Inhalt

VG München, Urteil v. 12.02.2025 – M 7 K 22.4558
Titel:

Datenschutzaufsicht, Zuständige Aufsichtsbehörde, Kommunales Verkehrsunternehmen, Videoüberwachung, Öffentliche Stelle

Normenketten:
BDSG § 1 Abs. 1
BDSG § 2 Abs. 2
BayDSG Art. 1
BayDSG Art. 15
BayDSG Art. 24
Schlagworte:
Datenschutzaufsicht, Zuständige Aufsichtsbehörde, Kommunales Verkehrsunternehmen, Videoüberwachung, Öffentliche Stelle
Fundstelle:
BeckRS 2025, 4045

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

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Die Klägerin wendet sich als kommunaler Verkehrsbetrieb gegen Maßnahmen des Bayerischen Landesbeauftragten für den Datenschutz im Rahmen seiner Kontrolltätigkeit.
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Der Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 5. Mai 2022 mit, dass er im Rahmen seiner Kontrolltätigkeit nach Art. 15 Abs. 1 BayDSG generell die Zulässigkeit von Videoüberwachungsmaßnahmen kommunaler Verkehrsbetriebe im öffentlichen Personennahverkehr überprüfe. Im Rahmen seiner Prüftätigkeit sei er darauf hingewiesen worden, dass die Beschilderung der Videoüberwachung der Klägerin unzureichend sei und auf die Überwachungsmaßnahmen erst hingewiesen werde, wenn der überwachte Bereich bereits betreten worden sei. Daneben würden manche Kameras an Haltestellen auch Teile des öffentlichen Raums erfassen. Nach Art. 57, 58 DSGVO i.V.m. Art. 15 Abs. 1 BayDSG sei der Beklagte zuständig für die Kontrolle bei den bayerischen öffentlichen Stellen. Es werde um eine Stellungnahme zur Videoüberwachung an U-Bahnsteigen und in der U-Bahn in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gebeten, was näher ausgeführt wurde, dabei u.a., dass es für erforderlich gehalten werde, im Hinblick auf die Pflicht aus den Art. 13 f. DSGVO die vollständigen Datenschutzhinweise auch in den Informationsvitrinen an den Bahnsteigen vorzuhalten. Die Rechtsgrundlage für die Videoüberwachungsmaßnahmen der Klägerin ergebe sich aus Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e, Abs. 2, Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. b DSGVO i.V.m. Art. 24 Abs. 1 BayDSG. Die Klägerin stelle eine öffentliche Stelle gemäß Art. 1 Abs. 2 BayDSG dar, da sie vollständig von der Städtische Werke N. GmbH (im Folgenden: StWN) gehalten werde, deren Alleingesellschafterin die Stadt N. sei. Die Erbringung von Leistungen des öffentlichen Personennahverkehrs (im Folgenden: ÖPNV) stelle eine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayDSG dar. Die Klägerin sei daher insoweit als bayerische öffentliche Stelle im datenschutzrechtlichen Sinne zu klassifizieren. Die Videoüberwachung stelle – da sie nicht unmittelbar der Teilnahme am „Marktgeschehen“ zuzurechnen sei – keine unmittelbare Teilnahme am Wettbewerb dar, sodass insoweit Art. 1 Abs. 3 BayDSG nicht zur Anwendung komme.
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Die Klägerin teilte mit Schreiben vom 15. Juli 2022 mit, dass sie als nichtöffentliche Stelle im Sinne des Bayerischen Datenschutzgesetzes unter die aufsichtliche Zuständigkeit des Bayerischen Landesamts für Datenschutzaufsicht (im Folgenden: Landesamt) falle. Die Klägerin sei weder Behörde noch – auch unter Berücksichtigung von Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayDSG – sonstige öffentliche Stelle des Freistaats Bayern gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BayDSG. Sie sei als Aktiengesellschaft eine juristische Person des Privatrechts und damit grundsätzlich eine nichtöffentliche Stelle, für die gemäß Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayDSG das Landesamt als Aufsichtsbehörde nach Art. 51 DSGVO und nach § 40 BDSG zuständig sei. Es fehle an der erforderlichen beherrschenden Stellung der Stadt N. als der beteiligten juristischen Person des öffentlichen Rechts. Die Klägerin sei auch keine Beliehene im Sinne von Art. 1 Abs. 4 BayDSG, da ihr keine hoheitlichen Aufgaben und Befugnisse übertragen worden seien. Die Klägerin nehme mit der tatsächlichen Erbringung der Verkehrsdienstleistungen, die grundsätzlich gleichermaßen von privaten wie öffentlichen Anbietern erbracht werden könnten, keine Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahr. Diese Auffassung vertrete auch das Oberverwaltungsgericht Lüneburg, das die Überlandwerke und Straßenbahnen H. AG als nichtöffentliche Stelle im datenschutzrechtlichen Sinne eingeordnet habe (vgl. U.v. 7.9.2017 – 11 LC 59/16 – juris). Es fehle ein „tatsächliches“ Beherrschungsverhältnis hinsichtlich des operativen Geschäfts, welches tatsächliche Eingriffe der öffentlichen Stelle in die überwachten Aufgaben bzw. Datenverarbeitungen ermögliche. Die Stadt N. sei an der Klägerin zwar mittelbar beteiligt, sie beherrsche aber nicht die operativen Unternehmenstätigkeiten der Klägerin, wie es Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayDSG erfordern würde. Die Klägerin sei ein 100-prozentiges Tochterunternehmen der StWN. Diese stehe zu 100 Prozent im Eigentum der Stadt N. . Die Klägerin unterliege als Aktiengesellschaft gerade nicht einer öffentlichen Kontrolle. Sowohl der Vorstand als auch der Aufsichtsrat seien einer externen Beherrschung durch die öffentliche Hand entzogen.
