Inhalt

OLG Nürnberg, Beschluss v. 26.02.2025 – 11 UF 626/23
Titel:

Bestehen einer Vaterschaft aufgrund eines Vaterschaftsanerkenntnisses

Normenketten:
FamFG § 63 Abs. 1, 64 Abs. 2, § 169 Nr. 1, § 172 Abs. 1 Nr. 3, § 184 Abs. 3
GFK Art. 12 Abs. 1
BGB § 1592 Nr. 2, § 1594 Abs. 2, § 1595, § 1598 Abs. 1, § 1598 Abs. 2, § 1600b Abs. 1
EGBGB Art. 3 Nr. 2, Art. 19 Abs. 1
ZGB Art. 1158, Art. 1158 iranisches, Art. 1262, 1273
Leitsätze:
1. Im Geltungsbereich des Deutsch-Iranischen Niederlassungsübereinkommens bleiben die Angehörigen jedes der vertragsschließenden Staaten auch im Hinblick auf die Abstammung ihren heimischen Gesetzen unterworfen. Die gesetzliche Vaterschaftsvermutung des Art. 1158 iran. ZGB gilt deshalb nur, wenn der Vollzug des Geschlechtsverkehrs physisch und tatsächlich möglich ist. Sie greift nicht, wenn die häusliche Gemeinschaft aufgehoben war und im Empfängniszeitraum keine Möglichkeit des Geschlechtsverkehrs bestand (sog. „ungestörtes Alleinsein“). (Rn. 38)
2. Ein anerkannter Flüchtling mit iranischer Staatsangehörigkeit unterfällt dem Deutsch-Iranischen Niederlassungsübereinkommen nicht, weil sich sein Personalstatut nach dem vorrangigen Art. 12 Abs. 1 GFK richtet. (Rn. 42)
3. Das Bestehen einer Vaterschaft aufgrund eines Vaterschaftsanerkenntnisses kann in einem Verfahren nach § 169 Nr. 1 FamFG geklärt werden. (Rn. 54)
Schlagworte:
Stadtjugendamt EHellip, Hellip, Abstammung des Kindes, Anfechtung, Asylantrag, Beschwerde, deutsches Recht, Eintragung, Geburt des Kindes, Iran, Vaterschaft, Iranisches Familienrecht, Flüchtlingseigenschaft
Fundstellen:
NJOZ 2025, 550
BeckRS 2025, 4350

Tenor

1. Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Erlangen vom 26.05.2023 unter Ziff. 1 durch Anfügung des folgenden Absatzes ergänzt:
Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer aufgrund Vaterschaftsanerkenntnis vom 01.07.2019, Standesamt E…, Urkunde Nr. …, Vater des Kindes E… N…, geboren am …2019, ist.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
2. Unter Abänderung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung wird von der Erhebung von Gerichtskosten in beiden Rechtszügen abgesehen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.
1
1. Die Antragstellerin ist die Mutter des Kindes E…N…, geboren am …2019.
2
Zum Zeitpunkt der Geburt war die Mutter mit Herrn B… N… verheiratet.
3
Die Eheschließung erfolgte im Iran. 2015 trennten sich die Ehegatten dort und gelangten in der Folgezeit unabhängig voneinander nach Deutschland. Am 15.12.2020 wurde die Ehe im Iran geschieden.
4
Seit 2017 führt die Mutter eine Beziehung mit dem Beschwerdeführer. Dieser erkannte die Vaterschaft für das Kind E… am …2019 mit Zustimmung der Mutter an.
5
Das Standesamt der Stadt N… wies jedoch mit Schreiben vom 09.10.2019 darauf hin, dass die Vaterschaftsanerkennung des biologischen Vaters erst berücksichtigt werden könne, wenn gerichtlich festgestellt werde, dass der Ehemann der Mutter nicht der Vater des Kindes sei.
