Inhalt

VG Regensburg, Beschluss v. 21.02.2025 – RO 4 S 25.373
Titel:

Die Beseitigungsanordnungen für die Wahlwerbungsplakate stützen sich rechtmäßig auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 2, Art. 28 Abs. 2 LStVG i.V.m. der Plakatier-Verordnung der Stadt E.

Normenketten:
LStVG Art. 7 Abs. 2 Nr. 2, Art. 28 Abs. 2
Plakatier-VO
VwGO § 80 Abs. 5
Schlagwort:
Die Beseitigungsanordnungen für die Wahlwerbungsplakate stützen sich rechtmäßig auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 2, Art. 28 Abs. 2 LStVG i.V.m. der Plakatier-Verordnung der Stadt E.
Fundstelle:
BeckRS 2025, 4370

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Beseitigungsanordnung für zwei Wahlplakate für die bevorstehende Bundestagswahl durch die Antragsgegnerin.
2
Die Antragstellerin betreibt im Ortsgebiet der Antragsgegnerin an der L* …straße und der S* … Straße zwei Werbeanlagen, die zurückgehen auf Baugenehmigungen nach der Bayerischen Bauordnung (BayBO) vom 21.8.2013 und vom 2.9.2020. Auf diesen zwei Werbeanlagen ist Wahlwerbung aufgebracht. Die Werbeanlage an der L* …straße ist mit Wahlwerbung der Alternative für Deutschland (AfD) beschickt, die Werbeanlage an der S* … Straße mit Wahlwerbung des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW).
3
Am 3.2.2025 wurde durch die Antragsgegnerin festgestellt, dass an dem Plakatträger der Antragstellerin in der L* …str., E* … ein Werbeplakat der AfD angebracht worden war.
4
Die Plakatier-Verordnung (Plakatier-VO) der Antragsgegnerin bestimmt, dass Anschläge, insbesondere Plakate, Tafeln und Zettel zum Schutz des Orts- und Landschaftsbildes in der Öffentlichkeit nur an den von der Stadt zugelassenen Anschlagflächen (Plakatmasthängern) angebracht werden dürfen (§ 1 Abs. 1) und Abs. 1 keine Anwendung auf Werbeanlagen findet, die von der Bayerischen Bauordnung erfasst werden (§ 1 Abs. 2). Vor Wahlen, Volks- und Bürgerbegehren, Volks- und Bürgerentscheiden dürfen politische Parteien, Wählergruppen, Kandidatinnen und Kandidaten bis zu sechs Wochen vor der Wahl Plakatständer und Plakate nur außerhalb der in § 1 Abs. 1 dieser Verordnung genannten Stellen auf gesonderten, von der Stadt aufgestellten Großplakatständern anbringen (§ 2 Abs. 1). Die Verordnung bestimmt weiter, dass anlässlich besonderer Ereignisse im Einzelfall auf Antrag Ausnahmen von den Vorschriften des § 1 Abs. 1 dieser Verordnung gestattet werden können, wenn dadurch das Ort- und Landschaftsbild nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt wird und die Gewähr besteht, dass die Anschläge innerhalb einer festgesetzten Frist beseitigt werden (§ 3 Abs. 2). Ferner findet sich in § 5 Abs. 1 Nr. 3, dass nach Art. 28 Abs. 2 des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes (LStVG) mit einer Geldbuße belegt werden kann, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 2 Abs. 1 ohne Ausnahmegenehmigung nach § 3 Abs. 2 Plakate außerhalb der zugelassen Flächen anbringt.
5
Die Antragsgegnerin forderte mit E-Mail vom 3.2.2025 unter Hinweis auf ihre Plakatier-VO die Antragstellerin auf, die Wahlwerbung bis 6.2.2025 zu entfernen.
6
Mit E-Mail vom 5.2.2025 teilte die Antragstellerin mit, dass sie die Sachlage geprüft habe und es richtig sei, dass politische Parteien sechs Wochen vor Wahlen Plakate nur auf den von der Stadt zur Verfügung gestellten Großplakatständern anbringen dürften. Dies widerspreche aber dem Grundsatz, dass es einer politischen Partei nach Art. 5 und 21 Grundgesetz (GG) freistehe, Plakatwerbetafeln auf privatem Grund und Boden zu buchen und zu nutzen. Es stehe politischen Parteien frei, Wahlwerbung zu betreiben und sie seien nicht auf Großplakatständer auf öffentlichem Raum beschränkt.
7
Mit E-Mail vom 6.2.2025 teilte die Antragsgegnerin mit Verweis auf die Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Inneren vom 13.2.2013 (Az.: IC2-2116.1-0) „Werbung auf öffentlichen Straßen aus Anlass von allgemeinen Wahlen, Volksbegehren, Volksentscheiden, Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden“ mit, dass die Plakate bis 7.2.2025 entfernt werden müssten, anderenfalls ergehe eine kostenpflichtige Beseitigungsanordnung. Parteien seien anlässlich von Wahlen angemessene Werbemöglichkeiten einzuräumen. Dies ergebe sich aus Art. 21 GG in Verbindung mit §§ 1 ff. des Parteiengesetzes, Art. 38 Abs. 1 Satz 1 und Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG. Die freie Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 GG könne gem. Abs. 2 durch Gesetze eingeschränkt werden, was in Bayern durch Art. 28 des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes (LStVG) erfolge. Gemäß Art. 28 LStVG könnten Gemeinden zum Schutz des Orts- und Landschaftsbildes durch Verordnung die Plakatierung in der Öffentlichkeit auf bestimmte Flächen beschränken. Von dieser Verordnungsermächtigung habe die Antragsgegnerin Gebrauch gemacht und die Plakatier-VO erlassen. Aus § 2 Abs. 1 der Verordnung ergebe sich die Einschränkung, dass Parteien für die Wahlwerbung ausschließlich die von der Stadt E* … zur Verfügung gestellten Plakatständer nutzen dürften. Wahlwerbung an privaten Plakatständern sei damit unzulässig. Das Grundrecht werde insoweit in verfassungskonformer Weise eingeschränkt.
