Inhalt

VGH München, Beschluss v. 03.03.2025 – 22 ZB 23.410
Titel:

Wirksamkeit eines öffentlich-rechtlichen Vertrags zur Entfernung von Material

Normenketten:
VwGO § 124a Abs. 4
BayVwVfG Art. 54, Art. 57, Art. 58, Art. 59, Art. 61
BGB § 125
Leitsätze:
1. Das Schriftformerfordernis bezieht sich grundsätzlich auf alle Vertragserklärungen der Vertragspartner (Vollständigkeitsprinzip) und erstreckt sich damit nicht nur auf die essentialia negotii, den Vertragsgegenstand und die wesentlichen Leistungspflichten, sondern auch auf sonstige Abreden; diese müssen im Vertragstext zumindest angedeutet sein. Rechte und Pflichten der Vertragsbeteiligten, welche dem Parteiwillen nach nicht aus dem öffentlich-rechtlichen Vertrag, sondern bereits aus einem "älteren" Bescheid folgen (sollen), sind dagegen vom Formerfordernis nicht umfasst. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Soweit (Dritt-)Eigentümerin – trotz möglicherweise bestehenden zivilrechtlichen Nutzungsrechten – ein der Beseitigungspflicht entgegenhaltbares Recht zusteht, wird dieses von einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung selbst nicht unmittelbar erfasst, sondern muss Gegenstand einer Duldungsanordnung sein. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Antrag auf Zulassung der Berufung, öffentlich-rechtlicher Vertrag (Vergleichsvertag) über Entfernung von auf einem Grundstück abgelagerten Materialien, öffentlich-rechtlicher Vertrag, Vergleichsvertrag, Bau- und Schuttstoff, Einzelhandelsunternehmen, Stilllegungsanordnung, Beseitigungsanordnung, Schriftformerfordernis, Nichtigkeit, Urkundeneinheit, Kündigungsrecht, Vollstreckungsklausel, Vertragsanpassung
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 05.12.2022 – M 28 K 20.3777
Fundstelle:
BeckRS 2025, 4271

Tenor

I. Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 5. Dezember 2022 – M 28 K 20.3777 – wird abgelehnt.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 90.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Beklagte begehrt die Zulassung der Berufung gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts München, mit welchem er aufgrund eines von ihm mit dem Landratsamt geschlossenen öffentlich-rechtlichen Vertrags zur Entfernung von auf seinem Grundstück gelagerten Material verurteilt wurde.
2
Der Beklagte, nach eigenen Angaben Inhaber eines Einzelunternehmens für Handel und Dienstleistung, lagert jedenfalls seit dem Jahr 2001 Bau- bzw. Betonschutt und Asphalt auf zwei aneinander angrenzenden Grundstücken, von welchen eines in seinem und das andere laut Beklagtenvortrag im Eigentum einer Erbengemeinschaft steht. Erstmals 2009 forderte das Landratsamt ihn auf, die auf beiden Grundstücken abgelagerten Stoffe zu beseitigen oder eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für das Lagern und Brechen von Bau- und Betonschutt zu beantragen. Mit Bescheid vom 26. September 2011 ordnete das Landratsamt eine Stillung der auf den Grundstücken befindlichen Anlage zur zeitweisen Lagerung von nicht gefährlichen Abfällen ab 20. Oktober 2011 an, soweit eine Gesamtkapazität vom 100 t überschritten wird (Nr. 1 des Bescheidtenors). Eine zugleich (Nr. 2 des Bescheidtenors) angeordnete Beseitigungsanordnung hob das Landratsamt im März 2012 auf. Anlass war ein vom Beklagten gegen den Bescheid angestrengtes Klageverfahren (M 1 K 11.5229), in dessen Rahmen das Verwaltungsgericht auf seine rechtlichen Bedenken im Hinblick auf die Beseitigungsanordnung hinwies. In Nr. 3 des Bescheids war zudem eine Duldungsanordnung gegenüber der Erbengemeinschaft betreffend die in Nrn. 1 und 3 des Bescheids vorgesehenen Maßnahmen verfügt, welche ebenfalls, soweit es die unter Nr. 2 des Bescheids angeordnete Beseitigung betraf, vom Kläger aufgehoben wurde. Das Verfahren M 1 K 11.5229 wurde anschließend aufgrund übereinstimmender Erledigterklärung und Klagerücknahme (im Übrigen) eingestellt.
3
Auf Basis der bestandskräftigen Stilllegungsanordnung (Nr. 1 des Bescheids) vom 26. September 2011 forderte das Landratsamt den Beklagten ab 2012 mehrfach zur Stilllegung bzw. Vorlage prüffähiger Antragsunterlagen auf. Am 22. Oktober 2013 erließ das Landratsamt daraufhin erneut einen Bescheid gegen den Beklagten, u.a. gerichtet auf Entfernung und Entsorgung der oberirdisch gelagerten Abfälle, soweit eine Gesamtlagerkapazität vom 100 t überschritten wird und die Abfälle einer luftrechtlich angeordneten Hindernisfreiheit entgegenstehen (Nr. 1 des Bescheids). Zudem wurden bestimmte Nachweispflichten betreffend die nach Entfernung gemäß Nr. 1 des Bescheids verbliebenden Materialien angeordnet (Nr. 2 des Bescheids). Auch dieser Bescheid wurde vom Landratsamt am 29. April 2014, soweit er den Beklagten betraf, aufgehoben, nachdem der Beklagte gegen ihn Klage erhoben (M 1 K 13.5405) und das Verwaltungsgericht im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 29. April 2014 auch insoweit auf rechtliche Bedenken hingewiesen hat. Diese Bedenken betrafen zum einen die Bestimmtheit der Nr. 1 des Bescheids. Zum anderen äußerte das Verwaltungsgericht Zweifel, ob der Anordnung in Nr. 2 des Bescheids anstatt der vom Landratsamt angeführten immissionsschutzrechtlichen (§ 4 der 9. BImSchV i.V.m. § 7 BImSchG) nicht die bodenschutzrechtliche Rechtsgrundlage des § 10 BBodSchG zugrunde zu legen gewesen wäre.
