit Strafdruck zu erzwingen, noch den Verurteilten der Begehung von Straftaten zu überführen. Vielmehr hat die Kontrollweisung nach den Ausführungen der Strafvollstreckungskammer den Zweck, ein Abgleiten des Verurteilten in einen zügellosen Konsum – mit der damit verbundenen Gefahr der Begehung neuer Straftaten – festzustellen und diesem rechtzeitig entgegenwirken zu können. Dies entspricht dem Sinn der Führungsaufsicht, rückfallgefährdete und daher für die Allgemeinheit gefährliche Täter in ihrer Lebensführung über kritische Zeiträume hinweg zu unterstützen und zu überwachen, um sie von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten.
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(2) Es liegen auch die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Anordnung von Haarentnahmen vor. Diese bedarf nicht der – nicht erteilten – Einwilligung des Verurteilten, da die Entnahme einer Haarprobe keine Maßnahme ist, die gem. §§ 68b Abs. 2 Satz 4, 56 c Abs. 3 Nr. 1 StGB mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist. Der Senat schließt sich insoweit der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts München (OLG München, 2. Strafsenat, Beschluss vom 09.07.2010 – 2 Ws 571/10 und OLG München, 2. Strafsenat, Beschluss vom 08.04.2014 – 2 Ws 278/14, 2 Ws 279/14) an und hält an seiner bisher vertretenen gegenteiligen Auffassung (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 14.12.2011, 1 Ws 551-552/11; juris m.w.N.) nicht mehr fest:
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Zwar ist die Abnahme einer Haarprobe zwangsläufig mit dem Abschneiden einiger weniger Haare verbunden. Ein körperlicher Eingriff i.S. des § 68b I und II StGB setzt jedoch ein Mindestmaß an Erheblichkeit voraus, das durch das Abschneiden einiger weniger Haare nicht erreicht ist, wie der Vergleich mit parallelen Rechtsvorschriften zeigt. In materiell-rechtlicher Hinsicht ist das Pendant zum körperlichen Eingriff, der nur mit Einwilligung des Betroffenen zulässig ist, der Tatbestand der Körperverletzung nach § 223 Abs. 1 StGB. Auch dessen mildeste Tatbegehungsform, die körperliche Misshandlung, die nach ständiger Rechtsprechung ein übles, unangemessenes Behandeln verlangt, das entweder das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit nicht nur unerheblich beeinträchtigt (BGHSt 14, 269 [271] = NJW 1960, 1477; Fischer, StGB, 72. Aufl., § 223 Rdnr. 4), stellt auf eine gewisse Erheblichkeit ab. Zwar kann auch ein unangemessenes Abschneiden von Haaren den Tatbestand erfüllen (vgl. BGH, NJW 1966, 1763; NStZ-RR 2009, 50), weil die Einwirkung auf die bestehende körperliche Integrität zwar zu einer nachteiligen Veränderung, nicht aber zu einer dauerhaften Funktionseinschränkung oder Entstellung geführt haben muss. Auch in den Fällen eines Substanzverlustes wie beim Abschneiden von Haaren erfüllt die zu Grunde liegende Tathandlung jedoch nur dann den Tatbestand der Körperverletzung, wenn die Beeinträchtigung der körperlichen Integrität nicht ganz unerheblich ist, was nach objektiven Kriterien zu bemessen ist. Auch die verfahrensrechtliche Regelung in § 81a Abs. 1 S. 2 StPO, wonach in Anlehnung an die ausdrücklich genannte Entnahme von Blutproben (andere) körperliche Eingriffe grundsätzlich dann gegeben sind, wenn es sich um eine Beibringung von Verletzungen des Körpers handelt, verlangt ein Mindestmaß an Erheblichkeit. So stellt die Veränderung der Bart- oder Haartracht durch Färben bzw. Schneiden bis hin zur völligen Abnahme des Bartes zur Wiederherstellung des früheren Zustands als Grundlage für Identifizierungsmaßnahmen keinen körperlichen Eingriff im Sinne dieser Regelung dar (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 81a Rdnr. 23 m.w. N.). Diese Auslegung ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfGE 47, 239 [246] = NJW 1978, 1149).
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Die erteilte Weisung, die Abnahme einiger weniger Haare als Grundlage zur Drogenkontrolluntersuchung zuzulassen, liegt unter der Erheblichkeitsschwelle und stellt daher keinen körperlichen Eingriff i.S. des § 68b Abs. 1 S. 1 Nr. 10 StGB dar. Denn es werden bei jeder Probenentnahme nur einige wenige Haare abgeschnitten, was keinerlei Schmerz oder körperliches Unwohlsein verursacht, selbst unmittelbar nach dem Abschneiden optisch nicht wahrnehmbar ist, nicht von einem Arzt unter Beachtung der Regeln der ärztlichen Kunst vorgenommen werden muss und derselbe Effekt bereits als natürliche Begleiterscheinung des Kämmens oder Rasierens als Teil der alltäglichen Körperpflege eintritt. Die erteilte Weisung ist somit auch ohne Einwilligung des Verurteilten zulässig.
