Inhalt

VGH München, Urteil v. 04.02.2025 – 1 N 23.1343
Titel:

Kein beschleunigtes Verfahren nach § 13a BauGB für Bebauungsplan mit integriertem Grünordnungsplan "SO Bäderviertel"

Normenketten:
VwGO § 47
BauGB § 13a, § 34, § 214 Abs. 4
Plan-UP-RL Art. 3
Anlage 1 UVPG Nr. 18.8, Nr. 18.1.2
UVPG § 50
BauNVO § 11
Leitsätze:
1. Liegt einem Angebotsbebauungsplan die Vorstellung eines künftigen Gesundheitshotels in gehobener Kategorie zugrunde und ist er damit auf die Realisierung eines Hotels mit rund 130 Zimmern ausgerichtet, unterliegt er unabhängig von der Lage der Flächen im Innen- oder Außenbereich einer Vorprüfungspflicht und kommt ein Rückgriff auf die bisher von den Obergerichten vertretene engere Auffassung nicht in Betracht. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zwar darf im Rahmen der Vorprüfung nicht bereits die eigentliche Umweltverträglichkeitsprüfung unter Missachtung der für diese obligatorische Öffentlichkeitsbeteiligung vorweggenommen werden, die Vorprüfung darf sich aber nicht in einer oberflächlichen Abschätzung spekulativen Charakters erschöpfen, sondern muss auf der Grundlage geeigneter und ausreichender Informationen erfolgen. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Angebotsbebauungsplan, Beschleunigtes Verfahren, Zulässigkeit eines vorprüfungspflichtigen Vorhabens, Fehlende Nachvollziehbarkeit des Ergebnisses der Vorprüfung, beschleunigtes Verfahren, Normenkontrollantrag, Bebauungsplan, Umweltprüfung, Hotelneubau, Umweltauswirkungen, Abwägungsrelevanz, Lärmimmissionen, UVP-Vorprüfung
Fundstelle:
BeckRS 2025, 4272

Tenor

I. Der Bebauungsplan mit integriertem Grünordnungsplan „SO Bäderviertel", zuletzt bekannt gemacht am 30. Juli 2021 mit Rückwirkung zum 26. Mai 2017, ist unwirksam.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Die Antragstellerinnen wenden sich gegen den im beschleunigten Verfahren nach § 13a BauGB erlassenen Bebauungsplan mit integriertem Grünordnungsplan „SO Bäderviertel“, den die Antragsgegnerin nach Durchführung eines ergänzenden Verfahrens zur Vertiefung der Abwägungsentscheidung gemäß § 214 Abs. 4 BauGB am 22. Juni 2021 als Satzung beschlossen und zuletzt am 30. Juli 2021 mit Rückwirkung bekannt gemacht.
