Inhalt

VGH München, Beschluss v. 05.03.2025 – 3 ZB 24.2143
Titel:

ruhegehaltfähige Dienstzeit, Mindestzeit der vorgeschriebenen Ausbildung

Normenkette:
BayBeamtVG Art. 20 Abs. 1
Schlagworte:
ruhegehaltfähige Dienstzeit, Mindestzeit der vorgeschriebenen Ausbildung
Vorinstanz:
VG Würzburg, Entscheidung vom 03.12.2024 – W 1 K 24.1275
Fundstelle:
BeckRS 2025, 4311

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 2.978,80 € festgesetzt.

Gründe

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Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung, mit dem der Kläger sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt, den Beklagten zu verpflichten, eine in der Zeit vom 15. Juli 2008 bis 30. April 2009 ausgeübte Tätigkeit als Prüfungsassistent im Bereich der Wirtschaftsprüfung als ruhegehaltfähige Dienstzeit zu berücksichtigen, bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die innerhalb der Rechtsmittelbegründungsfrist geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nrn. 1 und 5 VwGO sind nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO entsprechend dargelegt bzw. liegen nicht vor.
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1. Soweit das Zulassungsvorbringen einen Verstoß gegen die Hinweispflicht des Gerichts und das Vorliegen einer Überraschungsentscheidung rügt, wird ein Verfahrensfehler – etwa ein Verstoß gegen die gerichtliche Hinweispflicht aus § 86 Abs. 3 VwGO oder gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör – nicht dargelegt. Nach ständiger Rechtsprechung besteht keine, auch nicht aus Art. 103 Abs. 1 GG abzuleitende, generelle Pflicht des Gerichts, die Beteiligten vorab auf seine Rechtsauffassung oder die mögliche Würdigung des Sachverhalts hinzuweisen, weil sich die tatsächliche oder rechtliche Einschätzung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Entscheidungsfindung ergibt. Das Verwaltungsgericht wäre lediglich verpflichtet gewesen, entsprechende Hinweise zu erteilen, wenn es seine Entscheidung auf einen bis dahin nicht erörterten oder sonst hervorgetretenen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt hätte stützen und damit dem Rechtsstreit eine Wendung hätte geben wollen, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens auch unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchten und wozu sie sich nicht äußern konnten (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 29.11.2021 – 8 B 15.21 – juris Rn. 7). Der Kläger trägt insoweit vor, bei einem Vorabhinweis des Verwaltungsgerichts auf seine Rechtsauffassung hätte er geltend gemacht, dass die Einbeziehung der Praktikumszeit vom 1. Oktober 2003 bis 5. März 2004 in die anzurechnenden Zeiten der Betriebspraxis nach § 2 Abs. 5 der Verordnung des Landes Baden-Württemberg über den Vorbereitungsdienst und die Zweite Staatsprüfung für die Laufbahn des höheren Schuldienstes an beruflichen Schulen (APrObSchhD) zu Unrecht erfolgt sei, weil ihm dies angesichts der Anerkennung des Hochschulstudiums im Zeitraum vom 1. September 2003 bis 31. August 2006 faktisch nicht zugutekomme. Um Benachteiligungen des Klägers zu vermeiden, hätte der Beklagte entweder die Anrechnung der vorgenannten Praktikumszeit auf die Zeiten der Betriebspraxis unterlassen oder die gemäß Art. 20 Abs. 1 Nr. 1 BayBeamtVG bis zu maximal drei Jahren anrechnungsfähige Zeit der Hochschulausbildung, die insgesamt den Zeitraum vom 1. September 2003 bis 3. April 2008 umfasste, erst ab dem 6. März 2004 und sodann bis zum 5. März 2007 berücksichtigen müssen.
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Damit wird ein Verfahrensfehler nicht aufgezeigt. Der Beklagte hat im Anschluss an den vom Verwaltungsgericht unterbreiteten Vergleichsvorschlag mit Schriftsatz vom 13. November 2024, der dem Bevollmächtigten des Klägers mit Schreiben des Verwaltungsgerichts vom gleichen Tag zur Kenntnis gegeben wurde, sowohl zur Überschneidung der berücksichtigten Praktikumszeit mit dem Hochschulstudium als auch dazu vorgetragen, dass die Anrechnung sowohl der Hochschulausbildung als auch der berufspraktischen Ausbildung seiner Auffassung nach zwingend von deren Beginn an vorzunehmen sei. Hierzu hätte der Kläger Stellung nehmen können. Eine Erörterung im Verfahren hat mithin stattgefunden, so dass von einem Verstoß gegen die Hinweispflicht, einer Überraschungsentscheidung oder einem Gehörsverstoß nicht die Rede sein kann. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs, insbesondere das Verbot der Überraschungsentscheidung (§ 86 Abs. 3, § 104 Abs. 1, § 108 Abs. 2 VwGO), verlangt nicht, dass das Gericht auch auf die mögliche Erheblichkeit solcher tatsächlichen Gesichtspunkte besonders hinweist, die von einem Beteiligten bereits in den Prozess eingeführt und ausdrücklich erörtert worden sind (BVerwG, B.v. 27.7.1982 – 7 B 84.81 – juris Rn. 6).
