Inhalt

LG Ansbach, Beschluss v. 04.03.2025 – Ks 1060 Js 3390/23
Titel:

Berechtigung zum Anschluss als Nebenkläger bei Vorliegen besonderer Gründe iSv § 395 Abs. 3 StPO

Normenketten:
StGB § 211, § 212, § 30
StPO § 395 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3, 397a Abs. 1, Abs. 2
Leitsätze:
Bei einer strafbaren Verabredung zu einem Mord kann die Berechtigung, sich gemäß § 395 Abs. 3 StPO dem Verfahren als Nebenkläger anzuschließen, sich aus einer mit der drohenden Verurteilung der Ehefrau des Geschädigten verbundenen besonderen Betroffenheit seines höchstpersönlichen Lebensbereichs ergeben. (Rn. 5 – 7)
1. Strafbare Vorbereitungshandlungen – anders als der Versuch – berechtigen nicht gem. § 395 Abs. 1 StPO zum Anschluss des Verletzten als Nebenkläger. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Verletzte ist jedoch gem. § 395 Abs. 3 StPO berechtigt, sich dem Verfahren als Nebenkläger anzuschließen, wenn besondere Gründe vorliegen, die erhebliche Auswirkungen auf seinen persönlichen Lebensbereich haben können. (Rn. 5 und 7) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Antrag auf Bestellung des Nebenklagevertreters als Beistand ist abzulehnen, wenn schon die Voraussetzungen des § 397a Abs. 1 StPO nicht vorliegen und überdies keine Erklärung über die wirtschaftlichen Verhältnisse abgegeben wurde. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nebenklagezulassung, Verabredung zum Mord, besondere Betroffenheit, Beiordnung eines Beistands
Fundstelle:
BeckRS 2025, 4449

Tenor

1. Der Verletzte R. S. ist berechtigt, sich dem Verfahren als Nebenkläger anzuschließen.
2. Der Antrag auf Bestellung des Nebenklägervertreters als Beistand wird abgelehnt.