8
Darauf antwortete die Antragstellerin mit E-Mail vom gleichen Tag und teilte mit, dass es sich bei den Werbeflächen um fest installierte, dauerhafte Anlagen handeln würde, welche baurechtlich ohne werbliche Einschränkungen genehmigt worden sei und sich auf privatem Grund befänden. Da sich die Werbeanlagen fest und dauerhaft auf Privatgrund befänden und zudem von der Bayerischen Bauordnung erfasst und baurechtlich genehmigt seien, werde für die Anbringung von Werbung auch keine Sondernutzungsgenehmigung benötigt und folglich könne auch kein Verstoß vorliegen. Die Satzung solle die temporäre Wahlwerbung auf öffentlichem Grund und Boden regeln und verpflichte die Gemeinde auf öffentlichem Grund und Boden Grundstücke für die Anbringung von Wahlwerbung, im Rahmen von Sondernutzungsgenehmigungen, zu ermöglichen, besage aber auch, unter welchen Voraussetzungen diese erteilt oder abgelehnt werden könnten. Die Gemeinde habe jedoch keine Hoheit darüber zu bestimmen, was für Werbung auf baurechtlich genehmigten Werbeflächen auf privatem Grund und Boden geschaltet werde.
9
Am 7.2.2025 habe die Antragsgegnerin festgestellt, dass an einem weiteren Plakatträger der Antragstellerin in der S* … Straße in E* … ein Werbeplakat des BSW angebracht worden sei. Bei einer Ortsbegehung durch das Ordnungsamt der Antragsgegnerin am 10.2.2025 sei festgestellt worden, dass beide Plakate noch hängen würden.
10
Unter dem 10.2.2025, der Antragstellerin zugegangen am 13.2.2025, erließ die Antragsgegnerin folgen Bescheid:
1. Das Werbeplakat der AfD „Zeit für unseren Aufschwung“ am Plakatträger der Firma S* … GmbH, …, …, vertreten durch den Geschäftsführer in der L* …str., E* …, Flur-Nr. …1 der Gemarkung E* … ist bis Freitag, 14.02.2025, 10:00 Uhr zu entfernen.
2. Das Werbeplakat der Fraktion Bündnis Sahra Wagenknecht „Unser Land verdient mehr Rente“ am Plakatträger der Firma S* … GmbH, …, …, vertreten durch den Geschäftsführer in der S* … Str., E* …, Flur-Nr. …2 der Gemarkung E* … ist bis Freitag, 14.02.2025, 10:00 Uhr zu entfernen.
3. Für die Nr. 1 und 2 dieses Bescheides wird die sofortige Vollziehung angeordnet.
4. Sollte den Verpflichtungen aus Nr. 1 und Nr. 2 dieses Bescheides nicht bis zum genannten Termin nachgekommen werden, wird ein Zwangsgeld in Höhe von jeweils 250 € zur Zahlung fällig.
5. Die Firma S* …GmbH hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
6. Für diesen Bescheid wird eine Gebühr in Höhe von 80 € festgesetzt. Die Auslagen belaufen sich auf 3,50 €.
11
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die beiden Plakate der AfD und des BSW, die an Plakatträgern der Antragstellerin hingen, der Plakatier-VO der Stadt E* … unterlägen, da es sich um öffentliche Anschläge im Sinne von Art. 28 LStVG und der Plakatier-VO handele. Soweit die Antragstellerin der Auffassung sei, dass es sich bei den Plakatständern um baurechtlich genehmigte Anlagen handele und diese für Werbung jeglicher Art gestattet seien und ein gemeindliches Verbot nicht entgegenstehen könne, könne dieser Auffassung nicht gefolgt werden. Die Plakatier-VO der Stadt E* … beziehe sich nur auf Anschläge, die in der Öffentlichkeit angebracht seien. Es komme demnach nicht auf den Ort der Anbringung des Anschlages, sondern auf den Ort des Hineinwirkens an. In der Öffentlichkeit befänden sich Darstellungen, wenn sie von einem größeren, durch persönliche Beziehungen nicht verbundenen, sondern nach Zahl und Zusammensetzung unbestimmten Personenkreis wahrgenommen werden könnten. Öffentlich seien insbesondere Anschläge, die vom öffentlichen Verkehrsraum aus wahrgenommen werden könnten. Dies sei hier der Fall, da die Plakatständer unmittelbar neben einer öffentlichen Verkehrsfläche aufgestellt worden seien.
12
Bei den Plakatständern handele sich um bauliche Anlagen der Wirtschaftswerbung i.S.v. Art. 2 Abs. 1 Satz 2 BayBO. Die darauf angebrachten Werbemittel (Anschläge, Plakate, usw.) würden aber dem Anwendungsbereich des Art. 28 LStVG und nicht der BayBO unterliegen (Busse/Kraus, BayBO, Stand Januar 2023, Rn. 68 f. zu Art. 2 und Schenk/Seidl, LStVG-Komm, Stand April 2024, Rn. 13). Das Merkmal der Wirtschaftswerbung bedeute, dass die Anlage der gewerblichen oder beruflichen Ankündigung oder Anpreisung oder als Hinweis auf ein Gewerbe oder einen Beruf dienen müsse (vgl. Art. 12 Abs. 1 Satz 1 BayBO, 1994), also Werbung auf dem Gebiet der Wirtschaft sein müsse (Busse/Kraus, BayBO, Stand Januar 2023, Rn. 74). Eine Anlage, die für nichtwirtschaftliche Zwecke (ideelle, z.B. kirchliche, kulturelle, politische) werbe, sei keine Wirtschaftswerbung und werde daher nicht vom Anwendungsbereich der BayBO erfasst, sondern verbleibe im Anwendungsbereich des Art. 28 LStVG.
13
Die Beseitigungsanordnung stütze sich auf Art. 7 Abs. 2 LStVG, da keine speziellere Norm als Anspruchsgrundlage für die Beseitigungsanordnung vorliege. Bei der Plakatierung an den beiden o. g. Standorten handele es sich um rechtswidrige Taten, die den Ordnungswidrigkeitentatbestand des § 5 Nr. 3 Plakatier-VO erfüllten. Bei den beiden Plakaten der AfD und des BSW handele es sich um Wahlwerbung, die sich nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 LStVG i.V.m. der Plakatier-VO der Stadt E* … beurteilen lasse. Eine Ausnahmegenehmigung nach § 3 Abs. 2 Plakatier-VO komme nicht in Frage, da eine Ausnahme nur für die von der Stadt zugelassenen Plakatmasthänger erteilt werden könne. Werbeanlagen, die von der Bayerischen Bauordnung erfasst würden, würden nicht dieser Ausnahmeregelung, § 1 Abs. 2 Plakatier-VO unterliegen.
