Titel:
Zur befugten Offenbarung steuerlicher Sachverhalte in einem Durchsuchungsbeschluss bei anderen Personen
Normenketten:
AO § 30 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 1
StPO § 102, § 103
Leitsätze:
Zur befugten Offenbarung steuerlicher Sachverhalte in einem Durchsuchungsbeschluss nach § 103 StPO betreffend eine GmbH, wenn deren Geschäftsführer zugleich der Beschuldigte der Steuerhinterziehung ist. (Rn. 9)
1. Ein Durchsuchungsbeschluss wegen Steuerhinterziehung ist schon dann rechtswidrig, wenn er keine Angaben zur mutmaßlich tatbestandlichen Erklärungshandlung enthält, also dazu, durch welches Handeln oder pflichtwidriges Unterlassen die Hinterziehung begangen worden sein soll. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Hinblick auf eine mögliche Einschränkung der Darlegungsanforderungen in einem Beschluss nach § 103 StPO durch das Steuergeheimnis ist die Offenbarung geschützter Daten nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO zulässig, soweit sie der Durchführung eines Steuerstrafverfahrens dient. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ist der Geschäftsführer einer GmbH mit dem Beschuldigten identisch, wegen dessen möglicher Steuerhinterziehungen durchsucht werden soll, erfährt er in seiner Funktion als Geschäftsführer aus dem die GmbH betreffenden Durchsuchungsbeschluss nach § 103 StPO nichts, was er in seiner Funktion als Beschuldigter und Adressat eines Beschlusses nach § 102 StPO nicht schon wüsste. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Steuergeheimnis, Durchsuchungsbeschluss, unbefugte Offenbarung, Geschäftsführer
Vorinstanz:
AG Nürnberg, Beschluss vom 14.12.2023 – 59 Gs 14604-14606/23
Fundstelle:
BeckRS 2025, 478
Tenor
Der Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 14.12.2023 (59 Gs 14604-14606/23) wird aufgehoben.
Die Kosten und notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
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Mit Beschluss vom 14.12.2023 ordnete das Amtsgericht Nürnberg, gestützt auf § 102 StPO, die Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume des Beschuldigten in … an. Mit weiterem Beschluss vom selben Tag ordnete das Amtsgericht, diesmal gestützt auf § 103 StPO, die Durchsuchung der Geschäftsräume der … GmbH an (59 Gs 14604-14606/23). Der Beschuldigte ist Mehrheitsgesellschafter und alleiniger Geschäftsführer der GmbH.
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Den Durchsuchungsbeschlüssen lag der Verdacht der Steuerfahndung … zugrunde, wonach der Beschuldigte Umsätze der GmbH in den Jahren 2018 und 2019 nicht ordnungsgemäß versteuert habe. Er soll in dem Zusammenhang auch verdeckte Gewinnausschüttungen vorgenommen und diese nicht versteuert haben. Daher habe der Beschuldigte eigene Einkommensteuer für 2017 bis 2020 hinterzogen und dies 2021 versucht haben. Weiter habe er zu Gunsten der GmbH Körperschafts-, Gewerbe- und Umsatzsteuer in den Jahren 2018 bis 2021 hinterzogen. Der Beschluss nach § 103 StPO enthielt weiterhin folgenden Absatz:
Das Gericht hat das Vorliegen des Anfangsverdachts der Steuerhinterziehung anhand des Verdachtsprüfungsvermerks der Steuerfahndung in den Ermittlungsakten geprüft. Die Verdachtsgründe werden in dieser Durchsuchungsanordnung wegen des Steuergeheimnisses (§ 30 AO) nicht weitergehend ausgeführt. Die von dieser Durchsuchungsanordnung Betroffene kann ihre Rechte auch ohne die Kenntnis der weitergehenden Verdachtsgründe wahrnehmen.
