Titel:
Entziehung der Fahrerlaubnis, Medizinalcannabis, medizinische Indikation
Normenketten:
FeV § 11 Abs. 7
Anlage 4 zur FeV Nr. 9.2.1
BtMG § 13 Abs. 1 S. 1, 2
Schlagworte:
Entziehung der Fahrerlaubnis, Medizinalcannabis, medizinische Indikation
Vorinstanz:
VG Augsburg, Entscheidung vom 16.09.2024 – Au 7 K 23.312
Fundstelle:
BeckRS 2025, 4259
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung der ihm am 19. Juli 2001 erteilten Fahrerlaubnis der Klasse B einschließlich Unterklassen.
2
Durch polizeiliche Mitteilung vom 10. November 2017 wurde dem Landratsamt Oberallgäu bekannt, dass gegen den Kläger wegen eines Betäubungsmitteldelikts ermittelte wurde. Nach dem polizeilichen Ermittlungsbericht wurde am 2. Oktober 2017 in einer Postfiliale ein an den Kläger adressierter Briefumschlag sichergestellt, der 27,7 g Marihuana enthielt. Nach Auswertung eines W...App-Chat-Verlauf des Klägers mit einem weiteren Beschuldigten seien bereits mehrfach Sendungen mit Marihuana an den Kläger verschickt worden. Aus dem Chat-Verlauf könne die Versendung von 70 g Marihuana nachvollzogen werden. Am 19. Oktober 2017 wurden anlässlich einer Wohnungsdurchsuchung beim Kläger 4,4 g Marihuana, getrocknete Marihuanablüten und 24 Cannabissamen aufgefunden, zu dessen Herkunft der Kläger nichts sagen wollte. Er habe angegeben, wegen starker, andauernder Schmerzen infolge eines doppelten Bandscheibenvorfalls gelegentlich Marihuana zu konsumieren. Seit April 2017 sei er krankgeschrieben und derzeit arbeitsunfähig. Er habe lange starke Schmerzmittel einnehmen müssen. Die Schmerzen hätten ihn sowohl körperlich als auch psychisch belastet. Er habe er angefangen, sie mit Marihuana zu bekämpfen. Deswegen habe er auch erst in diesem Jahr mit dem Konsum angefangen. Er konsumiere unregelmäßig und abhängig von den Schmerzen. Eine Umgangsberechtigung für Marihuana habe er nicht.
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Mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 18. Dezember 2017 verurteilte das Amtsgericht Kempten den Kläger wegen versuchten unerlaubten Erwerbs und unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 35 Tagessätzen.
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Am 25. April 2021 gab der Kläger bei einer allgemeinen Verkehrskontrolle gegenüber der Polizei an, aus medizinischen Gründen Marihuana zu konsumieren. Dazu legte er das Attest eines Facharztes für Allgemeinmedizin vom 7. Juni 2018 vor, wonach er sich in einem guten Allgemeinzustand befinde und unter regelmäßiger, gleichbleibender Therapie fahrtüchtig sei. Dem Attest war eine Liste mit zur Verfügung stehenden Cannabisblütensorten und einer Dosierungsanweisung (maximale Tagesdosis 1,5 g; 4-Wochen-Bedarf 45 g) beigefügt. Als Art der Anwendung war „Inhalation“ angekreuzt. Auf Frage habe der Kläger angegeben, das Medizinalcannabis per „Joint“ zu sich zu nehmen. Aufgrund drogentypischer Auffälligkeiten und eines positiven Urin-Schnelltests sei eine Blutentnahme angeordnet worden. Nach dem Gutachten des FTC München vom 5. Mai 2021 ergab die Analyse der am 25. April 2021 um 15:10 Uhr entnommenen Blutprobe ca. 23,2 ng/ml THC, 8,1 ng/ml 11-HO-THC und 154 ng/ml THC-COOH. Nach dem Ermittlungsbericht vom 26. Mai 2021 hat der sachbearbeitende Polizeibeamte den behandelnden Arzt am 11. Mai 2021 um 12:07 Uhr telefonisch kontaktiert und nach der Art der Einnahme des Medizinalcannabis gefragt. Dieser habe geantwortet, er habe keine Kenntnis von der genauen Art der Verwendung und besitze auch keinen schriftlichen Nachweis darüber. Es sei lediglich mündlich besprochen worden, dass der Kläger die Einnahme durch einen Joint genehmigt bekommen habe. Durch die Krankenkasse seien alle nötigen Nachweise geführt, damit die Behandlung durch medizinisches Marihuana genehmigt werde.
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Auf Anforderung der Fahrerlaubnisbehörde legte der Kläger das Attest seines behandelnden Facharztes für Allgemeinmedizin vom 15. Juni 2021 vor, wonach er sich seit 2018 unter ärztlicher Kontrolle mit konstanter inhalativer Cannabistherapie befinde. Bei bisher verantwortungsvollem Umgang sei medizinisch gesehen keine Einschränkung im Straßenverkehr anzunehmen. Der Gebrauch eines Vaporizers sei empfohlen. Der Kläger befinde sich seit mehreren Jahren in einem Rechtsstreit „wegen der Kostenübernahme der Cannabistherapie inklusive des Vaporizers“.
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Mit Schreiben vom 24. Juni 2021 teilte das Landratsamt Ravensburg dem Kläger mit, das Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen der Handlung am 25. April 2021 werde gemäß § 46 OWiG i.V.m. § 170 StPO eingestellt.
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Mit Bescheid vom 24. Juni 2021 entzog das Landratsamt Oberallgäu dem Kläger gestützt auf § 11 Abs. 7 FeV die Fahrerlaubnis aller Klassen und verpflichtete ihn unter Androhung eines Zwangsgelds, seinen Führerschein unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche nach Zustellung des Bescheids, abzuliefern. Ferner ordnete es die sofortige Vollziehbarkeit dieser Verfügungen an. Es sei von einem Mangel nach Nr. 9.2.1 oder Nr. 9.4 der Anlage 4 zur FeV auszugehen. Danach sei die Fahreignung nicht gegeben, wenn regelmäßig/täglich Cannabis konsumiert oder dies als Medikament missbräuchlich eingenommen werde.