14
Die Frist bis 14.2.2025, 10.00 Uhr sei knappgehalten worden, da die Antragstellerin bereits am 3.2.2025 auf die Notwendigkeit der Beseitigung hingewiesen worden sei. Der Aufforderung sei bis heute nicht nachgekommen worden. Den anderen im Wahlkampf vertretenen Parteien könne eine Benachteiligung nicht länger zugemutet werden. Die Beseitigung sei ohne großen Aufwand durchführbar und könne schnell umgesetzt werden.
15
Die Beseitigungsanordnung sei auch verhältnismäßig, Art. 40 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG). Die Maßnahme sei geeignet, um den rechtswidrigen Zustand der durch die Plakatierung bestehe, zu beseitigen. Der Antragstellerin sei es auch rechtlich und tatsächlich möglich, die Maßnahme umzusetzen. Die Maßnahme sei auch erforderlich, da es kein gleichgelagertes geeignetes Mittel zur Herstellung eines rechtmäßigen Zustandes gebe, insbesondere komme keine Ausnahmegenehmigung, wie oben beschrieben, in Frage. Die Beseitigungsanordnung sei auch angemessen und verhältnismäßig im engeren Sinn, Art. 8 Abs. 2 LStVG. Die Notwendigkeit einer Beseitigungsanordnung überwiege das Interesse der Antragstellerin an ihrem Recht der freien Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 GG und dem Recht, das Eigentum nach Belieben zu nutzen, Art. 14 Abs. 1 GG. Der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG sei eröffnet. Dieses Recht finde jedoch seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, Art. 5 Abs. 2 Satz 1 GG. Ein solches Gesetz sei Art. 28 LStVG, welches die Stadt dazu ermächtige, durch Verordnung Anschläge in der Öffentlichkeit auf bestimmte Flächen zu beschränken und insoweit das Recht auf freie Meinungsäußerung einzuschränken. Von dieser Ermächtigung habe die Antragsgegnerin in Gestalt der Plakatier-VO Gebrauch gemacht und die Plakatierung im Stadtgebiet eingeschränkt. Die Duldung der rechtswidrigen Plakatierung würde dem Zweck der Plakatier-VO zuwiderlaufen, weshalb das Interesse der Antragstellerin am Fortbestand der Plakate hinter dem Interesse der Antragsgegnerin auf eine schnellstmögliche Beseitigung zurückstehen müsse.
16
Die Antragstellerin sei als Eigentümerin auch der richtige Adressat der Beseitigungsanordnung und könne als Zustandsstörerin nach Art. 9 Abs. 2 Satz 1 LStVG herangezogen werden.
17
Um die Durchsetzung der Anordnung zu gewährleisten, sei die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) notwendig. Anschläge und Plakate für Wahlen seien ihrer Natur nach nicht auf Dauer angelegt, sondern nur bis zum jeweiligen Wahlereignis. Bei einer aufschiebenden Wirkung einer Klage würde sich i. d. R. die Hauptsache erledigen, bevor über die Klage entschieden werden könnte. Um hier den Grundsatz der Chancengleichheit aller im Wahlkampf vertretenen Parteien nicht noch länger zu gefährden, könne nicht hingenommen werden, dass dieser Zustand durch die aufschiebende Wirkung einer Klage bis zur Entscheidung hierüber anhalte.
18
Die Androhung des Zwangsgeldes stütze sich auf Art. 29, 30, 31 und 36 Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG).
19
Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 1, 2, 6, 7 und 10 Abs. 1 Nr. 2 des Kostengesetzes (KG) i.V.m, Tarif-N r. 2.11.111 des Kostenverzeichnisses zum Kostengesetz.
20
Mit am 18.2.2025 beim Verwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz hat die Antragstellerin gegen den Bescheid vom 10.2.2025 Klage (RN 4 K 25.359) erheben und mit Schriftsatz vom 19.2.2025, eingegangen am gleichen Tag, um einstweiligen Rechtsschutz nachsuchen lassen. Zur Begründung wird vorgetragen, dass die Antragstellerin ein deutschlandweit tätiges Unternehmen der Außenwerbungsbranche sei. Geschäftsgegenstand sei, deutschlandweit ein Flächennetz von baugenehmigten Werbeanlagen zu betreiben, auf denen Kunden Werbekampagnen gegen Mietzahlungen aufbringen lassen könnten. Zum Kundenstamm in der Außenwerbungsbranche zählten dabei Wirtschaftsunternehmen, Freiberufler, Handwerksbetriebe, einzelne Ministerien, die für Bundeskampagnen werben würden, auch karitative Vereine, Anstalten des öffentlichen Rechts oder auch nicht Regierungsorganisationen, ohne dass diese getätigte Aufzählung abschließender Natur sein könne. Außenwerbungsanlagen stünden einer Vielzahl von am Markt und Wettbewerb teilnehmenden Organisationen/Organisationsformen frei, um auf ihr Bestehen/ihre Anliegen hinweisen zu können. Im Endeffekt nutzten auch politische Parteien gerade vor Landtags- oder Bundestagswahlen die Möglichkeit baugenehmigte Werbeanlagen zum Zwecke der Wahlwerbung einzusetzen, zusätzlich zu den im öffentlichen Straßenland bekannten Wahlplakaten. Auf eben solchen Werbeanlagen im Ortsgebiet der Antragsgegnerin (L* …str., S* … Str.) sei Wahlwerbung aufgebracht, die von den dort werbenden Parteien gebucht worden sei. Die Wahlwerbung auf den Werbeanlagen an der L* …str. und der S* … Str. sei der Antragsgegnerin aufgefallen und sie habe die Antragstellerin daraufhin vor dem Hintergrund, dass es verboten sei, diese Wahlwerbung auf den nach der BayBO baugenehmigten Werbeanlagen zu betreiben, angehört.
21
Die angeordnete sofortige Vollziehung der Beseitigungsanordnung im Bescheid vom 10.2.2025 sei rechtswidrig. Darüber hinaus sei der Antrag auch begründet, da bei gebotener Interessenabwägung das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin an der rechtswidrigen Beseitigungsanordnung überwiege. Das Interesse der Antragstellerin an der Aussetzung der sofortigen Vollziehung der Beseitigungsanordnung vom 10.2.2025 genieße schon deshalb vorliegend Vorrang, weil anderenfalls dem Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG nicht Genüge getan würde.
