Titel:
Anordnung der sofortigen Vollziehung des Erwerbs- und Besitzverbots von erlaubnispflichtigen und erlaubnisfreien Waffen – Erfolgreiche Beschwerde
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5, § 114
WaffG § 4, § 5 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 3, Nr. 5, § 41, § 42a Abs. 1, § 45 Abs. 2
Leitsätze:
1. Die Zuverlässigkeitsprüfung im waffenrechtlichen Sinn ist grundsätzlich prospektiv ausgerichtet und verlangt die Vornahme einer Prognose; für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage kommt es auf den Zeitpunkt des Bescheiderlasses an. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Missbräuchlich verwendet derjenige eine Waffe iSv § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. a Alt. 1 WaffG, der von ihr zumindest bedingt vorsätzlich einen Gebrauch macht, der vom Recht nicht gedeckt ist und dabei andere gefährdet. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
3. Von Ermessenserwägungen kann die Waffenbehörde nicht absehen, nur weil mangels waffenrechtlicher Zuverlässigkeit oder Eignung die Voraussetzungen für einen Widerruf der Erlaubnis nach § 45 Abs. 2 S. 1 WaffG vorliegen. (Rn. 51) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse, Anordnung eines Verbots, erlaubnisfreie Waffen zu besitzen und zu erwerben, Wiedergabe von Kampfszenen aus dem Zweiten, Weltkrieg als „Reenactment“, leichtfertige Verwendung von Waffen, Führen von Anscheinswaffen, Aufbewahrung von Softair-Waffen und Dolchen, Erwerbs- und Besitzverbote von erlaubnisfreien und erlaubnispflichtigen Waffen, Anforderung an die Ermessensausübung, Austausch der Ermessenserwägungen durch das Gericht, Widerruf des Kleinen Waffenscheins, Zuverlässigkeit, Regelunzuverlässigkeit, Anscheinswaffe, Aufbewahrungsverstoß, Softair-Waffe, Dolch, Erwerbs- und Besitzverbot, Ermessen, Ermessensausübung, Anordnung der sofortigen Vollziehung
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 06.11.2024 – M 7 S 24.2500
Fundstelle:
BeckRS 2025, 4305
Tenor
I. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 6. November 2024 – M 7 S 24.2500 – wird in Nummer I geändert und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nummer 5 des Bescheids vom 19. April 2024 wiederhergestellt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
II. Unter Aufhebung der Nummer II des Beschlusses des Verwaltungsgerichts haben der Antragsteller zu 1/3 und der Antragsgegner zu 2/3 die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Unter Abänderung des Streitwerts in Nummer III des Beschlusses des Verwaltungsgerichts wird der Streitwert in beiden Instanzen auf jeweils 8.750,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller begehrt die Anordnung und Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Widerruf seines Kleinen Waffenscheins sowie diesbezüglicher Nebenentscheidungen und wendet sich gegen die Anordnung des Sofortvollzugs hinsichtlich eines Erwerbs- und Besitzverbots von erlaubnispflichtigen und erlaubnisfreien Waffen.
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Der Antragsteller ist seit dem 21. Oktober 2019 Inhaber einer Erlaubnis zum Führen von Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen (Kleiner Waffenschein). Am 18. August 2021 stellte er beim Landratsamt ... (nachfolgend: Landratsamt) den Antrag auf Erteilung einer Waffenbesitzkarte zum (Weiter-)Besitz seiner Salutwaffe (Karabiner Typ Mauser K98), die sich seit 2005 in seinem Eigentum befindet.
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Im Rahmen der daraufhin eingeleiteten Zuverlässigkeitsüberprüfung teilte die Kriminalpolizeiinspektion … dem Landratsamt mit Schreiben vom 26. August 2021 mit, dass gegen mehrere Personen, darunter auch den Antragsteller, ermittelt werde, da diese im Sommer 2020 auf einem privaten, aber jedermann frei zugänglichen Grundstück im Rahmen von nicht angemeldeten Veranstaltungen Szenarien aus dem Zweiten Weltkrieg nachgespielt und sich im öffentlichen Raum mit Uniformen, Fahrzeugen und Devotionalien des Dritten Reichs gezeigt hätten. Dabei seien auch Waffen mitgeführt worden. Der Antragsteller sei in Wehrmachtsuniform mit verbotenen Abzeichen gesehen worden, während er einen Karabiner und ein Bajonett mit sich geführt habe. Anlässlich einer am 15. Oktober 2020 bei dem Antragsteller durchgeführten Hausdurchsuchung seien Waffen, Munition, Patronen, NS-Devotionalien und Wehrmachtsuniformen aufgefunden und sichergestellt worden. Ein Luftgewehr des Antragstellers wurde unverschlossen in seinem Kleiderschrank verwahrt, ein langer Dolch habe obenauf gelegen.