6
Die Mutter, das Kind und der geschiedene Ehemann sind jeweils ausschließlich iranische Staatsangehörige. Ihnen wurde in Deutschland jeweils die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt und ihr Asylantrag rechtskräftig abgelehnt.
7
Dem Beschwerdeführer hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 10.03.2017 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, seinen Asylantrag dagegen abgelehnt.
8
Mit weiterem Bescheid vom 14.10.2022 hat es die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers widerrufen.
9
2. Mit am 21.07.2022 bei dem Familiengericht eingegangenem Schreiben hat die Mutter unter Bezugnahme auf das Schreiben des Standesamtes der Stadt N… vom 09.10.2019 die Vaterschaft des – zwischenzeitlich geschiedenen – Ehemannes angefochten. Sie habe seit 2015 keinen Kontakt mehr zu ihm. Leiblicher Vater des Kindes sei der Beschwerdeführer, der die Vaterschaft anerkannt habe.
10
3. Das Familiengericht hat die Mutter im Termin vom 11.11.2022 persönlich angehört. Mit Beweisbeschluss vom 11.11.2022 hat das Familiengericht die Erstattung eines DNA-Gutachtens über die Abstammung des Kindes mit biostatistischer Berechnung unter Einbeziehung des Kindes, der Mutter und des Beschwerdeführers durch den Sachverständigen Prof. Dr. B…, E…, angeordnet.
11
Der Sachverständige hat das Gutachten am 16.01.2023 erstattet. Nach den Feststellungen des Sachverständigen bestehe eine Vaterschaftswahrscheinlichkeit von 99,9999999% in Bezug auf den Beschwerdeführer, dessen Vaterschaft sei damit praktisch erwiesen.
12
Mit Verfügung vom 30.01.2023 hat das Familiengericht auf Bedenken an der Einhaltung der Anfechtungsfrist gem. § 1600b Abs. 1 BGB hingewiesen und im weiteren Verlauf mit Beschluss vom 26.05.2023 den Anfechtungsantrag zurückgewiesen. Die Mutter habe bereits zum Zeitpunkt der Geburt Kenntnis von der nicht bestehenden Vaterschaft des Ehemannes gehabt. Sie sei auf die Notwendigkeit der Anfechtung auch bereits im Jahr 2019 durch das Standesamt der Stadt N… hingewiesen worden.
13
4. Gegen diesen lediglich der Mutter und dem geschiedenen Ehemann formlos übermittelten Beschluss wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner am 08.06.2023 bei dem Familiengericht eingegangenen Beschwerde.
14
Die bestehenden Fristen seien ihm unbekannt gewesen. Er weise diesbezüglich auch darauf hin, dass er sich seit 06.11.2019 in Haft beziehungsweise im Maßregelvollzug befunden habe.
15
Vom Inhalt des erholten Gutachtens sei er nicht in Kenntnis gesetzt worden. Er stellt die Frage in den Raum, ob seine Anerkennung der Vaterschaft und die Erholung des Gutachtens keine Bedeutung hätten.
16
Die Mutter trägt dazu vor, dass sie keine Einwände gegen das Beschwerdevorbringen habe. Die Vater-Kind-Beziehung zwischen ihrer Tochter und dem Beschwerdeführer liege ihr sehr am Herzen. Beschwerde wird von ihr indes nicht eingelegt.
17
5. Der Senat hat mit Verfügung vom 03.01.2024 auf den möglichen Vorrang des Deutsch-Persischen Niederlassungsübereinkommens hingewiesen und zur Prüfung der Staatsangehörigkeit und des ausländerrechtlichen Status der Beteiligten die jeweilige Ausländerakte beigezogen.
18
Der Ehemann hat mit Schreiben vom 01.03.2024 mitgeteilt, dass er seit 2017 durchgängig in B… lebe. Weder von dem Kind seiner zwischenzeitlich geschiedenen Ehefrau noch deren Lebensumständen habe er etwas gewusst.