4
Mit Datum vom 18. bzw. 30. Mai 2016 schlossen die Beteiligten die verfahrensgegenständliche öffentlich-rechtliche Vereinbarung (im Folgenden: Vereinbarung). Unter Bezugnahme auf den Bescheid vom 26. September 2011 wird darin u.a. ausgeführt, dass die Vereinbarung zur Vermeidung einer Beseitigungsanordnung nach Abfall- bzw. Immissionsschutzrecht den vollständigen Abtransport des auf den verfahrensgegenständlichen Grundstücken abgelagerten Materials bis zum 31. Dezember 2018 regeln solle. Bis dahin dulde das Landratsamt, dass das abgelagerte Material abweichend vom Bescheid vom 26. September 2011 entfernt werde. Die Vereinbarung enthält zudem Regelungen zum zeitlich gestaffelten Abtransport, Dokumentationspflichten betreffend die Entsorgung und ein Kündigungsrecht zugunsten des Landratsamts bei Verstößen des Beklagten, von dessen Rechtsnachfolger oder eines der Grundstückseigentümer gegen Bestimmungen der Vereinbarung und sonstiger öffentlich-rechtlicher Vorschriften.
5
Nachdem das Landratsamt den Beklagten mit Schreiben vom 22. August 2017 darauf hinwies, dass die erste Verpflichtung zum (Teil-)Abtransport (Fristende 31.12.2016) nicht erfüllt worden sei, und eine Leistungsklage ankündigte, ließ der Beklagte erwidern, dass er die Vereinbarung als rechtswidrig erachte.
6
Auf die am 18. August 2020 durch den Kläger als Rechtsträger des Landratsamts erhobene Leistungsklage verurteilte das Verwaltungsgericht den Beklagten mit Urteil vom 5. Dezember 2022, innerhalb von drei Monaten ab Rechtskraft das auf den verfahrensgegenständlichen Grundstücken abgelagerte Material nach Maßgabe der öffentlich-rechtlichen Vereinbarung vom 18. / 30. Mai 2026 von den Grundstücken zu entfernen, dem Kläger die Maßnahmen zur Entfernung anzuzeigen sowie Art und Zusammensetzung des Materials, die Menge und den Zeitpunkt des Materials, die Menge und den Zeitpunkt des Abtransports und den Entsorgungsweg der Materialien zu dokumentieren und dem Kläger auf Aufforderung Einsicht in die Nachweise zu gewähren. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts stünden dem Kläger die geltend gemachten Ansprüche aus der öffentlich-rechtlichen Vereinbarung zu, die er auch zulässig in Form einer Leistungsklage durchsetzen könne.
7
Gegen das ihm am 31. Januar 2023 zugestellte Urteil beantragte der Beklagte am 14. Februar 2023 die Zulassung der Berufung. Als Zulassungsgründe macht er mit Schriftsatz vom 30. März 2023 ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und einen Verfahrensmangel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) geltend. Eine weitere Begründung des Zulassungsantrags erfolgte mit Schriftsätzen vom 22. November 2023, 25. Januar 2024, 26. Februar 2024, 2. Mai 2024 und 17. Juni 2024.
8
Der Kläger ist dem Antrag auf Zulassung der Berufung entgegengetreten.
9
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
10
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.
11
1. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen in der Antragsbegründung (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (dazu 1.1). Ebenso wenig wurden vom Beklagten eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO oder ein Verfahrensmangel i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO dargelegt (dazu 1.2 und 1.3).
12
1.1 Der Beklagte legt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils dar.
13
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen dann, wenn nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers gegen die Richtigkeit des Urteils gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (BVerfG, B.v. 7.10.2020 – 2 BvR 2426.17 – juris Rn. 34; BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – juris Rn. 9). Der Rechtsmittelführer muss konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 62 f.).
14
1.1.1 Der Beklagte legt keine ernstlichen Zweifel am Urteil dar, soweit das Verwaltungsgericht darin ausführt, die Vereinbarung wahre die Schriftform i.S.v. Art. 57 BayVwVfG und sei, weil sie keiner Zustimmung Dritter i.S.v. Art. 58 Abs. 1 BayVwVfG bedürfe, auch nicht (schwebend) unwirksam.
15
1.1.1.1 Das Verwaltungsgericht verneint einen zur Nichtigkeit nach Art. 59 Abs. 1 BayVwVfG i.V.m. § 125 Satz 1 BGB führenden Formverstoß (UA Rn. 37 ff.). Dem Schriftformzwang unterläge nur der Teil der Erklärungen, welcher Rechtswirkungen (Verpflichtungen) erzeuge, nicht aber Erläuterungen bzw. Unterlagen, die als bloßer Identifizierungsbehelf dienten. Der materielle Inhalt der streitgegenständlichen Vereinbarung lasse sich auch ohne Bezugnahme auf den ursprünglichen Bescheid des Klägers bestimmen. Die Bezugnahme in der Präambel sei daher keine wesentliche Vertragserklärung und der Bescheid vom 26. September 2011 habe daher nicht mit der Vertragsurkunde verbunden werden müssen. Darüber hinaus bedeute das Erfordernis der Urkundeneinheit nicht, dass ein bestehendes Vertragswerk wegen des Sachzusammenhangs der Verträge in einer einzelnen Urkunde zusammengefasst werden müsse (BVerwG, B.v. 18.1.2020 – 9 B 46.09 – juris Rn. 3). Insbesondere bestehe der vom Beklagten behauptete untrennbare Wirkzusammenhang zwischen der Duldungsverfügung im Bescheid vom 26. September 2011 und der Vereinbarung nicht, weil für die wesentlichen vereinbarten Leistungspflichten das Verhältnis zwischen Kläger und duldungsverpflichteten Dritten unerheblich sei. Die Rechtmäßigkeit einer Beseitigungsanordnung werde durch eine fehlende Duldungsanordnung nicht berührt; gleiches müsse auch für einen öffentlich-rechtlichen Vertrag gelten. Aus diesem Grund bedürfe die Vereinbarung auch keiner Zustimmung eines Dritten, weil gegenüber der Erbengemeinschaft als (laut Angabe des Beklagten) Grundstückseigentümerin kein Eingriff nach Art. 58 Abs. 1 BayVwVfG erfolge.