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Den am 2. August 2021 ohne Begründung eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Regierung von Schwaben mit Bescheid vom 1. Februar 2023 zurück.
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Am 1. März 2023 ließ der Kläger Anfechtungsklage zum Verwaltungsgericht Augsburg erheben und mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 16. Oktober 2023 bestreiten, dass er bei der Verkehrskontrolle am 25. April 2021 angegeben habe, er konsumiere das Medizinalcannabis mittels Joint. Vielmehr benutze er seit 2018 einen Vaporisator.
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Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 14. Mai 2024 zog er die polizeilichen Ausführungen über die telefonische Befragung des behandelnden Arztes zur Anwendung des Medizinalcannabis in Zweifel. Weiter ließ der Kläger mehrere Berichte bzw. Atteste des ihn behandelnden Facharztes für Allgemeinmedizin vorlegen. In einem auf richterliche Anfrage verfertigten Bericht vom 20. Februar 2020 werden als Diagnosen chronische Schmerzstörung, BSV mit Radikulipathie, Spondylolistesis, Hartspann, Fehl- und Schonhaltungssyndrom, Hypermobilitätssyndrom aufgeführt. Die Therapie beschränke sich seit 2018 auf Schonung einschließlich Lumbalbandage und Eigenübungen sowie ein Elektrotherapiegerät (EMS) und Cannabismedikation und sporadisch Ortoton und Arcoxia. Letzteres sei seit Verschreibung des Medizinalcannabis stark reduziert. Da bei dem Patienten eine (funktionelle) Spondylolithese bzw. Instabilitätssyndrom vermutlich in Verbindung mit einem (diskogenen) Lumbalsyndrom vorliege, sei in erster Linie ein konservatives Vorgehen mit Schwerpunkt auf muskuläre Stabilisation des Wirbelsäulenabschnitts angeraten. Eine operative Versorgung könne sinnvoll sein. Bei der Schmerztherapie sei das individuelle Ansprechen ein wesentliches Entscheidungskriterium. Dieses Vorgehen werde schon praktiziert bzw. sei erprobt worden. Weitere mögliche Operationen wie spezielle operative Verfahren oder Neuroleptika, Antidepressiva lehne der Kläger im Moment ab. Durch in der Vorgeschichte gemachte Medikamentennebenwirkungen und die Wirkungslosigkeit vieler Therapieversuche sowie missglückte Wirbelsäulenoperation eines Bekannten sei der Kläger auch verständlicherweise nicht mehr bereit, „als Versuchskaninchen“ zu dienen. Da es bisher noch keine eindeutige Evidenz sowohl für Schmerzmittel oder Operationen gebe und dem Kläger die Nebenwirkungsraten zu hoch erschienen, wenn nicht eine eindeutige, ganz klare Indikation mit wirklich eindeutigen Erfolgsaussichten zu erwarten sei, stünden diese Optionen nicht zur Verfügung. 2017 seien die Schmerzmittel Arcoxia, Ortoton, Novalgin und Lidocainfiltrationen beim Kläger getestet worden. Die restlichen Medikamente seien aus alten Unterlagen bzw. anamnestisch erhoben. Da der Kläger entsprechende Nebenwirkungen angegeben habe, seien sie nicht erneut getestet worden. Die Reha-Maßnahme 2017 beinhalte Physiotherapie, Eigenübungen und Psychotherapie, was einem Hauptbestandteil der multimodalen Schmerztherapie entspreche.
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Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 16. September 2024 mit der Begründung ab, das Landratsamt sei zum maßgeblichen Zeitpunkt der Zustellung des Widerspruchsbescheids am 17. Februar 2023 zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger nicht fahrgeeignet sei. Im Ergebnis könne offenbleiben, ob eine missbräuchliche Einnahme des Medizinalcannabis im Sinne von Nr. 9.4 der Anlage 4 zur FeV vorliege, da er bei der Polizeikontrolle am 25. April 2021 selbst angegeben habe, das Medizinalcannabis abweichend von der ärztlichen Verordnung mittels Joint durch Rauchen konsumiert zu haben. Nehme ein Patient Medizinalcannabis regelmäßig nicht entsprechend der ärztlichen Verordnung ein, indem er die Dosierung oder Konsumform nicht einhalte, liege ein übermäßiger Gebrauch im Sinne von Nr. 9.4 der Anlage 4 zur FeV vor, der die Fahreignung ausschließe. Insbesondere wenn entgegen der ärztlichen Verordnung das Medizinalcannabis nicht vaporisiert, sondern regelmäßig mittels Joint geraucht werde, entfalle das Arzneimittelprivileg. Nach den Angaben des Klägers habe zumindest zum Zeitpunkt der Verkehrskontrolle am 25. April 2021 eine missbräuchliche Einnahme vorgelegen. An dieser Aussage müsse er sich grundsätzlich festhalten lassen. Er habe sie erst im gerichtlichen Verfahren nach Akteneinsicht seines Bevollmächtigten bestreiten lassen, trotz entsprechenden Hinweises im Entziehungsverfahren aber nicht gegenüber dem Landratsamt oder der Widerspruchsbehörde, womit nach allgemeiner Lebenserfahrung zu rechnen gewesen wäre. Dafür, dass er die polizeilich dokumentierte Aussage tatsächlich so gemacht habe, spreche auch die telefonische Befragung des behandelnden Arztes durch den sachbearbeitenden Polizeibeamten. Die ärztlichen Angaben sprächen ganz erheblich dafür, dass der Kläger bei der Verkehrskontrolle als Konsumform „Joint“ angegeben habe. Ansonsten hätte kein nachvollziehbarer Grund für die Kontaktaufnahme zu dem Arzt und für die Thematisierung der Konsumform bestanden. Angesichts der dokumentierten Angaben zu der Cannabisbehandlung und der geplanten Kostenübernahme durch die Krankenkasse sei ohne weiteres schlüssig und plausibel, dass der Polizeibeamte tatsächlich mit dem Arzt gesprochen habe. In dem im Entziehungsverfahren vorgelegten ärztlichen Attest vom 15. Juni 2021 werde die Benutzung eines „Vaporizers“ lediglich empfohlen. Die