Titel:
Abgabenrechtlicher Haftungsbescheid mit Zahlungsaufforderung
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Abs. 5 S. 1
AO § 34, § 69 S. 1, § 71, § 191, § 219, § 235, § 240
BayKAG Art. 8 Abs. 1, Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 lit. c, Abs. 1 Nr. 4 lit. b lit. ee
Leitsätze:
1. Säumniszuschläge und Hinterziehungszinsen sind keine öffentlichen Abgaben im Sinne des § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO, die aufschiebende Wirkung eines förmlichen Rechtsbehelfs ist insoweit nicht kraft Gesetzes ausgeschlossen. (Rn. 43 – 44) (redaktioneller Leitsatz)
2. Kann weder der Zeitraum der Abgabenhinterziehung noch der Zeitpunkt der Kenntnis des Schuldners von der Abgabenhinterziehung festgestellt werden, fehlt es an den tatsächlichen Feststellungen zum Vorsatz des Betroffenen zur Begehung einer Abgabenhinterziehung. (Rn. 52 – 54) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das Vorliegen einer den Haftungstatbestand des § 71 AO begründenden vorsätzlichen Abgabenhinterziehung iSd Art. 14 BayKAG kann im Wesentlichen durch Verweis auf die tatsächlichen Feststellungen in einem strafrichterlichen Urteil begründet werden, sofern und soweit der Betroffene gegen die strafgerichtlichen Feststellungen keine substantiierten Einwendungen vorträgt. (Rn. 61) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Abwassergebühren, Haftungsbescheid für Kommunalabgaben, Säumniszuschläge und Hinterziehungszinsen als „öffentliche Abgaben“ (verneint), Abgabenhinterziehung, Bindungswirkung eines rechtskräftigen Strafurteils, Akzessorietät der Haftungsschuld, Gebot der Normenklarheit, Bekanntmachungsfehler, Subsidiarität der Inanspruchnahme des Haftungsschuldners, Auswahlermessen, Haftungsbescheid, Säumniszuschlag, Abgabenschuldner, Vorsatz, Abwassergebührenbescheid, Unwirksamkeit, Subsidiarität
Vorinstanz:
VG Würzburg, Beschluss vom 18.11.2024 – W 2 S 24.1777
Fundstelle:
BeckRS 2025, 4299
Tenor
I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 18. November 2024 (W 2 S 24.1777) wird in den Ziff. I. und II. geändert.
II. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 9. Februar 2024 wird angeordnet, soweit eine Haftungssumme von mehr als 40.239,97 EUR festgesetzt wird. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge tragen der Antragsteller zu 47% (47/100) und die Antragsgegnerin zu 53% (53/100).
IV. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 21.397,53 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller seinen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gegen einen Haftungsbescheid für Entwässerungsgebühren weiter.
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1. Auf der Grundlage eines Public-Private-Partnership-Vertrags (PPP-Vertrag) vom 23. August 2010 räumte die Antragsgegnerin als Grundstückseigentümerin der … … * … … gegen einen jährlichen Zins von 1,00 EUR (zzgl. USt.) ein Erbbaurecht am Betriebsgrundstück eines öffentlichen Hallen- und Freibades im Stadtgebiet der Antragsgegnerin ein. Der Antragsteller ist sowohl Geschäftsführer der … … … – der Komplementärin der … … * … … – als auch Geschäftsführer der … … … … … … …, die den Hallen- und Freibadkomplex als Pächterin betreibt.
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Nach § 2.1 des PPP-Vertrags hat die Erbbauberechtigte alle mit dem Erbbaurecht verbundenen einmaligen und wiederkehrenden öffentlichen Lasten, Steuern, Beiträge, Gebühren und Abgaben zu tragen. Für die Frischwasserversorgung des Bades ergibt sich aus § 42.2 des PPP-Vertrags i.V.m. einer wasserrechtlichen Erlaubnis des Landratsamts Main-Spessart vom 16. März 2012 die Möglichkeit der kostenfreien Entnahme von Quellwasser zur Füllung der Schwimmbadbecken. Eine gesonderte Regelung betreffend die Abwassergebühren enthält der PPP-Vertrag nicht.
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2. Die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung der Antragsgegnerin vom 11. Oktober 2013 (BGS-EWS 2013) lautet auszugsweise:
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Die Stadt Marktheidenfeld erhebt für die Benutzung der Entwässerungseinrichtung Schmutzwassergebühren und Niederschlagswassergebühren.
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§ 10 Schmutzwassergebühr
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(1) Die Schmutzwassergebühr wird nach Maßgabe der nachfolgenden Absätze nach der Menge der Abwässer berechnet, die der Entwässerungseinrichtung von den angeschlossenen Grundstücken zugeführt werden. Die Gebühr beträgt 2,22 € pro Kubikmeter Schmutzwasser.
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(2) Als Abwassermenge gelten die dem Grundstück aus der Wasserversorgungseinrichtung und aus der Eigengewinnungsanlage zugeführten Wassermengen abzüglich der nachweislich auf dem Grundstück verbrauchten oder zurückgehaltenen Wassermengen, soweit der Abzug nicht nach Abs. 4 ausgeschlossen ist. Die Wassermengen werden durch geeichten Wasserzähler ermittelt. Sie sind von der Gemeinde zu schätzen, wenn
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1. ein Wasserzähler nicht vorhanden ist, oder
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2. der Zutritt zum Wasserzähler oder dessen Ablesung nicht ermöglicht wird, oder
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3. sich konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass ein Wasserzähler den wirklichen Wasserverbrauch nicht angibt. Werden die Wassermengen nicht vollständig über Wasserzähler erfasst, werden als dem Grundstück aus der Eigengewinnungsanlage zugeführte Wassermenge pauschal 15 m³ /Jahr und Einwohner neben der tatsächlich aus der öffentlichen Wasserversorgung abgenommenen angesetzt, insgesamt aber nicht weniger als 35 m³/Jahr und Einwohner. In begründeten Einzelfällen sind ergänzende höhere Schätzungen möglich. Es steht dem Gebührenpflichtigen frei, den Nachweis eines niedrigeren Wasserverbrauchs zu führen; Abs. 3 Satz 2 gilt entsprechend.
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(3) Der Nachweis der verbrauchten und der zurückgehaltenen Wassermengen obliegt dem Gebührenpflichtigen. Er ist grundsätzlich durch geeichte Wasserzähler zu führen, die der Gebührenpflichtige auf eigene Kosten zu installieren hat (…).