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2. Das Zulassungsvorbringen legt auch keine ernstlichen Zweifel an der (Ergebnis-) Richtigkeit des angegriffenen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO dar.
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Solche sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerfG, B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587/17 − BVerfGE 151, 173 <186> = juris Rn. 32 m.w.N.). Um ernstliche Zweifel entsprechend § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO darzulegen, muss sich das Zulassungsvorbringen substantiiert mit dem angefochtenen Urteil auseinandersetzen und ausführen, in welchem konkreten rechtlichen oder tatsächlichen Punkt die ergebnisbezogenen Zweifel bestehen und worauf sie sich gründen (vgl. BayVGH, B.v. 19.4.2011 – 8 ZB 10.129 – BayVBl 2012, 567 Rn. 7 m.w.N.; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 62 ff.; Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 206). Nach diesen Maßgaben werden hier keine ernstlichen Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung aufgezeigt.
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Soweit der Kläger zur Begründung seiner Auffassung, er habe gemäß Art. 20 Abs. 1 Nr. 1 BayBeamtVG Anspruch auf Anerkennung von 155 weiteren Tagen als ruhegehaltfähige Dienstzeit (Zeit der Betriebspraxis als Prüfungsassistent vom 15. Juli 2008 bis 30. April 2009), geltend macht, der Beklagte müsse, um eine entsprechende Anerkennung zu ermöglichen und eine Benachteiligung des Klägers zu vermeiden, die Anrechnung der Praktikumszeit vom 1. Oktober 2003 bis 5. März 2004 auf die Zeiten der Betriebspraxis unterlassen, und im Übrigen auf den Hinweis des Verwaltungsgerichts vom 28. Oktober 2024 verweist, wonach die Praxiszeit als Prüfungsassistent nach der Auskunft des Regierungspräsidiums Karlsruhe grundsätzlich anerkennungsfähig sei, versäumt er es vollständig, diese Ausführungen in irgendeine Beziehung zu den hiervon abweichenden entscheidungstragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts im angegriffenen Urteil zu setzen und sich argumentativ hiermit zu befassen. Das Zulassungsvorbringen genügt damit insoweit bereits nicht dem Darlegungsgebot des § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO. Dieses erfordert eine Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung, durch die der Streitstoff entsprechend durchdrungen und aufbereitet wird. Der Kläger muss sich mit den Argumenten, die das Verwaltungsgericht für die angegriffene Rechtsauffassung oder Sachverhaltsfeststellung und -würdigung angeführt hat, inhaltlich auseinandersetzen und aufzeigen, warum sie aus seiner Sicht nicht tragfähig sind (vgl. BayVGH, B.v. 26.5.2020 – 15 ZB 19.2231 – juris Rn. 14 m.w.N.; B.v. 19.4.2011 – 8 ZB 10.129 – juris Rn. 7 m.w.N.). Das Verwaltungsgericht hat im angegriffenen Urteil (UA S. 10 ff.) unter Bezugnahme auf ober- und höchstrichterliche Rechtsprechung sowie unter Verweis auf die Ratio des Art. 20 Abs. 1 BayBeamtVG ausführlich erläutert, dass und weshalb es nicht zu beanstanden ist, dass der Beklagte das vorgenannte, während der ersten Studienzeit absolvierte Praktikum berücksichtigt hat.