22
Nach Auffassung der Antragstellerin finde Art. 28 LStVG nicht unmittelbar auf die Werbeanlagen der Antragstellerin Anwendung, weil Art. 28 Abs. 1 Satz 2 LStVG regele, dass die Möglichkeit der Flächenbeschränkung durch Verordnung nicht für eben solche Werbeanlagen, die von der BayBO erfasst würden, gelte. Um solche Werbeanlagen handele es aber sich bei den antragsgegenständlichen Werbeanlagen der Antragstellerin. Die Antragsgegnerin versuche eine gemeindliche Verordnung über die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage und über ihre eigene Satzungsregelung hinausgehend anzuwenden auf eine baugenehmigte bauliche Anlage, für die weder die LStVG noch die Plakatier-VO nach dem Gesetzeswortlaut / Verordnungswortlaut Anwendung finden könne.
23
Der Gesetzgeber stelle eindeutig klar, dass es bei Erlass einer solchen Plakatier-VO maßgeblich auf den Schutz der in Art. 28 Abs. 1 Satz 1 LStVG beinhalteten Rechtsgüter ankomme. Die Rechtsgüter in Art. 28 Abs. 1 Satz 1 LStVG seien das geschützte Orts- und Landschaftsbild oder der Schutz eines Natur-, Kunst oder Kulturdenkmals. Diese gesetzgeberische Intention sei auch logisch und knüpfe daran an, dass die Norm sich auf Bereiche der öffentlichen Verkehrsflächen beschränke. Der Gesetzgeber ermächtige damit Gemeinden, auch für Zeiträume des Wahlkampfes vor Landtags- und Bundestagswahlen, nicht die öffentlichen Flächen insgesamt für das Plakatieren freizugeben, sondern nur reglementiert auf solche öffentlichen Flächen, wo nicht das Orts- oder Landschaftsbild durch das Aufstellen von Plakaten beeinträchtigt wäre oder eine Beeinträchtigung von Natur-, Kunst oder Einzeldenkmälern zu befürchten sei. Diese Ermächtigungsgrundlage ermögliche es also der Gemeinde zu steuern, wo im öffentlichen Raum Plakate, auch zum Zwecke der Wahlwerbung, aufgestellt werden könnten, wobei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts insoweit anerkannt sei, dass die Gemeinden schon eine gewisse Anzahl von Flächen vor den Landtags- und Bundestagswahlen hierfür zur Verfügung stellen müssten. Die Regelung des § 2 Abs. 1 der Plakatier-VO der Antragsgegnerin werde in sich nur verständlich, wenn man die Regelung in Zusammenhang mit § 1 Abs. 1 der Plakatier-VO lese. Die Gesamtregelung wolle dem Adressaten also mitteilen, dass es grundsätzlich nach § 1 Abs. 1 der Plakatier-VO Flächen im Stadtgebiet gebe, die für Anschläge genutzt werden könnten. § 2 Abs. 1 der Plakatier-Verordnung baue auf dieser Regelung auf und bestimme, dass in Zeiträumen vor Wahlen (sechs Wochen) Wahlwerbung nur außerhalb der regelmäßig geltenden Stellen für Plakatierungen, die § 1 Abs. 1 der Plakatier-Verordnung benenne, genutzt werden dürfte und die Anbringung auch nur auf den von der Stadt aufgestellten Großplakatständern erfolgen dürfe. Für diese Regelung finde sich in Art. 28 Abs. 1 LStVG keinerlei Ermächtigungsgrundlage. Art. 28 Abs. 1 LStVG ermächtige dazu, zum Schutz des Orts- und Landschaftsbildes oder zum Schutz von Denkmälern gewisse öffentliche Flächen der Aufstellung von Plakaten zu entziehen. Vorliegend deute die Antragsgegnerin diese Ermächtigungsgrundlage so, dass Wahlplakate grundsätzlich auf nochmals völlig andere Flächen verwiesen würden. Verstehe man den Verordnungsgeber richtig, so gebe es grundsätzlich im Ortsgebiet Stellen, an denen das Anbringen von Plakaten regelmäßig möglich sei, weil diese Stellen das Orts- und Landschaftsbild oder Denkmäler nicht beeinträchtigten. An diesen Stellen solle allerdings dann, sechs Wochen vor der Wahl, Wahlwerbung gerade nicht erfolgen, sondern an anderen Stellen. Wenn es allerdings in der Öffentlichkeit, also auf öffentlichen Flächen im Ortsgebiet der Antragsgegnerin, grundsätzlich Stellen im Sinne des § 1 Abs. 1 der PlakatierVO gebe, die gerade nicht den geschützten Rechtsgütern des Art. 28 Abs. 1 Satz 1 LStVG widersprächen, so seien dies doch gerade die Stellen, die auch zum Zwecke der Wahlwerbung genutzt werden sollten im öffentlichen Bereich. Der Verordnungsgeber maße sich vorliegend allerdings an, nach „eigenem Gusto“ über die Ermächtigungsgrundlage des Art. 28 Abs. 1 Satz 1 LStVG hinausgehend speziell Flächen für Wahlwerbung zu bestimmen. Dies sei schon zweifelhaft, soweit öffentliche Flächen betroffen seien, da gerade auch auf den üblichen öffentlichen Flächen, die nicht die geschützten Rechtsgüter des Art. 28 Abs. 1 Satz 1 LStVG beeinträchtigen würden, Wahlwerbung möglich sein müsste. Hierauf komme es allerdings für den vorliegenden Fall gar nicht an, da jedenfalls die Ermächtigungsgrundlage des Art. 28 Abs. 1 Satz 1 LStVG sich nicht auf private Grundstücke erstrecke, sondern nur eben auf öffentliche Flächen. Wenn und soweit der Verordnungsgeber die Auffassung vertrete, dass seine Verordnungskompetenz auch private Grundstücke betreffen dürfte, so könne dies jedenfalls nicht aus der Ermächtigungsgrundlage des Art. 28 Abs. 1 Satz 1 LStVG abgeleitet werden. Wenn der Verordnungsgeber private Grundstücke mit Ausschlussregelungen belegen wolle, unabhängig ob es sich um Wahlwerbung handele oder anderweitige Werbung, dann müsse sich der Verordnungsgeber der dafür zur Verfügung stehenden Ermächtigungsgrundlagen des Bauplanungsrechts oder des Bauordnungsrechts (Art. 81 BayBO örtliche Bauvorschrift) bedienen. Anders könne der Verordnungsgeber Werbung auf privaten Flächen, soweit sie im Übrigen nach der BayBO genehmigungsfähig sei, nicht verhindern.
