Inhalt

VGH München, Beschluss v. 06.03.2025 – 6 CE 24.1888
Titel:

Bundesrichterrecht, Konkurrentenstreit, Bundespatentgericht, Vorsitzende Richterin, Regelbeurteilung, Anlassbeurteilung, Hinreichende Aktualität

Normenketten:
GG Art. 33 Abs. 2
VwGO § 123
Schlagworte:
Bundesrichterrecht, Konkurrentenstreit, Bundespatentgericht, Vorsitzende Richterin, Regelbeurteilung, Anlassbeurteilung, Hinreichende Aktualität
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 01.10.2024 – M 5 E 24.1975
Fundstelle:
BeckRS 2025, 4315

Tenor

I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 1. Oktober 2024 – M 5 24.1975 – wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 28.809,30 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin und die Beigeladene sind Richterinnen am Bundespatentgericht im Richterverhältnis auf Lebenszeit (Besoldungsgruppe R 2) und konkurrieren um die von der Antragsgegnerin am 30. März 2023 ausgeschriebene Stelle einer Vorsitzenden Richterin/eines Vorsitzenden Richters in einem Technischen Beschwerdesenat des Fachbereichs Chemie am Bundespatentgericht (Besoldungsgruppe R 3).
2
Die Antragstellerin wurde 2009 zur Richterin am Bundespatengericht ernannt. Für den Beurteilungszeitraum 1. März 2019 bis 28. Februar 2022 erhielt sie eine periodische Beurteilung vom 17. Mai 2022, die mit dem Gesamturteil „gut“ abschließt. Für den Zeitraum 1. März 2022 bis 31. Mai 2023 wurde unter dem 25. September 2023 eine Anlassbeurteilung mit dem Gesamtprädikat „gut“ erstellt. Gegen diese Beurteilung erhob die Antragstellerin unter dem 11. Oktober 2023 Gegenvorstellung und unter dem 15. Mai 2024 Widerspruch.
3
Die Beigeladene wurde 2014 zur Richterin am Bundespatengericht ernannt. Für den Zeitraum 1. Dezember 2016 bis 11. Juni 2019 erhielt sie eine Anlassbeurteilung vom 26. Juni 2020. Seit dem 12. Juni 2019 ist sie an das Deutsche Patent- und Markenamt abgeordnet. Für den Zeitraum 1. Juni 2020 bis 31. Mai 2023 erhielt sie eine Anlassbeurteilung vom 19. September 2023 mit einem Gesamtprädikat „gut obere Grenze“.
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Unter dem 20. März 2024 billigte der Bundesminister der Justiz den Entscheidungsvorschlag seines Hauses vom 14. März 2024, die ausgeschriebene Richterstelle am Bundespatentgericht dem Vorschlag der Präsidentin des Bundespatentgerichts entsprechend mit der Beigeladenen zu besetzen. Dem lag ein Vergleich der beiden Anlassbeurteilungen zugrunde.
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Mit Schreiben vom 4. April 2024 teilte die Präsidentin des Bundespatentgerichts der Antragstellerin im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz mit, dass beabsichtigt sei, die ausgeschriebene Stelle mit der Beigeladenen zu besetzen.
6
Gegen die getroffene Auswahlentscheidung erhob die Antragstellerin Widerspruch, über den – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden ist.
7
Am 16. April 2024 beantragte sie beim Verwaltungsgericht, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu untersagen, die ausgeschriebene Stelle einer Vorsitzenden Richterin/eines Vorsitzenden Richters in einem technischen Beschwerdesenat des Fachbereichs Chemie am Bundespatentgericht mit einer Mitbewerberin/einem Mitbewerber zu besetzen, solange nicht über die Bewerbung der Antragstellerin bestandskräftig entschieden ist.
