Inhalt

VGH München, Beschluss v. 25.02.2025 – 1 CS 25.227
Titel:

Zustellung eines Verwaltungsakts an den Beteiligten selbst

Normenkette:
BayVwZVG Art. 8 Abs. 1 S. 1, S. 2
Leitsatz:
Nach Art. 8 Abs. 1 S. 2 BayVwZVG sind Zustellungen nur dann zwingend an den allgemein oder für bestimmte Angelegenheiten bestellten Bevollmächtigten zu richten, wenn er schriftliche Vollmacht vorgelegt hat. Wurde ein solche nicht vorgelegt, kann die Behörde entweder an den Beteiligten selbst oder stattdessen gem. Art. 8 Abs. 1 S. 1 BayVwZVG ausschließlich an dessen Bevollmächtigten oder an beide zustellen; ihr steht insofern ein Ermessen zu. Die fehlende Aufforderung der Behörde, eine ihr gegenüber bislang lediglich anwaltlich versicherte und noch nicht durch Vorlage einer schriftlichen Vollmacht nachgewiesene Bevollmächtigung entsprechend zu belegen, schränkt die Zustellungsoptionen der Behörde nicht ein. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Zustellung eines Verwaltungsakts an den Beteiligten selbst, anwaltliche Versicherung ordnungsgemäßer Bevollmächtigung, keine Vorlage schriftlicher Vollmacht, Zustellung, Vollmacht, anwaltliche Versicherung
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 22.01.2025 – M 1 S 25.160
Fundstelle:
BeckRS 2025, 4269