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Soweit der Kläger einwendet, der Beklagte hätte alternativ die Praktikumszeit vom 1. Oktober 2003 bis 5. März 2004 gemäß Art. 20 Abs. 1 BayBeamtVG als ruhegehaltfähige Dienstzeit anrechnen und die bis zu maximal drei Jahren anrechnungsfähige Zeit der Hochschulausbildung, die insgesamt den Zeitraum vom 1. September 2003 bis 3. April 2008 umfasste, erst ab dem 6. März 2004 und sodann bis zum 5. März 2007 berücksichtigen können, dringt er hiermit der Sache nach nicht durch. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu der mit Art. 20 BayBeamtVG insoweit im Wesentlichen vergleichbaren Vorschrift des § 12 BeamtVG ist auch die Zeit des Hochschulstudiums von ihrem Beginn an als ruhegehaltsfähige Dienstzeit zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, U.v. 15.9.1994 – 2 C 16.93 – juris Rn. 16 f.). Aus dem Wortlaut des § 12 Abs. 1 BeamtVG bzw. des Art. 20 Abs. 1 BayBeamtVG („Mindestzeit“ der Hochschulausbildung) ergibt sich, dass der Gesetzgeber von dem tatsächlichen Verlauf der Hochschulausbildung ausgeht. Die Zeit des Hochschulstudiums beginnt mit ihrem tatsächlichen Beginn (so auch Nr. 20.1.2.2 Satz 4 der Bayerischen Verwaltungsvorschriften zum Versorgungsrecht – BayVV-Versorgung –, wonach die Mindestzeit bei einem Studium vom Beginn des 1. Semesters an rechnet). Dieser war, wie das Verwaltungsgericht festgestellt hat, der 1. September 2003. Der Zeitraum für die Ermessensentscheidung nach Art. 20 Abs. 1 BayBeamtVG ist mithin auf den Zeitraum ab dem Tag des tatsächlichen Studienbeginns für drei Jahre begrenzt. Etwas anderes ließe sich nur dann rechtfertigen, wenn eine (rechtliche) Unterbrechung des Studiums stattgefunden hätte. Argumente, die es angezeigt erscheinen lassen, diese Rechtsprechung in einem Rechtsmittelverfahren einer Überprüfung zu unterziehen, bringt der Kläger nicht vor.
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Diese Vorgehensweise benachteiligt den Kläger auch nicht in unangemessener Weise. Art. 20 Abs. 1 BayBeamtVG erlaubt es dem Dienstherrn von vornherein nicht, Zeiten als ruhegehaltfähig anzuerkennen, die über die Mindestzeit der vorgeschriebenen Ausbildung hinausgehen. Der Kläger war vorliegend offensichtlich in der Lage, bereits während des ersten Studiums ein Praktikum zu absolvieren, das den Vorgaben des § 2 Abs. 5 APrObSchhD entsprach, und hätte die im Streit stehende Tätigkeit als Prüfungsassistent bei einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mithin nicht mehr benötigt, um nach § 2 Abs. 5 APrObSchhD zum Vorbereitungsdienst zugelassen zu werden. Hierauf hat auch das Verwaltungsgericht im angegriffenen Urteil bereits hingewiesen (UA S. 12), ohne dass der Kläger dem der Sache nach entgegengetreten ist.
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Soweit der Kläger schließlich geltend macht, ein Anspruch auf Anerkennung der streitgegenständlichen Praxiszeit als ruhegehaltfähig ergebe sich entgegen der Auffassung des Erstgerichts aus Art. 19 Nr. 3 a) BayBeamtVG, da er während seiner Tätigkeit als Prüfungsassistent besondere Fachkenntnisse auf wirtschaftlichem Gebiet erworben habe, die – über die Zeiten der notwendigen Betriebspraxis nach § 2 Abs. 5 Satz 1 APrObSchhD hinausgehend – eine notwendige Ergänzung und damit Voraussetzung für die Wahrnehmung seines späteren Amtes waren, setzt er lediglich seine eigene Auffassung anstelle derjenigen des Verwaltungsgerichts, ohne sich mit den Ausführungen im angegriffenen Urteil auseinanderzusetzen und seinen Vortrag der Sache nach mit Substanz zu füllen, so dass er auch insoweit den Darlegungsanforderungen nicht gerecht wird. Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass es sich bei den im Rahmen der Tätigkeit bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft erworbenen Fachkenntnissen auf wirtschaftlichem Gebiet nicht um besondere Fachkenntnisse i.S.d. Art. 19 Nr. 3 a) BayBeamtVG handelte, die die notwendige Voraussetzung für die Wahrnehmung des konkret-funktionellen Amtes des Klägers als Berufsschullehrer in Baden-Württemberg gebildet haben. Es sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der dem Kläger seinerzeit übertragene Dienstposten Fachkenntnisse vorausgesetzt hätte, die das Maß der allgemein für die Laufbahn geforderten Fachkenntnisse erheblich überschritten hätten. Hierfür seien weder Rechts- oder Verwaltungsvorschriften noch eine entsprechende Verwaltungspraxis erkennbar, worauf auch der Beklagte mit Schriftsatz vom 8. Oktober 2024 zurecht hingewiesen habe (UA S. 13).
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3. Der Zulassungsantrag war demnach mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 40, § 47 Abs. 1 und 3, § 42 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 GKG (wie Vorinstanz).
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Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).