Inhalt

SG Würzburg, Beschluss v. 07.01.2025 – S 11 AY 156/24 ER
Titel:

Einstweiliger Rechtsschutz, Rechtsschutzbedürfnis, Aufenthaltsrecht, Leistungsberechtigter, Asylbewerberleistungsgesetz, pflichtwidriges Verhalten, Aufschiebende Wirkung, Vorläufige Leistung, Internationaler Schutz, Aufenthaltsgestattung, Einstweilige Anordnung, Hinreichende Aussicht auf Erfolg, Anordnungsgrund, Beschlüsse, Vorläufige Gewährung, Anordnung der aufschiebenden Wirkung, Prozeßkostenhilfeantrag, Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz, Überstellungsfrist, Anordnungsanspruch

Schlagworte:
Einstweiliger Rechtsschutz, Anspruchseinschränkung, Internationaler Schutz, Leistungsbewilligung, Folgenabwägung, Anordnungsanspruch, Zumutbarkeit der Rückkehr
Rechtsmittelinstanz:
LSG München, Beschluss vom 10.03.2025 – L 11 AY 9/25 B ER
Fundstelle:
BeckRS 2025, 4555

Tenor

I. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz wird abgelehnt.
II. Notwendige außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Rechtsanwalts ... wird abgelehnt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes höhere Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) für die Zeit ab 07.12.2024, insbesondere wendet er sich gegen eine Anspruchseinschränkung.
2
Der 2006 geborene Antragsteller (AST), Herr A., afghanischer Herkunft, reiste am 05.09.2024 nach Deutschland ein und stellte am 10.09.2024 einen Asylantrag. Seit dem 17.09.2024 ist er in Besitz einer Aufenthaltsgestattung. Er sei verheiratet und habe ein Kind, die beide in Afghanistan geblieben seien. Er wurde in einer Aufnahmeeinrichtung im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners (AG) untergebracht. Dort beantragte er am 16.09.2024 (Eingang beim AG) die Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG. Laut Auszug aus dem AZR war der AST im Besitz einer ID-Card (P02976333; gültig bis 01.07.2027) des Staates Griechenland sowie eines Reisepasses (TA0157453; gültig bis 03.08.2029). Am 24.10.2024 erklärte der AST im LRA ... , dass er nach Deutschland eingereist sei, weil es hier viele Möglichkeiten gäbe. Er habe mit Erhalt der ID/Reisepasses keine Leistungen mehr erhalten. Er habe in Griechenland nur Essen bekommen. Er habe sich selbst um Arbeit und eine Unterkunft bemühen müssen. Nach 40 Tagen Bemühung, habe er keine Arbeit und Unterkunft gefunden. Deshalb sei er mit dem Geld von Freunden aus der Türkei (163 Euro) mit dem Flugzeug nach Deutschland gekommen. Das Geld habe er über Western Union erhalten. Auf den Vorhalt, dass beabsichtigt sei, ihm eingeschränkte Leistungen nach § 1a Abs. 4 AsylbLG zu gewähren, da ihm internationaler Schutz in Griechenland anerkannt worden sei, erwiderte er, in Griechenland habe er kein Geld bekommen.
3
Mit Bescheid vom 06.11.2024 (Bl. 21 d. VA) wurden dem AST sodann eingeschränkte Leistungen gemäß § 1a Abs. 4 AsylbLG iVm. § 1a Abs. 1 AsylbLG für den Zeitraum vom 12.09.2024 bis 11.03.2025 bewilligt, wogegen der Prozessbevollmächtigte des AST Widerspruch am 06.12.2024 erhob.
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Am 09.12.2024 hat der AST beim Sozialgericht Würzburg im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes beantragt, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid des AG vom 06.11.2024 anzuordnen und den AG zu verpflichten, ihm ab 07.12.2024 vorläufig Leistungen entsprechend der Regelbedarfsstufe 1 zu gewähren.