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§ 10a Niederschlagswassergebühr
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(1) Maßgeblich für den Anteil des jeweiligen Grundstücks an der Niederschlagswasserableitung in die Entwässerungseinrichtung ist die reduzierte Grundstücksfläche. Diese ergibt sich, wenn die Grundstücksfläche mit dem für das Grundstück geltenden Gebietsabflussbeiwert multipliziert wird. Der Gebietsabflussbeiwert stellt den im entsprechenden Gebiet durchschnittlich vorhandenen Anteil der bebauten und befestigten Flächen an der Gesamtgrundstücksfläche dar. Aufgrund dieser Satzung wird vermutet, dass die so ermittelte Fläche der tatsächlich bebauten und befestigten Fläche entspricht, von der aus Niederschlagswasser (direkt oder indirekt) in die Entwässerungseinrichtung eingeleitet wird oder abfließt.
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(2) Der Gebietsabflussbeiwert beträgt (…). Der für das jeweilige Grundstück maßgebliche Gebietsabflussbeiwert ergibt sich aus den Eintragungen in die jeweilige Gebietsabflussbeiwertkarte (Pläne 1 bis 7), die Bestandteil dieser Satzung sind (…).
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§ 13 Gebührenschuldner
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(1) Gebührenschuldner der Schmutzwassergebühr ist, wer im Zeitpunkt des Entstehens der Gebührenschuld Eigentümer des Grundstückes oder ähnlich zur Nutzung des Grundstückes dinglich berechtigt ist (z.B. Erbbauberechtigte, Nießbraucher). Gebührenschuldner ist auch der Inhaber eines auf dem Grundstück befindlichen Betriebs.
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(2) Gebührenschuldner der Niederschlagswassergebühr ist, wer zum Zeitpunkt des Entstehens der Gebührenschuld Eigentümer des Grundstückes oder ähnlich zur Nutzung des Grundstückes dinglich berechtigt ist (z.B. Erbbauberechtigte, Nießbraucher).
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(3) Mehrere Gebührenschuldner sind Gesamtschuldner (…).
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(1) Diese Satzung tritt am 01.01.2013 in Kraft.
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(2) Gleichzeitig tritt die Satzung vom 31.10.2008 in der Fassung der letzten Änderungssatzung vom 18.10.2012 außer Kraft. (…)“
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Der Textteil der Satzung wurde im Amts- und Mitteilungsblatt der Antragsgegnerin vom 20. November 2013 (dort S. 8 bis 10) bekannt gemacht. Die in § 10a Abs. 2 BGS-EWS genannten Gebietsabflussbeiwertkarten finden sich dagegen auf den Seiten 16 ff. des Amtsblatts vom 20. November 2013 unter der Überschrift: „Änderung der BeitragsGebührensatzung zur Entwässerungssatzung (BGS/EWS) der Stadt Marktheidenfeld: Satzungsänderung rückwirkend vom 1.1.2013 – Informationen“.
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3. Zu jeweils nicht näher bestimmbaren Zeitpunkten wurde an der Förderleitung für das Wasser aus der für den Bäderbetrieb genutzten Quelle ein Verbrauchszähler und – vor diesem Zähler – ein Bajonettverschluss angebracht, durch den Wasser mittels eines C-Schlauches abgeleitet werden kann. Das so abgenommene Quellwasser wird von dem dahinterliegenden Zähler nicht erfasst. Nach Aktenlage handelte es sich zunächst um einen privat eingebauten Zähler, der 2017 durch einen Zähler der Antragsgegnerin ersetzt wurde.
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4. Nachdem das Bad im Zuge der Corona-Pandemie seit 2020 zeitweise geschlossen werden musste, entstand zwischen der Antragsgegnerin und der … … * … … Streit über die weitere Fortführung des Badebetriebs und dessen Finanzierung. 2021 erklärte die Antragsgegnerin schließlich den Heimfall des Erbbaurechts.
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Nach Darstellung der Antragsgegnerin hat diese Anfang des Jahres 2021 erfahren, dass das für die Befüllung des Freibads benötigte Quellwasser wiederholt mit einem Feuerwehrschlauch über den vor dem Zähler angebrachten Bajonettverschluss entnommen wurde. Mit Bescheid vom 27. April 2021 setzte die Antragsgegnerin daraufhin gegenüber der … … * … … Schmutzwassergebühren und Hinterziehungszinsen für die Jahre 2014 bis 2020 fest. Dieser Bescheid wurde durch Teil-Abhilfebescheid vom 23. Juni 2021 zunächst in nicht bezeichnetem Umfang „teilweise aufgehoben“. Schließlich erging ein „Änderungsbescheid für Abwasser 2014-2020“, in dem Abwassergebühren, Säumniszuschläge und Hinterziehungszinsen für die Jahre 2014 bis 2020 in Höhe von insgesamt 85.590,13 EUR – auf der Grundlage einer geschätzten Wassermehrabnahme im Umfang von 5.107 m³ pro Jahr – festgesetzt wurden. Gegen diesen Bescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheids des Landratsamtes Main-Spessart vom 23. Mai 2022 sind nach Aktenlage noch Klageverfahren beim Verwaltungsgericht Würzburg anhängig (W 2 K 22.1056 bis 1062).
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5. Zudem stellte die Antragsgegnerin Strafanzeige gegen den Antragsteller, der durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Gemünden a. Main vom 25. Oktober 2022 (5 Ds 841 Js 9847/21) der Abgabenhinterziehung in drei tatmehrheitlichen Fällen schuldig gesprochen und zu einer Gesamtgeldstrafe verurteilt wurde. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts hatte der Antragsteller „zu einem nicht mehr genauer bestimmbaren Zeitpunkt zwischen den Jahren 2013 und 2020“ durch die Mitarbeiter des Badebetriebs Kenntnis davon erhalten, dass das Wasser für die jährliche Erstbefüllung und Reinigung des Freibades, des Schwallwasserbehälters und die täglichen Nachfüllungen des Freibades über den Bajonettverschluss vor der Wasseruhr entnommen worden sei. Die Fortsetzung dieser Praxis habe er in den Jahren 2018 bis 2020 nicht unterbunden, obwohl er gewusst habe, dass hierdurch der Antragsgegnerin der Nachweis zur Abrechnung der Abwassergebühr entzogen werde. Dem Urteil liegt ein Geständnis des Antragstellers und eine Verständigung nach § 257c StPO zugrunde. Im Übrigen – bezogen auf die in den Jahren 2014 bis 2017 angefallenen Abwassergebühren – wurde das Strafverfahren wegen jedenfalls eingetretener Verfolgungsverjährung eingestellt.
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6. Nach Aktenlage stellten die … … * … … sowie die … … … im August 2022 einen Antrag auf Insolvenzeröffnung über das eigene Vermögen; durch Beschlüsse des Amtsgerichts Stuttgart vom 22. August 2022 (5 IN 964/22 und 5 IN 965/22) wurde jeweils das vorläufige Insolvenzverfahren angeordnet und ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt.
