Titel:
Kein Anspruch auf Löschung eines in einer Datenbank abgespeicherten Eintrags hinsichtlich der Bonität eines Anspruchstellers
Normenketten:
ZPO § 522 Abs. 2 Nr. 1, § 882c
DSGVO Art. 4 Nr. 2, Art. 5, Art. 17 Abs. 1 lit. c
Leitsätze:
1. Die Speicherung der Bonität ist erforderlich, weil die kreditvertraglichen Verpflichtungen gegenüber den Kunden mangels vollständiger Datengrundlage sonst nicht erfüllt wwerden können. (Rn. 9 – 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die vorgesehene Speicherdauer von abstrakt drei Jahren ist dem Grunde nach nicht zu beanstanden, denn diese ist nach Abwägung der widerstreitenden Interessen angemessen. Ebenso steht die Rechtsprechung des EuGH dem nicht entgegen. (Rn. 15 – 18) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Bonitätseintrag, Datenverarbeitung, Score-Wert, Speicherdauer, berechtigtes Interesse, Aufhebung, Darlegungs- und Beweislast, Kreditwürdigkeitsprüfung, Schuldnerverzeichnis, Speicherdatei
Vorinstanz:
LG Augsburg, Urteil vom 21.11.2024 – 032 O 1424/24
Fundstelle:
BeckRS 2025, 4085
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 21.11.2024, Az. 032 O 1424/24, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Verfahren auf 4.500 € festzusetzen.
3. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 20.3.2025.
Entscheidungsgründe
I. Offensichtliche Aussichtslosigkeit der Berufung, § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO
1
Die Berufung hat nach Überzeugung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die angefochtene Entscheidung des Erstgerichts ist richtig. Das Ersturteil beruht nicht auf einer Rechtsverletzung (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO). Vielmehr rechtfertigen die Tatsachen, die der Senat im Rahmen des durch § 529 ZPO festgelegten Prüfungsumfangs der Beurteilung des Streitstoffes zugrunde zu legen hat, keine andere Entscheidung. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts Bezug. Die Berufungsbegründung vom 13.2.2025, Bl. 6 vermag dem Rechtsmittel nicht zum Erfolg zu verhelfen, aus folgenden Gründen:
1. Entscheidung des Landgerichts
2
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Löschung eines in deren Speicherdatei abgespeicherten Eintrags über die Bonität des Klägers, auf Berichtigung des Score-Werts des Klägers in dieser Datenbank sowie Unterlassung der zukünftigen Verarbeitung dieses Eintrags in Anspruch. Gegenstand des Eintrags ist eine in der Sache unbestrittene Forderung, bei der der Kläger eine Forderung von ca. 800 € erst vier Monate nach deren Fälligkeit beglich.
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Zu der Eintragung speichert die Beklagte einen Erledigungsvermerk. Eine Aufforderung des Klägers vom 28.3.2024, den bestehenden Eintrag zu löschen, wies die Beklagte zurück. Der Kläger begehrt die Löschung gem. Art. 17 DS-GVO. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand der angegriffenen Entscheidung Bezug genommen.
b) Entscheidung des Landgerichts
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Das Landgericht wies die Klage ab. Ein Anspruch aus Art. 17 Abs. 1 a), d) DS-GVO stehe dem Kläger nicht zu. Die Übermittlung der Daten sei gem. Art. 6 Abs. 1 f) DS-GVO rechtmäßig und zur Wahrung der berechtigten Interessen der Beklagten und ihrer Vertragspartner erforderlich. Ein Überwiegen berechtigter Interessen des Klägers sei nicht ersichtlich. Eine Löschungspflicht der Beklagten sei derzeit noch nicht erkennbar. Insbesondere seien auch nicht die Löschungsfristen des § 882b ff. ZPO entsprechend heranzuziehen. Auch sei ein Anspruch auf Neuermittlung des Score-Werts zu verneinen.