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Die Regelung über die Anspruchseinschränkung sei evident verfassungswidrig. Überdies seien die Voraussetzungen des § 1a Abs. 4 AsylbLG vorliegend nicht erfüllt. Eine diesbezügliche Anspruchseinschränkung sei nur zulässig, wenn dem Leistungsberechtigten ein pflichtwidriges Verhalten vorzuwerfen sei. Nur dann habe es der Betroffene selbst in der Hand, die Sanktionierung durch pflichtgemäßes Verhalten zu beenden. Dem AST sei jedoch mit seinem griechischen Aufenthaltstitel und seinem Reisepass die Einreise in das Bundesgebiet erlaubt gewesen. Hier habe er Asyl beantragt. Zudem verstoße § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG gegen Unionsrecht. Das BSG habe mit Vorlagebeschluss vom 25.07.2024 – B 8 AY 6/23 R dem EuGH u.a. die Frage gestellt, ob das im nationalen Recht vorgesehene Leistungsniveau für AST während des Laufs der Überstellungsfrist nach der Dublin-III-VO (Verordnung (EU) Nummer 604/2013) den Anforderungen der Aufnahmerichtlinie genüge. Für die von einer Anspruchseinschränkung gemäß § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG betroffenen Personen stelle sich diese Frage gleichermaßen, weil auch für sie die Aufnahmerichtlinie gelte, weshalb im Rahmen einer Folgenabwägung vorläufig Leistungen unbeschränkt zu gewähren seien.
6
Der AST beantragt,
die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 06.11.2024 anzuordnen und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller für den Zeitraum ab 07.12.2024 vorläufig Leistungen gem. §§ 3, 3a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 AsylbLG (Regelbedarfsstufe 1) in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
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Der AG beantragt,
den Antrag abzulehnen.
8
Er sehe den Tatbestand des § 1a Abs. 4 AsylbLG vorliegend als erfüllt. Dem AST sei bekannt gewesen, dass ihm internationaler Schutz in Griechenland gewährt wurde. Das Existenzminium werde im Falle des AST in Form von Sachleistungen innerhalb der ANKER-Einrichtung Unterfranken erbracht.
9
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
10
Der form- und fristgerecht eingelegte Antrag ist zum Teil zulässig, aber nicht begründet.
11
Soweit der AST die Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage gegen den Bescheid des AG vom 06.11.2024 begehrt, ist der Antrag bereits nicht statthaft. Zwar ist grundsätzlich für eine Einschränkung der Leistungsansprüche nach den §§ 2, 3 und 6 AsylbLG aufgrund § 1a AsylbLG Voraussetzung, dass eine solche Anspruchseinschränkung durch Verwaltungsakt festgestellt wird (vgl. Oppermann in:
Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 4. Aufl., § 1a AsylbLG Rn. 246; Bayerisches LSG, Beschluss vom 01.03.2018 – L 18 AY 2/18 B ER, Rn. 30 – juris sowie Beschluss vom 17.09.2018 – L 8 AY 13/18 B ER, Rn. 23 – juris).
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Diese Feststellung hat der AG vorliegend auch getroffen (vgl. Ziff. 1 des Bescheides vom 06.11.2024).
13
Gemäß § 11 Abs. 4 Nr. 2 AsylbLG haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, mit dem eine Einschränkung des Leistungsanspruchs nach § 1a AsylbLG festgestellt wird, keine aufschiebende Wirkung. Allerdings erreicht der AST sein prozessuales Ziel – nämlich die vorläufige Gewährung ungekürzter Leistungen gemäß §§ 3, 3a AsylbLG – vorliegend nicht im Wege der Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch bzw. Klage nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG gegen die unter Ziff. 1 des Bescheides vom 06.11.2024 getroffene Feststellung der Anspruchseinschränkung, sondern allein im Wege der Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG (vgl. Oppermann a.a.O.,
Rn. 258; Bayerisches LSG, Beschluss vom 13.09.2016 – L 8 AY 21/16 B ER, Rn. 64 – juris; Sächsisches LSG, Beschluss vom 03.03.2021 – L 8 AY 8/20 B ER, Rn. 20 – juris), denn der AG hat mit dem Bescheid vom 06.11.2024 nicht eine bereits bestehende Leistungsbewilligung abgesenkt, sondern vielmehr dem AST für die Zeit vom 12.09.2024 bis 11.03.2025 Leistungen nach dem AsylbLG neu bewilligt.