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7. Mit dem streitgegenständlichen Haftungsbescheid vom 9. Februar 2024 – dem Antragsteller zugestellt am 12. Februar 2024 – setzte die Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller einen Gesamthaftungsbetrag für rückständige Abwassergebühren nebst steuerlichen Nebenleistungen (Säumniszuschläge und Hinterziehungszinsen) der … … * … … i.H.v. insgesamt 85.590,13 EUR fest. Dabei wurde auf den Änderungsbescheid gegenüber der … … * … … vom 27. September 2021 verwiesen und zugleich eine Zahlungsaufforderung nach § 219 AO bis zum 12. März 2024 erlassen. In der Bescheidbegründung wird auf die Haftungstatbestände nach § 71 AO und nach § 69 AO verwiesen. Die Antragsgegnerin mache sich insoweit die Feststellungen des Strafurteils des Amtsgerichts Gemünden a. Main zu eigen. Der Antragsteller habe die Abgabenhinterziehung in den Jahren 2018 bis 2020 selbst eingeräumt; die Verfolgungsverjährung hinsichtlich der Abgabenhinterziehung in den Jahren 2014 bis 2017 sei für das vorliegende Verfahren unbeachtlich. Hinsichtlich der Haftung nach § 69 AO wird ausgeführt, der Antragsteller habe aufgrund der vorsätzlichen Abgabenhinterziehung zugleich die ihm auferlegten Pflichten als Geschäftsführer der Komplementärin der … … * … … vorsätzlich verletzt.
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Gegen den Haftungsbescheid legte der Antragsteller mit Schriftsatz vom 11. März 2024 Widerspruch ein, über den noch nicht entschieden wurde. Die Antragsgegnerin hat nach Aktenlage mit Bescheid vom 16. Oktober 2024 eine Pfändungs- und Überweisungsverfügung gegen den Antragsteller erlassen.
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Mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2024 beantragte der Antragsteller einstweiligen Rechtsschutz gegen den Haftungsbescheid vom 9. Februar 2024 und rügte insbesondere das Fehlen einer ausreichenden Rechtsgrundlage des Bescheids, einen Verstoß gegen das Subsidiaritätsprinzip, das Fehlen der Voraussetzungen der §§ 69 und 71 AO und einen Ermessensausfall im Rahmen des Auswahlermessens.
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8. Mit Beschluss vom 18. November 2024, dem Antragsteller zugestellt am gleichen Tag, hat das Verwaltungsgericht den Antrag abgelehnt. Soweit der Antragsteller als Haftungsschuldner für Säumniszuschläge in Anspruch genommen werde, sei der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO bereits unzulässig, da der Widerspruch insoweit aufschiebende Wirkung entfalte. Im Übrigen sei der Antrag unbegründet. Bei summarischer Prüfung bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids vom 9. Februar 2024. Insbesondere lägen die Voraussetzungen einer Haftung nach § 71 AO vor. Die Antragsgegnerin habe im angegriffenen Haftungsbescheid eigenständig geprüft und dargelegt, dass der Antragsteller in den Jahren 2014 bis einschließlich 2020 eine Abgabenhinterziehung nach Art. 14 KAG in sieben Fällen begangen habe. Dabei habe sich die Antragsgegnerin hinsichtlich der Tatbegehung in den Jahren 2018 bis 2020 auf das dem Urteil des Amtsgerichts Gemünden a. Main zugrunde liegende Geständnis des Antragstellers bezogen. Hinsichtlich der Jahre 2014 bis 2017 habe sich die Antragsgegnerin darauf gestützt, dass die Aussagen der vor dem Amtsgericht vernommenen Zeugen die Abgabenhinterziehung auch in diesem nicht abgeurteilten Zeitraum belegten. Danach sei dem Antragsteller schon seit 2013 bekannt gewesen, dass Frischwasser an der Wasseruhr vorbei aus der Quelle entnommen worden sei. Dass die Abgabenhinterziehung in den Jahren 2014 bis einschließlich 2017 strafrechtlich nicht abgeurteilt worden sei, liege lediglich am Eintritt der strafrechtlichen Verfolgungsverjährung, die für das vorliegende Haftungsverfahren aber unbeachtlich sei. Weiter habe der Antragsteller auch nach § 69 AO als handelndes Organ der … … * … … und Geschäftsführer der Komplementärin herangezogen werden können, da er vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig die Pflicht zur ordnungsgemäßen Erfassung der richtigen Abwassermengen nicht eingehalten habe. Der Grundsatz der Akzessorietät sei gewahrt, da die Abgabenschuld, für die der Antragsteller in Haftung genommen werde, nach summarischer Prüfung tatsächlich bestehe. Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Änderungsbescheids der Antragsgegnerin gegenüber der … … * … … vom 27. September 2021 beständen nicht. Insbesondere sei die … … * … … als Erbbauberechtigte Schuldnerin der Abwassergebühren, und die zugrunde gelegte Abwassermenge sei anhand nachvollziehbarer Kriterien zulässigerweise geschätzt worden, da konkrete Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass der Wasserzähler nicht den wirklichen Wasserverbrauch angebe. Schließlich liege weder ein Verstoß gegen den Grundsatz der Subsidiarität nach § 219 AO noch ein Fehler bei der Ausübung des in § 191 AO vorgesehenen Ermessens vor. Anhaltspunkte für die Annahme einer unbilligen Härte i.S.d. § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO seien nicht erkennbar.
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9. Mit seiner am 3. Dezember 2024 eingelegten und am 17. Dezember 2024 begründeten Beschwerde rügt der Antragsteller die offensichtliche Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung und verfolgt seinen erstinstanzlichen Antrag weiter. Zunächst habe das Verwaltungsgericht fehlerhaft angenommen, dass der Grundsatz der Akzessorietät gewahrt sei. Die dem Haftungsbescheid zu Grunde liegende Abgabenschuld bestehe schon wegen der Ungültigkeit der Rechtsgrundlage nicht: Die BGS-EWS 2013 verstoße gegen das Gebot der Normenklarheit, denn nach § 16 Abs. 2 BGS-EWS 2013 trete mit Inkrafttreten dieser Satzung „die Satzung vom 31.10.2008“ außer Kraft. Eine solche Satzung existiere jedoch nicht, sondern nur die BGS-EWS 2008 vom 1. November 2008. Damit sei unklar, welche Satzung nun gelte. Zudem leide die BGS EWS 2013 an einem Bekanntmachungsfehler, weil die durch § 10a Abs. 2 zum Satzungsbestandteil erklärten Planzeichnungen nicht im Amtsblatt der Antragsgegnerin abgedruckt worden seien. Darüber hinaus lägen aber auch die Haftungsvoraussetzungen nach § 71 AO nicht vor. Das Verwaltungsgericht habe das Vorliegen einer strafbaren Abgabenhinterziehung nach Art. 14 KAG fehlerhaft bejaht. Die Antragsgegnerin habe das Vorliegen einer strafbaren Abgabenhinterziehung gerade nicht eigenständig geprüft und festgestellt. Hinsichtlich der Jahre 2018 bis 2020 stütze sich die Würdigung nur darauf, dass der Antragsteller die Tatbegehung für diesen Zeitraum vor dem Amtsgericht eingeräumt habe. Hinsichtlich des Zeitraums 2014 bis 2017 fehle es dagegen an einer eigenständigen Prüfung und hinreichenden Anhaltspunkten für den Vorsatz des Antragstellers.