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Der Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 25. Juli 2022, er könne der Auffassung, wonach die Klägerin – entgegen der bislang geübten Praxis – keine seiner Aufsicht unterfallende öffentliche Stelle sei, nicht folgen. Dies ergebe sich auch nicht aus der Besonderheit – gegenüber den anderen mehr als 40 seiner Zuständigkeit unterfallenden ÖPNV-Unternehmen in Bayern – meist GmbH – bei der Rechtsformwahl. Die Gewährleistung des ÖPNV, was auch die unmittelbare Erbringung von Verkehrsdienstleistungen einschließe, sei eine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung. Die herangezogene Oberverwaltungsgerichtsentscheidung beziehe sich auf ein anderes Recht, so hebe sie auf § 2 Abs. 4 Satz 2 BDSG („hoheitliche Aufgabe“; vgl. auch Art. 1 Abs. 4 BayDSG) ab, und sei schon daher nicht auf die Auslegung des Art. 1 Abs. 2 BayDSG zu übertragen. Für diesen genüge, dass eine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung vorliege. Diese umfasse auch die sog. Leistungsverwaltung, wie die Erbringung von ÖPNV-Verkehrs(dienst) leistungen. Art. 1 Abs. 2 BayDSG enthalte als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal die Vorgabe, dass die juristische Person des öffentlichen Rechts im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BayDSG bei einer Beteiligung eine beherrschende Stellung innehaben müsse. Habe der Rechtsträger eine absolute Mehrheit der Anteile oder Stimmen, könne grundsätzlich ein Beherrschungsverhältnis angenommen werden. Nach dem Vortrag der Klägerin halte die Stadt N. vermittelt über die StWN 100 Prozent der Aktien der Klägerin. Allein dies spreche für eine Beherrschung der Klägerin durch die Stadt N. . Auch sei ersichtlich, dass Aufsichtsratsvorsitzender der Klägerin der Dritte Bürgermeister der Stadt N. sei. Dies sei ebenfalls ein Indiz für eine beherrschende Stellung. Auch das Kommunalrecht und das Verfassungsrecht verpflichteten die Gemeinde, wenn sie Aufgaben der öffentlichen Verwaltung in Privatrechtsform erfüllen wolle, sich hinreichende Einflussmöglichkeiten zu sichern, damit sie sicherstellen könne, dass die Aufgabe der öffentlichen Verwaltung ordnungsgemäß erfüllt werde (vgl. Art. 92 Abs. 1, Art. 93 Abs. 2 GO). Es sei daher naheliegend, dass die Stadt N. sich Einflussnahmemöglichkeiten auf die Klägerin, etwa auch im Gesellschaftsvertrag, vorbehalten habe.
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Mit weiterem Schreiben vom 9. September 2022 wurde die Klägerin gebeten, die geforderten Dokumentationen zur Videoüberwachung bis spätestens 30. September 2022 vorzulegen. Auf die Mitwirkungspflicht der öffentlichen Stelle und die Aufgabe des Datenschutzbeauftragten zur Zusammenarbeit mit der Aufsichtsbehörde (Art. 16 Abs. 1 BayDSG, Art. 39 Abs. 1 Buchst. d DSGVO) wurde hingewiesen.
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Am 15. September 2022 erhob die Klägerin Klage.
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Zur Begründung wurde vorgetragen, zwischen der StWN und der Klägerin bestehe seit 1961 ein Organvertrag im Sinne des § 291 Abs. 1 AktG, der aus ertragssteuerrechtlichen Gründen abgeschlossen worden sei und die Erfüllung der in Art. 92 GO vorgesehenen kommunalwirtschaftsrechtlichen Anforderungen sicherstelle. Der Organvertrag enthalte insbesondere ein Zustimmungserfordernis für wesentliche Rechtsgeschäfte der Klägerin. Er enthalte kein Weisungsrecht der StWN gegenüber Gremien der Klägerin, insbesondere nicht gegenüber dem Vorstand. Die Klägerin habe sich dem Beklagten gegenüber trotz dessen von ihr verneinter Zuständigkeit kooperativ verhalten und ihm mit Schreiben vom 28. September 2022 ohne Präjudiz für die Sach- und Rechtslage die erbetenen Informationen übermittelt. Die Klage sei als Anfechtungsklage, hilfsweise als Feststellungsklage zulässig. Die Bescheide des Beklagten erfüllten ohne weiteres die Merkmale eines Verwaltungsakts nach Art. 35 Satz 1 BayVwVfG, insbesondere wiesen sie eine Regelungswirkung auf und entfalteten Außenwirkung. Der Beklagte fordere die Klägerin in allen drei Bescheiden zur Stellungnahme sowie zur Vorlage weiterer Unterlagen zur Videoüberwachung auf und greife dadurch in den Rechtskreis der Klägerin ein. Bei den Bescheiden könne es sich auch nicht um Ersuchen zur Geltendmachung von Unterstützungspflichten nach Art. 16 BayDSG gehandelt haben, wenn und weil die Klägerin als nichtöffentliche Stelle keine solche Pflichten träfen. Vor diesem Hintergrund stellten sich die Bescheide des Beklagten jedenfalls aus der Sicht der Klägerin als Adressatin nicht als bloße Ersuchen dar. Es handele sich bei der im Hilfsantrag erhobenen Feststellungsklage nicht um eine vorbeugende Feststellungsklage, sodass ein qualifiziertes Feststellungsinteresse nicht erforderlich sei. Der Beklagte sei durch den Erlass der Bescheide bereits gegenüber der Klägerin tätig geworden. Auch ein qualifiziertes Feststellungsinteresse folge aber daraus, dass die Klägerin mit weiteren Bescheiden des Beklagten in Ausübung seiner