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Soweit der AST den Erlass einer Regelungsanordnung gerichtet auf die vorläufige Gewährung ungekürzter Leistungen gemäß §§ 3, 3a AsylbLG für die Zeit ab dem 07.12.2024 begehrt, ist der Eilantrag teilweise zulässig. Für den Zeitraum ab dem 12.03.2025 hat der AG noch keine Entscheidung getroffen, sodass dem AST insoweit das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Am Rechtsschutzbedürfnis fehlt es nämlich grundsätzlich, wenn der Rechtsschutzsuchende sich nicht zuvor an die Behörde gewandt hat (BayLSG, Beschluss vom 27.10.2020 – L 8 AY 105/20 B ER, Rn. 31- juris; LSG Baden-Württemberg vom 24.06.2019 – L 7 AS 1916/19 ER-B, Rn. 6 – juris m.w.N.; Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt SGG/Keller, 14. Aufl. 2023, SGG § 86b Rn. 26b).
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Es ist ihm zuzumuten, eine neue Entscheidung des AG abzuwarten und ggf. gegen diese vorzugehen, sollten erneut eingeschränkte Leistungen bewilligt worden sein. Für einen Antrag im einstweiligen Rechtsschutz für einen vom AG noch nicht entschiedenen Zeitraum, fehlt es insoweit am Rechtsschutzbedürfnis des AST.
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Bezüglich des Zeitraums 07.12.2024 bis 11.03.2025 ist der Antrag unbegründet.
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Rechtsgrundlage für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes stellt für den vorliegenden Rechtsstreit § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG dar, denn streitig ist letztlich die Bewilligung von höheren Leistungen. Hiernach ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG, Beschluss vom 25.10.1998 – 2 BvR 745/88 –, Beschluss vom 19.10.1977 – 2 BvR 42/76 –, Beschluss vom 22.11.2002 – 2 BvR 745/88 – alle in juris).
18
Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes – das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit – und das Vorliegen eines Anordnungsanspruches – das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den das Begehren gestützt wird – voraus. Die Angaben hierzu müssen glaubhaft sein (§ 86b Abs. 2 Satz 2 und 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 Zivilprozessordnung – ZPO –; Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt SGG/Keller, 14. Aufl. 2023, SGG § 86b Rn. 41). Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage in dem vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorgegebenen Umfang (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 – juris) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu.
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Soweit – wie vorliegend – existenzsichernde Leistungen in Frage stehen und deshalb eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in den Grundrechten droht, die durch eine der Klage stattgebende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, ist eine Versagung der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nur dann möglich, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.09.2016 – 1 BvR 1335/13 – juris). Für eine Entscheidung aufgrund einer sorgfältigen und hinreichend substantiierten Folgenabwägung ist nur dann Raum, wenn eine – nach vorstehenden Maßstäben durchzuführende – Rechtmäßigkeitsprüfung auch unter Berücksichtigung der Kürze der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren regelmäßig zur Verfügung stehenden Zeit nicht verwirklicht werden kann, was vom zur Entscheidung berufenen Gericht erkennbar darzulegen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.09.2016 - 1 BvR 1335/13 –, Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 –; Bayerisches LSG, Beschluss vom 26.09.2024 – L 11 AY 32/24 B ER, nicht veröffentlicht).
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Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben fehlt es vorliegend an einem Anordnungsanspruch und an einem Anordnungsgrund. Diese wurden nicht glaubhaft gemacht und sind auch sonst nicht ersichtlich.
21
Nach § 1a Abs. 4 Satz 1 AsylbLG erhalten Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 1, 1a oder 5 AsylbLG, für die in Abweichung von der Regelzuständigkeit nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 vom 29. Juni 2013, S. 31) nach einer Verteilung durch die Europäische Union ein anderer Mitgliedstaat oder ein am Verteilmechanismus teilnehmender Drittstaat, der die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 anwendet, zuständig ist, nur Leistungen nach Abs. 1 AsylbLG. Gem. § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG gilt diese Regelung entsprechend für Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder 1a AsylbLG, denen bereits von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem am Verteilmechanismus teilnehmenden Drittstaat im Sinne von Satz 1
1. internationaler Schutz oder
2. aus anderen Gründen ein Aufenthaltsrecht gewährt worden ist, wenn der internationale Schutz oder das aus anderen Gründen gewährte Aufenthaltsrecht fortbesteht.