16
1.1.1.2 Der Beklagte trägt dagegen vor, das Verwaltungsgericht habe das Schriftformgebot des Art. 57 BayVwVfG verkannt. Die Vereinbarung sei gemäß Art. 59 Abs. 1 BayVwVfG nichtig. Sie nehme u.a. auf den Bescheid vom 26. September 2011 Bezug. Dieser und der Bescheid vom 22. Oktober 2013 würden das Leistungsprogramm mitbestimmen, seien aber mit der Vereinbarung nicht zu einer einheitlichen Vertragsurkunde verbunden worden. Der soweit ersichtlich nicht aufgehobene Bescheid vom 22. Oktober 2013 sei in der Vereinbarung nicht einmal erwähnt, obwohl er zusammen mit dieser zu einem widersprüchlichen Pflichtengeflecht führe. Die Vereinbarung ändere zudem implizit die im Bescheid vom 26. September 2011 enthaltene Stilllegungsverpflichtung. Die Vereinbarung und der Bescheid vom 26. September 2011 seien eng und unmittelbar rechtlich wie tatsächlich miteinander verknüpft, was auch die mittlerweile vom Landratsamt angedrohte Durchsetzung des Bescheids vom 26. September 2011 (Fälligstellung Zwangsgeld) zeige. Der Bescheid sei daher nicht bloßer Identifizierungsbehelf. Das auch im Rechtsstaatsprinzip verankerte Schriftformerfordernis diene der Warnung und Selbstdisziplinierung der Verwaltung. Ebenso hätte die erst später angefertigte Fotodokumentation (mit-)paraphiert werden müssen. Auch das in der Präambel angesprochene Aufmaß vom 26. September 2014 sei nicht Bestandteil der Vertragsurkunde.
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Da zwischenzeitlich erhebliche Teile des dokumentierten Materials verwertet oder umgruppiert worden seien, könne die „überschießende“ Tenorformel des erstinstanzlichen Urteils auch insoweit keinen Bestand haben. Sie sei mangels Bestimmtheit auch nicht vollstreckbar, da aus ihr bzw. aus der Bezugnahme auf eine überholte Fotodokumentation nicht klar werde, welche Materialien aus dem vormals abgelagerten stammen würden.
18
Das Verwaltungsgericht verkenne zudem, dass der öffentlich-rechtliche Vertrag wegen der fehlenden Zustimmung eines Dritten nach Art. 58 Abs. 1 BayVwVfG schwebend unwirksam sei. Die Klausel in der Präambel, der Beklagte sei für die erforderlichen privatrechtlichen Voraussetzungen für Abschluss und Durchführung der Vereinbarung verantwortlich, heile die fehlende Zustimmung nicht. Die Vereinbarung greife zudem in die Rechte, insbesondere das Eigentum Dritter ein, spätestens dann, wenn die Erfüllung der Vereinbarung verweigert würde. Die Beseitigungspflicht sei dem Beklagten deshalb unmöglich und entfalle gemäß § 275 BGB analog. Dass die Drittbetroffenen keine zu vernachlässigende Größe seien, ergebe sich auch aus dem Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 29. April 2014. Ohnehin habe das Landratsamt die Grundstücksverhältnisse und damit die unmittelbare Betroffenheit Dritter offensichtlich nie aufgeklärt; so sei zum Eigentum am Beklagtengrundstück ein Widerspruch der Erbengemeinschaft eingetragen gewesen. Zudem räume die Vereinbarung unter ihrer Ziffer V. den Eigentümern der streitgegenständlichen Flächen ein Kündigungsrecht für den Fall ein, dass der Beklagte seine Pflichten verletze. Die Klausel stelle auf eine Verletzung der Vereinbarung durch Grundstückseigentümer ab; eine Vertragsverletzung setze aber notwendigerweise eine Vertragsbindung voraus.
19
1.1.1.3 Mit diesem Vortrag begründet der Beklagte keine ernstlichen Zweifel.
20
Seinem Umfang nach bezieht sich das Schriftformerfordernis als Ausfluss seiner Klarstellungs-, Beweis- und Warnfunktion grundsätzlich auf alle Vertragserklärungen der Vertragspartner (Vollständigkeitsprinzip) und erstreckt sich damit nicht nur auf die essentialia negotii, den Vertragsgegenstand und die wesentlichen Leistungspflichten, sondern auch auf sonstige Abreden; diese müssen im Vertragstext zumindest angedeutet sein (vgl. dazu weiterführend Rozek in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand Juli 2024, § 57 VwVfG Rn. 2, 13 f.). Diese Anforderungen gelten aber – worauf das Verwaltungsgericht zutreffend hinweist – umgekehrt nur soweit, wie die Vertragspartner sich spezifisch durch die Vereinbarung gegenseitig (konstitutiv bzw. rechtsgestaltend) berechtigen und verpflichten (wollen). Rechte und Pflichten der Vertragsbeteiligten, welche dem Parteiwillen nach nicht aus dem öffentlich-rechtlichen Vertrag, sondern bereits aus einem „älteren“ Bescheid folgen (sollen), sind dagegen – da eben nicht vertraglich vereinbart – vom Formerfordernis des Art. 57 BayVwVfG nicht umfasst. Die Bescheide vom 26. September 2011 und vom 22. Oktober 2013 waren daher, soweit sie nicht bereits ohnehin vom Kläger aufgehoben wurden, kein notwendiger Bestandteil der Vertragsurkunde (Vereinbarung). Dies wird insbesondere durch die Präambel deutlich, welche dieses rechtliche „Zusammenwirken“ von Bescheid und Vereinbarung aufgreift und abgrenzt: Sie weist (vgl. 1. Absatz der Präambel) darauf hin, dass die angeordnete Stilllegung bereits unmittelbar aus dem bestandskräftigen Bescheid vom 16. September 2011 folgt und die Vereinbarung daher nur den vollständigen Abtransport (Entfernung der Materialien) zum Gegenstand hat (vgl. 2. Absatz der Präambel). Der