vermeintlichen Befugnisse rechnen müsse, solange die Zuständigkeitsfrage nicht geklärt sei, und dann eine Vielzahl gleichartiger Rechtsakte abzuwehren hätte. Ferner bestehe aus Sicht der Klägerin das ihr nicht zumutbare Risiko, dass der Beklagte gegen sie Zwangsmaßnahmen in Gestalt von Abhilfemaßnahmen gemäß Art. 58 Abs. 2 DSGVO ergreifen könnte. Für die Zulässigkeit einer vorbeugenden Feststellungsklage sei es ausreichend, wenn das Rechtsverhältnis zum Zeitpunkt der Klageerhebung – wie hier – hinreichend sicher bezeichnet werden könne. Die angefochtenen Schreiben seien rechtswidrig, weil die Klägerin darin durch eine sachlich unzuständige Behörde zur Herausgabe von Informationen verpflichtet werde. Die Klägerin sei eine nichtöffentliche Stelle im Sinne von § 2 Abs. 4 Satz 1 BDSG und daher gemäß § 40 BDSG i.V.m. Art. 18 BayDSG das Landesamt zuständige datenschutzrechtliche Aufsichtsbehörde. Darüber hinaus habe der Beklagte für die Beurteilung der Videoüberwachungsmaßnahmen das falsche datenschutzrechtliche Regelungsregime herangezogen. Die Datenverarbeitung der Klägerin sei nicht an den Anforderungen des Bayerischen Datenschutzgesetzes zu messen, sondern an der Datenschutz-Grundverordnung. Da die Klägerin die Leistungen des öffentlichen Personennahverkehrs im Wettbewerb mit anderen Mobilitätsdienstleistern erbringe, gälten gemäß Art. 1 Abs. 3 Satz 1 BayDSG die Vorschriften für nichtöffentliche Stellen. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes ergebe sich kraft Sachzusammenhangs je nachdem, in welchem Zusammenhang die Datenverarbeitung erfolge. Erfolge die Datenverarbeitung im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Tätigkeit des Datenverarbeitenden, ergebe sich die Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG. Das Bundesdatenschutzgesetz falle damit insoweit in den Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung gemäß Art. 72 GG. Der Bund habe von seiner Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch gemacht, sodass – soweit der Anwendungsbereich des Bundesdatenschutzgesetzes eröffnet sei – dessen Regelungen denen der Landesdatenschutzgesetze vorgingen (vgl. Art. 31 GG). Das Bundesdatenschutzgesetz definiere selbst seinen Anwendungsbereich in § 1 Abs. 1. Soweit es Landesdatenschutzgesetze gebe, gingen diese dem Bundesdatenschutzgesetz für öffentliche Stellen der Länder vor. Auf nichtöffentliche Stellen sei grundsätzlich das Bundesdatenschutzgesetz anwendbar. Der Anwendungsbereich des Bundesdatenschutzgesetzes sei hier eröffnet. Die Klägerin sei eine nichtöffentliche Stelle gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 BDSG. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg habe in einem im Wesentlichen gleichgelagerten Fall die ÜSTRA Hannoversche Verkehrsbetriebe AG als nichtöffentliche Stelle nach § 2 Abs. 4 Satz 1 BDSG eingestuft. Auch der Wortlaut des § 2 Abs. 4 Satz 2 BDSG spreche dafür, jedenfalls die Videoüberwachung in den Verkehrsmitteln und Bahnhöfen der Klägerin den datenschutzrechtlichen Vorschriften für nichtöffentliche Stellen zu unterwerfen. Aus diesem („insoweit“) ergebe sich, dass die datenverarbeitende Stelle nur in Bezug auf solche Bereiche als öffentliche Stelle anzusehen sei, in denen sie hoheitliche Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehme. Eine Stelle könne danach gleichzeitig für bestimmte Teilbereiche eine öffentliche Stelle und für andere Teilbereiche wiederum nichtöffentliche Stelle im Sinne des § 2 Abs. 4 Satz 2 BDSG sein. Zu den hoheitlichen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung möge zwar grundsätzlich die Sicherstellung des ÖPNV als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge zählen. Dies gelte aber nicht für die Erbringung der Verkehrsleistung als solcher und erst recht nicht für die Durchführung von Videoüberwachungsmaßnahmen in den Nahverkehrsmitteln und Bahnhöfen. Die Durchführung einer Videoüberwachung und die Verarbeitung der in diesem Zuge erhobenen personenbezogenen Daten zählten nicht zu den Aufgaben der öffentlichen Verwaltung. Das Bayerische Datenschutzgesetz komme daher nicht zur Anwendung. Die Aufsicht über nichtöffentliche Stellen der Länder führe in Bayern gemäß Art. 18 Abs. 1 BayDSG das Landesamt. Der formelle Fehler könne nicht nach Art. 45 BayVwVfG geheilt werden und sei zudem nicht von Art. 46 BayVwVfG erfasst. Darüber hinaus seien die Schreiben des Beklagten auch in materieller Hinsicht fehlerhaft, da er seine Überprüfung anhand der falschen Norm (Art. 24 Abs. 1 BayDSG) durchführe. Selbst für öffentliche Stellen gelte gemäß Art. 1 Abs. 3 Satz 1 BayDSG das Datenschutzregime für nichtöffentliche Stellen, soweit diese am Wettbewerb teilnähmen. Die Klägerin erbringe die Leistungen im Bereich des öffentlichen Personenverkehrs im Wettbewerb mit anderen Anbietern von lokalen Mobilitätsdienstleistungen, wie insbesondere Taxi- und Mietwagenunternehmen sowie Car-Sharing-Anbietern usw. Die Klägerin unterliege nicht den Regelungen des Bayerischen Datenschutzgesetzes, weil sie keine öffentliche Stelle der Länder