24
Den Ausführungen der Antragsgegnerin zum Vollzugsinteresse, nämlich dem Wiederherstellen rechtmäßiger Zustände und der Wahrung der Chancengleichheit von politischen Parteien, könne nicht gefolgt werden. Dem Wiederherstellen rechtmäßiger Zustände stünden die auf den Werbeanlagen angebrachten Wahlwerbeplakate nicht entgegen. Vielmehr würden höherrangige Rechte dafürstehen, dass die aufgebrachten Wahlplakate nicht zu beseitigen seien. Die aufgebrachte Wahlwerbung dürfte aus der Warte der Antragstellerin durch die höherrangigen Rechte des Art. 12 GG und Art. 14 GG geschützt sein. Aus Sicht der auf den Werbeanlagen für sich werbenden politischen Parteien dürfte der Schutz folgen aus Art. 5 GG und Art. 21 GG. Der Schutz dieser höherrangigen Rechte überwiege das vermeintliche Interesse der Antragsgegnerin an der Wahrung der rechtswidrigen Bestimmungen in der Plakatier-VO der Antragsgegnerin. Darüber hinaus unterminierten die Wahlwerbungen auf den streitgegenständlichen Werbeanlagen auch nicht die Chancengleichheit der politischen Parteien. Nach bundesverwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung solle die Chancengleichheit zur Wahlwerbung in öffentlichen Bereichen, also auf öffentlichen Flächen, dadurch hergestellt werden, dass den politischen Parteien in ausreichender Anzahl die Möglichkeit geboten werde durch die Gemeinden, in dem Zeitraum von sechs Wochen vor Wahlen für sich zu werben. Diese Möglichkeit werde durch die Wahlwerbung auf den streitgegenständlichen Werbeanlagen nicht ausgeschlossen oder eingeschränkt. Vielmehr sei es so, dass die für sich werbenden Parteien auf den streitgegenständlichen Werbeanlagen schlicht die Möglichkeit ergriffen hätten, eben nicht kostenfrei, sondern gegen Entgelt, auf zusätzlichen Werbeanlagen auf sich aufmerksam zu machen, ohne dass damit die Werbemöglichkeit auf öffentlichen Flächen für sich oder dritte Parteien beeinträchtigt oder verringert würde. Die auf den streitgegenständlichen Werbeanlagen für sich werbenden Parteien hätten schlicht die Möglichkeit ergriffen, die zur Vermietung angebotenen Werbeflächen der Antragstellerin für sich zu nutzen, um dadurch ihre Wahrnehmbarkeit beim Wähler zu steigern. Es sei nicht aber etwa so, dass damit die Antragstellerin in irgendeiner Art und Weise sich in die Chancengleichheit bei der Wahlwerbung einmische, denn auch alle anderen Parteien hätten die Möglichkeit, hierauf habe die Antragstellerin auch bereits mit ihrer Stellungnahme vom 6.2.2025 vor Erlass der gegenständlichen Verfügung vom 10.2.2025 hingewiesen, für sich ebenfalls Werbeanlagen zu buchen, um auf diesen Flächen für die eigenen Wahlinhalte zu werben. Dabei müsse auch berücksichtigt werden, dass im Ort E* … insgesamt, wozu auch die zwei streitbefangenen Anlagen zählten, 47 Plakatwerbeträger zur freien Buchung von werbewilligen Kunden zur Verfügung stünden. Dies sei der frei zugänglichen Quelle www.meinplakat.de zu entnehmen.
25
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage vom 18.2.2025 gegen die Beseitigungsanordnung der Antragsgegnerin vom 10.2.2025 wiederherzustellen.
26
Die Antragsgegnerin hat keinen Antrag gestellt.
27
Für den Sachverhalt und das Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf die in elektronischer Form vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten (RN 4 K 25.359 und RN 4 S 25.373 mit den wechselseitigen Schriftsätzen.
II.
28
1. Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.
29
Gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO haben Widerspruch und Klage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt allerdings nach § 80 Abs. 2 Satz 1 VwGO dann, wenn dies gesetzlich vorgeschrieben ist (hier für die Nr. 4 des Bescheids gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21a BayVwZVG und für Nr. 5 und 6 des Bescheides gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO) oder die Behörde die sofortige Vollziehbarkeit eines Verwaltungsakts im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten besonders anordnet (hier für die Nr. 1 und 2 des Bescheids). In diesen Fällen kann das Gericht nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Antrag die aufschiebende Wirkung von Klage und Widerspruch anordnen (wenn diese aufgrund Gesetzes ausgeschlossen ist) oder wiederherstellen (wenn eine Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO vorliegt). Das Gericht trifft insoweit eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat dabei zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit ihres Bescheids und dem Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind vorrangig die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die gebotene summarische Prüfung, dass Rechtsbehelfe gegen den angefochtenen Bescheid keinen Erfolg versprechen, tritt das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung regelmäßig hinter das Vollziehungsinteresse zurück und der Antrag ist unbegründet. Erweist sich die erhobene Klage hingegen bei summarischer Prüfung als zulässig und begründet, dann besteht kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheids und dem Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist stattzugeben. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht ausreichend absehbar, muss das Gericht die widerstreitenden Interessen im Einzelnen abwägen. Die Begründetheit eines Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann sich daneben auch daraus ergeben, dass die behördliche Anordnung der sofortigen Vollziehung rechtswidrig ist, weil sie den formellen Anforderungen nicht genügt.
30
Vor dem Hintergrund dieser Maßstäbe stellt sich der Antrag als unbegründet dar. Zum einen genügt die Begründung des angeordneten Sofortvollzugs den formellen Anforderungen (vgl. unter a)). Zum anderen wird die erhobene Klage bei summarischer Prüfung voraussichtlich keine Aussicht auf Erfolg haben (dazu b)).
31
a) Die behördliche Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit genügt im Hinblick auf die Nr. 1 und 2 des streitgegenständlichen Bescheids den formellen Anforderungen. Insbesondere ist dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO Genüge getan. Diese Begründungspflicht verlangt von der zuständigen Behörde, das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit eines Bescheids unter Bezugnahme auf die Umstände des konkreten Einzelfalls darzustellen (BayVGH, B.v. 14.2.2002 – 19 ZS 01.2356 – NVwZ-RR 2002, 646). § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO hat unter anderem eine Warnfunktion für die handelnde Behörde. Damit soll sichergestellt werden, dass sich die Behörde des Ausnahmecharakters ihrer Anordnung bewusst wird und die konkret betroffenen Interessen sorgsam prüft und abwägt (BayVGH, B.v. 3.5.2018 – 20 CS 17.1797 – juris Rn. 2). Nichtssagende, formelhafte Wendungen reichen deshalb nicht aus. Allerdings genügt dann, wenn immer wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltungen eine typische Interessenlage zugrunde liegt, dass die Behörde diese Interessenlage aufzeigt und deutlich macht, dass sie auch im vorliegenden Fall gegeben ist.