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Dem steht auch die Zweckbestimmung von Führungsaufsichtsweisungen nach dem Willen des Gesetzgebers nicht entgegen. Die Gesetzesbegründung erwähnt als zulässige Methode des Drogenscreenings beispielhaft ausdrücklich die Entnahme von Urinproben (BT-Drs. 16/1993, Seite 19), folgt also gerade nicht der strikten Substanztheorie. Hinzukommt, dass einerseits der Einwilligungsvorbehalt ausdrücklich der Umsetzung des Verhältnismäßigkeitsgebots dient, andererseits aber auch nur tatsächlich wirksame Kontrollmethoden dem Verhältnismäßigkeitsgebot gerecht werden. Zudem lässt die Haaranalyse im Gegensatz zur Urinanalyse einen langfristigen Nachweis über mehrere Monate zu. Zur Vermeidung bloßer Zufallsergebnisse bietet sich somit vorrangig die Haarprobenanalyse an, die damit dem Verhältnismäßigkeitsgebot sogar eher gerecht wird als die Urinanalyse, weil sie zur Erreichung desselben Effizienzgrads deutlich weniger oft vorgenommen werden muss.
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h) Die Weisung unter Ziffer 3.g) ist nicht zu beanstanden, sie beruht auf § 68b Abs. 1 S. 1 Nr. 11 StGB und ist insbesondere zumutbar.
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Danach wird der Verurteilte strafbewehrt angewiesen, „sich spätestens zehn Tage nach Haftentlassung bei der Suchtberatung der Diakonie, …, und sodann mindestens einmal, höchstens viermal monatlich gemäß den Vorgaben der Therapeuten dort persönlich zu melden (§ 68b Absatz 1 Satz 1 Nummer 11 StGB).“
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Die Vorstellung bei der Suchtberatung dient vor dem Hintergrund der Ausführungen unter dem Punkt II.5.f) und g) dieses Beschlusses dem Zweck, durch den regelmäßigen Kontakt zur Ambulanz einen Therapiewunsch bei dem Verurteilten zu erzeugen. Gleichzeitig soll mit dieser Weisung den Fachleuten ermöglicht werden, sich von der verurteilten Person regelmäßig einen Eindruck zu verschaffen, Krisen schneller zu erkennen und ein Abgleiten in den zügellosen Konsum zu verhindern.
32
i) Die Weisung unter Ziffer 4.a), Anordnungen des Bewährungshelfers gewissenhaft Folge zu leisten, widerspricht dem Bestimmtheitsgebot und ist daher aufzuheben.
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Die Erteilung von Weisungen ist gemäß § 68b StGB alleine dem Gericht und nicht dem Bewährungshelfer übertragen. Gemäß § 68b Abs. 1 S. 1 Nr. 7 StGB kann strafbewehrt die Pflicht des Verurteilten, sich mit dem Bewährungshelfer in Verbindung zu setzen, bestimmt werden (Vorstellungsweisung). Es ist auch möglich, seitens des Gerichts Weisungen zu erteilen, dass der Verurteilte bestimmte Handlungen nach vorheriger Bestimmung des Bewährungshelfers vorzunehmen hat. Dies setzt eine hinreichend bestimmte Weisung voraus, die nur hinsichtlich der Modalitäten der Durchführung (etwa ihrer näheren zeitlichen Bestimmung) dem Bewährungshelfer übertragen werden kann. Eine Weisung, die eine Generalbevollmächtigung zur Erteilung jeglicher Anordnung für den Bewährungshelfer beinhaltet, ist gesetzlich nicht vorgesehen und damit unzulässig (ständige Rechtsprechung des Senats, Senatsbeschluss vom 03.07.2013 – unveröffentlicht).
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j) Die nicht strafbewehrte Weisung unter Ziffern 4.b), wonach der Verurteilte einen Wechsel der Wohnung und/oder des Arbeitsplatzes der Bewährungshilfe mitzuteilen hat, ist zur Koordinierung der Abläufe der Führungsaufsicht erforderlich und nicht zu beanstanden.
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6. Die Übertragung der Belehrung auf die Vollzugsanstalt beruht auf §§ 463 Abs. 3, 454 Abs. 4 S. 2 StPO und ist nicht zu beanstanden.
III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 S. 1 StPO, da der Beschwerdeführer nur einen unwesentlichen Teilerfolg erzielt hat.