ärztlichen Aussagen seien entgegen der Darstellung des Klägers im Schriftsatz vom 14. Mai 2024 nicht widersprüchlich. Eine weitere Sachaufklärung, z.B. durch Einvernahme des Beifahrers des Klägers am 25. April 2021, des anwesenden Polizeibeamten oder des behandelnden Arztes, habe daher unterbleiben können. Es sprächen erhebliche Gründe dafür, dass es sich beim im Kern pauschalen Bestreiten der Konsumform um eine reine Schutzbehauptung handle. Abgesehen davon stehe die mangelnde Fahreignung bereits aufgrund der fehlenden medizinischen Indikation und der nicht ordnungsgemäßen ärztlichen Verordnung fest. Der Kläger habe nicht dargelegt, dass die Behandlung mit Medizinalcannabis zum maßgeblichen Zeitpunkt am 17. Februar 2023 medizinisch indiziert gewesen sei. Letzteres ergebe sich aus § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 BtMG. Der Arzt habe in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die Betäubungsmittelverschreibung ultima ratio sei und nicht durch die Verschreibung von Arzneimitteln oder eine andere Behandlungsart ersetzen werden könne. Andernfalls sei die Verschreibung unbegründet und gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Buchst. a BtMG strafbar. Das Gericht schließe sich insoweit der sozialgerichtlichen Rechtsprechung an. Nach § 31 Abs. 6 SGB V hätten Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung einen Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und auf Versorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabinol, wenn eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung stehe oder im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustands des Versicherten nicht zur Anwendung kommen könne und eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome bestehe. Sowohl das Sozialgericht als auch das Bayerische Landessozialgericht seien nachvollziehbar zu dem Ergebnis gelangt, dass zur Behandlung der Erkrankung des Klägers weitere allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistungen zur Verfügung stünden und keine hinreichend begründete Einschätzung des behandelnden Arztes vorliege, wonach unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustands des Klägers allgemein anerkannte Therapien nicht zur Anwendung kommen könnten. Dass das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts noch nicht rechtskräftig sei, ändere an der Einschätzung zur medizinischen Indikation nichts. Vielmehr stützten auch die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen die nachvollziehbaren und schlüssigen Ausführungen des Sozialgerichts und des Bayerischen Landessozialgerichts. Der Kläger habe nach richterlichem Hinweis einen Arztfragebogen vom 20. Februar 2020, einen Therapiebericht des behandelnden Arztes vom 22. Juli 2022, dessen Attest vom 4. Dezember 2023 und einen ärztlichen Entlassungsbericht einer Klinik vom 7. Dezember 2017 vorgelegt. Diese Unterlagen begründeten die medizinische Indikation nicht. Insbesondere fehlten Ausführungen zu weiteren Therapieversuchen, wie z.B. einer stationären Schmerztherapie. Da der maßgebliche Entscheidungszeitpunkt vor dem Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 27. Juli 2023 liege, sei davon auszugehen, dass im sozialgerichtlichen Verfahrens alle vorherigen Therapieversuche berücksichtigt worden seien. Weiter folge die mangelnde Fahreignung aus dem fehlenden Nachweis einer ordnungsgemäßen ärztlichen Verordnung des Medizinalcannabis. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 BtMVV sei auf dem Betäubungsmittelrezept die Gebrauchsanweisung mit Einzel- und Tagesgabe oder ggf. ein Hinweis auf eine schriftliche Gebrauchsanweisung erforderlich. Auch aus der Ausarbeitung der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Apothekerkammern und der Bundesapothekerkammer vom 2. März 2017 „Verordnung von Arzneimitteln mit Cannabisblüten, -extrakt und Cannabinoiden – Information für verschreibende Ärzte/innen“ gehe hervor, dass bei der Verordnung von medizinischem Cannabis die Gebrauchsanweisung – insbesondere hinsichtlich der Konsumform – eindeutig sein müsse und unklare Verordnungen nicht beliefert werden dürften. Aus der Verordnung müsse sich auch die Anzahl der an einem Tag einzunehmenden Einzelgaben ergeben. Die dem Gericht vorliegende Dosieranweisung sei nicht geeignet, das Arzneimittelprivileg zu begründen. Der Kläger habe eine undatierte Dosieranweisung vorgelegt, die sich nach Angaben des behandelnden Arztes seit Beginn der Verschreibung nicht wesentlich geändert habe. Auf den vorgelegten Rezepten werde zudem stets auf die schriftliche Anweisung verwiesen. In der Dosierungsanweisung seien als maximale Tagesdosis 1,5 g und als 4-Wochen-Bedarf 45 g genannt. Der genaue Zeitpunkt des Konsums und die Einzeldosen seien in der schriftlichen Anweisung jedoch nicht bestimmt. Zwar sei eine Bedarfsmedikation auch bei Medizinalcannabis grundsätzlich möglich. In der Handlungsempfehlung der Ständigen Arbeitsgruppe Beurteilungskriterien (StAB) der Deutschen Gesellschaft für Verkehrspsychologie (DGVP) „Fahreignungsbegutachtung bei Cannabismedikation“ vom August 2018 sei beim Untersuchungsumfang bei ärztlichen Gutachten und medizinisch-psychologischen Untersuchungen ausdrücklich die Abklärung vorgesehen, ob es sich um eine Dauer- oder Bedarfsmedikation handele. Allerdings sei auch bei Bedarfsmedikationen eine hinreichende Eindeutigkeit der ärztlichen Verordnung zu fordern, d.h. neben der maximalen Tagesdosis auch die Einzeldosierungen. Diesen Anforderungen werde die vorgelegte ärztliche Verordnung nicht gerecht.