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Am 17. März 2023 erließ das Amtsgericht … … … … gegen den Antragsteller einen Strafbefehl wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gemäß § 86a Abs. 1, Abs. 2, § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB in Tateinheit mit Verstoß gegen das Uniformverbot gemäß § 28, § 3 VersG und verhängte eine Geldstrafe in Höhe von 45 Tagessätzen. Nach dem hiergegen eingelegten Einspruch verurteilte das Amtsgericht den Antragsteller mit Urteil vom 2. Mai 2023 (Az.: * … * … …; rechtskräftig seit 10.5.2023) wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gemäß § 86a Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2, § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB zu einer Geldstrafe von 35 Tagessätzen. Nach den Feststellungen des Urteils hat der Antragsteller am Wochenende des 18. bis 20. September 2020 eine Veranstaltung besucht, auf der er sich im öffentlich zugänglichen und einsehbaren Bereich neben einem Fahrradweg und bei der daneben befindlichen Gaststätte in Wehrmachtsuniform mit Hakenkreuzen gezeigt habe, die er – anders als andere Teilnehmer – nicht verdeckt habe. Zugunsten des Antragstellers berücksichtigte das Urteil in der Strafzumessung, dass die Veranstaltung seiner Gruppe zur Vorbereitung eines Auftritts in den Niederlanden anlässlich eines Jahrestags der Befreiung der Niederlande von Nazi-Deutschland gedient habe.
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Daraufhin leitete das Landratsamt gegen den Antragsteller ein Verfahren zum Widerruf des Kleinen Waffenscheins und zur Verhängung von Waffenbesitzverboten ein, da Zweifel an seiner Zuverlässigkeit gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a bis c und § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a Unterbuchstabe bb WaffG bestünden, und teilte mit, den gestellten Antrag auf Erteilung einer Waffenbesitzkarte ablehnen zu wollen. Im Rahmen der Anhörung widersprach der Antragsteller der Darstellung des Landratsamts. Es seien bei ihm keine Indizien für eine rechtsextreme Gesinnung festgestellt und der Vorwurf des Verstoßes gegen das Uniformierungsverbot in der Öffentlichkeit fallen gelassen worden. Wie sich aus den Ermittlungsakten ergebe, sei er der sogenannten „WK2-Reenactment-Szene“ zuzuordnen, die sich mit der Nachstellung bzw. Darstellung des zivilen und militärischen Lebens während des Zweiten Weltkriegs befasse. Der Reenactment-Verein, der die Veranstaltung vom 18. bis 20. September 2020 organisiert habe und dessen Mitglied er gewesen sei, habe sich zwischenzeitlich aufgelöst. Damit bedürfe es weder eines Widerrufs des Kleinen Waffenscheins noch eines Waffenbesitzverbots. Da er mit der Verurteilung zu 35 Tagessätzen nicht vorbestraft sei, bitte er dem Antrag auf Erteilung einer Waffenbesitzkarte stattzugeben. Am 11. Dezember 2023 sprach er zudem bei der Behörde persönlich vor.
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Mit Bescheid vom 19. April 2024 lehnte das Landratsamt den Antrag auf Erteilung einer Waffenbesitzkarte für Salutwaffen ab (Nr. 1) und gab ihm auf, die in seinem Eigentum befindliche Salutwaffe unbrauchbar zu machen oder einem Berechtigten zu überlassen (Nr. 2), andernfalls wurde deren Sicherstellung angeordnet (Nr. 7). Ferner widerrief es den Kleinen Waffenschein (Nr. 3) und verpflichtete den Antragsteller unter Zwangsgeldandrohung (Nr. 6) diesen zurückzugeben (Nr. 4). Dem Antragsteller wurde auf Dauer untersagt, erlaubnispflichtige sowie erlaubnisfreie Waffen und Munition zu erwerben und zu besitzen (Nr. 5). Die sofortige Vollziehbarkeit der Nummern 1, 2, 4 bis 5 und 7 wurde angeordnet (Nr. 8). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antragsteller bei der Veranstaltung im September 2020 in einer Wehrmachtsuniform mit Hakenkreuzen einen deaktivierten Karabiner unverdeckt geführt und somit eine Waffe i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG missbräuchlich verwendet habe. Die Hausdurchsuchung habe gezeigt, dass der Antragsteller Waffen (Luftgewehr und Dolch) nicht sorgfältig gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG verwahre. Zudem sei zu befürchten, dass er bei entsprechenden Veranstaltungen wie der im September 2020 Waffen an Personen überlasse, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt nicht berechtigt seien, § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c WaffG. Zudem besäße der Antragsteller nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c WaffG nicht die erforderliche Zuverlässigkeit, da er der sog. „WK2-Reenactment-Szene“ zuzuordnen sei und eine Organisation i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a WaffG unterstützt habe. Gegen den Antragsteller sei ein generelles Waffenbesitzverbot auszusprechen gewesen, welches auf § 41 Abs. 1 und Abs. 2 WaffG beruhe. Es sei die allgemeine Besorgnis gerechtfertigt, dass der Antragsteller Waffen und Munition missbräuchlich und unsachgemäß verwenden werde, sodass zur Gefahrenverhütung die Umgangskontrolle angemessen und erforderlich sei.