insoweit – ohnehin unsubstantiierte und nicht nachvollziehbare – Hinweis des Beklagten auf ein „widersprüchliches“ Pflichtengeflecht führt zu keinem anderen Ergebnis. Der Bescheid vom 22. Oktober 2013 wurde, soweit er den Beklagten betroffen hat, vollständig aufgehoben und kann folglich schon deshalb keine (widersprüchlichen) Pflichten mehr auslösen. Davon abgesehen spielt zur Wahrung der Schriftform keine Rolle, inwieweit konstitutiv vereinbarte Pflichten älteren Bescheiden „widersprechen“, da Art. 57 BayVwVfG kein solches (inhaltliches) Korrektiv vorsieht. Ob und inwieweit der Bescheid vom 26. September 2011 „implizit geändert“ werde, ist daher im Hinblick auf Art. 57 BayVwVfG ebenso irrelevant. Und schließlich sind auch die Fotodokumentation und das Aufmaß nicht vom Schriftformerfordernis erfasst. Der Beklagte hat sich in der Vereinbarung zur vollständigen Entfernung des gelagerten Materials verpflichtet. Das Aufmaß und die noch zu erstellende Fotodokumentation sind diesbezüglich keine vereinbarten Gegenleistungen des Klägers, sondern sollen allein der Umsetzbarkeit und zur Beweiserleichterung betreffend diese Beklagtenpflicht dienen. Der Umfang der vom Beklagten vereinbarten Leistungspflicht – nämlich der Abtransport sämtlichen abgelagerten Materials bis zum 31. Dezember 2018 – lässt sich (wie das Verwaltungsgericht ausführt) auch ohne Aufriss und Fotodokumentation bereits der Vereinbarung selbst entnehmen (vgl. dazu ergänzend 1.1.3.1).
21
Daher führt auch die in diesem Zusammenhang formulierte Behauptung einer „überschießenden“ oder „unbestimmten“ Tenorformel des erstinstanzlichen Urteils nicht zu ernstlichen Zweifeln an diesem. Der Beklagte schuldet laut Vereinbarung die vollständige Entfernung der abgelagerten Materialien; soweit und solange er dieser Verpflichtung nicht vollständig nachgekommen ist, ist diese weder erloschen noch anderweitig erledigt und daher auch korrekt im Urteilstenor wiedergegeben. Insbesondere ist die Urteilsformel auch nicht deswegen „unbestimmt“, weil der Kläger laut eigenem Vortrag einerseits schon Material verwertet bzw. umgruppiert, andererseits aber auch weiteres Material – entgegen der bestandskräftigen Stilllegungsverfügung in Nr. 1 des Bescheids vom 26. September 2011 – abgelagert oder mit dem ursprünglichen Material „vermischt“ hat. Durch solch ein Verhalten vermag er eine ihm obliegende Pflicht zur Beseitigung des im Zeitpunkt des Abschlusses der öffentlich-rechtlichen Vereinbarung auf den Grundstücken gelagerten Materials nicht zu vereiteln. Es ist schlicht das eigene Risiko des Beklagten, wenn er sich selbst die Erfüllung von vertraglich verbindlich vereinbarten Pflichten – zumal wiederum durch Verstoß gegen die Vereinbarung (vgl. deren Ziffer II.1., wonach zusätzliches Material nicht angeliefert bzw. ab- oder zwischengelagert werden darf) – erschwert; rechtlich folgt daraus keine Einwendung oder Einrede, zumal die Entfernung nicht unmöglich ist.
22
Die Vereinbarung ist schließlich auch nicht schwebend unwirksam nach Art. 58 Abs. 1 BayVwVfG, weil sie bzw. ihre Umsetzung nicht die Rechtsposition eines Dritten unmittelbar verändert, d. h. verschlechtert, vermindert oder beeinträchtigt (vgl. dazu Rozek in Schoch/Schneider § 58 VwVfG Rn. 25). Die vereinbarte Pflicht zur Entfernung des abgelagerten Materials betrifft allein den Beklagten und greift daher unmittelbar bzw. rechtsgestaltend ausschließlich in dessen Rechte ein. Soweit der Erbengemeinschaft als (Dritt-)Eigentümerin – trotz möglicherweise bestehenden zivilrechtlichen Nutzungsrechten zugunsten des Beklagten – noch ein der Materialentfernung entgegenhaltbares Recht zustehen sollte, wird dieses von der Vereinbarung selbst nicht unmittelbar erfasst bzw. geregelt, sondern wäre allenfalls Gegenstand einer (erneuten) Duldungsanordnung (vgl. Fehling in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 58 VwVfG, Rn. 21 m.w.N.). Erst eine solche würde unmittelbar in die Rechte der Erbengemeinschaft eingreifen. Der Beklagte setzt sich insoweit zudem nicht substantiiert und den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügend mit dem Hinweis des Verwaltungsgerichts auseinander, dass die Rechtmäßigkeit einer Beseitigungsanordnung von einer möglicherweise fehlenden Duldungsanordnung unberührt bleibt (UA Rn. 41; vgl. dazu ergänzend 1.1.2.3). Erst recht ist daher die Beseitigungspflicht nicht nach § 275 BGB analog erloschen. Soweit der Beklagte nicht schon aufgrund bestehender zivilrechtlicher Nutzungsrechte zur Entfernung auf dem in Dritteigentum stehenden Grundstück berechtigt ist (s.o.), ist ihm die Entfernung spätestens mit einer Duldungsverfügung rechtlich (und tatsächlich) möglich. Dass der Beklagte in Ziffer V. der Vereinbarung ein Kündigungsrecht zugunsten der Erbengemeinschaft erkennen will, ist angesichts des klaren Wortlauts („Das Landratsamt ist berechtigt […]“) unzutreffend und nicht nachvollziehbar. Allein dass das Kündigungsrecht (auch) vom Verhalten Dritter (insbesondere der Erbengemeinschaft) abhängig gemacht wird, führt zudem nicht dazu, dass deren Rechtsposition von der Vereinbarung unmittelbar berührt ist.