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Im Bebauungsplanverfahren wurde der vormals als „Badeteil Mitte“ bezeichnete Bebauungsplan nach einer Überarbeitung in „SO Bäderviertel“ umbenannt und der räumliche Geltungsbereich im südöstlichen Bereich verkleinert. Das Plangebiet liegt zentral im Bäderviertel der Stadt B. T. südlich der L. straße, östlich der H. straße und nördlich der S2. straße. Im Osten grenzen der „kleine Kursaal“ und Wohnbebauung an. Im räumlichen Geltungsbereich des Angebotsbebauungsplans befinden sich die Gebäudekomplexe des ehemaligen Hotels J. sowie des ehemaligen Freizeitbades A. mit Nebenanlagen. Nach der Begründung des Bebauungsplans sollen nach Aufhebung des (Vorgänger-)Bebauungsplans „Sondergebiet Badeteil“ im Jahr 2005 mit den bisherigen zulässigen Nutzungen Fremdenverkehr, Tourismus, Gesundheit und Kur die planerischen Rahmenbedingungen für die Errichtung einer hochwertigen Hotelnutzung mit oder ohne Außenbadeflächen als touristischer Leitbetrieb geschaffen werden und dem dringenden Bedarf an Investitionen zur Umsetzung touristischer bzw. gesundheitlicher Projekte im Rahmen der Wiedernutzbarmachung und Entwicklung von Brachflächen bzw. Grundstücken der Innenlage Rechnung getragen werden. Weiteres Ziel der Planung ist die positive Beeinflussung der Investitionsbereitschaft der vorhandenen kleineren Betriebe und die Verhinderung eines Umwandlungsprozesses in Richtung Wohnbebauung. Der streitgegenständliche Angebotsbebauungsplan setzt als Art der baulichen Nutzung ein Sondergebiet „Hotel“ gemäß § 11 Abs. 2 BauNVO fest. Zulässige Nutzungen sind Hotelanlagen und die diese Nutzung ergänzenden Nutzungen, insbesondere gastronomische Betriebe, Wellnessbereiche, offene oder überdachte Bäder und Tagungsbereiche; nicht zulässig sind Wohnnutzungen jeglicher Art, alle Arten von Wohn- und Pflegeheimen, Ferienwohnungen sowie Pensionen und Vergnügungsstätten. Daneben weist der Bebauungsplan Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung, zur Höhe baulicher Anlagen, zur Bauweise und zu den überbaubaren Grundstücksflächen auf. Die übergeordneten Ziele wurden u.a. im „Städtebaulichen Rahmenkonzept Badeteil“ und im städtebaulichen Entwicklungskonzept „Neue Tölzer Hotelkultur und Renaissance des Bäderviertels“ festgeschrieben. Neben einer Standortüberprüfung für Hotelprojekte in Bad Tölz aus dem Jahr 2009 liegt eine Hotelbedarfsanalyse vom 18. Juni 2018 vor, die durch eine aktuelle Machbarkeitsstudie „Projekt Hotel J. & Thermal-Hallenbad A.“ vom 17. Juni 2021 ergänzt wurde, sowie die dwif-Studie „Wirtschaftsfaktor Tourismus für Bad Tölz 2019“ und eine schalltechnische Untersuchung des zuzurechnenden Verkehrslärmaufkommens vom 19. Februar 2020.
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Die Antragstellerin zu 1 ist Eigentümerin des Grundstücks FlNr. …5, auf dem sich das Gebäude des ehemaligen Hotels J. befindet. Die Antragstellerin zu 2 ist Eigentümerin der Grundstücke FlNr. …5/1, …5/13 und …5/14, die im Wesentlichen mit dem ehemaligen Freizeitbad A. mit Nebenanlagen, Parkplätzen, Wasserfläche im Freien und Liegewiese sowie dem südlichen Teil des ehemaligen H.-bades bebaut sind. Die Antragstellerin zu 3 ist Eigentümerin des Grundstücks FlNr. …5/10, das mit dem nördlichen Teil des ehemaligen H.-bades bebaut ist.
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Am 3. Mai 2018 stellten die Antragstellerinnen beim Verwaltungsgerichtshof einen Normenkontrollantrag zuletzt mit dem Antrag:
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Der am 26. Mai 2017 bekannt gemachte Bebauungsplan „SO Bäderviertel“ (vormals Badeteil Mitte) der Stadt Badt Tölz in der Fassung der Bekanntmachungen vom 12. Juli 2021, vom 15. Juli 2021 und vom 30. Juli 2021 ist unwirksam.