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Hiergegen ließ der Antragsteller am 15. Mai 2024 Klage erheben, über die nach Aktenlage noch nicht entschieden ist (Az.: M 7 K 24.2498) und zugleich einen Antrag auf Eilrechtsschutz stellen. Diesen lehnte das Verwaltungsgericht München mit Beschluss vom 6. November 2024 ab. Der Widerruf des Kleinen Waffenscheins sei voraussichtlich rechtmäßig, da sich der Antragsteller gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und b WaffG als unzuverlässig erwiesen habe. Auch dürfte sich das Waffenbesitzverbot von erlaubnisfreien und nicht erlaubnisfreien Waffen als rechtmäßig erweisen, die Ermessensausübung sei nicht zu beanstanden.
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Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Rechtsschutzziel weiter und beantragt,
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unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 19. April 2024 hinsichtlich der Nummern 2, 4, 5 und 7 wiederherzustellen und hinsichtlich der Nummern 3 und 6 anzuordnen.
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Zur Begründung bringt er vor, es seien beim ihm keine Merkmale eines unzuverlässigen Waffenbesitzers i.S.v. § 5 WaffG erfüllt. Die Widerrufsgründe seien konstruiert und zeichneten ein falsches Bild. Das Verwaltungsgericht habe den Behördenvortrag unreflektiert übernommen und übersehe insbesondere, dass er nicht durch den Strafbefehl, sondern durch einen Strafrichter aufgrund mündlicher Verhandlung verurteilt worden sei. Insbesondere seien der Tatvorwurf und das Strafmaß des Strafbefehls in Ansehung der Person des Antragstellers reduziert worden, da nach Auffassung des Strafrichters vorliegend kein politischer Hintergrund bei der Verwendung der Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gegeben gewesen sei. Die Verurteilung habe gravierend auf den Antragsteller eingewirkt, er werde sich von derartigen Veranstaltungen fernhalten. Das angeordnete Waffenbesitzverbot sei tatbestandsmäßig nicht begründbar, insbesondere fehle es an einer Gebotenheit der Anordnungen; zudem liege ein Ermessensfehlgebrauch vor.
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Der Antragsgegner beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen,
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und verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss.
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Wegen der weiteren Einzelheiten der Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und auf die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
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Die zulässige Beschwerde hat im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Die geltend gemachten Beschwerdegründe, auf die sich die Prüfung des Senats gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt, erfordern eine Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses.
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Hinsichtlich des Widerrufs des Kleinen Waffenscheins und den damit zusammenhängenden Folgeanordnungen rechtfertigen es die Beschwerdegründe nicht, die angefochtene Entscheidung abzuändern (I.). Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts spricht jedoch viel dafür, dass die Anfechtungsklage gegen Nummer 5 des Bescheids vom 19. April 2024 Erfolg haben wird, sodass die vorzunehmende Interessenabwägung insoweit zu einem Überwiegen des Suspensivinteresses des Antragstellers gegenüber dem Vollzugsinteresse führt und der Beschluss abzuändern ist (II.).
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Nach § 45 Abs. 2 des Waffengesetzes (WaffG) i.d.F. d. Bek. vom 11. Oktober 2002 (BGBl I S. 3970), vor Erlass des Bescheids zuletzt geändert durch Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl I S. 1328), ist eine Erlaubnis nach dem Waffengesetz – hier der erteilte Kleine Waffenschein – zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Dies ist nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 i.V.m. § 5 WaffG insbesondere der Fall, wenn sich der Antragsteller in diesem Zeitpunkt als unzuverlässig erweist. Die Zuverlässigkeitsprüfung ist grundsätzlich prospektiv ausgerichtet und verlangt die Vornahme einer Prognose (vgl. ausführlich BayVGH, B.v. 20.4.2023 – 24 CS 23.495 – Rn. 21 f.). Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage kommt es auf den Zeitpunkt des Bescheiderlasses an.
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Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG fehlt die Zuverlässigkeit stets, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass Personen Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden werden (vgl. Buchst. a) oder mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden (vgl. Buchst. b). Darüber hinaus besitzen nach § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG in der Regel diejenigen Personen nicht die erforderliche Zuverlässigkeit, die wiederholt oder gröblich gegen die Vorschriften des Waffengesetzes verstoßen haben. Über die waffenrechtliche Zuverlässigkeit ist in beiden Fällen auf Grund einer Prognose des künftigen Verhaltens zu entscheiden, welche jeweils an das Verhalten des Betroffenen in der Vergangenheit anknüpft. Während in § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG das zu prognostizierende künftige Verhalten genannt wird, nimmt der Gesetzgeber in § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG auf Basis des dort genannten Verhaltens eine „Regel-Prognose“ vor, die aber widerlegbar ist (vgl. Gade, Waffenrecht, 3. Aufl. 2022, WaffG § 5 Rn. 1).
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Vorbehaltlich einer weiteren Aufklärung im Hauptsacheverfahren ist derzeit nicht zu beanstanden, wenn das Verwaltungsgericht von der Unzuverlässigkeit des Antragstellers ausgeht. Aus Sicht des Senats spricht einiges dafür, dass sich der Antragsteller bereits deshalb als waffenrechtlich unzuverlässig erweist, weil er nach summarischer Prüfung den Tatbestand der Regelunzuverlässigkeit des § 5 Abs. 2 Nr. 5 Alt. 1 WaffG erfüllt haben dürfte. Nach Auswertung der vorgelegten Akten hat der Antragsteller wohl mehrfach gegen das Verbot des § 42a Abs. 1 WaffG verstoßen (1.). Dagegen bedürfte es gegebenenfalls einer weiteren Aufklärung im Hauptsacheverfahren, um abschließend beurteilen zu können, inwieweit die vom Verwaltungsgericht herangezogenen Tatbestände des § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a bzw. Buchst. b WaffG erfüllt sind (2.).