19
Im Termin vom 12.03.2024 hat der Senat die Mutter und den Beschwerdeführer persönlich angehört. Auf den gefertigten Terminsvermerk wird Bezug genommen. Den entschuldigt nicht erschienen Ehemann hat der Senat im Termin in Anwesenheit der weiteren Beteiligten fernmündlich angehört. Dieser hat angegeben, dass es nach seiner Einreise nach Deutschland noch einmal ein Zusammentreffen mit der Mutter gegeben habe. Er glaube, dass dies 2016 oder 2017 in N… gewesen sei. Auch insoweit wird auf den gefertigten Terminsvermerk Bezug genommen.
20
Der Senat hat darauf mit Beweisbeschluss vom 24.04.2024 die Sachverständige Prof. Dr. Y…, H…, mit der Erstattung eines Rechtsgutachtens zur Reichweite der gesetzlichen Vaterschaftsvermutung nach Art. 1158 des iranischen Zivilgesetzbuches beauftragt und dabei insbesondere folgende Fragen an die Sachverständige gerichtet:
„(…)
- Ist die Ausnahme von der Vaterschaftsvermutung [des Art. 1158 iranisches ZGB] im vorliegenden Verfahren anwendbar?
- Genügt für die Ausnahme von der Vaterschaftsvermutung die Überzeugung des Senats, dass in der Empfängniszeit keine Beiwohnung stattgefunden hat, oder muss schon die Beiwohnung unmöglich sein, im Sinne einer physischen dauerhaften Abwesenheit des Ehemanns während der Empfängniszeit?
- Hat die Beurkundung der Geburt mit der Eintragung des Ehemanns als Vater aus Sicht des iranischen Rechts Relevanz für die Abstammung? Bedarf es nach Eintragung eines förmlichen Verfahrens, um die Vaterschaftsvermutung zu widerlegen?
- Hat die im vorliegenden Verfahren gewonnene Erkenntnis, dass die biologische Vaterschaft des Ehemanns ausgeschlossen ist, aus Sicht des iranischen Rechts Relevanz für seine rechtliche Vaterschaft?“
Die Sachverständige hat das Gutachten am 30.10.2024 schriftlich erstattet. Zur Vaterschaftsvermutung nach Art. 1158 des iranischen Zivilgesetzbuches (im Folgenden: ZGB) hat sie ausgeführt, dass diese zwei Komponenten aufweise. Zum einen die Geburt des Kindes während der Ehe und zum anderen die Geburt des Kindes nicht früher als 6 Monate und nicht später als 10 Monate nach der Beiwohnung. Nach der iranischen Lehre werde dabei grundsätzlich angenommen, dass während einer Ehe in häuslicher Gemeinschaft Geschlechtsverkehr stattfinde.
21
Stehe dagegen fest, dass der Geschlechtsverkehr in der Empfängniszeit aufgrund von Abwesenheit oder anderen tatsächlichen Gründen, etwa krankheitsbedingt, nicht stattfinden konnte, greife die gesetzliche Vermutung des Art. 1158 ZGB nicht. Sei unstreitig, dass im Empfängniszeitraum kein Geschlechtsverkehr stattgefunden habe, sei das Nichtbestehen der Vaterschaft des Ehemanns bewiesen.
22
Lebten die Ehegatten während der Empfängniszeit dagegen nicht in häuslicher Gemeinschaft und – wie im vorliegenden Fall – nachweislich an unterschiedlichen Orten, dann greife die Vaterschaftsvermutung nicht. Eine Ausnahme gelte in dem Fall, dass es in diesem Zeitraum Kontakte zwischen den getrennt lebenden Parteien gegeben habe. Diese müssten aber so beschaffen gewesen sein, dass eine Möglichkeit zum Geschlechtsverkehr bestanden habe, eine Situation die im iranischen Recht als „ungestörtes Alleinsein“ beschrieben werde. Damit sei gemeint, dass die Ehepartner allein in einem abgeschlossenen Raum seien und räumlich, zeitlich und physisch der Geschlechtsverkehr möglich gewesen wäre.