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Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung macht der Kläger geltend, er habe mit seiner Klageschrift vom 28. Februar 2023 nicht nur einen Anfechtungsantrag gestellt, für den auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung am 17. Februar 2023 abzustellen sei, sondern auch beantragt, den Führerschein des Klägers freizugeben. Insoweit handle es sich um eine Verpflichtungsklage, die nicht vom Zeitpunkt einer Behördenentscheidung abhängig sei. Insoweit sei das aktuelle Recht maßgebend. Ferner sei die vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegte Aussage des Klägers gegenüber der Polizei, das Cannabis per Joint zu konsumieren, falsch. Es sei der bei der Polizeikontrolle anwesende Beifahrer als Zeuge dafür benannt worden, dass der Kläger eine solche Aussage nicht gemacht habe. Auch werde bestritten, dass der Polizeibeamte den behandelnden Arzt des Klägers kontaktiert habe. Weiter sei der Arzt als Zeuge dafür benannt worden, dass die Aussage, er wisse „nichts von einer genauen Art der Verwendung“, besitze jedoch auch keinen schriftlichen Nachweis über die Art der Verwendung, nicht gefallen sei. Bereits mehr als ein Jahr vor der Verkehrskontrolle am 25. April 2021 habe dieser Arzt die vorgelegte schriftliche Dosieranweisung zur Inhalation des Cannabis ausgestellt. Warum hätte er dann gegenüber der Polizei äußern sollen, dass er keinen schriftlichen Nachweis über die Art der Verwendung des Cannabis durch den Kläger besitze. Ferner habe der Arzt am 16. April 2021 ein Rezept mit dem ausdrücklichen Vermerk ausgestellt, das Medizinalcannabis sei nach schriftlicher Anweisung einzunehmen. Die angeblichen Aussagen des Arztes gegenüber der Polizei seien völlig unglaubwürdig. Der Arzt sei zur Verschwiegenheit verpflichtet und dürfe und werde niemals ohne Vorlage einer Entbindung am Telefon Aussagen über die Behandlung seines Patienten machen. Warum solle er etwas Falsches sagen, wenn schriftliche Behandlungsunterlagen (Atteste, Rezepte und Dosierungsanweisungen) existierten. Es sei auch lebensfremd, dass der Kläger das teure medizinische Cannabis als Joint rauche. Bei der ordnungsgemäßen Nutzung des medizinischen Cannabis über Vaporisator sei die Wirkung viel intensiver als bei einem Joint. Für einen Joint habe man auch schon im April 2021 herkömmliches Cannabis für einen Bruchteil des Preises von medizinischem Cannabis bekommen können. Ein solches Verhalten wäre nicht nur wirtschaftlich, sondern auch medizinisch völlig unsinnig, denn der Kläger benötige das Cannabis als hochwirksames Schmerzmittel, nicht für einen kurzen Trip. Auch treffe die Äußerung des Verwaltungsgerichts nicht zu, dass der Kläger sich erst nach Akteneinsicht zum Vorwurf der Nutzung des Cannabis als Joint geäußert habe. Bereits in der Klageschrift vom 28. Februar 2023 habe er vorgetragen, dass er, entgegen den Behauptungen des Beklagten, das medizinische Cannabis entsprechend ärztlicher Verordnung eingenommen habe. Selbstverständlich habe eine detaillierte Stellungnahme erst nach Akteneinsicht vorgetragen werden können. Das Landratsamt habe den Vorwurf einer missbräuchlichen Verwendung des medizinischen Cannabis wohl wegen der genannten Widersprüche nicht weiterverfolgt, sondern das Verfahren nach § 46 OWiG i.V.m. § 170 StPO wegen fehlenden Tatverdachts eingestellt. Nichtsdestotrotz habe das Verwaltungsgericht es unterlassen, die konkret zu diesem Beweisthema benannten Zeugen zu hören, was ein schwerer Verfahrensmangel im Sinne des § 124 Abs. 2 VwGO sei. Stattdessen habe es eine eigene unzulässige Auslegung vorgenommen, die weder schlüssig noch logisch sei. Im Übrigen sei der Beklagte für die missbräuchliche Verwendung des Cannabis beweispflichtig (VGH BW 25.10.2022 – 13 S 1641/22 Rn. 8). Soweit das Sozialgericht (wohl gemeint: Verwaltungsgericht) ausgeführt habe, dass eine medizinische Indikation und eine ordnungsgemäße ärztliche Verschreibung des Cannabis nicht nachgewiesen sei, sei bereits mit der Klageschrift das Arztattest vom 15. Juni 2021 vorgelegt worden, wonach der Kläger seit 2018 unter ärztlicher Kontrolle in Cannabistherapie sei und medizinisch gesehen keine Einschränkungen im Straßenverkehr anzunehmen seien. Es seien die Dosieranweisung, die ärztliche Verschreibung durch Rezept vom 16. April 2021 sowie Therapieberichte und ausführliche ärztliche Atteste vorgelegt worden, ferner das Attest des behandelnden Arztes vom 14. Dezember 2023 und sämtliche Rezepte im Zeitraum Februar 2022 bis Februar 2023. Mehrfach sei der behandelnde Arzt als Zeuge für die medizinische Indikation der Behandlung mit Cannabis und für die Unbedenklichkeit der Teilnahme des Klägers am Straßenverkehr benannt worden sowie dafür, dass keinerlei medizinische Anhaltspunkte für eine rechtsmissbräuchliche Verwendung des Cannabis vorlägen. Der Zeugenbeweis sei u.a. mit Schriftsatz vom 14. Mai 2024 beantragt worden. Auch insoweit sei die Nichtanhörung des benannten sachverständigen Zeugen ein schwerer Verfahrensmangel. Das Verwaltungsgericht habe eine nicht näher dargelegte eigene Kenntnis von der Indikation medizinischen Cannabis beim Kläger zum Anlass genommen, die angebotenen Beweismittel zu ignorieren. Dies gelte umso mehr vor dem Hintergrund, dass die Entscheidungen im sozialgerichtlichen Verfahren bis heute nicht rechtskräftig seien. Das Verwaltungsgericht