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Nach Satz 3 gilt Satz 2 Nr. 2 für Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 entsprechend.
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Die Voraussetzungen des § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG sind zur Überzeugung des Gerichts vorliegend gegeben. Der AST hat am 10.09.2024 sein Asylgesuch geäußert und verfügt seit dem 17.09.2024 über eine Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens. Er ist damit grundsätzlich leistungsberechtigt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1a (ab dem 10.09.2024) und Nr. 1 AsylblG (ab dem 17.09.2024). Ausweislich der ID-Card des AST wurde diesem internationaler Schutz in Griechenland bis 01.07.2027 gewährt, was dem AST zweifelsfrei bekannt war.
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Entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Bayerischen LSG (zuletzt Urteil vom 09.03.2023 – L 8 AY 135/22 und L 8 AY 110/22; beide derzeit anhängig am BSG) ist die Kammer der Auffassung, dass ein pflichtwidriges Verhalten des Leistungsberechtigten als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal nach § 1a Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 AsylbLG nicht erforderlich ist. Hierfür spricht zum einen der eindeutige Wortlaut der Vorschrift, wie auch die Ausführungen des BSG im Urteil vom 25.07.2024 (B 8 AY 6/23 R, Rn. 15 – juris), wonach die Erfüllung „von subjektiven Tatbestandsmerkmalen durch den Antragsteller (…) nicht weitere Voraussetzung“ sei; denn die Einschränkung von Leistungen auf Grundlage von § 1a Abs. 7 AsylbLG sei nicht als Sanktion für die Nichtausreise zu verstehen. Die Einschränkung fordere deshalb – entgegen der Auffassung des Bayerischen Landessozialgerichts als Vorinstanz – kein Vertretenmüssen des Antragstellers, und zwar weder im Hinblick auf die Einreise noch auf die Nichtausreise im Anschluss an die Entscheidung des Bundesamtes im Verfahren nach der Dublin-III-VO. Zur Überzeugung der Kammer sind diese Ausführungen insoweit auf den Tatbestand des § 1a Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 AsylbLG übertragbar (im Ergebnis so auch schon Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 14. Mai 2019 – L 7 AY 1161/19 ER-B, Rn. 12 – juris; vgl. auch LSG Sachsen-Anhalt – L 8 AY 2/18 B ER). Zudem hat der AST unstreitig vor Einreise in die Bundesrepublik von der Anerkennung des internationalen Schutzes in Griechenland gewusst.
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Ungeachtet der umstrittenen Frage, ob im Rahmen des § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG die Möglichkeit und Zumutbarkeit der Rückkehr in den schutzgewährenden Staat als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal zu prüfen ist (vgl. hierzu umfassend Hohm, in GK-AsylbLG, Stand Januar 2022, § 1a Rdnr. 348-353 mit Hinweis auf die jeweilige instanzliche Rechtsprechung), ist dies zur Überzeugung der Kammer vorliegend zu bejahen. Seitens des AST wurden keine Gründe und Tatsachen vorgetragen, die für eine etwaige Unzumutbarkeit für die Rückkehr nach Griechenland sprechen würde und sind auch sonst nicht ersichtlich. Er hat weder vorgetragen in Griechenland obdachlos gewesen zu sein, noch sind sonstige unmenschliche Bedingungen seinen Äußerungen zu entnehmen. Verpflegung habe er in Griechenland erhalten. (vgl. jüngst BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 12. Dezember 2024 – 2 BvR 1341/24 –, juris zur Entscheidung des VG Gießen vom 09.09.2024 – 10 L 2874/24.GI.A; VG Gießen, Beschluss vom 05.11.2024 - 1 L 4134/24.Gl.A – juris sowie Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 6. August 2024 – 2 A 1131/24.A und 2 A 489/23.A – juris; Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Beschluss vom 06.05.2021 – 13 A 244/21, 8386344 – juris; VG Bayreuth vom 15.05.2023 – B 7 S 23.30403, 9364885 – juris, VG Cottbus vom 06.02.2024 – 5 K 307/20.A – juris,.; für Familien: VG Schwerin vom 5.11.2024 – 5 A 1457/22 SN – juris). Der AST ist jung, gesund und arbeitsfähig. Ihm ist daher zuzumuten, etwaige Defizite durch Eigenbemühungen zu kompensieren (so der Hessische Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 6. August 2024 – 2 A 1131/24.A, Rn. 157ff. – juris).