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Weiter rügt der Antragsteller einen Verstoß gegen den Grundsatz der Subsidiarität nach § 219 AO. Die Antragsgegnerin habe versäumt, die nach § 219 AO erforderliche Ermessensentscheidung über die sofortige Inanspruchnahme des Antragstellers im Wegen des Haftungsbescheids zu treffen.
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Schließlich habe die Antragsgegnerin ihr Auswahlermessen nicht ausgeübt und übersehen, dass auch die Komplementär-GmbH potentiell nach § 69 AO für die Gebührenschuld hafte. Auch die Antragsgegnerin selbst sei als Eigentümerin des Anwesens nach der maßgeblichen BGS-EWS – deren Wirksamkeit unterstellt – selbst Gebührenschuldnerin der Abwassergebühren. Mit dieser Frage der Hafter- und Störermehrheit habe sich die Antragsgegnerin in ihrem Haftungsbescheid nicht auseinandergesetzt.
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10. Die Antragsgegnerin tritt der Beschwerde entgegen. Im Hinblick auf den gerügten Verstoß gegen den Akzessorietätsgrundsatz trägt sie vor, die hier maßgebliche BGS-EWS 2013 sei gültig; insbesondere liege kein Verstoß gegen das Gebot der Normenklarheit vor. Der Antragsteller verwechsele das Datum des Erlasses der Satzung vom 31. Oktober 2008 mit dem Datum ihres Inkrafttretens. Auch eine fehlerhafte Bekanntmachung der BGS-EWS 2013 dränge sich jedenfalls nicht auf, zumal der Antragsteller diesen Gesichtspunkt vor dem Verwaltungsgericht noch nicht gerügt habe.
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Hinsichtlich der Voraussetzungen der Haftungstatbestände nach § 69 und § 71 AO trägt die Antragsgegnerin vor, sie habe wegen der Gebührenhinterziehung selbst Strafanzeige gestellt. Nach dem von ihr festgestellten Sachverhalt habe der Antragsteller erkannt und zumindest billigend in Kauf genommen, dass das vor dem Wasserzähler entnommene Wasser bei der Berechnung der Abwassergebühren nicht habe berücksichtigt werden können. Der erforderliche Vorsatz des Antragstellers ergebe sich schon daraus, dass er von der Wasserentnahme vor der installierten Wasseruhr gewusst habe und ihm bekannt gewesen sei, dass für entnommenes Wasser Abwassergebühren anfallen.
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Weiter trägt die Antragsgegnerin vor, dass der Grundsatz der Subsidiarität im Fall einer Inanspruchnahme über § 69 und § 71 AO nicht gelte. Nach § 219 Satz 2 AO gebe es kein schützenswertes Interesse für denjenigen, der als Abgabenhinterzieher oder als Vertreter, der vorsätzlich oder grob fahrlässig gegen die steuerlichen Pflichten des Vertretenen verstoßen habe, in Anspruch genommen werde. Zwar stehe der Antragsgegnerin ein Ermessen zu, ob sie vorrangig im Wege des Haftungsbescheids vorgehe. Dieses Ermessen habe sie aber offensichtlich ausgeübt, indem sie den Antragsteller in Anspruch genommen habe. Ein Ermessensfehler sei schon deshalb nicht ersichtlich, weil gerade die Nichtinanspruchnahme eines Abgabenhinterziehers einen Ermessensfehler darstelle.
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Auch das Auswahlermessen sei ordnungsgemäß ausgeübt worden. Die Vertreterhaftung nach §§ 69, 34 AO beziehe sich nur auf die zur Erfüllung der steuerlichen Pflichten berufenen natürlichen Personen, soweit diese ihre Pflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hätten. Eine Komplementär GmbH könne steuerliche Pflichten als juristische Person hingegen von vornherein nicht verletzen. Insofern liege kein Ermessensfehler vor. Auch eine Haftung der Antragsgegnerin selbst komme nicht in Betracht. Die Antragsgegnerin sei im maßgeblichen Zeitraum nicht die Betreiberin des Hallen- und Freibadkomplexes gewesen. Nach § 13 BGS-EWS 2013 sei Gebührenschuldner entweder der Eigentümer „oder“ der Erbbauberechtigte. Wäre eine gesamtschuldnerische Haftung gewollt gewesen, hätte der Satzungsgeber das Wort „und“ zwischen Eigentümer und Erbbauberechtigten verwendet.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
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Die fristgerecht eingelegte und begründete (§ 147 Abs. 1 Satz 1, § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat teilweise Erfolg. Soweit der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Haftungsbescheid der Antragsgegnerin vom 9. Februar 2024 nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht unzulässig ist (dazu nachfolgend 1.), ist er im Hinblick auf eine Haftungssumme von mehr als 40.239,97 EUR begründet (dazu 2.).
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1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist – wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat – unzulässig, soweit sich der streitgegenständliche Haftungsbescheid auf festgesetzte Säumniszuschläge (Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b Doppelbuchst. dd KAG i.V.m. § 240 AO) in Höhe von 3.291,96 EUR bezieht. Auch wenn der Antragsteller hiergegen mit seiner Beschwerde nichts vorgebracht hat, sind die Sachentscheidungsvoraussetzungen – ohne Beschränkung auf die dargelegten Beschwerdegründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) – im Rahmen des Beschwerdeverfahrens umfassend zu prüfen (vgl. nur Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 146 Rn. 27). Der Senat teilt jedoch die – soweit erkennbar – schon bislang vom Verwaltungsgerichtshof vertretene Ansicht, dass Säumniszuschläge keine „öffentlichen Abgaben“ i.S.d. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO darstellen, die aufschiebende Wirkung eines förmlichen Rechtsbehelfs insoweit also nicht kraft Gesetzes ausgeschlossen ist (vgl. BayVGH, B.v. 21.12.1998 – 4 ZS 98.2811 – juris Rn. 9 f.; B.v. 25.11.1998 – 4 ZS 98.2660 – juris; B.v. 2.4.1985 – 23 CS 85 A.361 – NVwZ 1987, 63). Dafür spricht insbesondere, dass Säumniszuschläge entgegen dem herkömmlichen Begriffsverständnis „öffentlicher Abgaben“ gerade nicht der Deckung des Finanzbedarfs von Trägern öffentlicher Verwaltung dienen (BVerwG, U.v. 17.12.1992 – 4 C 30.90 – NVwZ 1993, 1112), sondern in erster Linie ein Druckmittel zur rechtzeitigen Zahlung fälliger Abgaben darstellen (stRspr, vgl. nur BFH, U.v. 17.9.2019 – VIII R 31/18 – juris Rn. 22 m.w.N.; Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Stand 1/2025, § 240 AO Rn. 11; Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand 1/2025, § 240 AO Rn. 1). Insofern kommt für Säumniszuschläge eine erweiternde Anwendung der Ausnahmebestimmung des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO nicht in Frage (so auch VGH BW, B.v. 28.9.2022 – 9 S. 1394 – juris Rn. 29 m.w.N.; Schoch in Schoch/Schneider, VerwaltungsR, Stand August 2024, § 80 VwGO Rn. 137b; Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 30; W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 29. Aufl. 2023, § 80 Rn. 63; a.A. etwa OVG NW, B.v. 18.9.2020 – 14 B 985/20 – juris Rn. 12). Im Umfang der vom streitgegenständlichen Haftungsbescheid erfassten Säumniszuschläge hindert also bereits der eingelegte Widerspruch vom 11. März 2024 die Vollziehbarkeit des Bescheids; insoweit ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO daher nicht statthaft.