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Der Bebauungsplan leide auch nach Durchführung eines ergänzenden Verfahrens unter formellen und materiellen Fehlern. U.a. habe das beschleunigte Verfahren nicht angewendet werden dürfen, weil durch die Planung die Zulässigkeit von Vorhaben begründet werde, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterlägen. Gehe man wie die Antragsgegnerin von einer Außenbereichslage des Plangebietes aus, sei die vom Angebotsbebauungsplan ermöglichte Errichtung eines Hotelkomplexes mit mehr als 300 Betten oder 200 Zimmern nach Nr. 18.1.1 der Anlage 1 zum UVPG UVPpflichtig. Auf den Grad der Konkretisierung des Vorhabens komme es nicht an. Die in den Aufstellungsakten befindliche Vorprüfung des Einzelfalls zur UVP-Pflicht nach § 3c UVPG in der Fassung vom 24. Februar 2010 stelle keine Umweltverträglichkeitsprüfung im Sinn von § 50 Abs. 3 UVPG dar und sei zudem inhaltlich fehlerhaft. Die Antragsgegnerin habe die Dimension der vorgesehenen Hotelnutzung und die Umweltauswirkungen der Planung verkannt. Das Ergebnis der Vorprüfung des Einzelfalls sei nicht nachvollziehbar. Insbesondere sei eine Erhöhung von Lärmimmissionen trotz eines zu erwartenden vermehrten Verkehrsaufkommens verneint worden. Das beschleunigte Verfahren sei zudem ausgeschlossen, weil die Antragsgegnerin zu Unrecht von einer Überplanung von Außenbereichsflächen ausgegangen sei, eine Innenentwicklung nicht stattfinde und die Größe der festgesetzten Grundfläche mehr als 20.000 m² betrage, da die Grundflächen mehrerer Bebauungspläne im Sinn des § 13a BauGB, die – wie hier – in einem engen sachlichen, räumlichen und zeitlichen Zusammenhang aufgestellt worden seien, nach § 13 Abs. 1 Satz 4 BauGB zusammen zu rechnen seien. Hinsichtlich der weiteren im Normenkontrollverfahren erhobenen Einwendungen in Bezug auf die städtebauliche Erforderlichkeit der Bauleitplanung, die Ziele der Landes- und Regionalplanung, das Entwicklungsgebot sowie auf die Mängel der Abwägung hinsichtlich der Beurteilung der im Plangebiet liegenden Flächen als Außenbereich, der Einschränkung bestehenden Baurechts, der Widersprüchlichkeit der vorliegenden Gutachten zur Wirtschaftlichkeit eines Gesundheitshotels sowie der unzureichenden Konfliktbewältigung im Bereich des Immissionsschutzes und der Niederschlagswasserbeseitigung wird auf die vorliegenden Antragsbegründungsschriftsätze der Bevollmächtigten der Antragstellerinnen verwiesen.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Der Bebauungsplan sei formell rechtmäßig, insbesondere begründe er nicht die Zulässigkeit eines UVPpflichtigen Vorhabens. Es handle sich um eine reine Angebotsplanung, die als Grundlage für die erst noch durchzuführende Investorensuche dienen solle. Es reiche nicht aus, dass eine einzige aus einer Vielzahl von zulässigen Varianten UVPpflichtig sei. Da sich noch nicht absehen ließe, mit welcher Anzahl an Gästezimmern bzw. Betten das künftige Hotel errichtet werde, sei nach den Erfahrungen in anderen Kommunen und den eingeholten Gutachten mit einer Größenordnung von 130 Gästezimmern gerechnet worden. Für Gästezimmer nicht benötigte Flächen sollten Platz für sportliche Indoor-Betätigung, Gesundheits- und Wellnessanwendungen sowie Veranstaltungen bieten. Damit fehle es an einem hinreichen Projektbezug zu Vorhaben, die die Zulässigkeit eines UVPpflichtigen Vorhabens „begründen“ könnten. Mit der Planung werde nur der bauleitplanerische Rechtsrahmen geschaffen. Der Bebauungsplan habe auch im beschleunigten Verfahren erlassen werden können, weil die Annahme einer Außenbereichsinsel der Anwendbarkeit von § 13a BauGB nicht entgegen stehe, der streitgegenständliche Bebauungsplan die Wiedernutzbarmachung der brachliegenden Fläche des Freizeitbads durch eine Hotelnutzung bezwecke und eine Addition mit den Grundflächen der Bebauungspläne „SO Bäderviertel Mitte“ und „SO Hotel am Kurpark“ nicht in Betracht komme. Die Bebauungspläne bezögen sich auf unterschiedliche Hotelstandorte, der Umstand, dass mit der Erstellung zeitlich aufeinander folgender Bebauungspläne eine Gesamtstrategie zur Stärkung des Tourismus verfolgt werde, begründe keine Aufspaltung eines einheitlichen Vorhabens im rechtsmissbräuchlichen Sinn. Die Bebauungspläne dienten unterschiedlichen Fremdenverkehrsprojekten an unterschiedlichen Standorten und es fehle auch an einem zeitlichen Zusammenhang. Der Bebauungsplan begegne weiter keinen materiellen Bedenken. Dazu wird auf die Erwiderungsschriftsätze des Bevollmächtigten der Antragsgegnerin verwiesen.