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1. Unter den Tatbestand des § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG fallen u.a. strafbare Verstöße gegen waffenrechtliche Vorschriften, die im Rahmen der Strafzumessung mit weniger als 60 Tagessätzen geahndet wurden und damit unterhalb der Schwelle des § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c WaffG liegen, aber auch solche Verstöße gegen das Waffengesetz und die anderen abschließend aufgezählten Gesetze, welche lediglich als Ordnungswidrigkeit oder aber gar nicht geahndet werden, weil von ihrer Verfolgung abgesehen oder das Verfahren eingestellt worden ist (vgl. BT-Drs. 14/8886, S. 110). Wiederholt sind Verstöße gegen das Waffengesetz i.S.v. § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG, wenn sie mindestens zweimal begangen wurden (vgl. Nr. 5.4. WaffVwV). Diese müssen weder in irgendeiner Art und Weise weiter qualifiziert sein, noch in einem engeren zeitlichen Zusammenhang stehen (BayVGH, B.v. 13.4.2021 – 24 B 20.2220 – juris Rn. 16).
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a) Wie bereits im angefochtenen Beschluss (vgl. BA Rn. 30) aufgeworfen, ergeben sich aus dem Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller („Stehordner …“; die nachfolgenden Paginierungsangaben beziehen sich auf die vierstellige Zahl im Kopfbereich der Original-Ermittlungsakte der „… … …“) mehrere – und damit wiederholte – Verstöße gegen § 42a Abs. 1 WaffG.
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Es ist verboten, Anscheinswaffen (§ 42a Abs. 1 Nr. 1 WaffG) oder Hieb- und Stoßwaffen (§ 42a Abs. 1 Nr. 2 WaffG) zu führen, soweit § 42a Abs. 2 und Abs. 3 WaffG nicht unter engen Voraussetzungen Ausnahmen zulassen.
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Eine Waffe wird geführt, wenn die tatsächliche Gewalt außerhalb der eigenen Wohnung, Geschäftsräume oder des eigenen befriedeten Besitztums oder einer Schießstätte über sie ausgeübt wird (Abschnitt 2 Nr. 4 der Anlage 1 zum WaffG). Unerheblich ist dabei, ob die geführte Waffe funktionstüchtig, zugriffsbereit oder schussbereit ist (Gade, Waffenrecht 3. Aufl. 2022, WaffG Anlage 1 zu § 1 Abs. 4, Begriffsbestimmungen Rn. 174).
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Der Ermittlungsakte lassen sich deutliche Hinweise auf mehrere Verstöße des Antragstellers gegen § 42a Abs. 1 Nr. 1 WaffG entnehmen. So hat der Antragsteller nicht nur am 22. August 2020 eine Langwaffe – mutmaßlich handelt es sich hierbei bei dem im Rahmen der Hausdurchsuchung aufgefundenen, unbrauchbar gemachten Karabiner – und damit eine Anscheinswaffe gemäß Nr. 1.6.3 Unterabschnitt 1 Abschnitt 1 der Anlage 1 zum WaffG außerhalb seines eigenen befriedeten Besitztums geführt (vgl. Bild 2 der Lichtbildmappe auf Bl. 0097 der Ermittlungsakte), sondern auch am 5. Oktober 2019 (vgl. Bild 6 und 7, Blatt 0098/S.2 und Bl. 0099 der Ermittlungsakte, ausweislich derer der Antragsteller eine Langwaffe hält). Zudem ist der Antragsteller mit mutmaßlich demselben Karabiner in einem angelegten Schützengraben möglicherweise an einem weiteren Tag, nämlich am 23. August 2020 (oberes Bild auf Bl. 0089 der Ermittlungsakte: „Stand: 23.08.2020“) abgebildet. Darüber hinaus liegt in dem Führen des Bajonetts am 20. September 2020 (vgl. Bild 10 und 11 der Lichtbildmappe auf Bl. 0100/S. 2 und Bl. 0101 der Ermittlungsakte) ein weiterer Verstoß gegen § 42a Abs. 1 Nr. 2 WaffG vor. Das Bajonett ist eine am Lauf von Schusswaffen zu befestigende Stichwaffe in Form eines langen Dorns oder einer Stahlklinge und unterfällt damit Nr. 1.1 des Unterabschnitt 2 Abschnitt 1 der Anlage 1 zum WaffG. Alle Bilder scheinen auf demselben Gelände in … … aufgenommen worden zu sein.
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b) Vorbehaltlich der Durchführung des Hauptsacheverfahrens und einer entsprechenden Äußerung des Antragstellers ist derzeit weder erkennbar noch drängt es sich auf, dass ein Ausnahmetatbestand des § 42a Abs. 2 Nr. 1WaffG vorgelegen hat. Dem Ermittlungsbericht zum Strafverfahren lässt sich jedenfalls entnehmen, dass die Person, die für Filmaufnahmen zum Veranstaltungsort gefahren sei, nur am 19. September 2020 anwesend gewesen sein dürfte (vgl. Bl. 0030 der Ermittlungsakte).