8
Mit Beschluss vom 1. Oktober 2024 hat das Verwaltungsgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Auswahlentscheidung zugunsten der Beigeladenen sei nicht zu beanstanden. Für den Leistungsvergleich zwischen der Antragstellerin und der Beigeladene sei nicht die Anlassbeurteilung für die Antragstellerin vom 25. September 2023 für den Beurteilungszeitraum 1. März 2022 bis 31. März 2023 heranzuziehen, sondern die periodische Beurteilung vom 17. Mai 2022 für den Beurteilungszeitraum 1. März 2019 bis 28. Februar 2022. Diese sei noch hinreichend aktuell. Dieser Fehler wirke sich allerdings nicht auf das Ergebnis aus. Denn bei der rechtlich gebotenen Berücksichtigung der periodischen Beurteilung für die Antragstellerin vom 17. Mai 2022 stelle sich die Beigeladene ebenfalls als leistungsstärkere Bewerberin dar. Darauf habe die Antragsgegnerin im gerichtlichen Verfahren hingewiesen.
9
Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt, mit der sie ihr Rechtsschutzbegehren weiterverfolgt.
10
Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
II.
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Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin bleibt ohne Erfolg.
12
1. Die Gründe, die mit der Beschwerde fristgerecht dargelegt worden sind und auf deren Prüfung das Gericht beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 i.V.m. Satz 1 und 3 VwGO), rechtfertigen es nicht, dem mit dem Rechtsmittel weiterverfolgten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu entsprechen. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass die Antragstellerin einen Anordnungsgrund für den Erlass einer einstweiligen Anordnung, aber keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat (§ 123 Abs. 1, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
13
a) Art. 33 Abs. 2 GG gewährt jedem Deutschen ein grundrechtsgleiches Recht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Daraus folgt der Anspruch eines Beförderungsbewerbers auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Entscheidung über seine Bewerbung (sog. Bewerbungsverfahrensanspruch). Wird dieses subjektive Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG durch eine fehlerhafte Auswahlentscheidung des Dienstherrn verletzt, folgt daraus, dass der unterlegene Bewerber eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung zumindest dann beanspruchen kann, wenn seine Aussichten, beim zweiten Mal ausgewählt zu werden, offen sind, d.h. wenn seine Auswahl möglich erscheint (vgl. BVerfG, B.v. 24.9.2002 – 2 BvR 857/02 – juris Rn. 13; B.v. 2.10.2007 – 2 BvR 245/04 – juris Rn. 11; BVerwG, B.v. 22.11.2012 – 2 VR 5.12 – juris Rn. 22, BayVGH, B.v. 1.2.2022 – 6 CE 21.2709 – juris Rn. 17 m.w.N.).
14
Der Grundsatz der Bestenauslese wird für Richter im Bundesdienst durch § 46 DRiG in Verbindung mit § 22 Abs. 1, § 9 BBG konkretisiert und gilt uneingeschränkt für die Vergabe des in Streit stehenden richterlichen (Beförderungs-)Amts einer Vorsitzenden Richterin am Bundespatentgericht, das für die Antragstellerin wie für die Beigeladene höherwertig ist (vgl. BayVGH, B.v. 1.2.2022 – 6 CE 21.2709 – juris Rn. 17 für das Amt der Vizepräsidentin des BFH; Staats, DRiG, 1. Aufl. 2012, § 46 Rn. 6, 9).
15
Bezugspunkt der Auswahlentscheidung nach Art. 33 Abs. 2 GG ist das angestrebte Statusamt (BVerwG, U.v. 20.6.2013 – 2 VR 1.13 – juris Rn. 28). Die Ermittlung des am besten geeigneten Bewerbers nach den Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung hat daher stets in Bezug auf das angestrebte Statusamt zu erfolgen (BayVGH, B.v. 1.2.2022 – 6 CE 21.2709 – juris Rn. 19).