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Die Landesanwaltschaft Bayern als Vertreter des öffentlichen Interesses hat mit Schreiben vom 25. Februar 2022 die Bauakten zu den im Geltungsbereich des Bebauungsplans liegenden Grundstücken vorgelegt.
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Der Senat hat am 2. Juni 2022 einen Augenschein durchgeführt, das zunächst unter dem Az. 1 N 18.977 geführte Verfahren mit Beschluss vom 18. Juli 2022 ausgesetzt und nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. April 2023 (4 CN 5.21) unter dem Az. 1 N 24.1343 fortgeführt. Für die Feststellungen des Augenscheins und den Verlauf der mündlichen Verhandlung vom 4. Februar 2025 wird auf die jeweiligen Protokolle Bezug genommen. Ergänzend wird auf die Gerichtsakte und die Normaufstellungsakten sowie die beigezogenen Bauakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Der zulässige Normenkontrollantrag hat Erfolg. Der nach Durchführung eines ergänzenden Verfahrens am 22. Juni 2021 als Satzung beschlossene und am 30. Juli 2021 mit Rückwirkung zum 26. Mai 2017 bekannt gemachte Bebauungsplan ist unwirksam.
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1. Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist im Normenkontrollverfahren jede natürliche oder juristische Person antragsbefugt, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Die Antragstellerinnen müssen hinreichend substantiiert Tatsachen vortragen, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass sie durch die Festsetzungen des Bebauungsplans in einem Recht verletzt werden. Eine die Antragsbefugnis begründende subjektive Rechtsposition ist vor allem das im Plangebiet befindliche Grundeigentum, dessen Inhalt und Schranken durch die planerischen Festsetzungen eines Bebauungsplans unmittelbar und rechtssatzmäßig bestimmt und ausgestaltet werden (vgl. BVerwG, U.v. 16.6.2011 – 4 CN 1.10 – BVerwGE 140, 41). Die Antragsbefugnis ist grundsätzlich zu bejahen, wenn sich ein Eigentümer eines im Plangebiet liegenden Grundstücks gegen eine bauplanerische Festsetzung wendet, die unmittelbar sein Grundstück betrifft (vgl. BVerwG, B.v. 8.2.2024 – 4 BN 28.23 – juris Rn. 4; B.v. 31.1.2018 – 4 BN 17.17 u.a. – BauR 2018, 814).
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Gemessen an diesen Maßstäben ist die Antragsbefugnis der Antragstellerinnen jeweils als Eigentümerinnen von Grundstücken, für die der Bebauungsplan Festsetzungen trifft, gegeben.
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2. Der Normenkontrollantrag ist begründet. Der Bebauungsplan ist verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, weil das beschleunigte Verfahren vorliegend nach § 13a Abs. 1 Satz 4 BauGB ausgeschlossen war und die Antragsgegnerin damit zu Unrecht auf eine Umweltprüfung verzichtet hat (2.1.). Den nach § 214 Abs. 2a Nr. 4 i.V.m. § 13a Abs. 1 Satz 4 BauGB beachtlichen Verfahrensfehler haben die Antragstellerinnen gemäß § 215 Abs. 1 Satz 2 BauGB auch innerhalb der Jahresfrist gerügt (2.2.).