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Rechtsfolge ist bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG, dass im Regelfall nur noch eingeschränkte Leistungen i.S.d. § 1a Abs. 2 Satz 2 AsylbLG zur Deckung der Bedarfe an Ernährung, Unterkunft, Heizung, Körper- und Gesundheitspflege zu gewähren sind. Dabei handelt es sich um eine Rechtsfolgenverweisung bzgl. Inhalt und Form der abgesenkten Leistungen (Hohm in GK-AsylbLG, Stand Januar 2022, § 1a Rdnr. 354 ff.). Im vorliegenden Einzelfall bestehende besondere Umstände, die ausnahmsweise nach § 1a Abs. 4 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 AsylbLG die Gewährung weiterer Leistungen an den AST rechtfertigen könnten, hat dieser weder vorgetragen, noch glaubhaft gemacht. Der AG hat dem AST die entsprechenden Leistungen zur Deckung der Bedarfe an Ernährung, Unterkunft, Heizung, Körper- und Gesundheitspflege bewilligt.
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Es bestehen weder verfassungsrechtliche Bedenken im Zusammenhang mit § 1a Abs. 4 AsylbLG (so auch LSG Bayern, Beschluss vom 08.07.2019 – L 18 AY 21/19 B ER – juris; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.05.2019 – L 7 AY 1161/19 ER-B – juris; jeweils zum weitgehend inhaltsgleichen § 1 a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG in der bis zum 20.08.2019 geltenden Fassung; Cantzler, Handkommentar AsylbLG, § 1a Rn. 104 mwN.) noch Bedenken im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit Unionsrecht (vgl. LSG Bayern, Urteil vom 09.03.2023 – L 8 AY 110/22 – juris). Zwar verweist § 1a Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 AsylbLG i.V.m. § 1a Abs. 4 Satz AsylbLG ebenso wie § 1a Abs. 7 AsylbLG a.F. im Hinblick auf das konkrete Leistungsniveau auf § 1a Abs. 1 AsylbLG. Da die Einschränkungstatbestände unterschiedliche Regelungszwecke verfolgen, verschiedene asylrechtliche Konstellationen betreffen und das BSG die Frage nach der Vereinbarkeit ausschließlich bei laufender Überstellungsfrist dem EuGH vorgelegt hat, ist die Kammer derzeit der Auffassung, dass eine Übertragbarkeit auf alle Tatbestände des § 1a AsylbLG nicht angezeigt ist.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Sache.
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3. Da der streitige notwendige persönliche Bedarf in 2024 monatlich 204 Euro und 2025 monatlich 196 Euro (vgl. Bekanntgabe vom 29.10.2024; BGBl. 2024 I Nr. 325) beträgt, liegt der Wert des Beschwerdegegenstandes für die Verfahrensbeteiligten unter 750,- Euro, womit eine Beschwerde gegen diesen Beschluss gem. §§ 172 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG ausgeschlossen und der vorliegende Beschluss unanfechtbar ist.
III.
30
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil die Angelegenheit aufgrund der obigen Ausführungen auch unter Zugrundelegung einer weiten Auslegung des § 114 ZPO keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Abs. 1 ZPO). Da die Entscheidungsreife von Eilantrag und Prozesskostenhilfeantrag zum selben Zeitpunkt vorlag, ist die Entscheidung gleichzeitig ergangen (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt SGG/Keller, 14. Aufl. 2023, SGG § 86b Rn. 16).