16
Der Vergleich unter den Bewerbern im Rahmen einer dienstrechtlichen Auswahlentscheidung nach Art. 33 Abs. 2 GG hat – vor allem – anhand dienstlicher Beurteilungen zu erfolgen (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 9.5.2019 – 2 C 1.18 – juris Rn. 32 m.w.N.; BayVGH, B.v. 1.2.2022 – 6 CE 21.2709 – juris Rn. 20). Eine dienstliche Beurteilung ist zu erstellen aufgrund der Erkenntnisse über die von dem jeweiligen Beamten oder Richter auf dem konkret innegehabten Dienstposten gezeigten Leistungen, gemessen an den (abstrakten) Anforderungen des Statusamtes. Bezugspunkt der dienstlichen Beurteilung ist nicht der konkrete Dienstposten, sondern das Statusamt des Beamten. Die Eignung von dienstlichen Beurteilungen als Grundlage für den Bewerbervergleich setzt voraus, dass diese zeitlich aktuell (BVerwG, B.v. 10.5.2016 – 2 VR 2.15 – juris Rn. 22) und inhaltlich aussagekräftig (BVerwG, U.v. 17.9.2015 – 2 C 27.14 – juris Rn. 14) sind. Hierfür ist erforderlich, dass sie die dienstliche Tätigkeit im maßgebenden Beurteilungszeitraum vollständig erfassen, auf zuverlässige Erkenntnisquellen gestützt sind, das Leistungsvermögen hinreichend differenziert darstellen sowie auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhen (BVerwG, U.v. 27.11.2014 – 2 A 10.13 – juris Rn. 21; B.v. 21.12.2016 – 2 VR 1.16 – juris Rn. 24).
17
Maßgebend für den Leistungsvergleich ist in erster Linie das abschließende Gesamturteil, das durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen leistungsbezogenen Gesichtspunkte zu bilden ist (BVerwG, B.v. 20.6.2013 – 2 VR 1.13 – juris Rn. 21). Bei einem Vergleich der ausgewiesenen Gesamturteile sind etwaige nach dem Beurteilungssystem vorgesehene „Binnendifferenzierungen“ innerhalb einer Note oder Notenstufe mit zu berücksichtigen (BVerwG, U.v. 17.2.2003 – 2 C 16.02 – juris Rn. 13; OVG NW, B.v. 1.8.2011 – 1 B 186/11 – juris Rn. 11).
18
Die Ausgestaltung des Systems zur Beurteilung der Beamten oder Richter eines Dienstherrn hat sich dabei an den jeweiligen normativen Vorgaben zu orientieren. Das Bundesbeamtengesetz gibt für Bundesbeamte in §§ 21 und 22 – die gemäß § 46 DRiG für Richter des Bundes grundsätzlich entsprechend anwendbar sind (vgl. oben sowie Staats, DRiG, 1. Aufl. 2012, § 46 Rn. 8 ff.) – das System von regelmäßigen Beurteilungen als Regel vor, von der Ausnahmen zugelassen werden können (vgl. zu den Ausnahmekonstellationen BVerwG, U.v. 9.5.2019 – 2 C 1.18 – juris Rn. 42). Die Entscheidung des Bundesgesetzgebers für das System von Regelbeurteilungen darf von der Verwaltung nicht dadurch unterlaufen werden, dass sie im Rahmen eines Auswahlverfahrens trotz des Vorliegens einer hinreichend aktuellen Regelbeurteilung ohne ausreichenden Grund Anlassbeurteilungen erstellt (BVerwG, B.v. 2.7.2020 – 2 A 6.19 – juris Rn. 10, 12; B.v. 7.1.2021 – 2 VR 4.20 – juris Rn. 44). Es bedarf mithin eines Anlasses für eine Anlassbeurteilung. Fehlt ein solcher, bedarf es nicht nur keiner Anlassbeurteilung, sondern ist dem Dienstherrn der Erlass einer solchen auch verwehrt (BVerwG, B.v. 7.1.2021 – 2 VR 4.20 – juris Rn. 45).
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Hier gilt nichts anderes: Die von der Antragsgegnerin vorgelegten Beurteilungsgrundsätze („Beurteilungswesen im Bundespatentgericht (richterlicher Dienst)“) sehen ein Regelbeurteilungssystem vor, das zwar keinen gemeinsamen (einheitlichen) Beurteilungsstichtag, aber den jeweils gleichen Beurteilungszeitraum von drei Jahren vorgibt („Eine Regelbeurteilung erfolgt im dreijährigen Turnus“). Anlassbeurteilungen sind nur ausnahmsweise vorgesehen, etwa ab dem 55. Lebensjahr auf Antrag im Bedarfsfall (z.B. Bewerbung um ein Beförderungsamt) oder anlässlich einer Bewerbung um ein Beförderungsamt für den Fall, dass die letzte Beurteilung nicht mehr hinreichend aktuell ist. Hinsichtlich der Notenstufen wird auf den Erlass des Bundesministeriums der Justiz vom 2. November 1998 verwiesen. U.a. für die Notenstufe „gut“ sind Zwischennotenstufen vorgesehen („gut, obere Grenze“, „gut“ und „gut, untere Grenze“).