23
Die Beurkundung der Geburt in Deutschland mit Eintragung des geschiedenen Ehemanns als Vater habe aus Sicht des iranischen Rechts nur deklaratorischen Charakter und keine materiell-rechtliche Relevanz.
24
Scheide eine anderweitige rechtliche Vaterschaft aus, dann sei gemäß Art. 1262, 1273 ZGB ein Vaterschaftsanerkenntnis des biologischen Vaters möglich, wenn die Vaterschaft auch tatsächlich (in Bezug auf Altersunterschiede und biologische Umstände) möglich sei.
25
6. Im Termin vom 28.01.2025 hat der Senat die Beteiligten erneut angehört. Der geschiedene Ehemann hat den Zeitraum des erwähnten einmaligen Zusammentreffens anhand eines bei dem sozialen Netzwerk Facebook veröffentlichten Fotos auf den Zeitraum um den 15.06.2016 eingegrenzt. Der Senat hat dieses Foto auf dem Mobilgerät des Ehemannes in Augenschein genommen und dabei als Datum des Posts den 15.06.2016 wahrnehmen können.
II.
26
Die Beschwerde ist gem. §§ 58 ff. FamFG zulässig.
27
1. Der Beschwerdeführer ist insbesondere beschwerdeberechtigt gemäß § 184 Abs. 3 FamFG. Er ist am erstinstanzlichen Verfahren durch das Familiengericht entgegen § 172 Abs. 1 Nr. 3 FamFG nicht beteiligt worden, obwohl er in Folge der Anerkennung der Vaterschaft der Vater des Kindes ist, § 1592 Nr. 2 FamFG.
28
a) Der geschiedene Ehemann, der mit der Mutter zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes noch verheiratet war, ist dagegen nicht dessen rechtlicher Vater. Dies ergibt sich aus der Anwendung des insoweit allein maßgebenden iranischen Rechts gem. Art. 3 Nr. 2 EGBGB i.V.m. Art. 8 Abs. 3 des Niederlassungsabkommens zwischen dem Deutschen Reich und dem Kaiserreich Persien vom 17.02.1929 (RGBl. 1930 II, 1002; erneut bekanntgemacht mit BGBl. 1955 II, Nr. 19, S. 829 am 25.08.1955).
29
Danach bleiben die Angehörigen jedes der vertragschließenden Staaten in Bezug auf das Personen-, Familien- und Erbrecht im Gebiet des anderen Staates ihren heimischen Gesetzen unterworfen.
30
Die Mutter, ihr geschiedener Ehemann und das Kind sind ausschließlich iranische Staatsangehörige. Keiner von ihnen ist anerkannter Flüchtling.
31
b) Nach Art. 1158 ZGB gilt zwar eine gesetzliche Vaterschaftsvermutung des Ehemannes für ein in der Ehe geborenes Kind, soweit es nicht früher als sechs Monate vor der ersten Beiwohnung (entspricht dem Zeitpunkt der Eheschließung, vgl. Y… in: Bergmann, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Iran, S. 85, Stand 01.05.2023) und nicht später als zehn Monate nach der Beiwohnung geboren wurde.
32
Auf Grundlage des erholten Rechtsgutachtens ist dabei grundsätzlich das Bestehen der Ehe bereits ausreichend Grund für die Annahme, dass in häuslicher Gemeinschaft Geschlechtsverkehr stattfindet. Diese Vermutung gilt aber – wie die Sachverständige nachvollziehbar erläutert hat – nur, wenn der Vollzug des Geschlechtsverkehrs physisch und tatsächlich möglich ist.