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Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO aber auch insoweit nicht statthaft und damit unzulässig, als sich der Haftungsbescheid vom 9. Februar 2024 auf die festgesetzten Hinterziehungszinsen (Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b Doppelbuchst. aa KAG i.V.m. § 235 AO) in Höhe von insgesamt 2.935,39 EUR bezieht. Der gesetzliche Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO erstreckt sich nach Auffassung des Senats nicht auf Hinterziehungszinsen i.S.d. § 235 AO. Auch wenn es sich bei Hinterziehungszinsen um eine zur jeweils hinterzogenen Abgabe akzessorische Nebenleistung handelt, dient ihre Festsetzung nicht (zumindest) hauptsächlich der Finanzierung hoheitlicher Aufgabenerfüllung. Der ausnahmsweise Ausschluss der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels gegen die Anforderung von „öffentlichen Abgaben“ nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO wird im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG dadurch legitimiert, dass Hoheitsträger zur Sicherstellung einer geordneten Haushaltsführung und damit auch zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben auf einen laufenden Zufluss fest eingeplanter Einnahmen angewiesen sind (vgl. nur Schoch in Schoch/Schneider, VerwaltungsR, Stand August 2024, § 80 VwGO Rn. 132; Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 26). Um solche im Voraus einkalkulierten Einnahmen zur Finanzierung der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben handelt es sich bei Hinterziehungszinsen i.S.d. § 235 AO jedoch gerade nicht. Vielmehr dient die Festsetzung von Hinterziehungszinsen allein dazu, die aus einer Steuer- oder Abgabenhinterziehung erwachsenen Zinsvorteile des jeweiligen Nutznießers in typisiertem Umfang abzuschöpfen, um die Gleichmäßigkeit der Steuer- und Abgabenlast zu gewährleisten (vgl. BFH, U.v. 28.8.2019 – II R 7/17 – juris Rn. 30 m.w.N.; Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Stand 1/2025, § 235 AO Rn. 7 f.; Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand 1/2025, § 235 AO Rn. 1; Werth in Klein, AO, 18. Aufl. 2024, § 235 Rn. 1). Demnach bezweckt diese Vorteilsabschöpfung weder primär die laufende Einnahmebeschaffung des Abgabengläubigers noch wäre sie ex ante überhaupt kalkulierbar; eine Anwendung des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO erscheint insofern nicht angezeigt (so – bezogen auf Nachzahlungszinsen – auch Schoch in Schoch/Schneider, VerwaltungsR, Stand August 2024, § 80 VwGO Rn. 138 a.E.; W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 29. Aufl. 2023, § 80 Rn. 63).
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Im Übrigen ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Haftungsbescheid vom 9. Februar 2024 zulässig. Insbesondere ist er – soweit sich der Haftungsbescheid auf Abwassergebühren bezieht – nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 1 VwGO statthaft. Bei dem Erlass eines abgabenrechtlichen Haftungsbescheids mit Zahlungsaufforderung nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. ee KAG i.V.m. § 191 AO handelt es sich um eine Anforderung von öffentlichen Abgaben i.S.d. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO (vgl. BayVGH, B.v. 6.6.2007 – 4 CS 07.929 – juris Rn. 13; ThürOVG, B.v. 29.8.2018 – 4 EO 379/18 – juris Rn. 30; Schoch in Schoch/Schneider, VerwaltungsR, Stand August 2024, § 80 VwGO Rn. 145a; Funke-Kaiser in Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 8. Auf. 2021, § 80 Rn. 34).
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2. In der Sache ist der Antrag nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
47
a) Im Verfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag die allgemein oder im Einzelfall ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage anordnen oder wiederherstellen. Dabei hat das Gericht – das Beschwerdegericht unter grundsätzlicher Beschränkung auf die fristgerecht geltend gemachten Gründe (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO) – seiner Entscheidung eine Abwägung der betroffenen Interessen auf der Grundlage der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Im Rahmen dieser Abwägung sind – soweit bei summarischer Prüfung bereits überschaubar – maßgeblich die Erfolgsaussichten der Klage im Hauptsacheverfahren zu berücksichtigen, da das öffentliche Vollzugsinteresse bei einem erkennbar rechtswidrigen Verwaltungsakt im Regelfall ebenso wenig schützenswert ist wie das Suspensivinteresse des Adressaten eines bereits absehbar rechtmäßigen Verwaltungsakts (stRspr, vgl. nur BVerwG, B.v. 9.6.2022 – 6 VR 2/21 – juris Rn. 11 m.w.N.; vgl. auch Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 89).
48
b) Gemessen daran hat der Antrag teilweise Erfolg, soweit der Haftungsbescheid vom 9. Februar 2024 eine Haftungssumme von mehr als 40.239,97 EUR festsetzt.
49
aa) Soweit der in der Hauptsache angegriffene Haftungsbescheid Abwassergebühren für den Zeitraum 2014 bis einschließlich 2017 betrifft, ist er voraussichtlich rechtswidrig (dazu (1)). Im Übrigen dürfte er auf der Grundlage der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren absehbaren tatsächlichen Umstände bei summarischer Prüfung voraussichtlich rechtmäßig sein (dazu (2)).
50
(1) Bei summarischer Prüfung wird sich der Haftungsbescheid vom 9. Februar 2024 voraussichtlich als rechtswidrig erweisen, soweit er sich auf die in den Jahren 2014 bis 2017 angefallenen Abwassergebühren bezieht.