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b) Gemessen an diesem Maßstab kann die Antragstellerin aus Art. 33 Abs. 2 GG, § 46 DRiG i.V.m §§ 22, 9 BBG keinen Anspruch auf erneute Entscheidung über ihre Bewerbung herleiten, der durch die beantragte einstweilige Anordnung zu sichern wäre.
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Zwar ist die Auswahlentscheidung rechtsfehlerhaft auf die für die Antragstellerin erstellte Anlassbeurteilung vom 25. September 2023 gestützt; stattdessen hätte, wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt, auf die noch hinreichend aktuelle periodische Beurteilung vom 17. Mai 2022 zurückgegriffen werden müssen (aa). Dieser Fehler wirkt sich jedoch nicht zugunsten der Antragstellerin aus; denn auch bei Rückgriff auf die periodische Beurteilung ist beim Vergleich der abschließenden Gesamturteile die Beigeladene als leistungsstärkere Bewerberin anzusehen (bb). Daran können die weiteren von der Beschwerde angeführten Gesichtspunkte nichts ändern; sie sind für die Auswahlentscheidung nicht erheblich (cc).
22
aa) Für die Antragstellerin hätte keine Anlassbeurteilung als Grundlage für die Auswahlentscheidung eingeholt werden dürfen, weil die unter dem 17. Mai 2002 erstelle Regelbeurteilung für den Zeitraum 1. März 2019 bis 28. Februar 2022 noch hinreichend aktuell war.
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Weder war der Zeitraum von drei Jahren zwischen Erstellung der Beurteilung (bzw. Ablauf des dreijährigen Beurteilungszeitraums) und Auswahlentscheidung (20.3.2024) abgelaufen (vgl. BVerwG, U.v. 9.5.2019 – 2 C 1.18 – juris Rn. 33f.; § 46 DRiG i.V.m. § 22 Abs. 1 Satz 2 BBG) noch der nach den Beurteilungsgrundsätzen der Antragsgegnerin maßgebliche Zeitraum von 15 Monaten zwischen Erstellung und Ausschreibung (30.3.2023). Es fehlt mithin an einem Anlass für die Einholung der Beurteilung vom 25. September 2023. Allein die Bewerbung der Antragstellerin um das ausgeschriebene Beförderungsamt genügt hierfür nicht.
24
Soweit die Antragstellerin einwendet, die zeitliche Grenze von 15 Monaten sei nicht unter allen Umständen, sondern nur „regelmäßig“ einzuhalten, zumal der Zeitraum von 15 Monaten zwischen dem Ablauf des Beurteilungszeitraums und Ausschreibung der Stelle „fast“ verstrichen sei, kann sie damit nicht durchdringen. Besondere Umstände, die es rechtfertigen könnten, aus Anlass ihrer Bewerbung um die ausgeschriebene Stelle als Vorsitzende Richterin eine aktuelle dienstliche Beurteilung zu erstellen, hat sie nicht substantiiert dargetan. Zwar kann auch bei einem auf turnusgemäßen Regelbeurteilungen beruhenden Beurteilungssystem die Notwendigkeit entstehen, die Beurteilungsgrundlage im Hinblick auf eine zu treffende Auswahlentscheidung zu aktualisieren. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn der Beamte oder Richter nach dem Beurteilungsstichtag der letzten Regelbeurteilung während eines erheblichen Zeitraums wesentlich andere Aufgaben wahrgenommen hat (BVerwG, U.v. 9.5.2019 – 2 C 1.18 – juris Rn. 37, 42 m.w.N.). Ein derartiger Fall liegt hier jedoch nicht vor. Dass die Antragstellerin während eines erheblichen Zeitraums wesentlich andere Aufgaben, die einem anderen (regelmäßig höherwertigen) Statusamt zuzuordnen wären, wahrgenommen hätte, ist weder vorgetragen noch aus den Akten, etwa der Anlassbeurteilung vom 25. September 2023, ersichtlich. Sie ist seit Beginn ihrer Tätigkeit beim Bundespatentgericht als Richterin am Bundespatentgericht demselben Senat zu gewiesen und bereits seit 2016 regelmäßige Vertreterin des Senatsvorsitzenden.