habe auch kein gebotenes eigenes Gutachten eingeholt. All dies seien schwere Verfahrensfehler im Sinn des § 124 Abs. 2 VwGO. Darüber hinaus bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Dieses weiche von anderen „oberlandesgerichtlichen“ Entscheidungen ab. Nach Nr. 9.4 der Anlage 4 zur FeV sei eine fehlende Fahreignung nur bei missbräuchlicher Einnahme von psychoaktiv wirkenden Arzneimitteln anzunehmen, nicht bei der ordnungsgemäßen Einnahme des verschriebenen Medikaments. Die Fahrerlaubnisbehörde sei in der materiellen Beweislast für das Vorliegen eines Eignungsmangels, nicht der Kläger. § 13 Abs. 1 BtMG sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht einschlägig. Als rechtstreuer Bürger dürfe der Kläger darauf vertrauen, dass die Verschreibung von Cannabis durch einen Arzt ordnungsgemäß sei und dessen medizinische Einschätzung, dass bei bestimmungsgemäßer Einnahme keine Beeinträchtigung der Teilnahme am Straßenverkehr vorliege, korrekt sei. Insoweit liege seine Fahreignung vor. Der Kläger habe nichts falsch gemacht, zumindest wenn der Vorwurf nicht durchdringe, dass er das medizinische Cannabis geraucht und nicht inhaliert habe. § 13 Abs. 1 Satz 2 BtMG richte sich als Strafvorschrift nicht an den Kläger als Adressat eines Rezepts, sondern an den Arzt als dessen Aussteller. Der Kläger könne als Patient darauf vertrauen, dass der Arzt mildere Mittel zur Verabreichung einer Droge geprüft habe. Vom Kläger könnten nicht die medizinischen Kenntnisse verlangt werden, um eine solche Prüfung vorzunehmen. Wie durch Arztgutachten bestätigt habe der Kläger als Schmerzpatient alternative Behandlungsmethoden mit nicht hinreichendem Erfolg erprobt, ebenso alternative Medikamente mit zum Teil schwerwiegenden Begleiterscheinungen bzw. fehlender oder geringer Wirkung. Daher habe der Arzt ohne Verstoß gegen § 13 Abs. 1 Satz 2 BtMG das Medizinalcannabis verschreiben dürfen. Der Kläger habe als Patient auf die Richtigkeit der ärztlichen Einschätzung vertrauen dürfen, auch bei der Teilnahme am Straßenverkehr. Auch § 31 Abs. 6 SGB V sei nicht einschlägig, da die Vorschrift nur für den sozialrechtlichen Sachverhalt der Erstattungsfähigkeit der Behandlungskosten durch die Krankenkasse gelte. Eine Behandlung mit Medizinalcannabis sei auch, wenn sie nicht von der Krankenkasse getragen werden müsse, nicht rechtswidrig. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts seien daher nicht geeignet, die Fahreignung des Klägers in Zweifel zu ziehen. Der Kläger halte auch die Entscheidung des Sozialgerichts zur Kostenübernahme nicht für korrekt und habe Revision zum Bundessozialgericht eingelegt. Selbst wenn die ärztliche Verschreibung wegen denkbarer Alternativen medizinisch nicht indiziert gewesen wäre und der Kläger das Cannabis im Vertrauen auf die ärztliche Einschätzung genommen habe, würde dies noch keine fehlende Fahreignung begründen, da das Handeln des Klägers nicht missbräuchlich im Sinne von Nr. 9.4 der Anlage 4 zur FeV gewesen sei. Eine missbräuchliche Einnahme würde aber die beim Kläger nicht vorhandene Kenntnis voraussetzen, dass die ärztliche Verschreibung des Arztes inkorrekt und medizinisch nicht vertretbar gewesen sei. Für den Nachweis einer medizinischen Verschreibung genüge entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts bereits der Nachweis des Rezepts. Es bedürfe nicht des Nachweises der Alternativlosigkeit der Verschreibung. Der Kläger sei für die ordnungsgemäße Einnahme nicht beweispflichtig. Vielmehr sei der Beklagte nach der zitierten Rechtsprechung für die nicht ordnungsgemäße Einnahme bzw. den Missbrauch beweispflichtig.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
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Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.
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Die geltend gemachten Zulassungsgründe gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1, 4 und 5 VwGO, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO; BayVerfGH, E.v. 14.2.2006 – Vf. 133-VI-04 – VerfGHE 59, 47/52; E.v. 23.9.2015 – Vf. 38-VI-14 – BayVBl 2016, 49 Rn. 52; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 54), sind nicht hinreichend dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) bzw. liegen nicht vor.
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1. Aus dem Zulassungsvorbringen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Diese sind immer schon dann anzunehmen, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfG, B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587/17 – BVerfGE 151, 173 Rn. 32 m.w.N.; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243 = juris Rn. 16 m.w.N.) und dies zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses begründet (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838 = juris Rn. 9). Schlüssige Gegenargumente liegen vor, wenn substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt werden, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546 Rn. 19). Dies ist hier nicht der Fall.
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1.1. Der Umstand, dass der für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage eines Verpflichtungsantrags maßgebliche Zeitpunkt nicht mit dem für die Beurteilung des Anfechtungsantrags maßgeblichen Zeitpunkt übereinstimmen muss, führt zu keinem für den Kläger günstigeren Ergebnis.