23
1.1.2 Auch die Richtigkeit der Feststellung des Verwaltungsgerichts, die Vereinbarung sei materiell wirksam, vermag der Beklagte mit seinen Darlegungen nicht ernstlich in Zweifel zu ziehen.
24
1.1.2.1 Das Verwaltungsgericht ordnet die vorliegende Vereinbarung als Vergleichsvertrag ein. Dessen Zielsetzung sei es gewesen, die bekannte und fortwährende Ungewissheit des illegalen Lagerplatzes bzw. bestehende rechtliche Unsicherheiten – etwa bzgl. der einschlägigen Rechtsgrundlage – durch gegenseitiges Nachgeben zu beseitigen (UA Rn. 43 ff.). Der Beklagte habe sich zur Beseitigung der gesamten abgelagerten Materialien verpflichtet; im Gegenzug sei ihm vom Landratsamt (als Behörde des Klägers) eine zeitweise Duldung gewährt worden. Ein Nichtigkeitsgrund, insbesondere nach Art. 59 Abs. 2 Nr. 3 BayVwVfG, sei daher nicht ersichtlich. Es würde gerade der Natur eines öffentlich-rechtlichen Vertrags widersprechen, für jegliche Inhalte, vorliegend für eine exklusive Verpflichtung zum Abtransport (ohne Vorrang der Verwertung), eine gesetzliche Ermächtigung zu fordern. Daher sei auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht verletzt, soweit sich der Beklagte verpflichtet habe, Materialien abzutransportieren, statt sie verwerten zu können.
25
1.1.2.2 Der Beklagte trägt dazu vor, das unter Ziffer V. vereinbarte Kündigungsrecht unterstreiche, dass ein öffentlich-rechtlicher Vertrag vorliegend eine unzulässige Handlungsform sei und nicht Grundlage einer Beseitigungsklage sein könne. So habe der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (U.v. 28.10.1996 – 14 B 94.1294 – BayVBl 1997, 596 = BeckRS 1996, 10834) festgestellt, dass der öffentlich-rechtliche Vertrag einen grundsätzlich vollstreckungsfähigen Titel darstellen müsse, so dass es einer zusätzlichen Duldungsanordnung nicht bedürfe. Hier sei der Vertrag aber wegen des Kündigungsrechts disponiert; ebenso fehle eine Vollstreckungsunterwerfungsklausel.
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Die verfahrensgegenständliche Vereinbarung sei zudem nichtig nach Art. 59 Abs. 2 Nr. 3 BayVwVfG. Die vom Verwaltungsgericht angenommene rechtliche Unsicherheit bzgl. der Rechtsgrundlage für eine Beseitigungsanordnung bestünde nicht. Ebenso wenig sei eine Unsicherheit in tatsächlicher Hinsicht gegeben. Die vom Beklagten vorgelegten Beprobungsergebnisse vom 2. Oktober 2022 zeigten, dass es keine tatsächliche Unsicherheit über die angebliche Gefährlichkeit des Materials gebe. Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag könne aber nicht die fehlende Bereitschaft einer Behörde absichern, die Sach- und Rechtslage ordnungsgemäß aufzuklären. Eine solche Aufklärung gebiete bereits der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, zumal mit einer Beseitigung erhebliche Kosten verbunden seien. Die Durchsetzung der Beseitigungspflichten nach mehr als 23 Jahren andauernder gefährdungsfreier Ablagerung verstoße gegen Treu und Glauben.
27
Daher sei auch das Tatbestandsmerkmal „gegenseitiges Nachgeben“ nicht erfüllt. Denn die Beteiligten dürften sich aus Anlass einer Rechtsungewissheit keine gesetzeswidrigen Leistungen versprechen, welche mit der beizulegenden Unsicherheit nichts zu tun hätten (BVerwG, U.v. 14.11.1975 – IV C 84.73 – NJW 1976, 686; U.v. 3.3.1995 – 8 C 32.93 – NJW 1996, 608).
28
1.1.2.3 Diese Darlegungen begründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils.
29
Der Wirksamkeit der Vereinbarung steht nicht entgegen, dass sie keine Vollstreckungsklausel enthält. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Art. 61 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG, der jedem Vertragsschließenden die Möglichkeit („kann“) einer sofortigen Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung einräumt, dies aber nicht als zwingende Voraussetzung formuliert (kein „muss“). Dass das in Ziffer V. vereinbarte Kündigungsrecht zugunsten des Landratsamts der Vereinbarung entgegenstehen soll, ist – auch mangels substantiierter Darlegungen – nicht nachvollziehbar. So sieht das Gesetz selbst in Art. 60 Abs. 1 Satz 1 und 2 BayVwVfG ein außerordentliches gesetzliches Kündigungsrecht vor und schließt an keiner Stelle darüber hinausgehende, vertraglich vereinbarte Kündigungsrechte aus. Auch dass die Vereinbarung eine etwaige Duldung der Beseitigung durch Dritte (vorliegend die Erbengemeinschaft bzw. deren Rechtsnachfolger) umfassen müsste, lässt sich den einschlägigen gesetzlichen Regelungen in Art. 54 ff. BayVwVfG nicht entnehmen. Soweit der Beklagte hierzu das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Oktober1996 (Az. 14 B 94.1294 – BayVBl. 1997, 596 = BeckRS 1996, 10834) bemüht, ist dies schon deshalb unbehelflich, weil dem Urteil ein öffentlich-rechtlicher Vertag zugrunde lag, in welchem sich der Grundstückseigentümer zur Beseitigung von ausschließlich auf seinem eigenen Grundstück befindlichen baulichen Anlagen verpflichtete. Die Frage einer etwaigen Duldung der Beseitigung durch Dritte war nicht Gegenstand des Urteils. Daraus, dass sich in dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Vertrag der Beseitigungspflichtige der sofortigen Vollstreckung unterworfen hat, kann auch nicht geschlossen werden, dass ein Vertrag ohne eine solche Regelung nicht zulässig wäre. Dem stehen Wortlaut und Systematik des Art. 61 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG entgegen (vgl. oben).