25
Für die Antragstellerin musste auch nicht deshalb eine Anlassbeurteilung erstellt werden, weil die Beigeladene eine neue Anlassbeurteilung erhalten hat, nachdem die letzte Beurteilung (vom 26.6.2020 für den Beurteilungszeitraum 1.12.2016 bis 11.6.2019) nicht mehr hinreichend aktuell war. Die Anlassbeurteilung für die Beigeladene vom 19. September 2023 und die Regelbeurteilung für die Antragstellerin vom 17. Mai 2022 sind trotz der divergierenden Beurteilungszeiträume (1.6.2020 bis 31.5.2023 auf der einen und 1.3.2019 bis 28.2.2022 auf der anderen Seite) und damit ihrer unterschiedlichen Aktualitätsgrade miteinander vergleichbar.
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Die einzelnen Beurteilungszeiträume müssen zwar im Wesentlichen übereinstimmen, weil nur so eine vergleichbare Aussagekraft zur Eignung, Befähigung und Leistung der Bewerber untereinander gewährleistet ist (BayVGH, B.v. 16.10.2023 – 3 CE 23.1070 – juris Rn. 25 m.w.N.). Es gibt aber keinen Rechtssatz, dass dienstliche Beurteilungen hinsichtlich Beurteilungszeitraum und Stichtag stets und „absolut“ gleich sein müssen. Die „höchstmögliche“ Vergleichbarkeit ist ein Optimierungsziel, das immer nur soweit wie möglich angestrebt werden kann (BVerwG, U.v. 9.5.2019 – 2 C 1.18 – juris Rn. 58). Soweit in der obergerichtlichen Rechtsprechung darauf abgestellt wird, dass die Beurteilung jedes Bewerbers auch im Verhältnis zu den Beurteilungen der Mitwerber hinreichend aktuell sein muss (vgl. etwa OVG RhPf, B.v. 2.7.2014 – 10 B 10320/14 – juris Rn. 11 m.w.N.), gilt dies nicht absolut. Richtig daran ist, dass einem Bewerber durch die für ihn erstellte zeitnahe Anlassbeurteilung gegenüber anderen Bewerbern mit Regelbeurteilungen kein deren Bewerbungsverfahrensanspruch tangierender Vorteil dadurch erwachsen darf, dass bei dem Anlassbeurteilten neuere Erkenntnisse in die Beurteilung einfließen konnten. Dabei ist aber zu beachten, dass ein Beurteilungssystem, das nicht nur Regelbeurteilungen, sondern in bestimmten Fallgestaltungen ergänzend Anlassbeurteilungen vorsieht, zwangsläufig unterschiedliche Beurteilungszeiträume und unterschiedliche Aktualitätsgrade der Beurteilungen einer Auswahlentscheidung in Kauf nimmt. Solche Unterschiede sind aus Praktikabilitätsgründen hinzunehmen, solange ein Qualifikationsvergleich auf der Grundlage dieser Beurteilungen ohne ins Gewicht fallende Benachteiligung eines Bewerbers nach Bestenauslesegrundsätzen möglich bleibt (BVerwG, U.v. 9.5.2019 – 2 C 1.18 – juris Rn. 59).