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,-- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich im Wege des Eilrechtsschutzes gegen eine sofort vollziehbare Anordnung der Durchführung von Sicherungsmaßnahmen an einem Gebäude auf dem Grundstück FlNr. …, Gemarkung B. …, sowie eine gleichzeitig erlassene Zwangsgeldandrohung.
2
Mit Schreiben vom 31. Oktober 2024 informierte das Landratsamt den Antragsteller über Mängel an dem Gebäude, forderte zu deren Beseitigung auf und hörte ihn gleichzeitig zu einer eventuellen förmlichen Anordnung der Mängelbeseitigung unter Androhung von Zwangsmitteln an.
3
Mit per E-Mail übermittelten Schreiben vom 12. November 2024 und vom 26. November 2024 nahm die Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers „unter Versicherung ordnungsgemäßer Bevollmächtigung“ Stellung.
4
Mit Bescheid vom 2. Dezember 2024 verpflichtete das Landratsamt den Antragsteller, die mit Schreiben vom 31. Oktober 2024 mitgeteilten, nochmals konkret bezeichneten Mängel unverzüglich, spätestens einen Monat nach Bekanntgabe des Bescheides zu beheben und die Mängelbehebung dem Landratsamt anzuzeigen (Ziffer 1), und ordnete die sofortige Vollziehung der Ziffer 1 an (Ziffer 2). Für den Fall der nichtfristgerechten Erfüllung der unter Ziffer 1 konkret benannten Verpflichtungen wurden unter Ziffer 3 Zwangsgelder angedroht. Der Bescheid wurde dem Antragsteller persönlich durch die Post mit Zustellungsurkunde vom 6. Dezember 2024 zugestellt.
5
Mit Schriftsatz vom 8. Januar 2025, eingegangen am 9. Januar 2025, erhob der Antragsteller durch seine Verfahrensbevollmächtigte Klage gegen den Bescheid vom 2. Dezember 2024 (M 1 K 25.144) und beantragte gleichzeitig die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Bescheids bis zur Vorlage einer rechtskräftigen Entscheidung.
6
Mit Beschluss vom 22. Januar 2025 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz wegen nicht fristgerechter Erhebung der Klage gegen den Bescheid vom 2. Dezember 2024 ab.
7
Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter.
8
Der Antragsgegner beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.
9
Ergänzend wird auf die Gerichtsakten und die übermittelte Behördenakte Bezug genommen.
II.
10
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
11
Die dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung oder Aufhebung der angegriffenen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Ziffer 1 des Bescheids vom 2. Dezember 2024 sowie auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Ziffer 3 des Bescheids vom 2. Dezember 2024 zu Recht abgelehnt, weil die Klage nicht fristgerecht erhoben wurde und eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht kommt. Infolge der eingetretenen Bestandskraft des Verwaltungsakts, um dessen Vollziehung es geht, ist für eine Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines an sich statthaften Rechtsbehelfs kein Raum mehr und ein darauf gerichteter Antrag nicht mehr zulässig (vgl. BVerwG, B.v. 31.7.2006 – 9 VR 11.06 – DVBl 2006, 1319; BayVGH, B.v. 12.10.2020 – 6 CS 20.2203 – juris Rn. 9). Der Senat nimmt deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug. Im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen wird ergänzend auf Folgendes hingewiesen:
12
Nach dem eindeutigen Wortlaut von Art. 8 Abs. 1 Satz 2 VwZVG sind Zustellungen nur dann zwingend an den allgemein oder für bestimmte Angelegenheiten bestellten Bevollmächtigten zu richten, wenn er schriftliche Vollmacht vorgelegt hat. Wurde ein solche nicht vorgelegt, kann die Behörde entweder an den Beteiligten selbst oder stattdessen gemäß Art. 8 Abs. 1 Satz 1 VwZVG ausschließlich an dessen Bevollmächtigten oder an beide zustellen; ihr steht insofern ein Ermessen zu (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2012 – 22 ZB 12.815 – juris Rn. 8; B.v. 23.2.2011 – 8 AS 20.40014 – BayVBl 2021, 382; B.v. 10.6.2005 – 10 C 05.681 – juris Rn. 4 f.). Entgegen den Ausführungen in der Beschwerdebegründung liegt der vorliegende Fall nicht so, dass eine Bevollmächtigung – in der in Art. 8 Abs. 1 Satz 2 VwZVG vorgesehenen Form – nachgewiesen und von der Behörde nicht beanstandet wurde. Vielmehr hat die Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers in ihren per E-Mail übermittelten Schreiben vom 12. und 26. November 2024 ihre ordnungsgemäße Bevollmächtigung jeweils nur versichert. Den E-Mails war auch kein Vollmachtsnachweis in elektronischer Form beigefügt, so dass es auf die Zulässigkeit eines Vollmachtnachweises in elektronischer Form nach Art. 3a Abs. 2 BayVwVfG nicht ankommt. Die fehlende Aufforderung der Behörde, eine ihr gegenüber – wie hier – (bislang) lediglich anwaltlich versicherte und (noch) nicht durch Vorlage einer schriftlichen Vollmacht nachgewiesene Bevollmächtigung entsprechend zu belegen, schränkt die oben genannten Zustellungsoptionen der Behörde nicht ein. Aus dem Verweis der Beschwerdebegründung auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Februar 1971 mit dem Aktenzeichen „IV V C 47.69“ ergibt sich nichts Gegenteiliges. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Januar 1970 mit dem Aktenzeichen IV C 47.69 ist nicht einschlägig; eine Bundesverwaltungsgerichtsentscheidung vom 26. Februar 1971 ist mit den dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zur Verfügung stehenden Recherchemöglichkeiten ebenso wenig auffindbar wie eine solche mit dem Aktenzeichen V C 47.69. Ein Anhaltspunkt für die Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung folgt auch nicht aus dem Hinweis auf § 3 Abs. 2 VwZG, denn diese Regelung ist gemäß § 1 Abs. 1 VwZG für die Zustellung des streitgegenständlichen Bescheids vom 2. Dezember 2024 schon nicht einschlägig und hat auch inhaltlich nichts mit dem in Streit stehenden Aspekt der Zustellung zu tun. Selbiges gilt im Hinblick auf die in diesem Zusammenhang angeführte Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. September 2016 mit dem Aktenzeichen 11 BV 15.1963. Auch unter diesem Datum bzw. unter diesem Aktenzeichen ist mit den zur Verfügung stehenden Recherchemöglichkeiten eine einschlägige Entscheidung nicht zu finden.
13
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag.
14
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).