30
Auch an den Feststellungen des Verwaltungsgerichts zu Art. 59 Abs. 2 Nr. 3 BayVwVfG begründet der – weitgehend nicht den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügende – Vortrag des Beklagten keine ernstlichen Zweifel.
31
Der Beklagte bestreitet pauschal die vom Verwaltungsgericht (in Bezug auf die Rechtsgrundlage für die Beseitigungsanordnung) angenommene rechtliche Unsicherheit, ohne sich konkret mit den diesbezüglichen erstinstanzlichen Ausführungen auseinanderzusetzen. Insbesondere auf die zutreffenden Hinweise im Urteil auf die im Rahmen der Anfechtungsklagen gegen die Beseitigungsanordnungen gerichtlich geäußerten Zweifel (UA Rn. 50 ff.) geht er nicht substantiiert ein. Die im Zulassungsverfahren vorgelegten Erprobungsergebnisse vom 2. Oktober 2022 ändern daran nichts, weil sie erst nach Vertragsschluss und damit nach dem insoweit gemäß Art. 59 Abs. 2 Nr. 3 BayVwVfG maßgeblichen Zeitpunkt vorgelegt wurden. Zudem betreffen die Beprobungen – unabhängig von der Frage, ob sie methodisch einwandfrei gewonnen wurden und gerichtlich vollumfänglich verwertbar sind (vgl. dazu die Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamts Weilheim vom 14.11.2022, Anlage 1 zum erstinstanzlichen Schriftsatz des Landratsamts vom 17.11.2022) – allenfalls einen Teilaspekt (nämlich die Gefährlichkeit der gelagerten Materialien) der Abgrenzung, welche Rechtsgrundlage einschlägig sein könnte. Die Vereinbarung wurde – auch vom Beklagten als Vertragspartei – getroffen, um angesichts Unsicherheiten hinsichtlich der Rechtsgrundlage und zur Vermeidung weiterer Rechtsstreitigkeiten (und dafür erforderlicher „Aufklärungen der Sach- und Rechtslage“) den Abtransport der Materialen zu gewährleisten. Eine weitere Aufklärung gebietet der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz daher gerade nicht; im Gegenteil wäre dies vertragswidrig und möglicherweise auch unverhältnismäßig. Denn die Kosten für derartige weitere Aufklärungsmaßnahmen müssten allgemeinen Kostengrundsätzen folgend dem Beklagten als Verursacher bzw. Veranlasser der Materialablagerungen auferlegt werden. Das gilt auch für die Kosten, welche mit der Beseitigung verbunden sind.
32
Zudem verstößt nicht der Kläger gegen „Treu und Glauben“, wenn er die Durchsetzung der Beseitigung auch „nach mehr als 23 Jahren“ betreibt. Vielmehr verstößt der Beklagte seit Ende 2016 (dem Ablauf der ersten Frist zum Teilabtransport) gegen die Vereinbarung wie auch – nach eigenen Angaben u.a. in diesem Zulassungsverfahren – gegen die seit 13. März 2012 bestandskräftige Stilllegungsanordnung vom 26. September 2011. Eine Verwirkung bzw. ein dafür notwendiger Vertrauenstatbestand – der Beklagte müsste aufgrund des Verhaltens des Klägers darauf vertraut haben, dass dieser nicht mehr auf einer Beseitigung des gelagerten Materials besteht – ist angesichts dieser Umstände und auch des kontinuierlichen Vorgehens des Landratsamts (schon seit dem Schreiben vom 9.10.2009) gegen die Ablagerung nicht gegeben (vgl. dazu ausführlich BayVGH, U.v. 31.7.2020 – 15 B 19.832 – juris Rn. 23 ff. m.w.N.).
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Auch scheitert die Vereinbarung nicht am Erfordernis des „gegenseitigen Nachgebens“ nach Art. 59 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. Art. 55 BayVwVfG. Denn der Abtransport des (ohne Genehmigung gelagerten) Materials ist keine gesetzeswidrige Leistung. Der Beklagte hat sich zudem gerade im Bewusstsein der (in der Präambel angesprochenen) Stilllegungsanordnung und der bestehenden Unsicherheit betreffend u.a. die Rechtsgrundlage dazu verpflichtet. Im Gegenzug hat das Landratsamt eine zeitlich gestaffelte Beseitigung der Materialien akzeptiert (vgl. zu einer ähnlichen Konstellation auch das vom Beklagten zitierte Urteil des BayVGH vom 28. 10.1996 – 14 B 94.1294 – BayVBl. 1997, 596 = BeckRS 1996, 10834).
34
1.1.3 Der Beklagte legt weiter keine ernstlichen Zweifel am Urteil dar, soweit das Verwaltungsgericht die Pflicht des Beklagten zur Entfernung des Materials durch Abtransport feststellt (UA Rn. 60 ff.) und eine Pflicht des Klägers zur Vertragsanpassung ablehnt (UA Rn. 65 ff.)
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1.1.3.1 Dem Verwaltungsgericht zufolge ist Ziffer II.4. der Vereinbarung bei einer Gesamtschau der vertraglichen Verpflichtungen so zu verstehen, dass sie ein Verbringen des Materials vom Grundstück meine, ohne eine konkrete Regelung zur anschließenden Entsorgung durch Verwertung oder Beseitigung zu enthalten. In Zusammenschau mit den Bescheiden vom 26. September 2011 und vom 22. Oktober 2013 sei stets die „Entfernung und Entsorgung“ angeordnet gewesen. Auch in der Präambel und den Ziffern I., II.4. und III.2. der Vereinbarung komme dies zum Ausdruck. Dem Beklagten sei so bekannt gewesen, dass die genehmigungsfreie Lagerung auf den streitgegenständlichen Grundstücken nicht mehr gebilligt gewesen sei. Die von ihm dagegen angeführte Ziffer II.2. habe nur vor Augen gehabt, einen unerlaubten Umgang mit den Materialien nach deren Entfernung zu vermeiden.