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Der Leistungsvergleich auf der Grundlage der Anlassbeurteilung für die Beigeladene vom 19. September 2023 und der periodischen Beurteilung für die Antragstellerin vom 17. Mai 2022 führt, wie das Verwaltungsgericht richtig ausgeführt hat, zu einem Überlappungszeitraum von 21 Monaten (für den Zeitraum 1.6.2020 bis 28.2.2022), während der Vergleich zwischen den Anlassbeurteilungen vom 19. September 2023 und 25. September 2023 einen Überlappungszeitraum von nur 15 Monaten (für den Zeitraum 1.3.2022 bis 31.5.2023) ergibt. Der Beschwerde ist zwar zuzugestehen, dass angesichts des unterschiedlichen Endes des Beurteilungszeitraums (28.2.2022 bei der Antragstellerin und 31.5.2023 bei der Beigeladenen) die Beurteilungen im Hinblick auf ihren Aktualitätsgrad nicht vollends miteinander vergleichbar sind und der Leistungsvergleich auf dieser Basis für die Antragstellerin nachteilig erscheint, weil nur die Beurteilung der Beigeladenen, nicht aber die der Antragstellerin den aktuellen Leistungsstand widerspiegelt. Gleichwohl besteht hier kein hinreichender Anlass, auch für die Antragstellerin eine Anlassbeurteilung einzuholen. Wenn sich bei der Mitbewerberin – wie hier der Antragstellerin – weder der Zuschnitt der Aufgaben oder deren Qualität verändert haben noch Anhaltspunkte für eine – dadurch bedingte – ins Gewicht fallende Veränderung in seinem Leistungsvermögen bestehen, gibt es keinen Grund, auch bei größeren Zeitdifferenzen in der Relation zwischen einer jüngeren Anlassbeurteilung und der letzten Regelbeurteilung die Letztgenannte als für den Leistungsvergleich untauglich – und daher auch unzulässig – anzusehen (BVerwG, U.v. 9.5.2019 – 2 C 1.18 – juris Rn. 61). Dementsprechend bedurfte es hier nicht nur keiner Anlassbeurteilung, sondern war der Antragsgegnerin der Erlass einer solchen auch verwehrt (BVerwG, B.v. 7.1.2021 – 2 VR 4.20 – juris Rn. 45). In der von der Antragsgegnerin für die Antragstellerin eingeholten Anlassbeurteilung vom 25. September 2023 heißt es zwar, die Antragstellerin habe ihre bereits überdurchschnittlichen Leistungen im Beurteilungszeitraum nicht nur beständig aufrechterhalten, sondern stellenweise noch übertroffen, so dass bei konstanter Entwicklung eine signifikante Leistungssteigerung erwartbar sei. Mit einer signifikanten Leistungssteigerung wird also zum einen (erst) künftig gerechnet („erwartbar“). Zum anderen ist – wie bereits ausgeführt – weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass sich der Zuschnitt ihrer Aufgaben bzw. deren Qualität seit ihrer letzten (periodischen) Beurteilung maßgeblich verändert hätte.
28
Auch aus dem von der Antragstellerin ins Feld geführten Ausführungen des Senats in seinem Beschluss vom 2. September 2020 – 6 CE 20.1351 (juris Rn. 16) – lässt sich nichts anderes herleiten. Danach sind für den Leistungsvergleich konkurrierender Bewerber im Zusammenhang mit einer bevorstehenden Personalentscheidung regelmäßig vorrangig die in jüngerer Zeit erbrachten Leistungen maßgeblich, weshalb den vorangegangenen dienstlichen Beurteilungen gewöhnlich – abgesehen von den Fällen eines dabei bestehenden Qualitätsgleichstands, wo dann ggf. die jeweiligen Vorbeurteilungen vergleichend berücksichtigt werden können – keine ausschlaggebende Bedeutung mehr zukommt. Dieser Aussage lässt sich aber nicht der allgemeine Rechtssatz entnehmen, dass für einen Bewerber aus Anlass einer für eine Mitwerber erstellen Anlassbeurteilung stets ebenfalls eine aktuelle Beurteilung einzuholen wäre, um für beide Bewerber gleichermaßen die neuesten Erkenntnisse zugrunde legen zu können. Ein solcher Rechtssatz wäre im Übrigen mit der vom Senat zugrunde gelegten höchstrichterlichen Rechtsprechung, die diesem „Automatismus“ eine Absage erteilt (BVerwG, U.v. 9.5.2019 – 2 C 1.18 – juris Rn. 57 ff.), nicht vereinbar.