im Sinne des § 2 Abs. 2 BDSG sei und die eine Anwendung der landesrechtlichen Datenschutzgesetze eröffnende Regelung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 BDSG daher nicht einschlägig sei. Mit der genannten Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburgs sowie der nachfolgenden Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde des Bundesverwaltungsgerichts sei obergerichtlich geklärt und höchstgerichtlich bestätigt, dass ein in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft betriebenes Nahverkehrsunternehmen keine öffentliche Stelle der Länder im Sinne des § 2 Abs. 2 BDSG sei. Eine sachliche Zuständigkeit des Beklagten aus Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayDSG für Aufsichtsmaßnahmen gegenüber der Klägerin bestünde aber auch bei unterstellter Anwendbarkeit des Bayerischen Datenschutzgesetzes nicht, weil die Klägerin keine öffentliche Stelle im Sinne dieser Norm sei. Die Einordnung der Klägerin als öffentliche Stelle nach Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayDSG erfordere u. a., dass diese Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehme, was nicht der Fall sei. Die Gewährleistung des ÖPNV gemäß Art. 57 Abs. 1 Satz 1 BayGO gehöre nicht zum Aufgabenbereich der Klägerin. Art. 4 Abs. 3 BayÖPNVG regele lediglich Soll-Anforderungen für die Durchführung des öffentlichen Personennahverkehrs und treffe keine Aussage dahingehend, dass die mit der Erbringung von Verkehrsdienstleistungen zusammenhängende Videoüberwachung ein Bestandteil der den Gemeinden obliegenden Gewährleistung des öffentlichen Nahverkehrs sei, und erst recht nicht, dass es sich dabei um eine öffentliche Aufgabe der Verwaltung handele. Es sei – wie auch nach Ansicht des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg – zwischen dem Gewährleistungsauftrag einerseits und der Erbringung von Verkehrsdienstleistungen andererseits zu differenzieren. Diese Differenzierung beruhe nicht auf Spezifika des niedersächsischen Landesrechts oder einer im Kontext des § 2 Abs. 4 Satz 2 BDSG vermeintlich zu fordernden Hoheitlichkeit und könne damit auch auf das bayerische Landesrecht übertragen werden. Aussagen des Bayerischen Landesgesetzgebers vor mehr als 16 Jahren könne – wenn überhaupt – nur für die Auslegung des Bayerischen Landesrechts Bedeutung zukommen. Für die hier vorrangig zu beantwortende Frage nach der Auslegung von § 1 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BDSG als Regelungen des Bundes seien sie von vornherein unerheblich. Aber auch für den Anwendungsbereich des Bayerischen Landesdatenschutzgesetzes komme der vom Beklagten zitierten Passage aus der Landtagsdrucksache 15/9799 keine entscheidende Bedeutung zu. Das folge letztlich schon daraus, dass die Aussage des Landesgesetzgebers offenbar auf keiner rechtlichen Prüfung beruhe. Richtigerweise habe die Klägerin nämlich bereits im Jahr 2008 nicht als öffentliche Stelle der Länder im Sinne des §§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 2 Abs. 2 BDSG a. F. angesehen werden können, sodass der Anwendungsbereich des Bayerischen Landesdatenschutzgesetzes schon damals nicht eröffnet gewesen sei. Es liege vor diesem Hintergrund nahe, dass der Landesgesetzgeber in der Drucksache lediglich exemplarisch zwei große Nahverkehrsunternehmen benannt habe, um den von ihm angenommenen Anwendungsbereich der neuen Regelung des Art. 21a BayDSG a. F. zu veranschaulichen, ohne dass damit eine Aussage über die rechtliche Einordnung der Klägerin habe verbunden sein sollen. Das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration habe mit Schreiben vom 11. Oktober 2022 zu Recht darauf hingewiesen, dass die Regelungen des Kommunalrechts für die Beantwortung der vorliegenden Frage unergiebig seien und der Beklagte somit einen falschen rechtlichen Maßstab zugrunde lege. Nach der vom Beklagten angeführten Regelung in Art. 92 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GO seien gemeindliche Unternehmen in Privatrechtsform und gemeindliche Beteiligungen an Unternehmen in Privatrechtsform nur zulässig, wenn die Gemeinde angemessenen Einfluss im Aufsichtsrat oder in einem entsprechenden Gremium erhalte. Der Einfluss der Gemeinde sei dabei immer dann als angemessen anzusehen, wenn sich der Anteil ihrer Vertreter an der Quote ihrer Beteiligung orientiere. Die Begründung eines gesellschaftsrechtlichen Weisungsrechts sei zur Sicherstellung eines angemessenen Einflusses der Gemeinde dagegen nur erforderlich, soweit die Begründung eines solchen gesellschaftsrechtlich zulässig sei – etwa bei einer GmbH mit fakultativem Aufsichtsrat. Der durch die Bayerische Gemeindeordnung geforderte „angemessene Einfluss“ der Gemeinde sei also etwas grundlegend anderes als eine „beherrschende Stellung“ und insbesondere auch unter der Schwelle einer Beherrschung möglich. Das Kommunalrecht formuliere in Art. 92 Abs. 1 BayGO einen vollkommen anderen Maßstab als den der beherrschenden Stellung, die nach Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayDSG erforderlich sei.