32
Gemessen an diesen Maßstäben ist die zu prüfende Begründung des Sofortvollzugs ausreichend. Die Antragsgegnerin hat sich in genügender Weise auf die hier widerstreitenden Interessen der betroffenen Antragstellerin und das Vollzugsinteresse der Allgemeinheit bezogen und erläutert, warum sie dem öffentlichen Interesse den Vorrang einräumt. Insbesondere hat die Behörde dargelegt, dass Anschläge und Plakate für Wahlen ihrer Natur nach nicht auf Dauer angelegt seien, sondern nur bis zum jeweiligen Wahlereignis. Bei einer aufschiebenden Wirkung einer Klage würde sich daher die Hauptsache erledigen, bevor über die Klage entschieden werden könnte. Um den Grundsatz der Chancengleichheit aller im Wahlkampf vertretenen Parteien nicht noch länger zu gefährden, könne daher nicht hingenommen werden, dass dieser Zustand durch die aufschiebende Wirkung einer Klage bis zur Entscheidung hierüber anhalte. Diese Begründung erachtet das Gericht als ausreichend. Ob sie auch in der Sache trägt, ist eine Frage des materiellen Rechts.
33
b) Bei summarischer Prüfung stellt sich die erhobene Klage als unbegründet dar. Die in Nr. 1 und 2 erfolgten Beseitigungsanordnungen (dazu aa)), wie auch die Zwangsgeldandrohung in Nr. 4 sowie die Kostenentscheidung in Nr. 5 und 6 (dazu bb)) sind danach voraussichtlich rechtmäßig und verletzen die Antragstellerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
34
aa) Die Beseitigungsanordnungen stützen sich zutreffend auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 2, 28 Abs. 2 LStVG.
35
(1) Wahlwerbetafeln sind keine Anlagen der Wirtschaftswerbung (vgl. Art. 2 Abs. 1 Satz 2 BayBO), also ortsfeste Anlagen, die der gewerblichen oder beruflichen Anpreisung oder als Hinweis auf Gewerbe oder Beruf dienen und unterfallen daher nicht den Regelungen der Bayerischen Bauordnung für Werbeanlagen, so dass die Beseitigung nicht auf Art. 56, 76 BayBO gestützt werden kann (vgl. VG München, B.v. 11.9.2013 – M 23 S 13.3868). Zwar mag es zutreffend sein, dass es sich grundsätzlich bei den Werbeanlagen der Antragstellerin in der L* …str. und S* … Str. in E* … um Werbeanlagen handelt, für welche eine Baugenehmigung erteilt worden ist. Eine solche Baugenehmigung wurde aber für die Errichtung einer Plakatwerbetafel (2,80 m x 3,80 m) für die wechselnde Produktwerbung erteilt. Damit hält sich diese Werbeanlage nur dann im Rahmen ihrer baulichen Genehmigung, wenn diese für wechselnde Produktwerbung in Form von Wirtschaftswerbung gem. Art. 2 Abs. 1 BayBO genutzt wird. Werden diese Werbetafeln für andere, nicht der Wirtschaftswerbung dienende Zwecke genutzt, sind sie nicht mehr von dem Genehmigungsumfang gedeckt und unterfallen auch nicht mehr Art. 2 Abs. 1 BayBO.
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(2) Gemäß Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 und 2 LStVG kann die Antragsgegnerin jedoch auch als Sicherheitsbehörde (Art. 6 LStVG) zur Erfüllung ihrer Aufgaben für den Einzelfall Anordnungen treffen, um rechtswidrige Taten, die den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit verwirklichen, zu verhüten oder zu unterbinden und um durch solche Handlungen verursachte Zustände zu beseitigen. Diese Voraussetzungen sind gegeben, aufgrund der Ordnungswidrigkeit gem. § 5 Nr. 3 der Plakatier-VO der Antragsgegnerin.
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Nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 LStVG können die Gemeinden u.a. zum Schutz des Orts- und Landschaftsbildes durch Verordnung Anschläge, insbesondere Plakate, in der Öffentlichkeit auf bestimmte Flächen beschränken. Die Gemeinden sollen dadurch die Möglichkeit erhalten, ihr Ortsbild als die durch die örtliche Bebauung geprägte Ansicht eines Ortes bzw. Ortsteiles nicht durch unkontrollierte Anschläge („wildes Plakatieren“) beeinträchtigen zu lassen. Eine besondere Schutzwürdigkeit des Orts- oder Landschaftsbilds etwa im Sinne des Naturschutzrechts ist hierfür nicht erforderlich. Die zulässigen Anschläge können auf bestimmte Flächen beschränkt und im Übrigen verboten werden. Dabei müssen die zulässigen Standorte in der Verordnung hinreichend konkret bezeichnet werden. Der Werbung für politische Parteien, Wählergruppen, Volksbegehren und Volksentscheide sowie Bürgerbegehren und Bürgerentscheide muss genügend Raum gegeben werden, insbesondere während angemessener Zeit vor Wahlen und Abstimmungen (vgl. Nr. 28.2 VollzBekLStVG; Bekanntmachung des StMI vom. 13.2.2013, IC2-2116.1-0, AllMBl. 2013, 52). Die durch Art. 28 LStVG eröffneten gemeindlichen Gestaltungsmöglichkeiten finden dort ihre Grenze, wo nach Umfang (Zahl der Stellplätze) und Ortswahl (Werbewirksamkeit der Aufstellungsflächen) die zugelassene Plakatierung keine angemessene Wahlwerbung mehr zulässt. Es ist ein Mindestmaß an Plakatierungsflächen vorzusehen, das eine individualisierte Selbstdarstellung der verschiedenen politischen Parteien im Meinungsspektrum zulässt, ggf. sind hierfür auch kurzfristige Beeinträchtigungen des Ortsbildes hinzunehmen (zum Ganzen: VG Augsburg, B.v. 01.10.2018 – Au 1 E 18.1617 – juris, Rn. 33 ff.).