29
bb) Die zugunsten der Beigeladenen getroffene Auswahlentscheidung ist ungeachtet der fehlerhaft dem Leistungsvergleich zugrunde gelegten Anlassbeurteilung für die Antragstellerin vom 25. September 2023 nicht zu beanstanden. Denn dieser Fehler wirkt sich nicht zugunsten der Antragstellerin aus.
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Ein Bewerber, dessen subjektives Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG durch eine fehlerhafte Auswahlentscheidung des Dienstherrn verletzt worden ist, kann eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung nur dann beanspruchen, wenn seine Erfolgsaussichten bei einer erneuten Auswahl offen sind, seine Auswahl also nicht nur theoretisch möglich erscheint (vgl. oben). Daran fehlt es, wenn die gebotene wertende Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls klar erkennbar ergibt, dass der Rechtsschutzsuchende auch im Fall einer nach den Maßstäben der Bestenauslese fehlerfrei vorgenommenen Auswahlentscheidung im Verhältnis zu den Mitbewerbern chancenlos sein wird (OVG NW, B.v. 23.7.2024 – 1 B 407/24 – juris Rn. 10 f. m.w.N.; BayVGH, B.v. 24.9.2019 – 6 CE 19.1749 – juris Rn. 17). So liegt der Fall hier. Die dem Leistungsvergleich zugrunde zu legende Regelbeurteilung vom 17. Mai 2022 schließt – wie die Anlassbeurteilung vom 25. September 2023 – mit der Gesamtnote „gut“ ab und bleibt damit hinter der Note der Beigeladenen zurück. Auf der Grundlage des von der Antragsgegnerin zu Recht als maßgebliches Kriterium für den Leistungsvergleich herangezogenen Aspekts der besseren Gesamtnote erscheint eine Entscheidung zugunsten der Antragstellerin realistisch betrachtet auch bei einer erneuten Auswahlentscheidung als ausgeschlossen. Die von der Antragsgegnerin in der Auswahlentscheidung dokumentierten Auswahlerwägungen – der Vorrang der Beigeladenen aufgrund der besseren Gesamtnote (vgl. Bl. 56 der in Papierform vorgelegten Akte) – treffen auf den Leistungsvergleich anhand der rechtsfehlerfrei zugrunde zu legenden dienstlichen Beurteilungen der Beteiligten, insbesondere der periodischen Beurteilung für die Antragstellerin vom 17. Mai 2022, gleichermaßen zu, wie die Antragsgegnerin im erstinstanzlichen Verfahren zutreffend dargelegt hat.
31
cc) Die von der Beschwerde angeführten Gesichtspunkte, die bei der Auswahlentscheidung zu Gunsten der Antragstellerin hätten berücksichtigt werden müssen, können zu keinem anderen Ergebnis führen.
32
(1) Nicht überzeugen kann der Einwand, die Antragstellerin sei bereits seit 2016 regelmäßige Vertreterin des Senatsvorsitzenden gewesen und habe insoweit höherwertige Aufgaben wahrgenommen. Zwar ist in der Regel davon auszugehen, dass bei formal gleicher Bewertung die Beurteilung des Beamten oder Richters im höheren Statusamt besser ist als diejenige des in einem niedrigeren Statusamt befindlichen Konkurrenten (vgl. BVerfG, B.v. 16.12.2015 – 2 BvR 1958/13 – juris Rn. 59; BVerwG, B.v. 20.6.2013 – 2 VR 1.13 – juris Rn. 52; BayVGH, B.v. 1.2.2022 – 6 CE 21.2709 – juris Rn. 34 m.w.N.) Eine solche Fallkonstellation liegt aber nicht vor. Die Leistungen der Antragstellerin und der Beigeladene sind schon formal nicht mit der gleichen Gesamtnote bewertet worden, sondern unterscheiden sich um eine (Zwischen-)Notenstufe. Zudem hat die Antragstellerin weder ein höheres Statusamt inne als die Beigeladene noch sind der Antragstellerin Aufgaben zugewiesen, die einem höheren Statusamt entsprechen. Die von der Antragstellerin hierfür angeführte regelmäßige Vertretung des Vorsitzenden gehört typischerweise zu den Aufgaben des hierzu vom Präsidium bestimmten „weiteren“ Richters (vgl. § 68 PatG i.V.m. 21 f Abs. 2 GVG).