33
Die Vermutung greift nach den Feststellungen der Sachverständigen, denen der Senat auch insoweit uneingeschränkt folgt, insbesondere dann nicht, wenn die häusliche Gemeinschaft im Empfängniszeitraum nicht mehr bestand. Dies war hier der Fall. Die Ehegatten haben sich noch 2015 im Iran getrennt und lebten seither – insbesondere auch im Empfängniszeitraum – in erheblicher räumlicher Entfernung voneinander. Die häusliche Gemeinschaft zwischen ihnen war aufgehoben.
34
c) Zwar kann nach den Ausführungen der Sachverständigen anderes gelten, wenn es trotz Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft im Empfängniszeitraum vom 07.09.2018 – 03.10.2018 Kontakte zwischen den Ehegatten gab, die so beschaffen waren, dass die Möglichkeit des Geschlechtsverkehrs bestand (sog. „ungestörtes Alleinsein“). Zur Überzeugung des Senats haben solche Kontakte zwischen den Ehegatten im Empfängniszeitraum jedoch nicht stattgefunden.
35
Nicht zu übersehen ist dabei, dass sich die ursprünglichen Angaben der Mutter, wonach sie seit der Trennung im Iran keinen Kontakt mehr zu ihrem Ehemann gehabt habe und über dessen Verbleib nichts wisse, als unwahr erwiesen haben – was möglicherweise mit der zwischenzeitlich aufgenommenen Beziehung zum Beschwerdeführer im Zusammenhang stehen mag. Der geschiedene Ehemann hat im Rahmen seiner telefonischen Anhörung dagegen von einem Zusammentreffen im Zusammenhang mit einer Familienfeier auf Seiten der Mutter berichtet. Er hat aber auch klargestellt, dass es weitere Treffen nicht gegeben habe. Der Senat hat an diesen Angaben des geschiedenen Ehemannes, die die Mutter dann bestätigt hat, keine Zweifel. Auch der geschiedene Ehemann ist im erstinstanzlichen Verfahren nicht beteiligt worden, kannte mithin weder den Antrag der Mutter noch den Verfahrensstoff im Übrigen. Die Bedeutung der Frage möglicher Zusammentreffen mit der Mutter war ihm erkennbar nicht geläufig. Der Ehemann hat die Fragen des Senats freimütig und offen beantwortet. Sein Bemühen, an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken, war deutlich erkennbar. Anhaltspunkte, die seine Angaben in Zweifel ziehen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
36
Allein die Datierung des Zusammentreffens der Ehegatten hat dem Ehemann im Rahmen seiner telefonischen Anhörung Schwierigkeiten bereitet, was allerdings auch für sein Bemühen um wahrheitsgemäße Angaben spricht. Auch die Mutter hat dazu keinen ausreichend sicheren Aufschluss geben können, so dass zunächst ein Zusammentreffen während des Empfängniszeitraums nicht gänzlich auszuschließen war.
37
Im Termin vom 28.01.2025 war dem Ehemann dagegen eine zeitliche Einordnung anhand eines gefertigten und in einem sozialen Netzwerk mit Datumsangabe veröffentlichten Lichtbilds möglich. Die auch insgesamt schlüssigen und ohne weiteres nachvollziehbaren Angaben des Ehemannes wurden dadurch auch in zeitlicher Hinsicht verlässlich untermauert. Der Senat ist danach davon überzeugt, dass das einzige persönliche Treffen der Ehegatten nach der Trennung im Iran bis zur Geburt des Kindes im Sommer 2016 und damit noch deutlich vor Beginn des Empfängniszeitraums stattfand.
38
Die gesetzliche Vermutung des Art. 1158 ZGB ist damit widerlegt. Eine weitere Aufklärung, insbesondere ob bei diesem Treffen die Möglichkeit eines „ungestörten Alleinseins“ bestand, war angesichts der zeitlichen Konkretisierung nicht mehr erforderlich.
39
Wie sich aus den Feststellungen der Sachverständigen zudem ergibt, entfaltet die bisherige personenstandsrechtliche Eintragung des Ehemannes als Vater des Kindes in Deutschland auch nach dem iranischen Recht keine konstitutive Wirkung. Der Ehemann ist folglich zu keinem Zeitpunkt Vater des Kindes geworden.