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Mit der Berufungsbegründung rügt der Kläger insbesondere die fehlerhafte Rechtsanwendung des Landgerichts. Es sei die Darlegungs- und Beweislast verkannt worden. Es wäre nach Art. 5 Abs. 2 DS-GVO Aufgabe der Beklagten gewesen, dass sie die Anforderungen an Treu und Glauben nach Art. 5 Abs. 1 a und die Angemessenheit auf das notwendige Maß nach Art. 5 Abs. 1 c DS-GVO nicht verletzt. Die Beklagte hätte darlegen müssen, für welche Dauer die Speicherung gerechtfertigt sei. Ferner sei die konkrete Speicherfrist im Einzelfall nicht offen bewertet worden. Eine zweistufige Prüfung sei geboten. Zunächst sei die Rechtsmäßigkeit der Frist im Allgemeinen und dann im konkreten Fall zu ermitteln und zu bewerten. Dann sei eine rechtmäßige Speicherfrist zu bestimmen. Insbesondere sei § 882e Abs. 3 Nr. 1 ZPO entsprechend anzuwenden. Die Drittwirkung des Art. 3 GG sei nicht beachtet worden. Die Abwägungsentscheidung nach Art. 6 Abs. 1 f) DS-GVO sei fehlerhaft.
3. Erfolgsaussichten der Berufung
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Die Berufung hat insoweit keine Aussicht auf Erfolg.
a) Anspruch auf Löschung der gespeicherten Daten
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Ein Anspruch des Klägers auf Löschung der streitgegenständlichen Eintragungen in der Datenbank der Beklagten besteht nicht. Die betroffene Person hat nach Art. 17 Abs. 1 DS-GVO das Recht, von dem Verantwortlichen zu verlangen, dass sie betreffende personenbezogene Daten unverzüglich gelöscht werden, und der Verantwortliche ist verpflichtet, personenbezogene Daten unverzüglich zu löschen, sofern hier im Fall die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 a), c) oder d) DS-GVO vorliegen.
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Diese Gründe greifen hier nicht. Die personenbezogenen Daten sind weder für die Zwecke, für die sie erhoben wurden, nicht mehr notwendig (§ 17 Abs. 1 Nr. a DS-GVO), noch die personenbezogenen Daten unrechtmäßig verarbeitet. Die Verarbeitung durch die Beklagte erfolgte sowohl zur Wahrung ihrer eigenen als auch der berechtigten Interessen ihrer Vertragspartner, ohne dass überwiegende Interessen der Klägerin dem entgegenstehen, Art. 6 Abs. 1 f) DS-GVO.
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(1) Die Datenverarbeitung durch die Beklagte in Form der Speicherung erfolgte zunächst im Interesse der Beklagten selbst als allgemeine Grundlage für ihr Geschäftsmodell. Denn sie schließt Verträge mit Unternehmen, die Leistungen anbieten, die jedenfalls auch kreditorischer Natur sein können (vgl. Anlage B 1). Entgelte erhält sie von ihren Kunden für die Möglichkeit, von ihr für kreditrelevant gehaltene Informationen über deren potentielle Kunden zu erlangen. Da alle Interessen im Sinne des Art. 6 DS-GVO berechtigt sein können, die rechtlicher, persönlicher, ideeller, aber auch rein wirtschaftlicher Natur sind, stellt auch das rein geschäftliche Interesse der Beklagten an der Speicherung grundsätzlich ein derartiges berechtigtes Interesse dar. Die Speicherung zu diesem Zweck ist auch erforderlich, weil die Beklagte ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenüber ihren Kunden bzgl. die Klägerin betreffenden Anfragen mangels vollständiger Datengrundlage sonst nicht erfüllen kann (OLG Stuttgart, Urteil vom 10.08.2022 – 9 U 24/22; OLG Frankfurt a. M. Urt. v. 18.1.2023 – 7 U 100/22, BeckRS 2023, 583 Rn. 30). Die Speicherung im konkreten Fall erfolgte in Wahrung dieser Interessen.
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(2) Darüber hinaus diente die Speicherung auch und insbesondere den Interessen von Vertragspartnern der Beklagten als potentielle Kreditgeber des Klägers. Denn sie bildete die Datengrundlage für erbetene Auskünfte dieses umgrenzten Personenkreises, der Mitglieder der Beklagten als Gemeinschaftseinrichtung der kreditgebenden Wirtschaft in Deutschland unter Darlegung eines berechtigten Interesses, was bei einer konkret beabsichtigten Geschäftsbeziehung zum Kläger regelmäßig vorliegen wird. Dass das Interesse der potentiellen Kunden der Beklagten nicht nur berechtigt, sondern auch von der – europäischen wie auch innerstaatlichen - Rechtsordnung als besonders schützenswert angesehen wird, ist insbesondere an den zur Umsetzung des Art. 8 der RL 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der RL 87/102/EWG des Rates ersichtlich, die die Vergabe von Verbraucherkrediten unter die Voraussetzung einer u.a. auf Daten wie der Beklagten basierenden Kreditwürdigkeitsprüfung stellt (vgl. OLG Köln, Urteil vom 27.01.2022 – 15 U 153/21).