33
(2) Die Beschwerde meint, die Antragstellerin verfüge über spezifische Kenntnisse, die der Beigeladenen fehlten, zumal diese seit 2016 keine richterliche Tätigkeit (mehr) ausübe. Als Diplom-Chemikerin habe sie auch von der grundlegenden fachlichen Qualifikation Vorrang vor der Beigeladenden, die Physik studiert habe. Dieser Wissens- und Erfahrungsvorsprung habe zu Unrecht im Rahmen des Auswahlverfahrens keine Rolle gespielt.
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Auch damit zeigt die Beschwerde keinen Rechtsfehler auf. Bezugspunkt der Auswahlentscheidung nach Art. 33 Abs. 2 GG ist das angestrebte Statusamt (vgl. oben). Der Gesichtspunkt, dass die Antragstellerin aufgrund ihrer Tätigkeit in dem ausgeschriebenen Beschwerdesenat bereits Erfahrung auf dem konkreten zu besetzenden Dienstposten hat, kann daher keine Rolle spielen.
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Ebenso wenig vermag ihr das Studienfach (Chemie) einen Vorsprung gegenüber der Beigeladenen zu verschaffen. Dienstpostenbezogene Ausnahmeanforderungen können sich zwar insbesondere aus dem Erfordernis bestimmter Fachausbildungen ergeben (BVerwG, U.v. 20.6.2013 – 2 VR 1.13 – juris Rn. 31, 34). Dass die Stellenausschreibung für den Vorsitz in einem Technischen Beschwerdesenat (vgl. § 65 Abs. 2 Satz 2, § 66 Abs. 1 Nr. 1, § 67 Nr. 2 PatG) u.a. einen Studienabschluss in der Fachrichtung Chemie und/oder Physik oder – unter näher bestimmten Voraussetzungen – in einer anderen technischen Fachrichtung voraussetzt, ist daher nicht zu beanstanden. Nach dem Anforderungsprofil muss die Bewerberin einen Abschluss in der Fachrichtung „Chemie und/oder Physik“ aufweisen. Beide Abschlüsse werden also als grundsätzlich gleichwertig erachtet. Hintergrund ist laut Vorlageschreiben der Präsidentin des Bundespatentgerichts an das Bundesministerium der Justiz vom 9. Oktober 2023, dass der technische Gegenstand in der Mehrzahl der Beschwerdeverfahren nicht mehr zur Chemie gehöre. Daher solle bei der Nachbesetzung ein breiteres Spektrum bei der technischen Ausrichtung, nämlich zusätzlich im Bereich der Physik, vorgesehen werden. Aus welchen Gründen der Antragstellerin allein aufgrund ihres Abschlusses in der Fachrichtung Chemie der Vorrang vor der um eine (Zwischen-) Notenstufe besser beurteilten Beigeladenen einzuräumen sein soll, ist daher nicht ersichtlich. Im Übrigen besteht hier mangels gleicher Gesamtnote auch kein Spielraum für eine weitere Ausschöpfung des Beurteilungsinhalts.
36
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, etwaige außergerichtliche Kosten der Beigeladenen nach § 162 Abs. 3 VwGO für erstattungsfähig zu erklären, weil sie keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
37
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 40, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1 sowie § 52 Abs. 1 i.V.m. Abs. 6 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 bis 4 GKG. Anzusetzen ist danach im Ergebnis ein Viertel der für ein Kalenderjahr in der angestrebten Besoldungsgruppe zu zahlenden Bezüge der Endstufe (vgl. BayVGH, B.v. 1.2.2022 – 6 CE 21.2708 – juris Rn. 44 m.w.N., hier für Besoldungsgruppe R3).
38
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).