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Die Durchsuchungsbeschlüsse wurden am 22.05.2024 vollzogen. Gegen sie wandte sich der Verteidiger des Beschuldigten mit der Beschwerde. Er beantragte deren Aufhebung und die Herausgabe der bei den Durchsuchungen sichergestellten Asservate; die Beschwerde gegen den Beschluss nach § 102 StPO wurde von der Kammer gesondert verbeschieden (12 Qs 25/26).
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1. Die Beschwerde gegen den auf § 103 StPO gestützten Beschluss ist zulässig erhoben. Da die Durchsicht der sichergestellten Asservate andauert, ist der auf die Aufhebung des Beschlusses gerichtete Antrag zutreffend gestellt.
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2. Die Beschwerde ist begründet.
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a) In ihrem Beschluss vom 08.01.2025, der einen anderen Teil des auch hier gegenständlichen Gesamtkomplexes betraf, hat die 18. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth die für die Formulierung von Durchsuchungsbeschlüssen in Steuerstrafsachen maßgeblichen rechtsstaatlichen Mindestanforderungen nochmals (zuvor bereits im Beschluss vom 15.05.2023 – 18 Qs 8/23, juris Rn. 10; ähnlich auch Kammer, Beschluss vom 07.06.2023 – 12 Qs 24/23, juris Rn. 8 f.) zusammengefasst (LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 08.01.2025 – 18 Qs 27/24, juris Rn. 60 ff. m.w.N.). Die erkennende 12. Strafkammer sieht das ebenso. Ein Durchsuchungsbeschluss wegen Steuerhinterziehung – hierbei handelt es sich um ein Erklärungsdelikt – ist danach schon dann rechtswidrig, wenn er keine Angaben zur mutmaßlich tatbestandlichen Erklärungshandlung enthält, also dazu, durch welches Handeln oder pflichtwidriges Unterlassen die Hinterziehung begangen worden sein soll. Sollten unrichtige Angaben gemacht worden sein, muss aus dem Beschluss hervorgehen, was wann erklärt wurde und zu welcher Steuerfestsetzung dies geführt hat. Es muss angegeben werden, durch welche Verletzung einer steuerrechtlichen Verpflichtung welche – soweit dies da schon erkennbar ist – konkrete Steuerverkürzung bewirkt oder welcher Steuervorteil erlangt worden sein soll (vgl. Rixe/Hölters, jurisPR-StrafR 19/2023 Anm. 3; ebenso von abgabenrechtlicher Seite BFH, Urteil vom 31.01.2024 – X R 7/22, juris Rn. 27; Ebner, jurisPR-SteuerR 42/2022 Anm. 3 unter C.2.a). Auch wenn man konzediert, dass in der frühen Phase des Ermittlungsverfahrens der Tatverdacht gegebenenfalls nur vergröbernd formuliert werden kann, befreit diese Einschränkung nicht von der Pflicht, hierüber im Beschluss schlüssig Rechenschaft abzulegen, soweit dies im gegebenen Verfahrensstadium möglich ist.
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Im Hinblick auf eine mögliche Einschränkung der Darlegungsanforderungen in einem Beschluss nach § 103 StPO durch das Steuergeheimnis (§ 30 AO) hat die 18. Strafkammer darauf hingewiesen und im Einzelnen entfaltet, dass die Offenbarung geschützter Daten zulässig ist, soweit sie der Durchführung eines Steuerstrafverfahrens dient (§ 30 Abs. 4 Nr. 1 AO) (LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 08.01.2025 – 18 Qs 27/24, juris Rn. 67). Auch den dortigen Erwägungen, auf die verwiesen wird, schließt sich die 12. Strafkammer an.
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b) Dies zugrunde gelegt gilt, dass im angegriffenen Beschluss das mutmaßlich tatbestandliche Verhalten nicht hinreichend klar umrissen wurde, obwohl dies nach Aktenlage ohne Weiteres möglich gewesen wäre. Der Beschluss war daher aufzuheben. Auf die der Bewertung der Ermittlungsergebnisse durch die Steuerfahndung widerstreitenden Ausführungen der Beschwerdebegründung kam es nicht mehr tragend an. Der Fall, dass die Bekanntgabe der Beschlussgründe ausnahmsweise wegen Gefährdung des Untersuchungserfolgs unterbleiben sollte, wird von der BuStra nicht geltend gemacht.
