Titel:
Wirksamkeit der Zustellung trotz unzureichender Dokumentation
Normenketten:
StPO § 37
ZPO § 168, § 182, § 189
StVollzG § 120
Leitsätze:
1. Das Verfahren bei Zustellungen bestimmt sich im Strafvollzugsverfahren gemäß § 120 Abs. 1 S. 2 StVollzG i.V.m. § 37 StPO nach §§ 168 ff. ZPO entsprechend. Die Beurkundung des Zustellungsvorgangs nach § 182 ZPO stellt keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Zustellung dar, sondern dient lediglich dem Nachweis. Eine unzureichende Dokumentation der Zustellung macht diese nicht grundsätzlich unwirksam. (Rn. 3)
2. Ein möglicher Zustellungsfehler kann mit dem auf einer richterlichen Verfügung basierenden und vom Antragsteller zugestandenen Zugang des Schriftstücks geheilt worden sein. Die Heilung umfasst auch fehlerhafte Zustellungen, durch die eine gesetzliche Frist in Gang gesetzt wird. (Rn. 5)
Schlagworte:
Antrag auf gerichtliche Entscheidung, Rechtsbeschwerde, Zustellung, Dokumentation, Zugang, Frist, Heilung von Zustellungsmängeln
Vorinstanz:
AG Nördlingen, Beschluss vom 16.09.2024 – 2 NöStVK 211/24
Fundstelle:
BeckRS 2025, 4322
Tenor
1. Die Rechtsbeschwerde des Strafgefangenen gegen die Ziffer 1 des Beschlusses der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Augsburg bei dem Amtsgericht Nördlingen vom 16. September 2024 wird auf seine Kosten unter Festsetzung des Geschäftswertes für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 500,00 Euro einstimmig als unzulässig verworfen.
2. Die sofortige Beschwerde des Strafgefangenen gegen die Ziffer 2 des Beschlusses der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Augsburg bei dem Amtsgericht Nördlingen vom 16. September 2024 wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unzulässig verworfen.
3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren und auf Beiordnung eines Rechtsanwalts wird mangels Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung zurückgewiesen.
Gründe
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1. Der Senat behandelt das am 24. Oktober 2024 bei Gericht eingegangene Rechtsmittel nicht als verfristet (§ 118 Abs. 1 S. 1 StVollzG), sondern erachtet einen möglichen Zustellungsfehler als geheilt.
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a. Die Zustellungsurkunde weist als Zustellungsdatum den 23. September 2024 aus. Danach hätte der Beschwerdeführer die Rechtsbeschwerde spätestens am 23. Oktober 2024 einlegen müssen. Die Zustellungsurkunde enthält allerdings keine Angaben zur Art der Zustellung. Nach dem Vortrag des Beschwerdeführers hat er den Beschluss der Strafvollstreckungskammer erst am 25. September 2024 erhalten.
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b. Das Verfahren bei Zustellungen bestimmt sich im Strafvollzugsverfahren gemäß § 120 Abs. 1 S. 2 StVollzG i.V.m. § 37 StPO nach §§ 168 ff. ZPO entsprechend. Die Beurkundung des Zustellungsvorgangs nach § 182 ZPO stellt keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Zustellung dar, sondern dient lediglich dem Nachweis (Graalmann-Scheerer in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl. 2016, § 37 Rn. 1 und 100 m.w.N.). Eine unzureichende Dokumentation der Zustellung macht diese nicht grundsätzlich unwirksam.
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c. Da hier ein wesentlicher Teil der Zustellungsurkunde nicht ausgefüllt wurde, bleibt jedoch offen, an wen die Sendung übergeben wurde oder ob und unter welchen Umständen eine Niederlegung oder eine Ersatzzustellung erfolgte.
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d. Ein möglicher Zustellungsfehler ist jedenfalls mit dem auf der richterlichen Verfügung basierenden und vom Antragsteller zugestandenen Zugang des Schriftstücks am 25. September 2024 nach § 189 ZPO geheilt worden. Die Heilung umfasst auch fehlerhafte Zustellungen, durch die eine gesetzliche Frist in Gang gesetzt wird (KK-StPO/Schneider-Glockzin, 9. Aufl. 2023, StPO § 37 Rn. 28; Graalmann-Scheerer a.a.O. Rn. 96).
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Die Rechtsbeschwerde des Strafgefangenen gegen die Ziffer 1 des Beschlusses der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Augsburg bei dem Amtsgericht Nördlingen vom 16. September 2024 wird nach § 116 Abs. 1, § 119 Abs. 3 StVollzG i.V.m. Art. 208 BayStVollzG als unzulässig verworfen. Es ist nicht geboten, die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu überprüfen. Der Fall gibt keinen Anlass, Leitsätze für die Auslegung gesetzlicher Vorschriften des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken zu schließen (vgl. Arloth/Krä StVollzG, 5. Aufl., § 116 Rn. 3 m.w.N.; Laubenthal in: Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, Strafvollzugsgesetz, 7. Aufl. 2020, 12. Kapitel Rechtsbehelfe § 116 Rn. 4 m.w.N.). Von der angefochtenen Entscheidung geht auch keine Gefahr für die Einheitlichkeit der Rechtsprechung aus (vgl. Arloth/Krä a.a.O. Rn. 3a; Laubenthal a.a.O. Rn. 5 m.w.N.). Es handelt sich um die Entscheidung eines Einzelfalls, die auf einer hinreichenden Tatsachengrundlage basiert.
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3. Die sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe ist unzulässig, weil die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer, die Prozesskostenhilfe zu versagen, nicht anfechtbar ist (Senat, Beschlüsse vom 6. August 2024 – 203 StObWs 269/24 – und vom 30. April 2024 – 203 StObWs 150/24-, juris, jeweils m.w.N.).
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4. Der Senat legt zugunsten des Antragstellers seinen Vortrag in der Rechtfertigungsschrift dahingehend aus, dass er auch in der Rechtsbeschwerde die Gewährung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren ist mangels Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung zurückzuweisen (§ 120 Abs. 2 StVollzG, § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. Art. 208 BayStVollzG). Die Beiordnung eines Rechtsanwalts kommt daher nach § 121 Abs. 1 und 2 ZPO ebenfalls nicht in Betracht.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 120 Abs. 1 und 2 StVollzG i.V.m. Art. 208 BayStVollzG.