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(3) Diese und die darauf beruhende Übermittlung der angefragten Daten, ebenfalls Verarbeitung im Sinne des Art. 4 Nr. 2 DS-GVO, sind zur Wahrung dieser berechtigten Interessen erforderlich, da die anfragenden Kunden das frühere Zahlungsverhalten auch für die eigene, potentiell beabsichtigte Geschäftsbeziehung zum Kläger offensichtlich für vertragsrelevant halten. Andernfalls würden sie eine Auskunft über derartige, von der Beklagten typischerweise gespeicherte Daten nicht einholen.
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(4) Diese Auskünfte sind – auch heute noch – erforderlich, um die Informationsdisparität zwischen Kreditgebern und Kreditnehmern auszugleichen. Andernfalls wären die Kreditgeber ausschließlich auf die Eigenangaben potentieller Kreditnehmer angewiesen. Die Ermittlung der Kreditwürdigkeit, zu der die Kreditinstitute nicht nur aus eigenem Interesse verpflichtet sind, und die Erteilung von Bonitätsauskünften bilden das Fundament des deutschen Kreditwesens und dienen auch der Funktionsfähigkeit der Wirtschaft, sowie dem Schutz der Verbraucher vor Überschuldung (OLG Frankfurt a. M. Urt. v. 18.1.2023 – 7 U 100/22, BeckRS 2023, 583 Rn. 31-33).
b) Darlegungs- und Beweislast
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Eine fehlerhafte Einschätzung der Darlegungs- und Beweislast in Bezug auf die Berechtigung der Beklagten, Daten auch des Klägers zu speichern, vermag der Senat nicht zu erkennen. Dem Erfordernis des Art. 5 DS-GVO ist durch den vorgelegten Code of Conduct im Allgemeinen Genüge getan. Die vorgesehene Speicherdauer von grundsätzlich drei Jahren ist nicht zu beanstanden. Insbesondere sieht der vorgelegte Code of Conduct (Anlage B 1 und Anlage B 6) neben der allgemeinen Speicherdauer auch jeweils eine konkrete Prüfung im Einzelfall nach Beschwerde des Betroffenen vor (Anlage B 1 unter II Nr. 1, B 6 unter V Nr. 4). Ihrer Darlegungslast hat die Beklagte damit ausreichend Genüge geleistet.
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(1) Nach dem EuGH ist die Verarbeitung personenbezogener Daten nach Art. 5 DS-GVO Bestimmung unter drei kumulativen Voraussetzungen rechtmäßig: Erstens muss von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen oder von einem Dritten ein berechtigtes Interesse wahrgenommen werden, zweitens muss die Verarbeitung der personenbezogenen Daten zur Verwirklichung des berechtigten Interesses erforderlich sein und drittens dürfen die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der Person, deren Daten geschützt werden sollen, nicht überwiegen (Urteil vom 4. Juli 2023, Meta Platforms u.a. [Allgemeine Nutzungsbedingungen eines sozialen Netzwerks], C-252/21, ECLI:EU:C: 2023:537, Rn. 106 und die dort angeführte Rechtsprechung; OLG Düsseldorf Urt. v. 31.10.2024 – I-20 U 51/24, GRUR-RS 2024, 32757 Rn. 37). Diesen Erfordernissen wird die Datenspeicherung der Beklagten sowohl abstrakt, als auch konkret gerecht. Abstrakt hat sich die Beklagte für eine Vielzahl von Fällen einen Code of Conduct gegeben, der als solcher nicht zu beanstanden ist. Insbesondere sind die Erwägungen, die der Frage einer vorzeitigen Löschung von Einträgen über Restschuldbefreiungen nach §§ 286, 287a Abs. 1 S. 1 InsO in Schuldnerverzeichnissen nach § 882 b ff. nicht vergleichbar. Für diese ist in der Neufassung eine Ausnahmeregelung vorgesehen (Anlage 6 unter V. Nr. 4 ff.)