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Die Klägerin beantragt,
1. die Bescheide des Beklagten vom 5. Mai 2022, Az.: DSB/3-713-32-4, vom 25. Juli 2022, Az.: DSB/3-713-32-4, sowie vom 9. September 2022, Az.: DSB/3-713-32-4, aufzuheben,
hilfsweise:
2. festzustellen, dass der Beklagte nicht die zuständige Überwachungsbehörde hinsichtlich der Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften durch die Klägerin und dementsprechend nicht berechtigt ist, von der Klägerin Auskünfte im Zusammenhang mit der Videoüberwachung in öffentlichen Verkehrsmitteln der Klägerin anzufordern.
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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Er führte hierzu aus, Anlass für das Tätigwerden sei eine Bürgereingabe aus dem Februar 2022 gegen die Videoüberwachung in den U-Bahnhöfen und U-Bahnen der Klägerin gewesen. Auf Art. 20 Abs. 2 BayDSG werde hingewiesen. Die Unterlagen seien für die hier zu klärenden Fragen auch nicht von Bedeutung. Mit den von der Klägerin angegriffenen Schreiben habe sich der Beklagte nicht auf die Untersuchungsbefugnisse nach Art. 58 Abs. 1 DSGVO gestützt, sondern auf die nach Art. 58 Abs. 6 DSGVO zulässige zusätzliche Befugnis des Art. 16 Abs. 1 BayDSG. Er habe insoweit die der Klägerin zukommende Unterstützungspflicht durch ein entsprechendes Ersuchen geltend gemacht. Dieses Ersuchen sei grundsätzlich nicht als Verwaltungsakt im Sinne des Art. 35 Satz 1 BayVwVfG zu werten. Das Ersuchen sei – jedenfalls gegenüber öffentlichen Stellen – grundsätzlich als Bitte zu verstehen, die jeweilige Unterstützungsleistung zu erbringen. Die Klage entfalte schon mangels Vorliegen von Verwaltungsakten keine aufschiebende Wirkung, weshalb das datenschutzrechtliche – bislang nicht förmliche – Verfahren durch den Beklagten mit Schreiben vom 15. November 2022 weiter betrieben worden sei. Für eine vorbeugende Feststellungsklage fehle der Klägerin das erforderliche qualifizierte Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Der Beklagte habe derzeit noch keine abschließende datenschutzrechtliche Bewertung getroffen und auch nicht treffen können, da ihm noch nicht alle erforderlichen Informationen zur Verfügung stehen dürften. Der Klägerin sei daher zuzumuten, den weiteren Fortgang der Prüfung abzuwarten. Maßgebende Rechtsgrundlage für das Auskunftsersuchen sei Art. 16 Abs. 1 Satz 2 BayDSG. Das maßgebende Rechtsregime des Bayerischen Datenschutzgesetzes und damit letztlich die sachliche Zuständigkeit des Beklagten für die datenschutzrechtliche Aufsicht über die Klägerin als bayerische öffentliche Stelle ergebe sich bereits aus dem gegenüber § 2 Abs. 4 Satz 1 BDSG vorrangigen § 2 Abs. 2 BDSG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG i.V.m. Art. 1 Abs. 2 BayDSG. Nach § 2 Abs. 2 BDSG zählten gerade auch Vereinigungen von öffentlichen Stellen der Länder zu den öffentlichen Stellen des jeweiligen staatlichen Bereichs, und zwar unabhängig von ihrer Rechtsform, so auch solche des Privatrechts. Dabei sei der Begriff der „Vereinigung“ weit auszulegen. So seien z.B. auch (rechtsfähige und nicht rechtsfähige) Vereine (insbesondere Verbände), sonstige körperschaftlich strukturierte Organisationen sowie privatrechtliche Stiftungen, aber gerade auch Personen- und Kapitalgesellschaften als Vereinigungen im Sinne des § 2 Abs. 1 BDSG anzusehen. Sinn und Zweck der Regelung bestehe darin, zu verhindern, dass öffentliche Stellen durch Verlagerung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung auf Vereinigungen des Privatrechts in die Datenschutzvorschriften und ggf. Erleichterungen für nichtöffentliche Stellen „fliehen“ könnten. Dies treffe auf die Klägerin zu. Die Stadt N. sei über die StWN, an der sie 100% halte, mittelbar an der Klägerin beteiligt. Die Klägerin sei ein hundertprozentiges Tochterunternehmen der StWN. Als öffentliche Stelle der Länder im Sinne von § 2 Abs. 2 BDSG finde gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BDSG vorrangig das Datenschutzrecht der Länder und somit die Art. 1 ff. BayDSG Anwendung. Die Klägerin sei auch nach Art. 1 Abs. 2 und 3 BayDSG als öffentliche Stelle im Sinne des Bayerischen Datenschutzgesetzes einzuordnen. Nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayDSG sei der Beklagte für diese datenschutzrechtlich zuständige Aufsichtsbehörde. Auch nach Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayDSG seien Vereinigungen des privaten Rechts, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnähmen und an denen – ungeachtet der Beteiligung nichtöffentlicher Stellen – eine oder