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Für die im Rahmen der Anfechtungsklage vorzunehmende Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis und der Pflicht zur Ablieferung des Führerscheins kommt es – auch vom Kläger nicht bestritten – auf den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids am 1. Februar 2023 an (vgl. BVerwG, U.v. 7.4.2022 – 3 C 9.21 – BVerwGE 175, 206 Rn. 13; U.v. 11.4.2019 – 3 C 14.17 – BVerwGE 165, 215 Rn. 11 m.w.N.). Mit dem Antrag auf Herausgabe des Führerscheins macht er der Sache nach eine Vollzugsfolgenbeseitigung im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO geltend. Unerheblich ist, dass diese hier im Wege schlichten Verwaltungshandelns und nicht eines Verwaltungsakts umzusetzen und statthafte Klageart somit die allgemeine Leistungsklage, nicht die Verpflichtungsklage wäre. Voraussetzung für einen Vollzugsfolgenanspruch ist neben der Spruchreife des Beseitigungsbegehrens (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 VwGO; Decker in BeckOK VwGO, Stand 1.1.2025, § 113 Rn. 46) die Rechtswidrigkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis, die im Rahmen dieses Anspruchs jedoch nicht – wie der Kläger anzunehmen scheint – nochmals, unter Zugrundlegung eines anderen Zeitpunkts inzident zu prüfen wäre. Daher spielt es keine Rolle, ob sich seit Erlass des Widerspruchsbescheids das einschlägige Recht bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts geändert hatte. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis ist auf jeden Fall der Zeitpunkt des Erlasses der letzten Verwaltungsentscheidung, d.h. des Widerspruchsbescheids bzw. dessen Zustellung, maßgeblich (vgl. BVerwG, B.v. 14.6.2024 – 3 B 11.23 – ZfSch 2024, 533 Rn. 5; U.v. 30.8.2023 – 3 C 15.22 – NJW 2024, 1361 Rn. 8 m.w.N.). Eine Rückwirkung der für den Fahrerlaubnisinhaber günstigeren Neuregelung hat der Gesetz- und Verordnungsgeber nicht vorgesehen (wie etwa durch Art. 316p i.V.m. Art. 313 EGStGB, vgl. dazu NdsOVG, B.v. 23.9.2024 – 12 PA 27/24 – juris Rn. 9). Sie ist im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der bisherigen Regelung auch nicht verfassungsrechtlich geboten (vgl. BayVGH, B.v. 31.10.2024 – 11 ZB 24.1246 – DAR 2025, 42 Rn. 13).
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1.2. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts beruht zu Recht auf der Annahme, dass die Therapie des Klägers mit Medizinalcannabis nicht indiziert und damit die Vor-aussetzungen des Arzneimittelprivilegs gemäß Nr. 9.6 der Anlage 4 zur Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids zuletzt geändert durch Verordnung vom 18. März 2022 (BGBl I S. 498), nicht gegeben waren.
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Daher durfte das Gericht offenlassen, ob die Cannabiseinnahme darüber hinaus missbräuchlich im Sinne von Nr. 9.4 der Anlage 4 zur FeV a.F. war. Aus der Einstellung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens vom 24. Juni 2021 ergibt sich das Gegenteil freilich nicht. Entgegen der Darstellung des Klägers ist dieses Verfahren nicht wegen fehlenden Tatverdachts eingestellt worden, sondern schlicht nach § 46 OWiG i.V.m. § 170 StPO. Nach § 170 Abs. 2 Satz 1 StPO ist ein Verfahren einzustellen, wenn die Ermittlungen keinen genügenden Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage bieten (§ 170 Abs. 1 StPO), d.h. hier sinngemäß (§ 46 Abs. 1 Satz 1 OWiG), dass das Landratsamt den Verdacht einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 Satz 1 und 2 StVG a.F., etwa im Hinblick auf das Arzneimittelprivileg des § 24a Abs. 2 Satz 3 StVG a.F., für den Erlass eines Bußgeldbescheids als nicht hinreichend erachtet hat. Ferner kommt es wegen der fehlenden Indikation nicht darauf an, ob die vorgelegten Verschreibungen von Medizinalcannabis den Anforderungen des § 9 der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) entsprachen.
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Entgegen der Auffassung des Klägers entfiel die Fahreignung nach dem hier anzuwendenden Recht nicht nur bei missbräuchlicher, sondern auch bei regelmäßiger Einnahme von (Medizinal-)Cannabis, wenn dessen ärztliche Verschreibung nicht indiziert war, denn damit war der Tatbestand der Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV a.F. erfüllt (vgl. (vgl. BayVGH, B.v. 24.2.2025 – 11 C 24.1233 – juris Rn. 36 m.w.N.). Sollte eine Dauerbehandlung mit Medizinalcannabis im Sinne von Nr. 9.6 der Anlage 4 zur FeV a.F., die zu einer regelmäßigen oder gelegentlichen Einnahme führt, nicht zum Verlust der Fahreignung führen, setzte dies u.a. voraus, dass die Cannabiseinnahme indiziert und ärztlich verordnet war (Schubert/Huetten/Reimann/Graw, Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, 3. Aufl. 2018, S. 303), ferner, dass das Medizinalcannabis zuverlässig nur nach der ärztlichen Verordnung eingenommen wurde, keine dauerhaften Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit festzustellen waren, die Grunderkrankung bzw. die vorliegende Symptomatik keine verkehrsmedizinisch relevante Ausprägung aufwies, die eine sichere Verkehrsteilnahme beeinträchtigte, und nicht zu erwarten war, dass der Betroffene in Situationen, in denen seine Fahrsicherheit durch Auswirkungen der Erkrankung oder der Medikation beeinträchtigt war, am Straßenverkehr teilnehmen würde (Handlungsempfehlung der Ständigen Arbeitsgruppe Beurteilungskriterien [StAB] zur Fahreignungsbegutachtung bei Cannabismedikation, aktualisierte Fassung vom August 2018, abgedruckt in Schubert/Huetten/Reimann/Graw, a.a.O., S. 440/443; vgl. auch BayVGH, B.v. 3.7.2023 – 11 C 23.363 – juris Rn. 20 m.w.N.).