51
Im Hinblick auf die Abwassergebührenschuld der … … * … … für die Jahre 2014 bis 2017 sind die Voraussetzungen einer Inanspruchnahme des Antragstellers im Wege des Haftungsbescheids voraussichtlich nicht erfüllt. Wie der Antragsteller mit seiner Beschwerde geltend macht, liegt dem Haftungsbescheid vom 9. Februar 2024 insoweit jedenfalls keine nachvollziehbare und belastbare Prüfung der Haftungstatbestände zugrunde. Die Antragsgegnerin stützt ihren Haftungsbescheid auf die Haftungstatbestände des § 71 AO und des § 69 AO, die jeweils über Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c KAG auf Kommunalabgaben anwendbar sind. Die Voraussetzungen beider in Frage kommender Haftungstatbestände für die Jahre 2014 bis 2017 sind nach Aktenlage jedoch nicht erfüllt.
52
(a) Voraussetzung einer Haftungsinanspruchnahme nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c KAG i.V.m. § 71 AO ist die Feststellung des Vorliegens einer Abgabenhinterziehung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 KAG. Die Abgabenhinterziehung muss tatbestandsmäßig, rechtswidrig und vorsätzlich schuldhaft verwirklicht worden sein, wobei die Haftung nach § 71 AO nur so weit reicht, wie der Vorsatz des Täters gereicht hat (vgl. BFH, U.v. 6.3.2001 – VII R 17/00 – juris Rn. 21 m.w.N.). Der Senat kann aus dem im Verfahren vorgelegten Akteninhalt jedoch nicht die Überzeugung gewinnen, dass der Antragsteller bereits in den Jahren 2014 bis 2017 erkannt und zumindest billigend in Kauf genommen hat, dass Teile des Schmutzwassers ohne ordnungsgemäße Erfassung in die Entwässerungsanlage der Antragsgegnerin eingeleitet und der Antragsgegnerin damit Abwassergebühren vorenthalten wurden.
53
Soweit sich die Antragsgegnerin ausdrücklich die Feststellungen des rechtskräftigen Strafurteils des Amtsgerichts Gemünden a. Main vom 25. Oktober 2022 in tatsächlicher Hinsicht zu eigen gemacht hat, enthält dieses Urteil gerade keine Aussage zu den Zeitpunkten, in denen Frischwasser über einen vor dem Wasserzähler angebrachten Verschluss entnommen wurde, und zu welchem Zeitpunkt der Antragsteller von dieser Praxis Kenntnis erlangt hat. Das Amtsgericht hat in seinem Urteil vielmehr ausdrücklich festhalten, dass der Verbrauchszähler „zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt nach Inbetriebnahme des Erlebnisbades“ angebracht worden sei, und dass der Antragsteller „zu einem nicht mehr genauer bestimmbaren Zeitpunkt zwischen den Jahren 2013 und 2020“ von der Wasserentnahme Kenntnis erlangt habe. Das Amtsgericht hat demnach – trotz Vernehmung von vier Zeugen – keinen genauen Tatzeitpunkt ermitteln können und die Verurteilung des Antragstellers vielmehr auf ein im Rahmen einer Verständigung nach § 257c StPO abgegebenes Geständnis des Antragstellers gestützt. Für die Jahre 2014 bis 2017 fehlt es daher nach Maßgabe des Strafurteils an der erforderlichen Feststellung des Tatvorsatzes. Die Antragsgegnerin ist zwar nicht daran gehindert, anhand eigener tatsächlicher Feststellungen den Vorsatz des Antragstellers zur Begehung einer Abgabenhinterziehung auch über den Zeitraum der strafrechtlichen Verurteilung hinaus zu bejahen; hierfür trägt sie allerdings die Feststellungslast und ist – da die Haftung materiellrechtlich an die schuldhafte Verwirklichung eines Straftatbestands anknüpft – an den Grundsatz „in dubio pro reo“ gebunden (vgl. BFH, B.v. 8.11.2000 – XI B 38/00 – juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 6.2.2012 – 4 ZB 11.2024 – juris Rn. 8; Rüsken in Klein, AO, 18. Aufl. 2024, § 71 Rn. 19 f.). Dieser Feststellungslast ist die Antragsgegnerin nicht hinreichend nachgekommen: Soweit sie darauf abstellt, dass die vom Amtsgericht festgestellte strafrechtliche Verfolgungsverjährung für die Jahre 2014 bis 2017 für die Haftung nach § 71 AO unbeachtlich sei, kann sich aus diesem rechtlichen Gesichtspunkt von vornherein kein tatsächlicher Anhaltspunkt für den Vorsatz des Antragstellers ergeben; soweit sie den Vorsatz auf Aussagen der Mitarbeiter der … … * … … gemäß nicht näher bezeichneten – wohl den staatsanwaltschaftlichen – Ermittlungsakten stützt, fehlt es nicht nur an einer Wiedergabe und nachvollziehbaren Würdigung dieser Aussagen, sondern insbesondere auch an einer konkreten tatsächlichen Feststellung zum Zeitpunkt, an dem der Antragsteller von der widerrechtlichen Wasserentnahme Kenntnis erlangt hat. Ohne eine solche Feststellung – die hier umso mehr geboten gewesen wäre, weil das Strafurteil den Tatzeitpunkt offengelassen hat – lässt sich eine hinreichende Überzeugung von der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Antragstellers in den Jahren 2014 bis 2017 nicht bilden.
54
(b) Auch für die Haftung des Antragstellers als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Abgabenschuldnerin … … * … … (vgl. dazu etwa Rüsken in Klein, AO, 18. Aufl. 2024, § 34 Rn. 11) sind die Tatbestandsvoraussetzungen nach Auffassung des Senats voraussichtlich nicht erfüllt. Voraussetzung einer Haftungsinanspruchnahme nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c KAG i.V.m. § 69 Satz 1 AO ist – neben der Vertretereigenschaft des Haftungsschuldners i.S.d. § 34 AO – die Feststellung, dass dieser eine ihm auferlegte abgabenrechtliche Pflicht vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat. Auch insofern bedarf es also eines qualifiziert schuldhaften Handelns des Haftungsschuldners (vgl. nur Rüsken in Klein, AO, 18. Aufl. 2024, § 69 Rn. 145 ff.). Die Antragsgegnerin hat jedoch für das erforderliche Verschulden im Hinblick auf die Jahre 2014 bis 2017 keine hinreichenden Anknüpfungstatsachen ermittelt: Vielmehr verweist der in der Hauptsache angegriffene Haftungsbescheid zur Begründung der schuldhaften Pflichtverletzung nur auf die Ausführungen zur Haftung aus dem Gesichtspunkt der Abgabenhinterziehung nach § 71 AO, die aber – wie oben gezeigt – gerade keine ausreichende Prüfung des von der Antragsgegnerin angenommenen Vorsatzes des Antragstellers enthalten. Der Begründungsmangel setzt sich insofern im Rahmen der Haftung nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c KAG i.V.m. § 69 Satz 1 AO fort.