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Die Verordnungsermächtigung gilt zwar nicht für Werbeanlagen, die von der Bayerischen Bauordnung (BayBO) erfasst werden (Art. 28 Abs. 1 Satz 2 LStVG). Vom Anwendungsbereich des Art. 28 LStVG erfasst wird daher nur die Werbung mit nicht gewerblicher Zielrichtung, also freiberuflicher, ideeller, insbesondere auch politischer Zielrichtung (Partei- und Wahlwerbung). Aus dem Vorhandensein dem Baurecht unterfallender Werbeanlagen in einem Bereich, in dem nach einer Plakatier-VO das Anbringen von Anschlägen nicht zulässig ist, kann folglich nicht geschlossen werden, dass diese nicht sachgerecht vollzogen würde, da sich derartige Verordnungen gerade nicht auf Anlagen der Wirtschaftswerbung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Satz 2 BayBO beziehen. Mit Blick auf den Schutzzweck einer Plakatierungsverordnung verbietet sich auch die Wertung, hierin liege eine Diskriminierung der Wahlwerbung gegenüber sonstiger Werbung. Auch in Gebieten, in denen nach dem Baurecht Anlagen der Wirtschaftswerbung zulässig sind, kann wildes Plakatieren durchaus störende Wirkung entfalten.
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Weiter ist zu beachten, dass sich bezüglich der Wahlwerbung aus der besonderen Stellung der Parteien im demokratischen Rechtsstaat spezifische Anforderungen hinsichtlich der inhaltlichen Ausgestaltung einer Plakatierungsverordnung ergeben. Die besondere verfassungsrechtliche Stellung der Parteien begründet dabei zwar keinen uneingeschränkten Anspruch auf Werbemöglichkeiten. Parteien können auch nicht beanspruchen, Werbung an bestimmten Orten anbringen zu können. Sie können aber verlangen, dass ihnen angemessene Werbemöglichkeiten (in zeitlicher Hinsicht wie auch flächenmäßig) eingeräumt werden. In Plakatierungsverordnungen muss daher der Werbung für politische Parteien durch geeignete Regelungen hinreichend Raum gegeben werden. Dabei ist es grundsätzlich auch zulässig, dass die Gemeinde das Anbringen von Wahlwerbung wie im vorliegenden Fall auf von ihr zur Verfügung gestellte besondere Anschlagsflächen für Wahlwerbung beschränkt. Das Netz der Standorte muss aber hinreichend dicht sein, um den Parteien den notwendigen Raum zur Selbstdarstellung zu gewähren. Die Abwägung, ob bei einer Beschränkung auf gemeindeeigene Anschlagtafeln in ausreichendem Umfang Raum für die Darstellung der Parteien besteht, hat sich dabei am Einzelfall zu orientieren. Gegebenenfalls muss von der in der Verordnung notwendig vorzusehenden Ausnahmeregelung Gebrauch gemacht werden, um den betroffenen Parteien eine Werbung in angemessenem Umfang zu ermöglichen (vgl. Schenk in Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, Stand September 2015, Art. 28 Rn. 61 ff.; VG München, B.v. 26.5.2006 – M 22 E 06.1484 – juris; BVerwG, U. v. 13.12.1974 – VII C 43/72 – juris mit weiteren Nachweisen).
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Auf der Grundlage der im Verfahren allein möglichen summarischen Prüfung begegnet die Plakatier-VO der Antragsgegnerin keinen durchgreifenden Bedenken, da davon auszugehen ist, dass die vorstehend dargelegten Anforderungen bei ihrem Erlass hinreichend berücksichtigt wurden. Die Verordnung hält sich entgegen den Ausführungen der Antragstellerin im Rahmen der Ermächtigung des Art. 28 Abs. 1 Satz 1 LStVG, indem sie das Anbringen von Anschlägen in der Öffentlichkeit u.a. zum Schutz des Orts- und Landschaftsbildes auf bestimmte von der Antragsgegnerin zugelassene Anschlagsflächen beschränkt (§ 1 Abs. 1). Unter anderem für Wahlen bestimmt § 2 Abs. 1 der Verordnung, dass Plakatständer und Plakate bis zu sechs Wochen vor der Wahl auf gesonderten, von der Stadt aufgestellten Großplakatständern erfolgen können. Die Verteilung der auf den Großplakatständern zur Verfügung stehenden Flächen erfolgt durch die Verwaltung, wobei auf das bei der letzten Wahl erzielte Ergebnis abzustellen ist. Die großen Parteien sollen dabei nicht mehr als die doppelte Werbefläche kleiner Parteien erhalten (§ 2 Abs. 2 der Verordnung). Die Antragsgegnerin stellt damit den Parteien für einen kurzen Zeitraum von sechs Wochen zusätzlich Flächen zur Verfügung, damit in ausreichendem Umfang Raum für ihre Darstellungen gegeben werden kann. Entgegen den Ausführungen der Antragstellerin bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass den Parteien im Wege der Ausnahmegenehmigung nach § 3 Abs. 2 der Plakatier-Verordnung nicht auch Flächen, welche generell für Anschläge zur Verfügung stehen gem. § 1 Abs. 1 der Verordnung stehen, zugeteilt werden können. Vielmehr umgeht die Antragsgegnerin das Problem, dass für den Zeitraum von sechs Wochen vor den Wahlen, Volksentscheide usw. alle Flächen, welche sonst anderen Zwecken gem. § 1 Abs. 1 der Verordnung zur Verfügung gestellt werden, kurzfristig für politische Parteien zur Verfügung gestellt werden müssen. Vorliegend ist auch nicht erkennbar, dass die zur Verfügung stehenden Flächen evident ungenügend wären, um den Parteien, die tatsächlich eine Wahlwerbung im Gebiet der Antragsgegnerin beabsichtigen, eine angemessene Werbung zu ermöglichen. Sollte dieser Fall doch einmal eintreten, käme im Übrigen, wie bereits ausgeführt, die Gestattung von Ausnahmen nach § 3 Abs. 2 der Verordnung in Betracht.
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(3) Die Wahlwerbungsplakate auf den Werbetafeln der Antragstellerin in der L* …str. und S* … Str. in E* … stehen daher nicht im Einklang mit den Regelungen der Plakatier-VO und stellen sich als rechtswidrig dar, denn mit der Beschränkung der Wahlwerbung auf die zur Verfügung gestellten Großplakatständer ist in der Sache gleichzeitig auch bestimmt worden, dass Anschläge an anderen Orten unzulässig sind, wenn hierfür nicht eine Ausnahmegenehmigung nach § 3 Abs. 2 der Verordnung erteilt wird (vgl. VG München, B.v. 18.09.2017 – M 22 E 17.4282).