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(a) Dabei ist die vorgesehene Speicherdauer von abstrakt drei Jahren dem Grunde nach nicht zu beanstanden. Dem Kläger ist zwar soweit recht zu geben, dass die Speicherung personenbezogener Daten für die Zwecke zu denen sie verarbeitet werden, angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke ihrer Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein muss. Die Abwägung der Interessen des betroffenen Klägers gegenüber den Interessen der Beklagten trägt im vorliegend diese Speicherdauer. Die DSGVO sieht anders als § 35 BDSG a.F. keine Fristen für die Speicherdauer vor. Die im Code of Conduct vorgesehene Regelfrist erscheint sachlich angemessen, insbesondere im Hinblick auf die Interessen der kreditgebenenden Mitglieder der Beklagten im Verhältnis zum Löschungsinteresse des Kägers. Das zugrundeliegende Risiko von Forderungsausfällen bei Kreditvergaben kann jedenfalls dann, wenn wie hier eine Forderung von 800 € nicht beglichen wurden, zu der vorgesehenen Speicherdauer berechtigen.
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(b) Den Interessen Betroffener im Allgemeinen ist ausreichend Rechnung getragen. Auch im konkreten Fall ergeben sich keine Anhaltspunkte, die eine frühere Löschung rechtfertigen. Der Kläger hat keine konkreten Nachteile vorgetragen, die sich für ihn ergeben haben.
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Eine Speicherdauer von 3 Jahren ist im konkreten Fall nach Abwägung der widerstreitenden Interessen angemessen.
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(4) Dem steht die Entscheidung des EuGH v. 7.12.2023 – C 26/22 64/22 nicht entgegen. Der EuGH entschied hier, dass Art. 5 Abs. 1 lit. a) der Verordnung 2016/679 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 lit. f) dieser Verordnung dahin auszulegen ist, dass er einer Praxis privater Wirtschaftsauskunfteien entgegensteht, die darin besteht, in ihren eigenen Datenbanken aus einem öffentlichen Register stammende Informationen über die Erteilung einer Restschuldbefreiung zugunsten natürlicher Personen zum Zweck der Lieferung von Auskünften über die Kreditwürdigkeit dieser Personen für einen Zeitraum zu speichern, der über die Speicherdauer der Daten im öffentlichen Register hinausgeht (EuGH v. 7.12.2023 C26/22, 64/22, VuR 2024, 198). Ein vergleichbarer Zusammenhang besteht vorliegend nicht. So betreffen die streitgegenständlichen Einträge nur Zahlungsverzögerungen.
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(5) Es liegt entgegen der Ansicht des Klägers keine ungerechtfertigte oder sinnwidrige Ungleichbehandlung von Einträgen, die aus dem Schuldnerverzeichnis übernommen werden, und anderen Einträgen vor. Denn es handelt sich um unterschiedlich gelagerte Sachverhalte.
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(a) In das Schuldnerverzeichnis wird nicht bereits das bloße Vorliegen eines Vollstreckungstitels eingetragen, sondern nach § 882b Abs. 1 Nr. 1–3 ZPO werden Eintragungen nur in den dort bestimmten Fällen vorgenommen. Die Eintragung nach § 882c ZPO ist Teil des Vollstreckungsverfahrens und setzt eine besondere Eintragungsanordnung des Gerichtsvollziehers voraus. Im Gegensatz dazu beruht die Eintragung in anderen Fällen idR auf der Meldung eines Gläubigers.
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(b) Die Löschung eines Eintrags im Schuldnerverzeichnis erfolgt entweder taggenau nach drei Jahren oder aber vorzeitig, wenn die Löschung des Eintrags in das Schuldnerverzeichnis durch das zentrale Vollstreckungsgericht mitgeteilt wird. Dies setzt eine besondere Löschungsanordnung des zentralen Vollstreckungsgerichts voraus (§ 882e ZPO), zu deren Erlass der Schuldner die Befriedigung des Gläubigers oder den Wegfall des Eintragungsgrunds ggü. dem zentralen Vollstreckungsgericht nachzuweisen hat.
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(c) Eine dem Schuldnerverzeichnis vergleichbare Situation ist bei der Speicherung und Verarbeitung von Daten durch die Beklagte nicht gegeben. Diese erteilt nur ihren Vertragspartnern (Banken, Sparkassen, Genossenschaftsbanken, Kreditkarten-, Factoring- und Leasingunternehmen etc.) und auch diesen erst bei „berechtigtem Interesse“ Auskünfte, wobei ein solches „berechtigtes Interesse“ u.a. vorliegt, wenn ein Unternehmen ggü. dem betreffenden Schuldner mit einer Dienstleistung oder einer Lieferung in Vorleistung geht und damit ein wirtschaftliches Risiko trägt. Damit ist zum einen der Kreis an potenziellen Auskunftsberechtigten ggü. demjenigen des Schuldnerverzeichnisses deutlich geringer und zum anderen wird eine Auskunft von der Beklagten als privatrechtlicher juristischer Person an diesen personell geringeren Kreis nur in bestimmten Konstellationen, nämlich bei einer finanziellen Vorleistung ggü. dem Schuldner, auf Grund eines erkennbaren Interesses erteilt (OLG Köln Urt. v. 27.1.2022 – 5 U 153/21). Für eine entsprechende Anwendung der Vorgaben für Einträge aus dem Schuldnerverzeichnis besteht angesichts dessen kein Raum (vgl. OLG Frankfurt, Urteil v. 18.1.2023 – 7 U 100/22; OLG Oldenburg Urt. v. 23.11.2021 – 13 U 63/21 [= ZD 2022, 103]; OLG Köln, a.a.O.).
