Inhalt

VG Augsburg, Beschluss v. 17.01.2025 – Au 6 M 24.2964 , Au 6 M 24.2965 , Au 6 M 24.2966
Titel:

Nachweis von fehlender Vorsteuerabzugsberechtigung im Kostenfestsetzungsverfahren nicht erforderlich

Normenketten:
RVG § 11 Abs. 1, Abs. 3
ZustV § 47b
VwGO § 173 S. 1
ZPO § 104 Abs. 2 S. 3
UStG § 2, § 2b Abs. 1 S. 1
IHKG § 1 Abs. 4, § 3 Abs. 1
Leitsätze:
1. Nach dem über § 173 S. 1 VwGO im Kostenfestsetzungsverfahren zwischen den Beteiligten des zu Grunde liegenden Klageverfahrens entspr. anwendbaren § 104 Abs. 2 S. 3 ZPO genügt zur Berücksichtigung von Umsatzsteuerbeträgen die Erklärung des Kostengläubigers, dass er die Beträge nicht als Vorsteuer abziehen könne, selbst wenn er eine Umsatzsteuer-ID-Nr. hat. (Rn. 12 und 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Industrie- und Handelskammer ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und als solche nicht vorsteuerabzugsberechtigter Unternehmer iRd hoheitlichen Tätigkeit. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Erinnerungen gegen drei Kostenfestsetzungsbeschlüsse der Urkundsbeamtin zu Gunsten einer anwaltlich vertretenen öffentlich-rechtlichen Körperschaft, Einwand der nicht glaubhaft gemachten fehlenden Berechtigung der Körperschaft zum Umsatzsteuervorabzug, Kostenerinnerung, Vorsteuerabzug, Industrie- und Handelskammer, Umsatzsteuer-ID, hoheitliche Tätigkeit
Fundstelle:
BeckRS 2025, 4395

Tenor

I. Die drei Erinnerungen werden zur gemeinsamen Entscheidung miteinander verbunden und zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten der gerichtsgebührenfreien Erinnerungsverfahren. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