mehrere der in Abs. 1 Satz 1 genannten juristischen Personen des öffentlichen Rechts unmittelbar oder durch eine solche Vereinigung beteiligt seien, öffentliche Stellen. Dies treffe auf die Klägerin zu. Des Weiteren übernehme diese Leistungen des öffentlichen Personennahverkehrs und damit Aufgaben der öffentlichen Verwaltung. Die Gewährleistung des ÖPNV als öffentliche Aufgabe schließe die unmittelbare Erbringung von Verkehrsdienstleistungen des ÖPNV ein. Gleiches gelte auch für die unmittelbare Erbringung der Verkehrsdienstleistung bedingende/begleitende Bau-, Beschaffungs- und Bereitstellungsdienstleistungen, was sich eindeutig schon aus Art. 4 Abs. 3 BayÖPNVG ableiten lasse. Dies erstrecke sich auch auf die von der Klägerin im Rahmen der Erbringung der Verkehrsdienstleistung betriebene Videoüberwachung. Die angeführte Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom 7. September 2017 führe zu keiner anderen Einschätzung. § 2 Abs. 4 Satz 2 BDSG sei vorliegend schon nicht anwendbar. Die Ratio der Entscheidung sei zudem nicht auf die Auslegung des Art. 1 Abs. 2 BayDSG übertragbar. Anders als § 2 Abs. 4 Satz 2 BDSG („hoheitliche Aufgabe“) genüge nach Art. 1 Abs. 2 BayDSG bereits, dass eine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung vorliege. Den Begriff der hoheitlichen Aufgaben kenne das Bayerische Datenschutzgesetz auch, aber in anderem Zusammenhang (vgl. Art. 1 Abs. 4 BayDSG). Dieser behandle die Konstellation, dass beliehene Private agierten. Die hoheitliche Aufgabe sei insbesondere dadurch qualifiziert, dass für ihre Erfüllung Befugnisse zu einseitigen Maßnahmen (insbesondere Verwaltungsakten) zur Verfügung gestellt würden. Mit der Bewertung einer Aufgabe als Aufgabe der öffentlichen Verwaltung nach Art. 1 Abs. 2 BayDSG sei die Ausübung von hoheitlicher Gewalt im Gegensatz zur Definition des § 2 Abs. 4 BDSG nicht verbunden oder erforderlich. Vielmehr sei davon auch die sog. Leistungsverwaltung erfasst, also die Erbringung der klassischen Daseinsvorsorgeleistungen, wie die Erbringung von Verkehrs(dienst) leistungen des ÖPNV. Art. 1 Abs. 2 BayDSG enthalte als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal zudem noch die Vorgabe, dass die juristische Person des öffentlichen Rechts im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BayDSG bei einer Beteiligung eine beherrschende Stellung innehaben müsse. Ein Beherrschungsverhältnis könne angenommen werden, wenn eine (juristische) Person die Mehrheit der Anteile halte. Auch liege eine Beherrschung durch die öffentliche Hand vor, wenn sämtliche Anteilseigner oder Mitglieder zu den in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BayDSG genannten (bayerischen) juristischen Personen des öffentlichen Rechts zählten. Die Stadt N. halte – vermittelt durch die StWN – einhundert Prozent der Aktien der Klägerin. Allein diese Anteilsinhaberschaft der Stadt N. spreche somit für eine Beherrschung der Klägerin durch die Stadt N. . Dies sei durch deren Oberbürgermeister auf Nachfrage mit Schreiben vom 20. Oktober 2022 bestätigt worden. Aufsichtsratsvorsitzender sei außerdem der Dritte Bürgermeister der Stadt N. . Eine „Beherrschung“ müsse im Übrigen hier bereits aufgrund kommunalrechtlicher und verfassungsrechtlicher Vorgaben angenommen werden. So sei eine Gemeinde, wenn sie Aufgaben der öffentlichen Verwaltung in Privatrechtsform erfüllen wolle, verpflichtet, sich hinreichende Einfluss- und Steuerungsmöglichkeiten zu sichern, damit die Kommune durch ihre Einflussnahme auf die private Gesellschaft sicherstellen könne, dass die Aufgabe der öffentlichen Verwaltung ordnungsgemäß erfüllt werde (vgl. Art. 92 Abs. 1, Art. 93 Abs. 2 GO). Zwischen der StWN und der Klägerin bestehe ein Organvertrag im Sinne des § 291 Abs. 1 AktG. Alleingesellschafterin der StWN sei die Stadt N. . Dieser stehe ein gesellschaftsrechtliches Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsführung zu. Die Firmierung der Klägerin als Aktiengesellschaft sei insoweit unerheblich, sodass davon ausgegangen werden müsse, dass die Stadt N. – vermittelt durch die StWN – angemessenen Einfluss im Sinne des Art. 92 Abs. 1 Nr. 2 GO ausüben könne. Diese Auffassung sei auch durch das zuständige Staatsministerium als oberste Kommunalaufsichtsbehörde mit Schreiben vom 11. Oktober 2022 bestätigt worden. Auch eine etwaige Wettbewerbsteilnahme der Klägerin stehe der Anwendbarkeit des Bayerischen Datenschutzgesetzes und der Aufsicht des Beklagten nicht entgegen. Zwar gälten für bayerische öffentliche Stellen grundsätzlich die Vorschriften für nichtöffentliche Stellen (vgl. Art. 1 Abs. 3 Satz 1 BayDSG), soweit sie am Wettbewerb teilnähmen. Im Übrigen bleibe es allerdings bei der Verarbeitung von personenbezogenen Daten bei den Vorschriften für öffentliche Stellen. Bei der Videoüberwachung im Rahmen der Erfüllung öffentlicher Aufgaben oder in Ausübung des (öffentlich-rechtlichen) Hausrechts bleibe es bei der Anwendung der für öffentliche Stellen geltenden datenschutzrechtlichen Vorgaben, also des Art. 24 BayDSG. Die Zuständigkeit des Beklagten als Datenschutzaufsichtsbehörde bleibe von einer etwaigen Wettbewerbstätigkeit gänzlich unberührt (vgl. Art. 1 Abs. 3 Satz 2 BayDSG). Auch habe der Gesetzgeber selbst in der Gesetzesbegründung zum (inhaltlich weitgehend identischen alten) Art. 21a BayDSG die Klägerin explizit als öffentliche Stelle genannt (vgl. LT-Drs. 15/9799, S. 5).
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Mit Schreiben des Gerichts vom 16. Oktober 2024 wurde den Beteiligten mitgeteilt, dass hinsichtlich der von Beklagtenseite angeregten Beiladung des Landesamts rechtliche Bedenken hinsichtlich dessen Beteiligungsfähigkeit im Sinne von § 61 Nr. 3 i.V.m. § 63 Nr. 3 VwGO bestünden und von einer förmlichen Entscheidung über eine Beiladung abgesehen werde. Zum Begehren der Klägerin nach Vorlage bzw. Akteneinsicht in die Bürgereingabe an den Beklagten wurde mitgeteilt, dass nach Auffassung des Gerichts diese für das Verfahren nicht entscheidungserheblich sei und daher der Erlass eines diesbezüglichen Beweisbeschlusses nicht beabsichtigt sei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die vorgelegte Behördenakte sowie das Protokoll über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Die Klage ist zulässig. Es spricht sehr vieles dafür, dass die Klage als Anfechtungsklage zulässig ist. Anderenfalls wäre sie jedenfalls als Feststellungsklage zulässig.
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Zwar ist ein Ersuchen des Bayerischen Landesbeauftragten für den Datenschutz auf der Grundlage von Art. 16 Abs. 1 BayDSG grundsätzlich nicht als Verwaltungsakt im Sinne des Art. 35 Satz 1 BayVwVfG zu werten. Dies gilt jedenfalls, sofern es sich bei dem Adressaten um eine öffentliche Stelle handelt (vgl. Engelbrecht in Schröder, Bayerisches Datenschutzgesetz, 1. Aufl. 2021, Art. 16 Rn. 10). Vorliegend macht die Klägerin jedoch gerade geltend, dass es sich bei ihr nicht um eine öffentliche Stelle im Sinne von Art. 16 Abs. 1 Satz 1 BayDSG handelt, womit auch in Frage steht, ob der Beklagte ihr gegenüber auf der Grundlage von Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayDSG überhaupt tätig werden darf. Insoweit kommt den angegriffenen Schreiben des Beklagten Regelungswirkung zu.
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Eine Regelung ist anzunehmen, wenn die Maßnahme der Behörde darauf gerichtet ist, eine verbindliche Rechtsfolge zu setzen, d.h. wenn Rechte des Betroffenen unmittelbar begründet, geändert, aufgehoben, mit bindender Wirkung festgestellt oder verneint werden (vgl. BVerwG, U.v. 20.5.1987 – 7 C 83.84 – juris Rn. 9). Ein feststellender Verwaltungsakt zeichnet sich dadurch aus, dass er als Ergebnis eines behördlichen Subsumtionsvorgangs das Vorliegen rechtserheblicher Eigenschaften feststellt oder ablehnt. Ist eine Erklärung der Verwaltung darauf gerichtet, die im Verhältnis von Staat und Bürger (oder dem Staat gegenüberstehenden sonstigen Rechtssubjekten) bestehenden Unsicherheiten zu beseitigen, indem sie die generelle und abstrakte Regelung des Gesetzes verbindlich konkretisiert und/oder individualisiert, so legt die Verwaltung fest, was im Einzelfall rechtens sein soll, und trifft damit eine Regelung mit Außenwirkung im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG. Die Regelungswirkung bezieht sich mithin auf die verbindliche und verbliebene Zweifel an ihrer Richtigkeit für unbeachtlich erklärende Feststellung und damit die Publizierung der Rechtslage. Sie kann insoweit begünstigend oder belastend sein und ist unabhängig davon, ob der Betroffene mit dem Inhalt der Feststellung einverstanden ist oder nicht. Kriterien für die Beurteilung, ob eine Feststellung nur als einfache Feststellung gemeint ist oder als „regelnde Feststellung“ rechtsverbindlich und damit als Verwaltungsakt gewollt ist, sind außer dem Wortlaut vor allem der Zusammenhang, in dem sie getroffen wird, insbesondere ob Rechte oder Pflichten, auf die sie sich bezieht, strittig sind bzw. als klärungsbedürftig angesehen werden (vgl. Knauff in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: Juli 2024, § 35 VwVfG Rn. 169 f. m.w.N.).