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Eine Pflicht zur Vertragsanpassung bestehe nicht, soweit – so aber der erstinstanzliche Vortrag des Beklagten – das Landratsamt eine Genehmigungspflicht für eine Brecheranlage und die Einstellung der Verwertung vom Beklagten gefordert und den Fortgang der Lagerplatzbereinigung so verzögert habe. Denn das Landratsamt habe den Beklagten bereits am 9. Oktober 2009 auf die Genehmigungspflicht hingewiesen, weshalb es an einer erheblichen Änderung der Umstände fehle. Ebenso habe der Beklagte kein konkretes Anpassungsangebot gemacht, was aber nach Art. 60 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG Voraussetzung sei.
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1.1.3.2 Der Beklagte meint dagegen, das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass nach der Vereinbarung ein vollständiger Abtransport verlangt werden könne; ohnehin sei dort unter Ziffer II.4. nur von Entfernung die Rede. Der Beklagte könne das Material mit Hilfe einer Brechermaschine auch sinnvoll auf den Grundstücken selbst verwerten und habe sich daher zwischenzeitlich für eine genehmigungsfreie, wenn auch zeitlich länger dauernde Verwertung entschieden, zumal sich die technischen Möglichkeiten weiterentwickelt hätten. Das Landratsamt habe ihm rechtswidrig den Einsatz eines Brechers vor Ort untersagt. Er habe das auf den Grundstücken abgelagerte, nachgewiesen nicht gefährliche Material inzwischen auch erheblich reduziert; die Verhältnisse hätten sich daher i.S.v. Art. 60 BayVwVfG in rechtlich relevanter Weise geändert. Es bestehe eine Verpflichtung des Klägers zur Vertragsanpassung; ein Genehmigungsantrag vom 4. Januar 2024 für ein flächenbasiertes Verwertungskonzept liege vor.
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1.1.3.3 Ernstliche Zweifel am Urteil bestehen auch bei Berücksichtigung dieser Darlegungen nicht.
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Das Verwaltungsgericht hat zutreffend anhand einer Gesamtschau und Auslegung der Vereinbarung die Pflicht des Beklagten zur vollständigen Beseitigung und zum Abtransport der abgelagerten Materialen festgestellt. Der Wortlaut der Vereinbarung („zur Vermeidung einer Beseitigungsanordnung“, „vollständiger Abtransport“) lässt aus Sicht des maßgeblichen objektiven Empfängerhorizonts keine andere Auslegung zu. Diese vertraglich verbindlich geregelte Pflicht kann der Beklagte nicht einseitig durch eine „Entscheidung für eine andere Art der Verwertung“ o.ä. abbedingen; er schuldet den vollständigen Abtransport der Materialien.
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Der Kläger ist auch nicht zu einer Vertragsanpassung nach Art. 60 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG verpflichtet. Voraussetzung dafür wäre, dass sich die Verhältnisse tatsächlich oder rechtlich maßgeblich geändert hätten. Dies ist nicht der Fall. Soweit der Beklagte die gelagerten Materialien schon reduziert hat, liegt darin, soweit diese abtransportiert wurden, schlicht die (Teil-)Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtung. Der unsubstantiierte Hinweis auf „weiterentwickelte technische Möglichkeiten“ führt nicht weiter, zumal er sich (wohl) auf eine Verwertung mittels der Brechermaschine bezieht, welcher aber gerade die bestandskräftige Stilllegungsanordnung vom 26. September 2011 entgegensteht. Die technischen Möglichkeiten des geschuldeten Abtransports (beispielsweise mit Lastkraftwagen) dürften sich allenfalls unwesentlich geändert haben. Ebenso folgt aus dem Genehmigungsantrag vom 4. Januar 2024 kein Recht auf Vertragsanpassung, weil sich allein durch die Antragstellung die Verhältnisse noch nicht wesentlich geändert haben. Wenn überhaupt, dann könnte – je nach Ausgestaltung – allenfalls eine erteilte Genehmigung oder ein offensichtlicher Anspruch auf Genehmigungserteilung zu einer wesentlichen Änderung führen. Dafür ist aber auf Grundlage der Darlegungen nichts ersichtlich. Die im Zulassungsverfahren zum Antrag vorgelegten Unterlagen bestehen nur aus einem Erläuterungsbericht. Zudem weist der Kläger in seinem Schriftsatz vom 27. März 2024 – vom Beklagten unwidersprochen – darauf hin, dass die bisher vom Beklagten insoweit eingereichten Unterlagen keinesfalls einem den Anforderungen der 9. BImSchV genügenden vollständigen Genehmigungsantrag entsprechen. Allein deshalb fehlt es, abgesehen von den vom Kläger angeführten materiell-rechtlichen Fragestellungen (etwa Bereichsqualität i.S.v. § 35 BauGB, Gefahr für mineralische Dichtigkeitsschicht der umgelagerten Altdeponie), schon an einer offensichtlichen Genehmigungsfähigkeit (vgl. dazu auch BayVGH, B.v. 28.7.2021 – 9 CS 21.1408 – juris Rn. 13 m.w.N.).
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1.1.4 Erstmals mit Schriftsatz vom 26. Februar 2024 lässt der Beklagte im Zulassungsverfahren zudem vortragen, durch die Unwirksamkeit des auch die verfahrensgegenständlichen Grundstücke betreffenden Bebauungsplans Nr. 72 vom 22. Juli 2013 liege ein faktisches Gewerbegebiet i.S.v. § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 8 BauNVO vor, in dem u.a. auch Lagerplätze zulässig seien.