55
(2) Im Übrigen ergeben sich nach Maßgabe der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren absehbaren tatsächlichen Umstände und des Beschwerdevorbringens (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) bei summarischer Prüfung keine durchgreifenden Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids vom 9. Februar 2024. Insofern wird im Wesentlichen nach § 122 Abs. 2 S. 3 VwGO auf die Begründung des mit der Beschwerde angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts Bezug genommen und ergänzend ausgeführt:
56
Die Voraussetzungen einer Inanspruchnahme des Antragstellers im Wege des Haftungsbescheids für die Abwassergebührenschuld der … … * … … liegen dem Grunde nach vor. Nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. ee KAG i.V.m. § 191 AO kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Abgabenschuld haftet. Das ist hier – bezogen auf die Jahre 2018 bis 2020 – der Fall, da insofern voraussichtlich nach Art. 8 Abs. 1 KAG i.V.m. § 10 Abs. 1 und Abs. 2, § 12 Abs. 1, § 13 Abs. 1 BGS-EWS 2013 eine Abwassergebührenschuld der … … * … … gegenüber der Antragsgegnerin besteht, für die der Antragsteller nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c KAG i.V.m. § 71 AO und § 69 Satz 1 AO haftet.
57
(a) Soweit der Antragsteller das Bestehen einer Abgabenschuld bestreitet und damit einen Verstoß gegen den Grundsatz der Akzessorietät der Haftungsschuld (vgl. dazu nur BFH, B.v. 11.7.2001 – VII R 29/99 – juris Rn. 13 ff.; Kratzsch in Koenig, AO, 5. Aufl. 2024, § 191 Rn. 19 m.w.N.) geltend macht, kann er damit jedenfalls im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nicht durchdringen. Das Verwaltungsgericht hat seiner Entscheidung zutreffend zu Grunde gelegt, dass eine Abgabenschuld der … … * … … bei summarischer Prüfung besteht.
58
Insbesondere ist nach Aktenlage und nach Maßgabe des Beschwerdevorbringens nicht von der Unwirksamkeit der dem Abwassergebührenbescheid vom 27. April 2021 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 27. September 2021 zugrunde liegenden BGS-EWS 2013 der Antragsgegnerin auszugehen.
59
Soweit der Antragsteller mit der Beschwerde geltend macht, die der Gebührenerhebung zugrunde liegende BGS-EWS 2013 verstoße gegen das Gebot der Normenklarheit, teilt der Senat diese Auffassung nicht: Die Regelung in § 16 Abs. 2 BGS-EWS 2013, wonach mit Inkrafttreten dieser Satzung die vorherige „Satzung vom 31.10.2008“ außer Kraft trete, bezeichnet die außer Kraft tretende Satzung hinreichend genau, so dass bei den Normadressaten kein vernünftiger Zweifel über das geltende Regelungswerk bestehen konnte. Indem der Antragsteller seinen Einwand darauf stützt, dass es eine „Satzung vom 31.10.2008“ nicht gebe, sondern nur eine „BGS-EWS 2008 vom 01.11.2008“, bezieht er sich lediglich auf das – der vorgelegten Ausfertigung der Satzung (wohl) irrtümlich vorangestellte – Datum ihres Inkrafttretens. Aus dem Wortlaut der BGS-EWS 2008 ergibt sich jedoch zweifelsfrei, dass sie am 31. Oktober 2008 erlassen und damit auch in § 16 Abs. 2 BGS-EWS 2013 rechtlich sowohl zutreffend wie eindeutig als „Satzung vom 31.10.2008“ bezeichnet wurde.
60
Soweit der Antragsteller einen Bekanntmachungsfehler der BGS-EWS 2013 darauf stützt, dass die durch § 10a Abs. 2 BGS-EWS 2013 zum Satzungsbestandteil erklärten Gebietsabflussbeiwertkarten nicht im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 20. November 2013 abgedruckt worden seien, ergibt sich aus seinem Beschwerdevorbringen jedenfalls nicht der erforderliche Zusammenhang mit den hier allein gegenständlichen Schmutzwassergebühren. Nach § 9 BGS-EWS 2013 erhebt die Antragsgegnerin für die Benutzung ihrer Entwässerungseinrichtung sowohl Schmutzwassergebühren (nach § 10 BGS-EWS 2013) als auch Niederschlagswassergebühren (nach § 10a BGS-EWS 2013). Auch wenn die (nur) für die Bestimmung der Höhe der Niederschlagswassergebühren maßgeblichen Gebietsabflussbeiwertkarten im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 20. November 2013 nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Bekanntmachung der BGS-EWS 2013 abgedruckt wurden, sondern durch mehrere Seiten von dieser getrennt und unter der so nicht zutreffenden Überschrift „Änderung der Beitrags- und Gebührensatzung“, bedürfte es einer substantiierten Darlegung, inwiefern ein – unterstellter – Bekanntmachungsfehler im Hinblick auf § 10a BGS-EWS 2013 zugleich auch der Erhebung von Schmutzwassergebühren nach § 10 BGS-EWS 2013 die Rechtsgrundlage entziehen sollte. Grundsätzlich geht der Verwaltungsgerichtshof in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes von der Gültigkeit untergesetzlicher Normen aus, wenn Nichtigkeitsgründe nicht ausnahmsweise offen zu Tage treten (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 26.6.2017 – 20 CS 17.346 – juris Rn. 20; B.v. 4.10.2006 – 23 CS 06.2328 – juris Rn. 23; B.v. 24.7.2006 – 23 CS 06.1501 – juris Rn. 3 m.w.N.; vgl. auch – zu baurechtlichen Satzungen – B.v. 9.1.2024 – 1 CS 23.2032 – juris Rn. 12 m.w.N.). Nachdem hier aber der angegriffene Haftungsbescheid gerade keine Niederschlagswassergebühren umfasst und vom Antragsteller weder dargelegt wurde noch offensichtlich ist, dass eine Unwirksamkeit des § 10a BGS-EWS 2013 auch die Unwirksamkeit des § 10 BGS-EWS 2013 zur Folge hätte, ist die Satzung – vorbehaltlich ihrer rechtlichen Überprüfung im Hauptsacheverfahren – einstweilen als wirksam zu behandeln.