Gründe

I.
1
Den Angeklagten liegt die versuchte Beteiligung an einem Mord bzw. einem Totschlag, Betrug und die Nichtanzeige geplanter Straftaten zur Last. Die Ehefrau des Antragstellers soll während seiner urlaubsbedingten Abwesenheit zusammen mit ihrem Liebhaber die Tötung des Antragstellers in Thailand bei einem weiteren Angeklagten in Auftrag gegeben haben. Dieser soll allerdings von Anfang an nicht vorgehabt haben, den Antragsteller zu töten, weshalb ihm in der Anklage unter anderem der Tatvorwurf des Betrugs zur Last gelegt wird.
2
Die Angeklagte S. war im vorliegenden Verfahren zunächst inhaftiert. Nach der Haftentlassung im Ermittlungsverfahren kehrte sie entsprechend dem Wunsch des Antragstellers (Bl. 839-841, 842) in die Ehewohnung zurück, wo sie derzeit noch wohnhaft ist.
3
Der anwaltliche Vertreter des Antragstellers beantragt, die Nebenklage zuzulassen und ihn als Beistand zu bestellen. Er verweist darauf, dass der Katalog des § 395 Abs. 3 StPO nicht abschließend sei, sondern bei anderen Tatbeständen in Betracht komme, die mit den in § 395 Abs. 3 StPO genannten Tatbeständen vergleichbar seien.
4
Die Verteidigung der Ehefrau führt aus, dass es nicht dem Wunsch der Mandantin entspreche, ihrem Ehemann dessen Nebenklageberechtigung abzusprechen.
II.
5
1. Der Verletzte R. S. ist berechtigt, sich dem Verfahren als Nebenkläger anzuschließen, § 395 Abs. 3 StPO.
6
Die den Angeklagten zur Last liegenden Delikte fallen nicht unter § 395 Abs. 1 StPO. Insbesondere berechtigen strafbare Vorbereitungshandlungen – anders als der Versuch – nicht gemäß § 395 Abs. 1 Nr. 2 StPO zum Anschluss des Verletzten als Nebenkläger (so auch BGH, Beschluss vom 06.10.2020 – 6 StR 310/20, recherchiert bei juris). Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut dieser Vorschrift, aber auch aus einem Vergleich mit § 100a StPO, nach dem Katalogtat im Sinne dieser Vorschrift auch die strafbare Verabredung zu einem Mord ist (§ 100a Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1h), vgl. BGHSt 32, 10, 16). Eine analoge Anwendung des § 395 Abs. 1 Nr. 2 StPO scheidet aus, weil bei den letzten Änderungen des § 395 StPO, insbesondere bei Herausnahme bestimmter Straftatbestände aus § 395 Abs. 1 StPO im Jahr 2009 (Gesetz vom 29.07.2009 – BGBl. I 2009, Nr. 48 vom 31.07.2009) diesbezügliche ablehnende Entscheidungen bereits bekannt waren (vgl. z. B. LG Stuttgart Entscheidung v. 20.2.1990 – 5 Ws 19/90, BeckRS 1990, 732, recherchiert bei beck-online).
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Die Berechtigung zum Anschluss ergibt sich allerdings aus § 395 Abs. 3 StPO. Dies ist zwar bei einer strafbaren Verabredung zu einem Mord nicht immer der Fall (so aber OLG Koblenz, Beschluss vom 24.05.2012 – 1 Ws 269/12 NStZ 2012, 655, recherchiert bei beck-online), auch wenn nicht verkannt wird, dass der Antragsteller Inhaber des mutmaßlich verletzten Rechtsguts und als solcher vor dem Hintergrund der Gewichtigkeit des Schutzgutes „Leben” (BVerfGE 88, 203) besonders schutzbedürftig ist. Ein solches Verständnis des § 395 Abs. 3 StPO würde der dargestellten gesetzgeberischen Entscheidung zuwiderlaufen, die – wie dargestellt – zur Ausgestaltung des § 395 Abs. 1 StPO geführt hat. Auch liegt keine der in § 395 Abs. 3 StPO explizit erwähnten Taten nach §§ 185 bis 189, 229, 244 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4, §§ 249 bis 255 oder 316a StPO vor. Der Antragsteller ist aber durch eine andere rechtswidrige Tat verletzt und es liegen besondere Gründe vor, bei der ein Anschluss als Nebenkläger zur Wahrnehmung seiner Interessen geboten erscheint. Dies ergibt sich nicht aus den schweren Folgen der Tat. Insbesondere ist der Antragsteller nach Aktenlage nicht sonderlich traumatisiert, vielmehr ist er bereit, mit seiner Ehefrau wieder unter einem Dach zu leben. Körperliche oder seelische Schäden mit einem gewissen Grad an Erheblichkeit (MüKoStPO/Valerius, 2. Aufl. 2024, StPO § 395, Rn. 76) sind nach Aktenlage weder bereits eingetreten noch zu erwarten. Allerdings betrifft die etwaige Verurteilung seiner Ehefrau, mit der er gemeinsame Kinder hat, mit der er über ein gemeinsames Vermögen verfügt und mit der er weiterhin gemeinsam wohnt, zu einer Freiheitsstrafe womöglich der Höhe nach ohne die Möglichkeit einer Strafaussetzung zur Bewährung in besonderem Ausmaß den höchstpersönlichen Lebensbereich des Antragstellers. Eine solche Strafhöhe steht nach dem angeklagten Sachverhalt und dem hiermit verbundenen möglichen Strafrahmen des § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB im Raum. In den Gesetzesmaterialen zur Herausnahme bestimmter Straftatbestände aus § 395 Abs. 1 StPO im Jahr 2009 (BT-Drucksache 16/13671, S. 22; sodann Gesetz vom 29.07.2009 – BGBl. I 2009, Nr. 48 vom 31.07.2009) wird klargestellt, dass besondere Gründe i. S. d. § 395 Abs. 3 StPO z. B. auch darin liegen können, dass sich ein Verletzter gegen erhebliche Schuldzuweisungen zur Wehr zu setzen hat, wie dies bei Beleidigungsdelikten der Fall sein kann. Dies spricht dafür, dass auch bei einer Konstellation wie der vorliegenden, bei der die Frage der Verurteilung einer Angeklagten so gravierende Auswirkungen auf den persönlichen Lebensbereich des Antragstellers haben kann, der Anschluss auch nach dem Willen des Gesetzgebers geboten ist.
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Das Gericht verkennt nicht, dass nach Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 396 Rn. 29, sich der Nebenkläger zu den spezifischen Gründen des § 395 Abs. 3 StPO zu verhalten und dadurch Staatsanwaltschaft und Verteidigung Gelegenheit zur konkreten Erwiderung zu geben hat. Da die Umstände, aus denen das Gericht auf das Vorliegen der besonderen Gründe schließt, offenkundig sind und sich aus der Akte ergeben, war dies vorliegend allerdings nicht erforderlich.
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2. Der Antrag auf Bestellung des Nebenklägervertreters als Beistand war abzulehnen, weil die Voraussetzungen des § 397a Abs. 1 StPO nicht vorliegen und eine Bestellung nach § 397a Abs. 2 StPO schon wegen der fehlenden Erklärung des Antragstellers über seine wirtschaftlichen Verhältnisse nicht möglich ist.
III.
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Auf die durch § 396 Abs. 2 Satz 2 StPO eingeschränkte Anfechtbarkeit von Nr. 1 des Beschlusses wird hingewiesen. Der Beschluss kann nur bzgl. der formellen Anschlussvoraussetzungen angefochten werden (MüKoStPO/Valerius, 2. Aufl. 2024, StPO § 396 Rn. 37).
11
Im Übrigen kann der Beschluss durch die Staatsanwaltschaft und den Antragsteller angefochten werden (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 397a Rn. 18, 19).