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Dieser in der Sache „neue“ und nicht bloß vertiefende Vortrag ist nicht innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO erfolgt und damit ausgeschlossen. Insbesondere handelt es sich auch nicht um sich innerhalb der zweimonatigen Begründungsfrist abzeichnende und erst nach deren Ablauf („neu“) entstandene Tatsachen, so dass sich die Frage, ob und in welchem Umfang solche im Zulassungsverfahren zu berücksichtigen wären, vorliegend nicht stellt (vgl. dazu bspw. BayVGH, B.v. 27.2.2008 – 10 ZB 07.1644 – juris Rn. 8, B.v. 22.10.2015 – 22 ZB 15.1584 – juris Rn. 15, Happ in Eyermann, VwGO, § 124a Rn. 22). Denn der Bebauungsplan wurde bereits mit Urteil vom 10. November 2020 (- 1 N 17.333 – BayVBl 2021, 451) für unwirksam erklärt. Sich daraus ergebende Folgen wurden zudem bereits erstinstanzlich – auch vom Beklagten – diskutiert (vgl. Schriftsatz des damaligen Beklagtenbevollmächtigten vom 25.11.2022). Gleiches gilt für das – im Übrigen auch unsubstantiierte und nicht nachvollziehbare – vorsorgliche Bestreiten, dass das Landratsamt bei Abschluss der öffentlich-rechtlichen Vereinbarung wirksam vertreten worden sei, (erstmals) im Schriftsatz vom 17. Juni 2024.
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1.2 Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
44
Grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO kommt einer Rechtssache zu, wenn eine Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich (Klärungsfähigkeit), bislang höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärt und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist; die Frage muss ferner im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer berufungsgerichtlichen Klärung zugänglich sein und dieser Klärung auch bedürfen (Klärungsbedürftigkeit, vgl. BVerwG, B.v. 16.11.2010 – 6 B 58.10 – juris Rn. 3).
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Der Beklagte trägt insoweit vor, dass die Anforderungen an das Schriftformerfordernis des öffentlich-rechtlichen Vertrages nicht abschließend geklärt seien. Es gebe keine obergerichtliche Rechtsprechung zu den Anforderungen bei der Herstellung der Ausgangsurkunde für die Einbeziehung von inhaltsrelevanten Dokumenten.
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Abgesehen davon, dass es bereits an der Formulierung einer konkreten Rechts- oder Tatsachenfrage fehlt (vgl. dazu BayVGH, B.v. 20.3.2024 – 9 ZB 21.2531 – juris Rn. 25 m.w.N.; B.v. 4.10.2024 – 9 ZB 23.1102 – juris Rn. 19), folgt aus diesem Vortrag keine grundsätzliche Bedeutung. Die Anforderungen an die Schriftform sind ober- und höchstrichterlich geklärt (und wurden vom Verwaltungsgericht auch so herangezogen, s.o. unter 1.1.1.3 sowie bspw. OVG NW, B.v. 12.10.2016 – 1 MN 73/16 Rn. 72; BGH, U.v. 30.6.1999 – XII ZR 55/97 – juris Rn. 30, jeweils m.w.N.). Deren Anwendung auf den vorliegenden Sachverhalt ist eine Einzelfallentscheidung, die anhand sämtlicher Umstände des konkreten Falles zu treffen ist und daher keine Bedeutung über diesen hinaus hat.
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1.3. Der Beklagte legt schließlich keinen Verfahrensfehler i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO dar.
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Der Beklagte meint, aus der Unvollständigkeit der Vereinbarung und der Fehlinterpretation des Zustimmungserfordernisses folge ein gravierender Verfahrensmangel. Denn das Verwaltungsgericht habe es versäumt, die Dritten durch eine notwendige Beiladung i.S.v. § 65 Abs. 2 VwGO am Verfahren zu beteiligen. Eine etwaige Entfernungspflicht könne nur einheitlich für alle Störer entschieden werden, selbst wenn der Beklagte nach der Vereinbarung möglicherweise vorrangig haften würde. Sollte die Klageforderung bestätigt werden, würde dies die Zwangsgeldoption nach Ziffer 5 des Bescheids vom 25. September 2011 auslösen, mit der Folge, dass das Zwangsgeld auch gegenüber Mitgliedern der Erbengemeinschaft festgesetzt werden könnte.
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Erstmals mit Schriftsatz vom 22. November 2023 wird vorgetragen, dass das rechtliche Gehör des Beklagten verletzt worden sei, soweit das Verwaltungsgericht ein umfängliches Schreiben eines Architekturbüros zu den Akten genommen habe, welches dieses im Auftrag von nicht am Verfahren beteiligten Dritten (Nachbarn) an das Verwaltungsgericht übersandt habe.
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Der Beklagte legt insoweit keinen Verfahrensmangel dar. Unabhängig davon, ob der Beklagte eine unterlassene Beiladung mangels materieller Beschwer vorliegend überhaupt rügen kann (vgl. dazu BayVGH, B.v. 14.7.2021 – 19 ZB 21.719 – juris Rn. 20), lagen die Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung i.S.v. § 65 Abs. 2 VwGO nicht vor. Wie schon erläutert, betreffen die in der Vereinbarung unmittelbar bzw. rechtsgestaltend geregelten Rechte und Pflichten ausschließlich den Kläger und den Beklagten (vgl. 1.1.1.3); die Erbengemeinschaft (und auch sonstige Dritte) sind an der Vereinbarung nicht dergestalt beteiligt, dass das darauf basierende Urteil auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen konnte.
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Ebenso wenig ist eine Verletzung des rechtlichen Gehörs dargelegt oder ersichtlich. Der Anspruch auf rechtliches Gehör fordert, dass das erkennende Gericht die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis nimmt und in Erwägung zieht. Maßgegend für diese Pflichten des Gerichts ist der Gedanke, dass der Verfahrensbeteiligte Gelegenheit haben muss, durch einen sachlich fundierten Vortrag die Willensbildung des Gerichts zu beeinflussen (vgl. dazu grundlegend BVerfG, B.v. 6.8.2002 – 2 BvR 2357/00 – juris Rn. 29). Das vom Beklagten angeführte, von einem Architekturbüro im Auftrag von Nachbarn verfasste Schreiben nebst Anlagen wurde den Beteiligten laut richterlicher Verfügung vom 8. April 2021 in Kopie übersandt. Der Beklagte hatte ausreichend Gelegenheit, sich hierzu zu äußern und sich folglich rechtliches Gehör zu verschaffen.
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Abgesehen davon erfolgte der Vortrag nicht innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO und legt zudem nicht dar, dass das Urteil auf dem Schreiben oder aus einem daraus resultierenden Verfahrensfehler i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO beruht.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 2.4.1 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (wie Vorinstanz).
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.