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Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist es für die Anwendbarkeit der Plakatier-VO der Antragsgegnerin nicht maßgebend, dass sich die Werbetafeln auf öffentlichem Grund befinden. Art. 28 LStVG erfasst öffentliche Anschläge, d.h. solche, die in der Öffentlichkeit von einem größeren, seiner Zahl und Zusammensetzung nach unbestimmten Personenkreis wahrgenommen werden können. Öffentliche Anschläge müssen daher außerhalb umschlossener Räume angebracht sein oder zumindest derart angebracht werden, dass sie in die Öffentlichkeit wirken. Dies ist namentlich im öffentlichen Verkehrsraum der Fall (vgl. zu Vorstehendem: Unkroth in: BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, Möstl/Schwabenbauer, Stand: 01.03.2024, Art. 28 LStVG, Rn. 23). Voraussetzung ist damit allein, dass Werbetafeln in die Öffentlichkeit hineinwirken, nicht aber, dass sie sich auch unmittelbar auf Flächen der Antragsgegnerin befinden müssen. Dies ergibt sich insoweit auch aus Sinn und Zweck der Regelung in Art. 28 LStVG. Dort ist es gerade zum Schutz des Orts- und Landschaftsbilds ermöglicht worden, dass Gemeinden Plakate u.ä. in der Öffentlichkeit auf bestimmte Flächen beschränken können. Das Orts- und Landschaftsbild beschränkt sich insoweit aber gerade nicht auf etwaig verlaufende Grundstücksgrenzen, sodass auch nicht im Eigentum der Antragsgegnerin liegende Flächen in der Öffentlichkeit stehen und das Orts- und Landschaftsbild prägen können. Davon ist im vorliegenden Fall auch auszugehen, da die Antragstellerin selbst ausführt, dass die Werbetafeln von den Parteien gebucht worden seien, um ihre Wahrnehmbarkeit zu steigern, sodass zwangsläufig eine öffentliche Wahrnehmbarkeit der Werbetafeln gegeben sein muss.
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Auch trägt das Argument der Antragstellerin nicht, dass es sich um eine baurechtlich genehmigte Anlage handelt, sodass es keine Relevanz haben könne, welche Werbung konkret auf der Werbefläche angebracht wird, da sich insoweit das Orts- und Landschaftsbild nicht i.S.v. Art. 28 LStVG verändern würde. Insoweit ist aber anzumerken, dass im Rahmen der baurechtlich zulässigen Werbeanlagen für Wirtschaftswerbung das Orts- und Landschaftsbild kein Prüfungsmaßstab ist und die Gemeinde diese insoweit hinzunehmen hat, wenn die baurechtlichen Voraussetzungen vorliegen. Im Bereich der ideellen, nicht der Wirtschaftswerbung unterfallenden Plakate steht es Gemeinden aber gerade nach Art. 28 LStVG frei, für diese quasi neben der zu duldenden Wirtschaftswerbung, bestimmte Flächen vorzusehen, um ein wildes Plakatieren zu verhindern. Insoweit könnten daher die betreffenden Anlagen, gleichwohl sie baurechtlich genehmigt worden sind, das Orts- und Landschaftsbild beinträchtigen. Dies bedeutet im Ergebnis, dass es der Antragsgegnerin zumindest für Wahlwerbung gerade freisteht, diese nur an bestimmten Orten zuzulassen und damit gleichsam an anderen Orten zu verbieten (vgl. VG München, B.v. 18.09.2017 – M 22 E 17.4282).
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Auch ist keine Ausnahme nach § 3 Abs. 2 der Plakatier-VO erteilt worden. Insoweit ist der Antragsgegnerin zwar entgegenzuhalten, dass eine Ausnahmegenehmigung nicht daran scheitern würde, dass die Werbetafeln im Eigentum der Antragstellerin stehen. Denn insoweit bestimmt § 3 Abs. 2 der Plakatier-VO, dass Ausnahmen von den Vorschriften des § 1 Abs. 1 dieser Verordnung gestattet werden können, wenn dadurch das Orts- und Landschaftsbild nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt wird und Gewähr besteht, dass die Anschläge innerhalb einer festgesetzten Frist beseitigt werden. Ausnahmen von § 1 Abs. 1 der Verordnung, nach welchen Anschläge und Plakate nur an den von der Stadt zugelassenen Anschlagflächen angebracht werden dürfen, bedeuten ja gerade, dass auch andere Plakatflächen in der Öffentlichkeit zugelassen werden können, solange das Orts- und Landschaftsbild nicht beeinträchtigt wird. Allerdings ist ein Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung schon deshalb nicht ersichtlich, weil schon nicht dargetan ist, dass die vorhandenen Stellflächen in E* … nicht ausreichend für eine angemessene Plakatierung durch die Antragstellerin bzw. ihre Kunden wären.
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(4) Im Bescheid wurde auch eine korrekte Störerauswahl getroffen. Die Antragstellerin als Adressatin des Bescheids hat sowohl gegenüber der Antragsgegnerin in dem vor Bescheidserlass erfolgten E-Mailverkehr, wie auch im Antragsschriftsatz deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie für diese Wahlwerbetafel die Verantwortung trägt. Die Störerauswahl entspricht daher Art. 9 LStVG.
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(5) Sonstige Bedenken gegen den Bescheid sind ebenfalls nicht ersichtlich. Zwar ist die Frist von wenigen Tagen äußerst kurz bemessen. Aufgrund der bereits im Vorfeld erfolgten Kommunikation der Beteiligten und der stattfindenden Bundestagswahl am 23.2.2025 aber noch angemessen.
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bb) Gegen die Zwangsgeldandrohung und die Kostenentscheidung bestehen ebenfalls keine durchgreifenden Bedenken. Solche sind weder ersichtlich noch dargetan.
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c) Im Ergebnis wird die Klage in der Hauptsache voraussichtlich keinen Erfolg haben, sodass das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung überwiegt. Aufgrund der sich bereits in wenigen stattfindenden Bundestagswahl kann ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache dem Interesse der Antragsgegnerin nicht mehr Rechnung getragen werden.
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2. Die gerichtliche Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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3. Rechtsgrundlage der Streitwertfestsetzung sind § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Gerichtskostengesetz (GKG) unter Berücksichtigung des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.