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2.1. Durch den Bebauungsplan wird die Zulässigkeit von Vorhaben begründet, die jedenfalls einer Pflicht zur Durchführung einer UVP-Vorprüfung des Einzelfalls unterliegen. Nach der durchgeführten Vorprüfung können erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen nicht ausgeschlossen werden.
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Mit § 13a BauGB hat der nationale Gesetzgeber von der ihm in Art. 3 Abs. 3 der RL 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme – Plan-UP-RL – eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht und abstrakt-generell festgelegt, dass bestimmte Pläne im beschleunigten Verfahren ohne Umweltprüfung erlassen werden können (BT-Drs. 16/2496 S. 13). Hierfür musste der Gesetzgeber nach Art. 3 Abs. 5 Plan-UP-RL sicherstellen, dass Pläne, die voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben, von dieser Richtlinie erfasst werden. Nur soweit danach keine förmliche Umweltprüfung notwendig ist, können Bebauungspläne im beschleunigen Verfahren aufgestellt werden (§ 13a Abs. 1 Satz 4 BauGB). Der Bebauungsplan ist hier auf ein in § 50 Abs. 1 Satz 1 UVPG ausdrücklich erwähntes bestimmtes Vorhaben – einen Hotelneubau – nach Nr. 18.1. bzw. Nr. 18.8 der Anlage 1 zum UVPG bezogen. Solche Bebauungspläne sind stets dann UVPpflichtig, wenn sie im bisherigen Außenbereich realisiert werden sollen und das Bauvorhaben ein Hotel mit 300 oder mehr Betten oder 200 oder mehr Zimmern ermöglicht (Nr. 18.1.1 der Anlage 1 zum UVPG). Ebenso UVPpflichtig ist der Hotelneubau im Außenbereich bzw. seine Ausführung im unbeplanten Innenbereich nach § 34 BauGB, wenn der Bebauungsplan auf die Realisierung eines Hotels mit 100 bis 299 Betten oder 80 bis 199 Zimmern ausgerichtet ist (Nr. 18.1.2 bzw. Nr. 18.8 i.V.m. Nr. 18.1.2 der Anlage 1 zum UVPG) und die Vorprüfung zu der Einschätzung gelangt, dass erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen bei der Realisierung des Vorhabens zu erwarten sind. Ein bestimmtes Vorhaben ist bei einem Bauvorhaben von Nr. 18.8 der Anlage 1 schon dann gegeben, wenn dessen tatbestandliche Voraussetzungen vorliegen. Auf den Grad der Konkretisierung des ins Auge gefassten Vorhabens kommt es im Unterschied zu den maßnahmebezogenen Bebauungsplänen nicht an (vgl. BVerwG, U.v. 24.4.2024 – 4 CN 2.23 – NVwZ 2024, 1501; Mitschang in Schink/Reidt/Mitschang, UVPG/UmwRG, 2. Aufl. 2023, § 50 UVPG Rn. 24).