61
(b) Soweit das Verwaltungsgericht die Voraussetzungen der Haftungstatbestände nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c KAG i.V.m. § 71 AO und § 69 AO im Hinblick auf die Abwassergebührenschuld der … … * … … der Jahre 2018 bis 2020 bejaht hat, begegnet dies keinen Bedenken. Weil und soweit die strafrechtliche Verurteilung des Antragstellers durch Urteil des Amtsgerichts Gemünden a. Main vom 25. Oktober 2022 auf einer geständigen Einlassung beruht, ist es insbesondere nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin das Vorliegen einer den Haftungstatbestand des § 71 AO begründenden vorsätzlichen Abgabenhinterziehung i.S.d. Art. 14 KAG im Wesentlichen durch Verweis auf die tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts begründet hat. Dass sich der jeweilige Abgabengläubiger im Fall einer strafrechtlichen Verurteilung den Inhalt des Strafurteils zu eigen macht, wird allgemein als zulässig angesehen, wenn gegen die strafgerichtlichen Feststellungen keine substantiierten Einwendungen vortragen werden (stRspr, vgl. nur BFH, U.v. 12.2.2020 – X R 9/19 – juris Rn. 34; U.v. 7.3.2006 – X R 8/05 – juris Rn. 13; vgl. auch Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Stand 1/2025, § 71 AO Rn. 21; Rüsken in Klein, AO, 18. Aufl. 2024, § 71 Rn. 19). Hier hat der Antragsteller keine substantiierten Einwendungen gegen die Richtigkeit der strafgerichtlichen Feststellungen vorgebracht. Soweit er insofern nur geltend gemacht hat, das Strafurteil beruhe auf einer wirtschaftlich motivierten strafprozessualen Verständigung, wird damit weder die materielle Richtigkeit des – zumal rechtskräftigen – Urteils vom 25. Oktober 2022 bestritten noch hat er sich damit von seinem im Rahmen des Strafprozesses abgegebenen Geständnis inhaltlich distanziert.
62
(c) Den mit der Beschwerde gerügten Verstoß gegen den Grundsatz der Subsidiarität nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a KAG i.V.m. § 219 AO kann der Senat auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens nicht erkennen. Nach § 219 Satz 1 AO darf ein Haftungsschuldner grundsätzlich nur nachrangig nach dem jeweiligen Erstschuldner in Anspruch genommen werden. Diese Einschränkung gilt nach Satz 2 der Bestimmung jedoch ausdrücklich nicht in den – hier aber vorliegenden – Haftungsfällen nach § 71 und § 69 AO; auf der Grundlage dieser Haftungstatbestände kann sich der Abgabengläubiger unmittelbar an den Haftungsschuldner wenden, ohne zuvor eine Vollstreckung beim Erstschuldner versucht zu haben, weil der Haftende wesentlich zum Ausfall des Abgabenanspruchs beigetragen hat. Zwar besteht auch dann – wie der Antragsteller zutreffend ausgeführt hat – ein Ermessen des Abgabengläubigers und ist dieser nicht verpflichtet, den Haftungsschuldner in Anspruch zu nehmen (vgl. Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand 1/2025, § 219 AO Rn. 13 m.w.N.). Ermessensfehlerhaft ist der Erlass eines Haftungsbescheids aber jedenfalls in den Fällen der Haftung nach § 71 AO nur unter außergewöhnlichen Umständen, bei denen bereits feststeht, dass die Abgabenschuld und damit die Primärschuld nicht besteht bzw. zu erlassen wäre (vgl. BFH, B.v. 12.9.2014 – VII B 99/13 – juris Rn. 25; Alber in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Stand 1/2025, § 219 AO Rn. 68; Intemann in Koenig, AO, 5. Aufl. 2024, § 219 Rn. 26 ff.). Nachdem solche außergewöhnlichen Umstände hier nicht erkennbar sind, insbesondere der Bestand der Primärschuld zumindest nicht bereits sicher ausgeschlossen werden kann, erweisen sich die – im Wesentlichen auf eine Wiedergabe des Gesetzeswortlauts beschränkten – Ausführungen der Antragsgegnerin zur Begründung des Haftungsbescheids vom 9. Februar 2024 insoweit voraussichtlich als (noch) ausreichend.
63
(d) Soweit der Antragsteller seine Beschwerde schließlich darauf stützt, dass die Antragsgegnerin ihr Auswahlermessen nicht ausgeübt und übersehen habe, dass zum einen die Komplementär-GmbH der … … * … … weitere potentielle Haftungsschuldnerin nach § 69 AO und zum anderen die Antragsgegnerin selbst als Grundstückeigentümerin Primärschuldnerin der Abwassergebühren sei, begründet auch dieses Vorbringen voraussichtlich nicht die Rechtswidrigkeit des Haftungsbescheids vom 9. Februar 2024.
64
Auf die Komplementär-GmbH der … … * … … kommt es im Rahmen einer möglichen Vertreterhaftung nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c KAG i.V.m. § 69 AO schon deshalb nicht an, weil für die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der … … * … … letztlich nicht die Komplementär-GmbH als solche, sondern nur deren Geschäftsführer als ihr gesetzlicher Vertreter i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 AO i.V.m. § 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG – und damit im Ergebnis der Antragsteller – verantwortlich ist (vgl. nur FG Berlin-Bbg, U.v. 5.9.2019 – 9 K 9159/15 – juris Rn. 66; Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand 1/2025, § 69 AO Rn. 6; Rüsken in Klein, AO, 18. Aufl. 2024, § 69 Rn. 11 a.E.).
65
Die Frage, ob die Antragsgegnerin als Grundstückseigentümerin nach § 13 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 BGS-EWS 2013 möglicherweise ebenfalls (Primär-)Schuldnerin der Abwassergebühren sein kann, ist im Zusammenhang mit dem hier allein gegenständlichen Haftungsbescheid bereits nicht entscheidungserheblich: Ein Auswahlermessen beim Erlass eines Haftungsbescheids i.S.d. § 191 AO besteht nur dann, wenn mehrere Haftungsschuldner nebeneinander in Betracht kommen (vgl. Kratzsch in Koenig, AO, 5. Aufl. 2024, § 191 Rn. 48; Rüsken in Klein, AO, 18. Aufl. 2024, § 191 Rn. 85), was hier aber nicht der Fall ist. Maßgeblich für das vom Antragsteller angesprochene Verhältnis zwischen der Inanspruchnahme des Primärschuldners und der des Haftungsschuldners ist allein § 219 AO; insofern ist ein Ermessensfehler der Antragsgegnerin aber nicht ersichtlich, da jedenfalls auch die … … * … … nach § 13 Abs. 1 BGS-EWS 2013 als Erbbauberechtigte Schuldnerin der Abwassergebühren ist und gegen die Heranziehung des Antragstellers als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH im Hinblick auf die Jahre 2018 bis 2020 keine Bedenken bestehen (s. oben (c)).
66
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und Abs. 3, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG unter Berücksichtigung der Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013; im Ergebnis ist ein Viertel der Gesamthaftungssumme von 85.590,13 EUR anzusetzen. Da mit der Entscheidung eine (teilweise) Vorwegnahme der jeweiligen Hauptsache nicht verbunden ist, hat der Senat von einer Anhebung des Streitwerts nach Ziff. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs abgesehen.
67
4. Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).