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(6) Bei Vorliegen eines berechtigten Interesses ist von einem Verstoß gegen den Grundsatz der Datenminimierung nicht auszugehen.
24
c) Eine Löschung hat auch nicht nach Art. 17 Abs. 1 Buchst. c DSGVO zu erfolgen. Nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. Urteil vom 07.12.2023, Az. C 26/22 und C-64/22, Rz. 109 ff.) ist soweit die Verarbeitung im Einklang mit Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO steht, Art. 17 Abs. 1 Buchst. c DSGVO zu erwägen. Diese Bestimmung sieht das Recht auf Löschung personenbezogener Daten vor, wenn die betroffene Person gemäß Art. 21 Abs. 1 DSGVO Widerspruch gegen die Verarbeitung einlegt und keine „vorrangigen berechtigten Gründe für die Verarbeitung“ vorliegen. Nach letzterer Bestimmung hat die betroffene Person das Recht, aus Gründen, die sich aus ihrer besonderen Situation ergeben, jederzeit gegen die Verarbeitung sie betreffender personenbezogener Daten, die aufgrund von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e oder f DSGVO erfolgt, Widerspruch einzulegen. Der Verantwortliche verarbeitet die personenbezogenen Daten nicht mehr, es sei denn, er kann zwingende schutzwürdige Gründe für die Verarbeitung nachweisen, die die Interessen, Rechte und Freiheiten der betroffenen Person überwiegen, oder die Verarbeitung dient der Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen.
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Der Senat geht nach diesen Grundsätzen davon aus, dass zwingende schutzwürdige Gründe für die Verarbeitung vorliegen, die die Interessen, Rechte und Freiheiten des Klägers überwiegen. So ist angesichts der erheblichen Zahlungsrückstände und der erst späten Erledigung auch die vorgesehene Speicherfrist nach Art. 6 Abs. 1 f) nicht zu beanstanden. Der Kläger hat (im Rahmen der ihm zumindest obliegenden sekundären Darlegungslast) keine Umstände dargelegt, die zu einer Unangemessenheit der Speicherdauer oder überhaupt der weiteren Speicherung führen müssten. Für eine frühere Löschung spricht jedenfalls nicht der Umstand, dass die eingetragene Forderung durch den Kläger getilgt wurde. Die Art und Weise der Erfüllung von offenen Forderungen bildet die Grundlage für das berechtigte Interesse der Beklagten an der Speicherung der fraglichen Daten. Nur so kann ein potentieller Kreditgeber Rückschlüsse auf die Zahlungsfähigkeit aber auch Zahlungswilligkeit ziehen, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat. Der Kläger konnte in seiner Anhörung Umstände, die eine andere Sachentscheidung rechtfertigen würden, nicht vorbringen. Vielmehr war deutlich, dass auch der Kläger die konkrete Forderung und deren Erledigung nicht mehr vor Augen hat. Der Kläger stellt auf allgemeine Gesichtspunkte und Erwägungen rechtspolitischer Natur ab (vgl. S. 43 ff. der Berufungsbegründung), die hier im konkreten Fall eine andere Entscheidung des Senats nicht rechtfertigen.
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d) Auch im Übrigen wirft die rechtliche Würdigung des Erstgerichts keine Bedenken auf.
II. Weitere Voraussetzungen von § 522 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 ZPO
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Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, § 522 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil, § 522 Abs. 2 Nr. 3 ZPO. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist nicht geboten, § 522 Abs. 2 Nr. 4 ZPO.
III. Prozessuale Hinweise
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Aufgrund obiger Ausführungen regt der Senat aus Kostengründen – eine Rücknahme der Berufung würde zu einer Kostenersparnis in Höhe von zwei Gerichtsgebühren führen, Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses – an, die Berufung zurückzunehmen.