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Bei dem angegriffenen Bebauungsplan handelt es sich nach seinen Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung als Sondergebiet „Hotel“ gemäß § 11 Abs. 2 BauNVO mit den zulässigen Nutzungen Hotelanlagen und die diese Nutzung ergänzenden Nutzungen, den Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung, zur Höhe baulicher Anlagen, zur Bauweise und zu den überbaubaren Grundstücksflächen zwar nicht schon um einen „vorhabenorientierten“ bzw. „projektbezogenen“ Angebotsbebauungsplan. Mangels konkreter planerischer Vorgaben setzt er vielmehr den Rahmen für den geplanten Neubau eines Hotelkomplexes. Gegenteiliges ergibt sich nicht aus dem von den Antragstellerinnen in der mündlichen Verhandlung vorgelegten, im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 3 Abs. 2 BauGB ausgelegten Vorabzug vom 23. März 2016, in dem ein vorgeschlagener Baukörper eingezeichnet wurde, weil die abschließende Planung einen solchen Vorschlag nicht mehr enthält. Ungeachtet dessen bestand hier nach § 3c UVPG (in der Fassung bis 28.7.2017, im Folgenden UVPG a.F.) i.V.m. Nr. 18.8 und Nr. 18.1.2 Spalte 2 der Anlage 1 zum UVPG die Pflicht zur allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls. Denn der Angebotsbebauungsplan ist nach den Vorstellungen der Antragsgegnerin, denen Erfahrungswerte für die Wirtschaftlichkeit eines künftigen Gesundheitshotels in gehobener Kategorie zugrunde lagen, die auch in der Hotelbedarfsanalyse und der Machbarkeitsstudie zum Ausdruck kamen (vgl. Niederschriften der Sitzung des Stadtrats vom 16.5.2017 und 22.6.2021), zumindest auf die Realisierung eines Hotels mit rd. 130 Zimmern ausgerichtet. Ein solches Vorhaben nach Nr. 18.8 und Nr. 18.1.2 der Anlage 1 zum UVPG unterliegt unabhängig von der Lage der Flächen im Innen- oder Außenbereich einer Vorprüfungspflicht. Bei einer solchen Fallgestaltung kommt ein Rückgriff auf die bisher von den Obergerichten vertretene engere Auffassung, dass das beschleunigte Verfahren nach § 13a BauGB nicht wegen Unterlassens einer Umweltverträglichkeitsprüfung ausgeschlossen sei, wenn es sich lediglich um eine Angebotsplanung ohne konkrete planerische Festsetzungen handelt, deren nähere Prüfung einem künftigen Genehmigungsverfahren vorbehalten bleiben kann (vgl. HessVGH, U.v. 17.1.2023 – 3 C 1855/20.N – BauR 2023, 1206; BayVGH, U.v. 5.9.2017 – 2 N 16.1308 – juris Rn. 21; OVG RhPf, U.v. 8.6.2011 – 1 C 11239.10 – juris Rn. 27), nicht mehr in Betracht, weil es auf den Grad der Konkretisierung des in den Blick genommenen Vorhabens nicht (mehr) ankommt.
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Die danach vorgesehene allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls, die als überschlägige Prüfung unter Berücksichtigung der in Anlage 2 zum UVPG a.F. aufgeführten Kriterien durchgeführt wird, genügt nicht dem Maßstab des § 3a Satz 4 UVPG a.F.. Die UVP-Pflicht besteht, wenn das Neuvorhaben nach Einschätzung der zuständigen Behörde erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann, die bei der Zulassungsentscheidung zu berücksichtigen wären. Die allgemeine Vorprüfung gilt als ordnungsgemäß durchgeführt, wenn sie nach den Vorgaben von § 3c UVPG a.F. durchgeführt worden ist und das Ergebnis der Vorprüfung nachvollziehbar ist (§ 3a Satz 4 UVPG a.F.). Nachvollziehbar ist das Ergebnis, wenn die Einschätzung zum Zeitpunkt der Feststellung als der maßgeblichen Weichenstellung für den Fortgang des Verfahrens insgesamt als vertretbar bezeichnet werden kann. Die gerichtliche Prüfung erstreckt sich dabei auch auf die Frage, ob die Behörde den Rechtsbegriff der Erheblichkeit der Umweltauswirkungen zutreffend ausgelegt hat (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2022 – 9 A 1.13 – BVerwGE 150, 92; U.v. 17.12.2013 – 4 A 1.13 – BVerwGE 148, 353).