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Sollte im Rahmen des Hauptsacheverfahrens das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis kommen, dass dem Antragsteller mindestens zwei wiederholte Verstöße nach § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG anzulasten sind, wird zu prüfen sein, ob in der vor Erlass des Bescheids stattgefundenen Auflösung des Vereins ein Umstand liegt, der die im Gesetz angelegte Regelvermutung wiederlegen kann.
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2. Auch die vom Antragsteller sinngemäß erhobene Rüge, dass entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG nicht vorliegen, rechtfertigt gegenwärtig nicht die Änderung des Beschlusses.
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a) Missbräuchlich verwendet derjenige eine Waffe i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 1 WaffG, der von ihr zumindest bedingt vorsätzlich einen Gebrauch macht, der vom Recht nicht gedeckt ist und dabei andere gefährdet. Der Begriff „Verwenden“ ist waffenrechtlich nicht legaldefiniert. Der Begriff ist semantisch und in Abgrenzung zum Umgang i.S.v. § 1 Abs. 3 WaffG weit zu verstehen und beschreibt grundsätzlich jede Situation, in der ein Waffenbesitzer seine Waffe handhabt und diese in irgendeiner Art und Weise zum Einsatz bringt. Gleichzeitig ist erforderlich, dass dieses Verwenden kausal mit – von der Rechtsordnung insoweit nicht mehr hinzunehmenden – Gefahren verbunden ist. Denn ausweislich der Begründung zum Gesetz zur Neuregelung des Waffenrechts aus dem Jahr 2002 soll von der Norm spezifisch waffenrechtlich bedenkliches Verhalten erfasst werden, aus dem mit hoher Wahrscheinlichkeit der Eintritt von Schäden für hohe Rechtsgüter resultiert (vgl. BT-Drs. 14/7758, S. 54). Typischerweise ist das der Fall, wenn der Erlaubnisinhaber bzw. Waffenbesitzer sein (vermeintliches) Recht oder seine Interessen unter Einsatz der Waffe neben der Rechtsordnung durchsetzen will, insbesondere andere bedroht oder mit dieser einschüchtert (vgl. BayVGH, B.v. 14.11.2016 – 21 ZB 15.648 – juris Rn. 14; BayVGH, B.v. 8.1.2016 – 21 CS 15.2465 – juris Rn. 15 f,; BayVGH, U.v. 10.10.2013 – 21 B 12.964 – juris Rn. 20; Gade, Waffenrecht, 3. Aufl. 2022, WaffG § 5 Rn. 9). In Abgrenzung zur missbräuchlichen Verwendung ist eine solche leichtfertig (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 WaffG), wenn ein solches Verhalten fahrlässig erfolgt.
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Zu den Rechtsgütern in diesem Sinne gehören nicht nur Leib und Leben, die insbesondere bei der Verwendung von Schusswaffen regelmäßig gefährdet sein werden, sondern auch die Allgemeinheit in ihrem Interesse, von der einer Waffe naturgemäß innewohnenden Einschüchterungswirkung verschont zu bleiben. § 42a WaffG konstituiert ein insoweit waffenrechtlich relevantes Rechtsgut. Mit dem Verbotstatbestand reagiert der Gesetzgeber auf das von Anscheinswaffen ausgehende erhebliche Drohpotenzial, das zu kriminellen Zwecken oder zur Begehung groben Unfugs ausgenutzt werden kann. Hinzu kommt, dass die Polizei die täuschend echt wirkenden Nachbildungen im Einsatz mit echten Schusswaffen verwechseln und in der Annahme einer vermeintlichen Notwehr- oder Nothilfesituation mit schweren Folgen von der Dienstwaffe Gebrauch machen kann. Da diese Gefahr auch von Anscheinswaffen ausgehen kann, die in einem Holster nur leicht verdeckt getragen werden, wird sowohl das offene als auch das verdeckte Führen untersagt (BR-Drs. 838/07, S. 46 f.).
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b) Vor diesem Hintergrund spricht derzeit einiges dafür, dass sich im Ergebnis dem vorliegenden Aktenmaterial, welches die Behörde – anders als der Antragsteller rügt – umfassend heranziehen darf, auch wenn der Vorwurf des Verstoßes gegen das Uniformierungsverbot in der Öffentlichkeit im strafgerichtlichen Urteil nicht mehr berücksichtigt wurde, ausreichend Tatsachen entnehmen lassen, dass der Antragsteller künftig Waffen zumindest leichtfertig gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG verwenden wird.
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Für diese Prognose kommt es nicht darauf an, ob die Annahme des Gerichts, das vom Antragsteller in der Vergangenheit festgestellte Verhalten verwirkliche bereits eine missbräuchliche Verwendung, zutreffend ist oder ob möglicherweise Rechtsgüter der Allgemeinheit im jeweiligen Fall zumindest konkret durch den Antragsteller nicht in ausreichendem Maße gefährdet waren; insofern bedürfen sich etwaig stellende Fragen nach der Wirkung seines Verhaltens auf die Öffentlichkeit oder der Zurechnung des (öffentlichkeitswirksamen) Verhaltens anderer Teilnehmer keiner Beantwortung.