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Ob die Einnahme von Cannabis, das im entscheidungserheblichen Zeitpunkt nach Anlage III zu § 1 Abs. 1 BtMG zu den verkehrs- und verschreibungsfähigen Betäubungsmitteln gehörte, hier indiziert war, hat das Verwaltungsgericht der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BayVGH, B.v. 24.2.2025 a.a.O. Rn. 37; B.v. 5.1.2024 -11 CS 23.1818 – juris Rn. 13; B.v. 3.7.2023 a.a.O. Rn. 23; B.v. 16.1.2020 – 11 CS 19.1535 – Blutalkohol 57, 133 Rn. 23; VGH BW, U.v. 23.9.2023 – 13 S 517/23 – ZfSch 2024, 53 Rn. 32, 35 ff.; BVerwG, B.v. 8.1. v 2025 – 3 B 2.24 – juris Rn. 15) folgend an § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 BtMG gemessen. Bei der Beantwortung der sich in diesem Zusammenhang stellenden weiteren Fragen, ob die Betäubungsmittelverschreibung ultima ratio war und nicht durch die Verschreibung von Arzneimitteln oder eine andere Behandlungsart ersetzt werden konnte und ob die Einschätzung des verschreibenden Arztes insoweit beachtlich war, ist das Gericht zu Recht (vgl. BayVGH, B.v. 24.2.2025 – 11 C 24.1233 – juris Rn. 37 f.; VGH BW, U.v. 23.9.2023 a.a.O. Rn. 31 f.) der sozialgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BSG, U.v. 10.11.2022 – B 1 KR 28/21 R – BSGE 135, 89 Rn. 28 ff., 37 ff.) zu § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 BtMG und § 31 Abs. 6 Satz 1 SGB V gefolgt. Dies vermeidet Wertungsunterschiede zwischen verschiedenen öffentlich-rechtlichen Regelungsbereichen (Prinzip der Einheit der Rechtsordnung). Die in der Literatur aufgeworfene Frage, ob die engen Voraussetzungen des § 31 Abs. 6 Satz 1 SGB V auch für die betäubungsmittel- bzw. strafrechtliche Bewertung gelten sollen (vgl. Thielmann/Dittrich, GuP 2023, 100/105), stellt sich vorliegend nicht. Wie der Kläger selbst anführt, macht sich ggf. der Arzt, aber nicht er als Patient durch eine nicht indizierte Verschreibung von Medizinalcannabis strafbar (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Buchst. a i.V.m. § 13 BtMG), wobei § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 BtMG entgegen seiner Darstellung keine Strafvorschrift ist.
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Darauf, ob der Kläger auf den ihn behandelnden Arzt und dessen Verschreibung vertraut oder etwas „falsch gemacht“ hat, kommt es nicht an. Maßgebend war, ob die gesetzlichen Vorgaben der Betäubungsmittelverschreibung gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 BtMG eingehalten worden sind (vgl. BayVGH, B.v. 5.1.2024 a.a.O. Rn. 15). Das Privileg, trotz regelmäßigen Konsums von (Medizinal-)Cannabis und sogar unter dessen Einfluss ein Kraftfahrzeug führen zu dürfen, ist auch dann, wenn der Betroffene verantwortungsvoll damit umgeht, mit einer Erhöhung der Gefahr im Straßenverkehr verbunden (vgl. dazu AG Trier, U.v. 15.12.2021 – 36 Owi 8041 Js 35254/20 – Blutalkohol 59, 149 = juris Rn. 24; Wagner/Brenner-Hartmann/Kirsten/Löhr-Schwaab, Blutalkohol 59, 412/414 f., 423). Dies rechtfertigte es, die Privilegierung jedenfalls in dem der Gefahrenabwehr dienenden Fahrerlaubnisrecht allein von der objektiven Erfüllung der vorgenannten Voraussetzungen abhängig zu machen. Hatte der Betroffene die Gelegenheit erhalten, an der Aufklärung der Frage mitzuwirken, ob die Voraussetzungen des Arzneimittelprivilegs gemäß Nr. 9.6 der Anlage 4 zur FeV bei ihm erfüllt sind (vgl. BayVGH, B.v. 24.2.2025 a.a.O. Rn. 39 ff.), trug er das Risiko, wenn die Indikation der Cannabisverschreibung in den vorgelegten Unterlagen, insbesondere den ärztlichen Berichten und Attesten, nicht so begründet war, dass die objektiven Grundlagen der ärztlichen Einschätzung nachgeprüft oder nachvollzogen werden konnten (vgl. BSG, U.v. 10.11.2022 a.a.O. Rn. 24 ff.).
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Aus dem Zulassungsvorbringen ergeben sich auch keine ernstlichen Zweifel an der gerichtlichen Feststellung, die Behandlung des Klägers mit Medizinalcannabis sei nicht ultima ratio gewesen. Insoweit werden lediglich die vorgelegten Unterlagen (Attest vom 15.6.2021, Dosieranweisung, Rezept vom 16.4.2021, Rezepte von Februar 2022 bis Februar 2023, Attest vom 14.12.2023) aufgezählt, denen zu alternativ erprobten Arzneimitteln, Behandlungsmaßnahmen und noch zur Verfügung stehenden Standardtherapien jedoch nichts zu entnehmen ist. Es wird aber nicht vorgetragen, was an der Würdigung des Verwaltungsgerichts oder den in Bezug genommenen Einschätzungen des Sozialgerichts Augsburg im Urteil vom 15. Oktober 2020 und des Bayerischen Landessozialgerichts im Urteil vom 27. Juli 2023 fehlerhaft sein soll. Dass diese Entscheidungen noch nicht rechtskräftig sind, ist unerheblich. Das Verwaltungsgericht hat die Erwägungen der Sozialgerichte nicht als bindend zugrunde gelegt, sondern sich inhaltlich zu eigen gemacht, weil es sie für nachvollziehbar und überzeugend hielt.
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2. Ferner liegt kein Verfahrensfehler im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 86 Abs. 1 VwGO darin, dass das Gericht den schriftsätzlich als Zeugen angebotenen Beifahrer auf der Fahrt am 25. April 2021 und den behandelnden Arzt des Klägers nicht einvernommen hat.
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Eine Aufklärungsrüge setzt nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung nicht nur voraus, dass substantiiert dargetan wird, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären, welche tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der vermissten Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer dem Kläger günstigeren Entscheidung hätte führen können (vgl. BVerwG, B.v. 12.1.2024 – 10 BN 4.23 – juris Rn. 24; B.v. 15.5.2023 – 4 B 1.23 – juris Rn. 7). Vielmehr muss auch darlegt werden, dass der Beteiligte in der mündlichen Verhandlung durch Stellung eines Beweisantrags auf eine bestimmte Sachaufklärung hingewirkt hat oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen aufgrund von dessen materiell-rechtlicher Rechtsauffassung auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen. Denn die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse in der Tatsacheninstanz zu kompensieren, vor allem wenn der Kläger es unterlassen hat, einen Beweisantrag zu stellen (BVerwG, B.v. 20.1.2025 – 6 B 20.24 – juris Rn. 20 m.w.N.).