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Nach diesem Maßstab genügt das vorgelegte Gutachten zur allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls vom 23. März 2016 nicht den Anforderungen an eine plausible negative Vorprüfung. Es verneint erhebliche Umweltauswirkungen u.a. mit der Feststellung, dass eine Erhöhung der Lärmemissionen nicht gegeben sei. Begründet wird dies damit, dass ein Lärmgutachten nicht vorliege. Weiter wird in der Folge ausgeführt, dass die Entstehung von zwei großen Hotelanlagen in unmittelbarer Nachbarschaft zwar zu einer erhöhten Verkehrsbelastung durch An- und Abreiseverkehr führen könne, jedoch davon auszugehen sei, dass sich ein möglicherweise erhöhtes Verkehrsaufkommen auf die vorhandenen Hauptverkehrsstraßen aufteilen könnte und erhebliche Beeinträchtigungen durch Konzentrationswirkungen entfallen würden. Die Auswirkungen könnten im Rahmen der fachgesetzlichen Maßstäbe behandelt werden. Zwar darf im Rahmen der Vorprüfung nicht bereits die eigentliche Umweltverträglichkeitsprüfung unter Missachtung der für diese obligatorische Öffentlichkeitsbeteiligung vorweggenommen werden, die Vorprüfung darf sich aber nicht in einer oberflächlichen Abschätzung spekulativen Charakters erschöpfen, sondern muss auf der Grundlage geeigneter und ausreichender Informationen erfolgen. Hierzu können auch Fachgutachten eingeholt werden und zusätzliche Ermittlungen erfolgen (vgl. BVerwG, U.v. 20.12.2011 – 9 A 31.10 – BVerwGE 141, 282). Die vorliegende Einschätzung lässt eine nachvollziehbare Ermittlung, in welchem Umfang mit Mehrverkehr und einer erhöhten Lärmbelastung durch das geplante Hotel zu rechnen ist, nicht erkennen. Die Einschätzung beruht vielmehr auf Erfahrungswerten und dem Vergleich mit der bisherigen touristischen Nutzung der Flächen. Die Einschätzung ist auch deshalb nicht plausibel, weil der Bebauungsplan, der als Vorschlag nur eine Zufahrt zur Tiefgarage im südöstlichen Planbereich vorsieht, eine Verteilung des Verkehrsaufkommens auf mehrere Hauptverkehrsstraßen nicht erkennen lässt, sondern vielmehr eine genauere Betrachtung der (Lärm-)Belastung der im Bereich der Zufahrt vorhandenen Wohnbebauung nahelegt.
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Noch deutlicher tritt die mangelnde Nachvollziehbarkeit der Bewertung der erheblichen Umweltauswirkungen durch die nach Abschluss der Vorprüfung gewonnenen Erkenntnisse der später eingeholten schalltechnischen Untersuchung des zuzurechnenden Verkehrslärmaufkommens vom 19. Februar 2020 hervor. Nach der Untersuchung, der eine worst-case-Betrachtung unter Annahme eines Hotels mit 200 Zimmern zugrunde liegt, können teils erhebliche Überschreitungen der Immissionsrichtwerte der TA Lärm – insbesondere im Bereich des vorgeschlagenen Zufahrtweges, aber auch bei einer möglichen (weiteren) Zufahrt im nordwestlichen Plangebiet – auftreten, die entsprechende bauliche Schutzmaßnahmen und Auflagen erfordern. Im Bauplanungsrecht als Trägerverfahren für die Umweltverträglichkeitsprüfung kommt dabei der Abwägungsentscheidung eine maßgebliche Rolle zu, weil erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen nicht nur dann zu berücksichtigen sind, wenn Grenzwerte überschritten werden, sondern auch Immissionsbelastungen unterhalb der Richtwerte in die Abwägung einzustellen sind. Dies liegt umso näher, je näher die zu erwartenden Umweltauswirkungen an diese Grenzwerte heranreichen (vgl. BVerwG, U.v. 24.5.2018 – 4 C 4.17 – BVerwGE 162, 114; U.v. 25.6.2014 – 9 A 1.13 – BVerwGE 150, 92; U.v. 17.12.2013 – 4 A 1.13 – BVerwGE 148, 353).