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Denn das vom Antragsteller an den Tag gelegte Verhalten lässt eine Leichtfertigkeit bei der Verwendung von (Anscheins-)Waffen auf einem der Öffentlichkeit grundsätzlich zugänglichen Gelände erkennen, welche jedenfalls die Annahme rechtfertigt, es werde zukünftig zu einem Verhalten im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG kommen. Wer wiederholt mit Anscheinswaffen und angezogener Wehrmachtsuniform auftritt sowie sich hierbei ablichten lässt (s.o. Rn. 24), bietet Grund zur Annahme, dass er mit hinreichender Wahrscheinlichkeit andere künftig zumindest leichtfertig einschüchtern wird.
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Auch wenn im Hauptsacheverfahren gegebenenfalls noch näher zu klären sein wird, ob die (wohl vorhandene) Beschilderung um das Grundstück herum, die auf angebliche Filmaufnahmen hingewiesen haben soll (vgl. „Lichtbildmappe Nr. 1“ vom 22.7.2020 der PP … * … …, dort S. 2, 5 und 6; Behördenakte pdf-Seite 219 ff.) oder wie sich der Umstand der zwischenzeitlichen Auflösung des Vereins auf das zu prognostizierende Verhalten des Antragstellers auswirkt, kommt es aufgrund der feststehenden Tatsachen unter Berücksichtigung der summarischen Prüfungstiefe nicht in Betracht, eine andere Prognose vorzunehmen als das Verwaltungsgericht.
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3. Obgleich dies nicht ausdrücklich gerügt wurde, jedoch das Verwaltungsgericht diesen Umstand im Rahmen einer Gesamtbewertung mit einbezogen hat, sieht sich der Senat zu folgenden Hinweisen veranlasst:
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Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts liegen keine Aufbewahrungsverstöße hinsichtlich des Dolches und der Softair-Waffen vor. Infolgedessen ist zumindest unklar, ob die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Prognose nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG noch zutreffend ist, da sie sich allein auf den zutreffend festgestellten Aufbewahrungsverstoß hinsichtlich des Luftgewehrs (Aufbewahrung unverschlossen im Schlafzimmerschrank) stützen könnte.
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a) Gemäß § 36 Abs. 1 WaffG hat jeder Waffenbesitzer die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um zu verhindern, dass diese Gegenstände abhanden kommen oder Dritte sie unbefugt an sich nehmen. Die hiernach allgemein geforderte sichere Aufbewahrung (s. Wortlaut § 36 Abs. 3 Satz 1 WaffG) wird durch § 13 der Allgemeinen Waffengesetz-Verordnung (AWaffV) i.d.F. d. Bek. vom 27. Oktober 2003 (BGBl I S.2123), zuletzt geändert durch Verordnung vom 1. September 2020 (BGBl I S. 1977), konkretisiert.
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b) Die Aufbewahrung der Softair-Waffen unter dem Bett ist zulässig.
38
Unter dem Begriff „Softair-Waffen“ werden meist aus Kunststoff gefertigte Schusswaffen mit geringer Energie verstanden, die für Spielzwecke entwickelt, gebaut und verwendet werden. Können mit einer Softair-Waffe nur Projektile verschossen werden, deren Bewegungsenergie nicht mehr als 0,5 Joule beträgt oder deren kinetische Energie pro Flächeneinheit unter 2500 Joule pro Quadratmeter liegt (vgl. Anlage 2 Abschnitt 3 Unterabschnitt 2 Nr. 1), so handelt es sich um eine Spielzeugwaffe mit der Folge, dass das Waffenrecht nicht einschlägig ist. Denn solche Waffen wurden zu Spielzwecken entwickelt und unterfallen – mit Ausnahme des § 42a WaffG – nicht dem Waffengesetz und damit auch nicht den dortigen Aufbewahrungsvorschriften (vgl. Heller/Soschinka/Rabe, Waffenrecht, 4. Aufl. 2020, Rn. 2660).
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Feststellungen hierzu, ob die vom Antragsteller unter dem Bett gelagerten Softair-Waffen die oben genannte Schwelle von 0,5 Joule überschreiten, lassen sich weder den Ermittlungsakten noch dem Bescheid des Landratsamts entnehmen.
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c) Der Dolch ist ebenfalls rechtmäßig aufbewahrt worden. Für ihn gilt allein die Vorgabe nach der Generalklausel des § 36 Abs. 1 WaffG, die gebietet, ihn „vor dem unbefugten Zugriff Dritter zu schützen“. Der Kläger war nicht verpflichtet, den Dolch nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 AWaffV in einem verschlossenen Behältnis aufzubewahren.