1
Der Antragsteller rügt im Rahmen der zu Gunsten der Antragsgegnerin erfolgten Kostenfestsetzung die Festsetzung von Umsatzsteuer, weil die Antragsgegnerin nicht glaubhaft gemacht habe, nicht zum Umsatzsteuervorabzug berechtigt zu sein.
I.
2
Der Antragsteller erhob drei Klagen gegen drei Bescheide der Antragsgegnerin über vorläufig bewilligte, aber schließlich mangels Einreichung der Endabrechnung versagte und zurückgeforderte „Neustarthilfe“ und „Neustarthilfe Plus“. Auf richterlichen Hinweis hin nahm der Antragsteller am 15. Juli 2024 die Klagen zurück; die Klageverfahren wurden jeweils eingestellt, ihm die Kosten auferlegt und der Streitwert jeweils auf 4.500,00 Euro festgesetzt (VG Augsburg, B.v. 17.7.2024 – Au 6 K 24.632, Au 6 K 24.642, Au 6 K 24.643).
3
Mit Schriftsatz vom 15. November 2024 beantragte die Antragsgegnerin zu allen drei Klageverfahren durch ihren Rechtsanwalt die Festsetzung außergerichtlicher Kosten einschließlich 19% Umsatzsteuer (gemäß Nr. 7008 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz – VV RVG) mit dem Hinweis, die Antragsgegnerin sei nicht vorsteuerabzugsberechtigt. Daraufhin setzte die Urkundsbeamtin zu allen drei Klageverfahren mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 19. November 2024 die der Antragsgegnerin vom Antragsteller zu erstattenden Aufwendungen antragsgemäß auf 540,50 Euro fest.
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Der Antragsteller legte hiergegen am 29. November 2024 Kostenerinnerung ein mit der Begründung, die Antragsgegnerin habe nicht nachgewiesen, dass sie nicht vorsteuerabzugsberechtigt sei. Tatsächlich veröffentliche sie aber auf ihrem Webauftritt ihre Umsatzsteuer-ID-Nummer.
5
Die Urkundsbeamtin half der Kostenerinnerung nicht ab und legte sie zur Entscheidung vor, denn nach § 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO (Zivilprozessordnung) genüge zur Berücksichtigung von Umsatzsteuerbeträgen die Erklärung des Kostengläubigers, dass er die Beträge nicht als Vorsteuer abziehen könne. Diese Erklärung müsse nicht glaubhaft gemacht werden. Das Kostenfestsetzungsverfahren solle von der Entscheidung über umsatzsteuerrechtliche Fragen freigehalten werden (vgl. Gerold/Schmidt, Kostenrecht, 25. Auflage, Rn. 70 zu VV 7008 RVG).
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Die Beteiligten erhielten Gelegenheit zur Äußerung, äußerten sich aber nicht in gesetzter Frist.
7
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Kostenakten Bezug genommen.
II.
8
Die nach § 165 und § 151 VwGO (Verwaltungsgerichtsordnung) zulässigen Erinnerungen sind unbegründet. Die Kostenfestsetzung nach § 164 VwGO zugunsten der Antragsgegnerin in den drei Kostenfestsetzungsbeschlüssen ist nicht zu beanstanden.
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1. Über die Erinnerung entscheidet nach § 5 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 87a Abs. 1 Nr. 2, § 165 Satz 2 und § 151 VwGO der Berichterstatter als Einzelrichter, da er den zu Grunde liegenden Einstellungsbeschluss in allen drei Klageverfahren erlassen hat.
10
2. Die Kostenbeamtin hat zu Recht auch die Umsatzsteuer festgesetzt.
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a) Im Rahmen der Kostenfestsetzung hat die Urkundsbeamtin nicht zu prüfen, ob eine Berechtigung des Kostengläubigers zum Vorsteuerabzug besteht oder nicht.
12
Vielmehr genügt nach dem über § 173 Satz 1 VwGO im Kostenfestsetzungsverfahren – anders im Vergütungsfestsetzungsverfahren eines Rechtsanwalts gegen den eigenen Auftraggeber nach § 11 Abs. 2 Satz 2 RVG – zwischen den Beteiligten des zu Grunde liegenden Klageverfahrens entsprechend anwendbaren § 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO zur Berücksichtigung von Umsatzsteuerbeträgen die Erklärung des Kostengläubigers, dass er die Beträge nicht als Vorsteuer abziehen könne. Sie ist dem Antrag der Antragsgegnerin auf Kostenfestsetzung beigefügt. Diese Erklärung muss nicht glaubhaft gemacht werden.
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b) Nicht streitentscheidend ist daher der Einwand des Antragstellers, die Antragsgegnerin habe nicht nachgewiesen, dass sie nicht vorsteuerabzugsberechtigt sei.
14
Dass die Antragsgegnerin eine Umsatzsteuer-ID-Nummer habe, wie er geltend macht, steht dem nicht entgegen: Die Industrie- und Handelskammer ist nach § 3 Abs. 1 IHK-G (Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern) eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und als solche nach § 2 i.V.m. § 2b Abs. 1 Satz 1 UStG (Umsatzsteuergesetz) nicht vorsteuerabzugsberechtigter Unternehmer im Rahmen ihrer hoheitlichen Tätigkeit nach § 1 Abs. 4 IHK-G. Um eine solche handelt es sich bei der Verwaltung der Corona-Hilfen, die ihr durch den Freistaat Bayern im Wege einer Beleihung nach § 47b ZustV (Zuständigkeitsverordnung) übertragen worden sind.
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Möglicherweise ist die Antragsgegnerin im Rahmen privatwirtschaftlicher Betätigung, evtl. als Kursanbieterin, vorsteuerabzugsberechtigt, was die Angabe ihrer Umsatzsteuer-ID-Nummer erklären könnte. Für die hier maßgebliche hoheitliche Tätigkeit ist sie es jedenfalls nicht, so dass an ihrer o.g. Erklärung keine Zweifel bestehen.
16
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Für das Rechtsmittel gelten § 165 Satz 2, § 151 Satz 3, § 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO (BVerwG, B.v. 29.9.2020 – 9 KSt 3.20 u.a. – juris Rn. 8).