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Die Abwägungsrelevanz der Lärmimmissionen ergibt sich hier schon aus dem Umstand, dass die Überschreitungen nach der vorliegenden Untersuchung nur mit geeigneten geräuschmindernden Maßnahmen wie z.B. einer Teileinhausung des vorgeschlagenen Zufahrtweges oder einer nach Süden hin abschirmenden Lärmschutzwand bzw. im Hinblick auf eine eventuelle Zufahrt von Norden durch einen Ausschluss von Wohnnutzungen in dem angrenzenden Gebäude V.platz verbessert werden könnten (vgl. BVerwG, U.v. 17.12.2013 – 4 A 1.13 – BVerwGE 148, 353). Dass die Antragsgegnerin bewusst von bindenden Festsetzungen abgesehen hat, um ausreichenden Gestaltungsspielraum für die Hotelplanung zu belassen, macht die Durchführung einer Umweltprüfung, die im Bauplanungsrecht die UVP-Vorprüfung und die Umweltverträglichkeitsprüfung ersetzt, zur Vorbereitung der abschließenden Abwägungsentscheidung nicht entbehrlich; die Notwendigkeit entsprechender Schallschutzauflagen dokumentiert vielmehr, dass von dem Hotelbauvorhaben erhebliche Umweltauswirkungen ausgehen können.
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Im Hinblick auf die fehlerhafte Vorprüfung des Einzelfalls kann daher offen bleiben, ob der Bebauungsplan (auch) einen Hotelneubau mit 200 Zimmern oder mehr ermöglicht und damit ein bestimmtes Vorhaben nach Nr. 18.1.1 der Anlage 1 zum UVPG begründen kann bzw. ob der Anwendungsbereich der Regelung auch dann eröffnet ist, wenn sich nur ein Teil des Vorhabens im Außenbereich befindet. Gleichermaßen kann offen bleiben, ob die im 3. Leitsatz der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. April 2024 (4 CN 2.23) gefasste Aussage, das Gesetz differenziere nicht zwischen vorprüfungspflichtigen und UVPpflichtigen Bebauungsplänen, auch im Anwendungsbereich des § 13a BauGB gilt (zu der Fragestellung vgl. Anmerkungen Decker vom 16.12.2024 und Lüttgau vom 20.9.2024, jeweils in juris; Külpmann in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand September 2024, § 10 Rn. 329; OVG SH, U.v. 9.6.2022 – 1 KN 22/17 – juris Rn. 49 wonach nicht bereits die Pflicht zur Durchführung einer allgemeinen Vorprüfung zum Ausschluss des beschleunigten Verfahrens führt).
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2.2. Fehlt es mithin an der Nachvollziehbarkeit des Ergebnisses der Vorprüfung, liegt ein beachtlicher Mangel vor (§ 214 Abs. 2a Nr. 4 BauGB), der zur Unzulässigkeit der Wahl des Verfahrens nach § 13a BauGB führt. Die Antragsgegnerin hat es – insoweit folgerichtig – unterlassen, eine Umweltprüfung im Sinn von § 2 Abs. 4 BauGB durchzuführen und nach § 2a Satz 2 Nr. 2 BauGB einen Umweltbericht zu erstellen, der als Teil der Begründung (§ 2a Satz 3 BauGB) nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB mit dem Entwurf öffentlich auszulegen und nach § 9 Abs. 8 BauGB der Begründung beizufügen ist (vgl. BVerwG, U.v. 18.7.2023 – 4 CN 3.22 – BVerwGE 179, 348). Der beachtliche Verfahrensfehler, den die Antragstellerinnen gemäß § 215 Abs. 1 Satz 2 BauGB innerhalb der Jahresfrist gerügt haben, führt zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
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Gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO muss die Antragsgegnerin die Ziffer I der Entscheidungsformel nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils in derselben Weise veröffentlichen wie die angefochtene Satzung (§ 10 Abs. 3 BauGB).