41
Der Dolch ist eine Stoßwaffe und damit ein tragbarer Gegenstand nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a WaffG (vgl. Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 2 Nr. 1.1; Abschnitt 2 zu Unterabschnitt 2 WaffVwV, dort Absatz 2). Zwar unterfällt er damit dem Anwendungsbereich des Waffengesetzes, allerdings ist er nicht nach Nr. 1.3 der Anlage 2 Abschnitt 1 WaffG verboten und unterliegt auch keiner Erlaubnispflicht. Eine Erlaubnispflicht besteht nach Unterabschnitt 1 Satz 1 Halbs. 1 des Abschnitt 2 der Anlage 2 zum WaffG nur für Waffen i.S.d. § 1 Abs. 2 Nr. 1 WaffG, nicht aber für Waffen bzw. tragbare Gegenstände nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 WaffG. Folglich ist der Dolch auch nicht im Sinne des Unterabschnitts 1 Satz 1 Halbs. 2 des Abschnitt 2 der Anlage 2 – i.V.m. deren Unterabschnitt 2 – von der Erlaubnispflicht freigestellt. Nur für solche von der Erlaubnispflicht freigestellten Waffen gilt § 13 Abs. 2 Nr. 1 AWaffV (vgl. Papsthart in Steindorf, Waffenrecht, 11. Aufl. 2022, § 13 AWaffV Rn. 2).
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Vor diesem Hintergrund ist die im Übrigen ungesicherte Aufbewahrung des Dolches in der (geschlossenen) Wohnung zulässig. Beim Antragsteller wohnen insbesondere keine Minderjährigen (vgl. § 2 Abs. 1 WaffG), so dass er innerhalb seiner Wohnung keine weiteren Vorkehrungen treffen musste, um sicherzustellen, dass etwaige Unberechtigte an den Dolch kommen könnten.
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4. Der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass im Hinblick auf die Heranziehung des Tatbestands des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c WaffG durch das Landratsamt erhebliche Bedenken bestehen.
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Nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c WaffG besitzt eine Person die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel nicht, wenn – erstens – Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in den letzten fünf Jahren eine Vereinigung unterstützt hat, die – zweitens – ihrerseits im Unterstützungszeitpunkt nachweislich eine der in § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG genannten Bestrebungen verfolgt hat. Das Verfolgen von verfassungsfeindlichen Bestrebungen durch eine unterstützte Vereinigung muss für die zuständige Behörde demnach feststehen; es genügt nicht, dass Tatsachen die Annahme der Verfolgung einer solchen Bestrebung nur rechtfertigen (vgl. BayVGH, B.v. 16.11.2023 – 24 CS 23.1709 – juris Leitsatz).
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Vor diesem Hintergrund kommt eine auf seine Mitgliedschaft bzw. Teilnahme an Veranstaltungen der Laienspiel- und Reenactmentgruppe gestützte Unzuverlässigkeit des Antragstellers nur in Betracht, wenn feststeht, dass diese Gruppierung einschlägige Bestrebungen nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a WaffG verfolgt bzw. verfolgt hat.
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Anhaltspunkte hierfür sind jedoch den vorgelegten Akten nicht zu entnehmen. Zwar spricht der Strafbefehl vom 17. März 2023 insoweit von einer Gruppe mit „größtenteils rechtsgerichteter politischer Einstellung“, jedoch ist dies nicht gleichzusetzen mit Bestrebungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung. Auch gibt es keine Hinweise, dass die Laienspielgruppe als solche nach außen eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber den elementaren Grundsätzen der Verfassung eingenommen hätte. Ausweislich des Strafurteils vom 2. Mai 2023 sollte die Veranstaltung im September 2020 zur Vorbereitung eines Auftritts der Gruppe in den Niederlanden anlässlich eines Jahrestags der Befreiung der Niederlande von Nazi-Deutschland dienen. Damit hat sich der Antragsgegner nicht auseinandergesetzt, genauso wenig wie mit der Feststellung in der Ermittlungsakte, dass nach Auswertung der Asservate keine entsprechenden Erkenntnisse zu einer etwaigen (rechts) extremistischen politischen Gesinnung des Antragstellers festgestellt worden seien (vgl. Bl. 0030 der Ermittlungsakte).
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5. Die Beschwerde hat im Übrigen ungeachtet der erhobenen Rügen des Antragstellers auch deshalb keinen Erfolg, weil bei der gebotenen Interessenabwägung die differenzierte gesetzgeberische Wertung des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 VwGO – hier in Verbindung mit § 45 Abs. 5 WaffG – einerseits und § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO andererseits zu berücksichtigen ist (vgl. BVerfG, B.v. 17.1.2017 – 2 BvR 2013/16 – Rn. 17).
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Aus diesem Grund überwiegt vorliegend das Vollzugsinteresse der Behörde das Suspensivinteresse des Antragstellers. Vom Antragsteller sind keine Gründe vorgetragen, die über die im Regelfall mit der Anordnung sofortiger Vollziehung verbundenen Umstände hinausreichen. Dieses öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug besteht auch – wie regelmäßig – für die bislang (vgl. aber nunmehr § 46 Abs. 6 WaffG) nicht vom gesetzlich angeordneten sofortigen Vollzug erfassten mit der Widerrufsentscheidung verbundenen Folgeanordnungen (vgl. § 46 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 WaffG) sowie Vollstreckungsmaßnahmen.