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Hier ist schon nicht vorgetragen, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 16. September 2024 entsprechende Beweisanträge gestellt hat, noch ist dies dem Protokoll über die mündliche Verhandlung zu entnehmen. Ebenso wenig wurde dargelegt, was der Beifahrer und der Arzt voraussichtlich ausgesagt hätten.
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Dahinstehen kann, ob das Verwaltungsgericht davon ausgehen durfte, dass sich eine Einvernahme dieser Personen zur Aufklärung einer missbräuchlichen Einnahme im Sinne von Nr. 9.4 der Anlage 4 zur FeV nicht aufgedrängt habe, denn aus seiner insoweit maßgeblichen Sicht war dies bzw. eine von der ärztlichen Verschreibung abweichende Konsumform nicht entscheidungserheblich, weil es – wie unter 1.2. ausgeführt – annehmen durfte, dass die Therapie mit Medizinalcannabis jedenfalls nicht als ultima ratio indiziert war.
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Ferner musste sich dem Verwaltungsgericht nicht aufdrängen, den behandelnden Arzt des Klägers zur Frage der Indikation der Cannabisverschreibung anzuhören, nachdem diese nicht hinreichend begründet war, sich aus den im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten Attesten und Berichten hierzu nichts Konkretes ergab und der Kläger nicht vorgetragen hatte, was sein Arzt darüber hinaus voraussichtlich aussagen würde. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts trafen den Arzt, dem hinsichtlich der Indikation einer Behandlung mit Medizinalcannabis eine Einschätzungsprärogative zugebilligt wurde, umfangreiche Begründungspflichten. Gab es wie hier zur Behandlung einer Erkrankung Standardtherapien, bedurfte es einer begründeten ärztlichen Einschätzung, warum diese unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und des Krankheitszustands nicht zur Anwendung kommen können. Dazu musste er die mit Cannabis zu behandelnde Erkrankung und das Behandlungsziel benennen, die für die Abwägung der Anwendbarkeit verfügbarer Standardtherapien mit der Anwendung von Cannabis erforderlichen Tatsachen vollständig darlegen und eine Abwägung unter Einschluss möglicher schädlicher Wirkungen von Cannabis vornehmen. Ferner musste er einen möglichen Suchtmittelgebrauch in der Vergangenheit bzw. den Verdacht einer Suchtmittelerkrankung darstellen und bei der Abwägung der Anwendbarkeit verschiedener Standardtherapien alle verfügbaren Therapien benennen und deren Erfolgsprognose darlegen (vgl. BSG, U.v. 10.11.2022 a.a.O. Rn. 28, 32 ff. mit Anm. von Pitz, jM 2023, 366/367). Das Verwaltungsgericht war mit den Sozialgerichten indes der Meinung, dass es bereits hieran fehlte. Abgesehen davon, dass der Kläger seinen behandelnden Arzt im Schriftsatz vom 14. Mai 2024 nicht als Zeuge für die Indikation der Cannabisverschreibung, sondern die bestimmungsgemäße Einnahme und seine telefonischen Angaben gegenüber dem Polizeibeamten benannt hat, hätte ein ordnungsgemäßer Beweisantrag auch bestimmte Tatsachen und nicht das Ergebnis einer medizinisch-rechtlichen Bewertung (Indikation) unter Beweis stellen müssen.
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3. Die Berufung ist auch nicht wegen einer Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) zuzulassen. Soweit der Kläger die angebliche Abweichung des Verwaltungsgerichts von Beschlüssen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 25. Oktober 2022 und vom 27. Juli 2016 zur materiellen Beweislast rügt, kann dies schon deshalb nicht zum Erfolg führen, weil dieser nicht das in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO angeführte Oberverwaltungsgericht, d.h. das im Rechtszug dem Verwaltungsgericht Augsburg übergeordnete Berufungsgericht (vgl. Rudisile in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand August 2024, § 124 VwGO Rn. 38), ist. Im Übrigen ist eine Divergenz nur dann hinreichend dargelegt, wenn ein inhaltlich bestimmter, die angefochtene Entscheidung tragender abstrakter Rechtssatz benannt wird, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung eines der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen entscheidungstragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat, wobei die divergierenden Rechtssätze einander präzise gegenüberzustellen sind (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 3.1.2024 – 3 BN 7.22 – juris Rn. 15; B.v. 23.8.2023 – 1 B 8.23 – juris Rn. 2; B.v. 13.2.2019 – 1 B 2.19 – juris Rn. 15 m.w.N.; Rudisile, a.a.O. § 124 Rn. 42 f.; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 73 m.w.N.). Auch hieran fehlt es.
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Außerdem geht das Verwaltungsgericht nicht davon aus, dass die Fahrerlaubnisbehörde für das Vorliegen eines Eignungsmangels nicht die materielle Beweislast trage. Vielmehr war es der Meinung, dass der Kläger nicht hinreichend dargelegt und belegt hat, dass die Voraussetzungen des Arzneimittelprivilegs gemäß Nr. 9.6 der Anlage 4 zur FeV bei ihm erfüllt sind. Dies gehört aber ungeachtet der materiellen Beweislast zu seinen Mitwirkungspflichten (vgl. BayVGH, B.v. 24.2.2025 a.a.O. Rn. 39 m.w.N.). Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat in beiden vom Kläger angeführten Entscheidungen auf die Modifizierung der Beweislast durch die Mitwirkungspflichten des Betroffenen hingewiesen.
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4. Als unterlegener Rechtsmittelführer hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO).
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5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) und den Empfehlungen in Nr. 46.2, 46.3 und 46.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
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6. Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).