40
d) Vater des Kindes ist dagegen der Beschwerdeführer gem. § 1592 Nr. 2 BGB, da er die Vaterschaft am 01.07.2019 wirksam anerkannt hat.
41
Zwar ist auch der Beschwerdeführer ausschließlich iranischer Staatsbürger. Gleichwohl findet in Bezug auf seine Person entgegen Art. 8 Abs. 3 des Niederlassungsübereinkommens das iraniische Recht keine Anwendung.
42
Denn dem Beschwerdeführer wurde mit Bescheid vom 10.03.2017 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Gemäß Art. 12 Abs. 1 GFK bestimmt sich sein Personalstatut daher nach deutschem Recht. Diesem gebührt gem. Art. 30 Abs. 3 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge im Verhältnis zum Niederlassungsabkommen der Vorrang (vgl. dazu Schotten/Wittkowski FamRZ 1995, 264, 266).
43
Soweit mit Bescheid vom 14.10.2022 die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft widerrufen worden ist, entfaltet dies keine Rückwirkung (§ 49 VwVfG).
44
e) Da für den Beschwerdeführer deutsches Recht, für das Kind dagegen iranisches Recht anzuwenden ist, ist innerhalb dieser Rechtsbeziehung für die Anwendung von Art. 8 Abs. 3 des Niederlassungsübereinkommens ebenfalls kein Raum mehr.
45
Der Senat wendet für die Frage der Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung gem. Art. 19 Abs. 1 EGBGB deutsches Recht an, da das Kind hier seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
46
Der Beschwerdeführer konnte die Vaterschaft für das Kind daher gem. § 1592 Nr. 2 BGB anerkennen. Die Anerkennung ist danach auch wirksam erfolgt. Sie ist beim Standesamt der Stadt Erlangen am 01.07.2019 beurkundet worden. Die Mutter hat gleichzeitig ihre Zustimmung erklärt, § 1595 BGB.
47
Die Vaterschaft eines anderen Mannes bestand nicht (s.o.), § 1594 Abs. 2 BGB.
48
Das Formerfordernis der öffentlichen Beurkundung ist gewahrt, § 1597 Abs. 1 BGB. Sonstige Unwirksamkeitsgründe (§ 1598 Abs. 1 BGB) sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Frist des § 1598 Abs. 2 BGB ist zudem zwischenzeitlich verstrichen.
49
Der Beschwerdeführer ist in Folge dessen Vater des Kindes geworden und wäre daher am Verfahren zu beteiligen gewesen. Er ist daher beschwerdeberechtigt, §§ 184 Abs. 3 FamFG i.V.m. 172 Abs. 1 Nr. 3 FamFG. Auf das Vorliegen einer formellen oder materiellen Beschwer kommt es nicht an (Dürbeck in: Prütting/​Helms, FamFG, 6. Aufl., § 184 Rn. 12).
50
2. Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere frist- und formgerecht eingelegt worden (§§ 63 Abs. 1, 64 Abs. 2 FamFG.
51
Der Beschwerdeführer hat zwar im Rahmen der erfolgten Begründung keinen förmlichen Antrag formuliert. Ein solcher ist aber auch nicht erforderlich, wenn dem Beschwerdevorbringen bei wohlwollender Begründung entnommen werden kann, was mit der Beschwerde angestrebt wird (vgl. Feskorn in: Zöller, ZPO, 35. Aufl., § 65 FamFG Rn. 3; Abramenko in: Prütting/​Helms, FamFG, 6. Auflage 2023, § 65 FamFG, Rn. 4 jeweils m.w.N.).
52
Der Beschwerdeführer setzt sich in seinem Beschwerdevorbringen einerseits mit der Begründung des Familiengerichts zur verstrichenen Anfechtungsfrist auseinander und begründet, was ihn an der Einhaltung der Frist gehindert habe (Haft / Maßregelvollzug). Auch greift er das Schreiben des Standesamts der Stadt N… vom 09.10.2019 auf, dass zur Vaterschaftsanfechtung auffordert.