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Zu keinem anderen Ergebnis führt, dass sich der angegriffene Beschluss zur Begründung seiner Inhaltsleere auf das Steuergeheimnis (§ 30 AO) berief. Denn dieses stand der Offenbarung der Daten gegenüber der GmbH als Durchsuchungsbetroffener nicht entgegen. Zwar ist die GmbH ein „anderer“ als der Beschuldigte (§ 30 Abs. 2 Nr. 1 AO). Weil die GmbH als juristische Person die personenbezogenen Daten des anderen oder sonstige Informationen aber selbst nicht verarbeiten kann, kommt es darauf an, ob die Offenbarung der Daten gegenüber dem Organ der GmbH – d.h. gegenüber dem Geschäftsführer (§ 34 Abs. 3 AO, § 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG, § 166 Abs. 1 BGB) – unbefugt erfolgt (vgl. Klein/Maetz, AO, 18. Aufl., § 30 Rn. 54). Auf ihn ist bei der Formulierung des Durchsuchungsbeschlusses gegen die GmbH abzustellen. Ist der Geschäftsführer mit dem Beschuldigten identisch, wegen dessen möglicher Steuerhinterziehungen durchsucht werden soll, erfährt er – in seiner Funktion als Geschäftsführer – aus dem die GmbH betreffenden Durchsuchungsbeschluss nach § 103 StPO nichts, was er – in seiner Funktion als Beschuldigter und Adressat eines Beschlusses nach § 102 StPO – nicht schon wüsste. Es wird ihm also durch den erstgenannten Beschluss nichts offenbart. Sollte er nicht selbst Adressat eines Beschlusses nach § 102 StPO sein, würde ihm zwar etwas offenbart, aber nicht unbefugt, denn dann erfährt er etwas über seine eigenen mutmaßlichen Steuerstraftaten. Dass diese in seiner Person gebündelte Information durch seine Organstellung auch der GmbH zugerechnet wird, führt zu keiner Verletzung des Steuergeheimnisses. Nach alldem gibt es in der beschriebenen Konstellation keinen tragfähigen Grund, den Durchsuchungsbeschluss gegen die GmbH inhaltsärmer zu formulieren als den Beschluss gegen den beschuldigten Geschäftsführer selbst. So liegen die Dinge hier. Der Beschuldigte war Mehrheitsgesellschafter und alleiniger Geschäftsführer der GmbH.
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Soweit im Übrigen dem Beschuldigten Steuerhinterziehungen zugunsten der GmbH vorgeworfen werden (KSt, GewSt, USt), sofern also die GmbH die Steuerschuldnerin (und der Beschuldigte Haftungsschuldner, § 69 AO) ist, fehlt es an der einer unbefugten Offenbarung schon deshalb, weil im Durchsuchungsbeschluss insoweit eigene Daten der Steuerpflichtigen mitgeteilt werden (vgl. Klein/Maetz, AO, 18. Aufl., § 30 Rn. 49, 55).
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Die im Beschluss formulierte These, wonach „[d]ie von dieser Durchsuchungsanordnung Betroffene … ihre Rechte auch ohne die Kenntnis der weitergehenden Verdachtsgründe wahrnehmen [kann]“, geht nach alldem und schließlich im gegebenen Fall fehl: Der Beschuldigte ist durch den ihn persönlich betreffenden Beschluss nach § 102 StPO unzureichend informiert worden (vgl. Kammerbeschluss vom heutigen Tag, 12 Qs 25/24) und in dem sein Unternehmen betreffenden Beschluss nach § 103 StPO wird dieses Defizit nicht behoben, sondern fortgeführt.
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c) Mit der Aufhebung des Durchsuchungsbeschlusses ist die Grundlage für Sicherstellung der Asservate entfallen. Diese sind daher an die Durchsuchungsbetroffene wieder herauszugeben.
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Die Kostenfolge beruht auf § 467 StPO.