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Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung hat der Antragsteller mit seiner Rüge, die Behörde habe das Ermessen, das ihr § 41 WaffG eröffne, nicht rechtmäßig ausgeübt, Erfolg. Die Anordnung in Nummer 5 des Bescheids vom 19. April 2024, die einen Dauerverwaltungsakt darstellt, erweist sich im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats als voraussichtlich rechtswidrig. Da sich die zu treffende Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO hinsichtlich der vorzunehmenden Interessenabwägung am materiellen Recht zu orientieren hat, überwiegt das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung das öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung, sodass insoweit die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen ist.
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Maßgebliche Rechtsgrundlage für Nummer 5 des Bescheids ist § 41 des Waffengesetzes (WaffG) i.d.F. d. Bek. vom 11. Oktober 2002 (BGBl I S. 3970), im hier maßgeblichen Zeitpunkt der Senatsentscheidung zuletzt geändert durch Gesetz vom 25. Oktober 2024 (BGBl I Nr. 332). Es kann vorliegend offenbleiben, ob die jeweiligen tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anordnung eines Waffenverbots für erlaubnisfreie (§ 41 Abs. 1 WaffG) oder erlaubnispflichtige (§ 41 Abs. 2 WaffG) Waffen vorgelegen haben (vgl. hierzu grundlegend BayVGH, U.v. 6.12.2024 – 24 B 23.1800 – juris), da es jedenfalls an einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung für den Einzelfall für beide Anordnungen hinsichtlich ihrer jeweiligen Rechtsgrundlage fehlt.
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1. Ist die Behörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, so hat sie dieses gemäß Art. 40 BayVwVfG entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten, was das Gericht im Rahmen des § 114 Satz 1 VwGO zu überprüfen hat. Von entsprechenden Ermessenserwägungen kann die Waffenbehörde nicht absehen, nur weil mangels waffenrechtlicher Zuverlässigkeit oder Eignung die Voraussetzungen für einen Widerruf der Erlaubnis nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG vorliegen (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 6 C 36.15 – juris Rn. 20).
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Nachdem § 41 WaffG nach seiner amtlichen Überschrift Waffenverbote (nur) für den Einzelfall gestattet, entspricht seine pauschale Anwendung – etwa in allen Fällen der Entziehung bzw. des Widerrufs waffenrechtlicher Erlaubnisse – nicht dem Sinn der Vorschrift. Deshalb müssen der Begründung des Bescheids (vgl. Art. 39 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG) entsprechende Ausführungen zur Ausübung des Entschließungsermessens zu entnehmen sein. Die Behörde muss insbesondere zwischen den Waffenverboten nach § 41 Abs. 1 WaffG und nach § 41 Abs. 2 WaffG differenzieren. Denn § 41 Abs. 1 WaffG und § 41 Abs. 2 WaffG enthalten zwei voneinander unabhängige Tatbestände mit unterschiedlichem Erfassungskreis, sodass auch eine Ermessensprüfung gesondert für jedes dieser Waffenverbote zu erfolgen hat (vgl. BayVGH, U.v. 23.9.2024 – 24 B 23.2139 – juris Rn. 29 f.).
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Das ist vorliegend offenkundig nicht erfolgt.
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2. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts kann das Waffenbesitzverbot für (erwerbs-)erlaubnisfreie Waffen auch nicht auf § 41 Abs. 1 Nr. 2 WaffG gestützt werden, da die Behörde ausweislich der Bescheidsbegründung (vgl. Bescheid S. 9) das Waffenverbot diesbezüglich darauf gestützt hat, dass dies für die Verhütung von Gefahren für die Sicherheit oder zur Kontrolle des Umgangs mit diesen Gegenständen geboten sei, was dem Wortlaut des § 41 Abs. 1 Nr. 1 WaffG entspricht.
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Zwar gilt grundsätzlich auch bei Ermessensvorschriften, dass das Gericht im Hinblick auf die objektive Rechtswidrigkeitsanforderung des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verpflichtet ist, zu prüfen, ob der Bescheid mit Blick auf eine andere Rechtsgrundlage aufrechterhalten werden kann, sofern er dadurch nicht in seinem Wesen verändert wird (BVerwG, B.v. 29.7.2019 – 2 B 19.18 – juris Rn. 24). Doch das setzt voraus, dass auch das durch die – aus Sicht des Verwaltungsgerichts – zutreffende Rechtsnorm eröffnete Ermessen fehlerfrei ausgeübt wurde (vgl. BayVGH, U.v. 23.7.2020 – 14 B 18.1472 – juris Rn. 32). Entsprechende, d.h. der auszutauschenden Rechtsgrundlage genügende Ermessenserwägungen fehlen vorliegend jedoch.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Nrn. 1.5, 50.1 und 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. vom 18. Juli 2013. Das Interesse des Antragstellers umfasst einerseits der Widerruf der Erteilung des Kleinen Waffenscheins, welcher gemäß dem Streitwertkatalog mit 7.500,00 EUR beziffert ist, andererseits die Beseitigung der beiden Waffenbesitzverbote, denen jeweils eine eigene Belastungswirkung zukommt und die jeweils mit dem Auffangstreitwert zu bemessen sind (vgl. BayVGH, U.v. 16.12.2024 – 24 B 23.1800 – juris Rn. 39). Die sich so ergebende Summe von 17.500,00 EUR war im Eilrechtsschutz zu halbieren. Die Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts war daher gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG abzuändern.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).