53
Sein Beschwerdebegehren ist mithin auf das bereits erstinstanzlich von der Mutter verfolgte Ziel der Vaterschaftsanfechtung gegen den geschiedenen Ehemann der Mutter gerichtet.
54
Darüber hinaus verweist er indes auch auf die von ihm erfolgte Vaterschaftsanerkennung. Mit der Fragestellung, ob dieses keine Bedeutung habe, ist die Wirksamkeit des erfolgten Vaterschaftsanerkenntnis zur Klärung gestellt. Diese Auslegung der Beschwerdeschrift entspricht dem Grundsatz, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht (BGH NJW 1992, 243 juris Rn. 8). Dieses Begehren ist gemäß § 169 Nr. 1 FamFG statthaft (hierzu Grün in: Heilmann, Praxiskommentar Kindschaftsrecht, 2. Aufl., § 169 FamFG Rn. 5; Coester-Waltjen/Lugani in: Müko-FamFG, 4. Aufl., § 169 Rn. 5 ff.).
55
Dieses Beschwerdeziel stellt auch keine unzulässige Erweiterung des erstinstanzlichen Antrags dar. Eine Erweiterung des ursprünglichen Antrages im Beschwerdeverfahren ist zulässig, solange damit kein völlig neuer Verfahrensgegenstand in das Beschwerdeverfahren eingeführt wird (Borth in: Musielak/Borth/Frank, FamFG, 7. Aufl., § 23 Rn. 5; Bumiller in Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG, 13. Aufl., § 65 Rn. 6).
56
Dies ist hier nicht der Fall. Bereits der ursprüngliche Antrag der Mutter bezieht sich auf das Vaterschaftsanerkenntnis des Beschwerdeführers, dem sie mit der – vom Standesamt empfohlenen – Vaterschaftsanfechtung zum Durchbruch verhelfen wollte.
57
Der Beschwerdeführer verfolgt im Kern das gleiche Ziel, neue Tatsachen werden nicht vorgetragen, Rechtsbeziehungen zu anderen Personen sind nicht betroffen. Durch den Antrag des Beschwerdeführers wird die Angelegenheit im Ergebnis zu keiner anderen als im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens (Feskorn in: Zöller, ZPO, 35. Aufl., § 65 FamFG Rn. 7).
III.
58
1. Die Beschwerde hat auch in der Sache hinsichtlich des Feststellungsbegehrens Erfolg und führt zur teilweisen Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung.
59
Die am 01.07.2019 erfolgte Anerkennung der Vaterschaft durch den Beschwerdeführer ist wirksam erfolgt, auf die vorstehenden Ausführungen wird insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
60
Der Beschluss des Familiengerichts war daher entsprechend zu ergänzen.
61
2. Zurückzuweisen war dagegen der im Beschwerdeverfahren weiterverfolgte Antrag auf Anfechtung der Vaterschaft. Mangels bestehender Vaterschaft des geschiedenen Ehemannes (s.o.) war für eine Vaterschaftsanfechtung im vorliegenden Verfahren von vornherein kein Raum. Im Ergebnis ist die Zurückweisung des erstinstanzlichen Anfechtungsantrages durch das Familiengericht daher aufrechtzuerhalten und insoweit die Beschwerde zurückzuweisen.
IV.
62
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 S. 2 FamFG. Hinsichtlich der erstinstanzlichen Kosten hat der Senat dabei berücksichtigt, dass der in der Sache fehl gehende Anfechtungsantrag der rechtsanwaltlich nicht vertretenen und nur teilweise sprachkundigen Mutter auf entsprechende behördliche Anregung erfolgt ist.
63
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde liegen nicht vor. Die Entscheidung ist daher mit Rechtsmitteln nicht anfechtbar.