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Zwar stellen unselbständige Verfahrenshandlungen (vgl. Art. 44a Satz 1 VwGO) wie die Aufforderung zur Mitwirkung grundsätzlich keine Regelung dar, da sie eine solche lediglich vorbereiten und das Verwaltungsverfahren durch sie nicht abgeschlossen wird. Allerdings kann auch Vorbereitungsmaßnahmen ausnahmsweise eine Verwaltungsaktqualität zukommen; dies ist etwa dann der Fall, wenn behördliche Datenerhebungen unmittelbar den Rechtskreis des Bürgers berühren und eine verbindliche Entscheidung über deren Umfang getroffen wird. In diesem Fall muss nämlich die Möglichkeit bestehen, bereits gegen die vorbereitende hoheitliche Maßnahme verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen (vgl. VGH BW, U.v. 13.3.2014 – 10 S 2210/12 – juris Rn. 19).
18
Entsprechendes dürfte auf den hier vorliegenden Fall zu übertragen sein. Den als Bitte formulierten Auskunftsverlangen des Beklagten (in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht) kommt gegenüber der Klägerin Regelungscharakter zu, weil über Art und Umfang der geltend gemachten Auskunfts- und Vorlagepflicht entschieden wird. So wird hiermit die sachliche Zuständigkeit des Beklagten (vgl. Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayDSG), die Rechtsgrundlage für die von ihm in Anspruch genommene Mitwirkungspflicht der Klägerin (vgl. Art. 16 Abs. 1 BayDSG) sowie die von der Klägerin in der Sache zu beachtenden und zu erfüllenden gesetzlichen Maßgaben (vgl. insbesondere Art. 24 BayDSG) konkretisiert. Es ist daher davon auszugehen, dass es sich um eine gesetzeskonkretisierende Verfügung handelt, mit der das gesetzliche Regelungsregime verbindlich festgestellt wird (vgl. zur Verwaltungsaktsqualität eines Auskunftsverlangens der für nichtöffentliche Stellen geltenden Regelung einer Auskunftspflicht in § 40 Abs. 4 Satz 1 BDSG auch Polenz in Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann, Datenschutzrecht, 2. Aufl. 2025, § 40 BDSG Rn. 16).
19
Die Klägerin ist als Adressatin der Regelung auch klagebefugt (vgl. § 42 Abs. 2 VwGO), da sie geltend machen kann, als juristische Person des Privatrechts infolge der Anwendung nicht einschlägiger Rechtsnormen möglicherweise in ihren Rechten verletzt zu sein. Bei Adressaten von belastenden Verwaltungsakten ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Widerspruchs- bzw. Klagebefugnis gegeben ist („Adressatentheorie“). Nach allgemeiner Meinung reicht es zur Bejahung der Klagebefugnis, dass nach dem substantiierten Vorbringen des Klägers eine Verletzung seiner Rechte möglich ist (vgl. BVerwG, U.v. 21.8.2003 – 3 C 15/03 – juris Rn. 18). Dies ist hier der Fall.
20
Sollte sich das primäre, streitgegenständliche Auskunftsersuchen infolge der tatsächlichen Auskunftserteilung erledigt haben, wäre die Klage angesichts einer bestehenden Wiederholungsgefahr als Fortsetzungsfeststellungsklage (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO) zulässig. Nach Aussage des Beklagten ist der konkrete Überprüfungsvorgang noch nicht abgeschlossen.
21
Ansonsten wäre die Klage – wie hilfsweise beantragt – auch als allgemeine Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO zulässig. Unter einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis sind die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer diesen Sachverhalt betreffenden öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis mehrerer (natürlicher oder juristischer) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben, kraft derer eine der beteiligten Personen etwas Bestimmtes tun muss, kann oder darf oder nicht zu tun braucht. Rechtliche Beziehungen eines Beteiligten zu einem anderen haben sich dann zu einem Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO verdichtet, wenn die Anwendung einer bestimmten Norm des öffentlichen Rechts auf einen bereits übersehbaren Sachverhalt streitig ist (vgl. stRspr BVerwG, U.v. 20.11.2014 – 3 C 26/13 – juris Rn. 12 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen in Bezug auf den Feststellungsantrag der Klägerin vor. Die Frage nach der sachlichen Zuständigkeit einer Behörde begründet ein selbstständiges Rechtsverhältnis (vgl. BVerwG, U.v. 20.11.2014 – 3 C 26/13 –, Rn. 14, juris). Eine hinreichende Konkretisierung war angesichts des der Klage vorgelagerten streitigen Schriftverkehrs gegeben.
22
Die Klage ist jedoch unbegründet.
23
Das Auskunftsverlangen des Beklagten gegenüber der Klägerin auf der Grundlage von Art. 16 Abs. 1 Satz 2 BayDSG erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
24
Der Beklagte ist gemäß Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayDSG als Aufsichtsbehörde nach Art. 51 DSGVO für die Klägerin als öffentliche Stelle im datenschutzrechtlichen Sinne zuständig und darf sich gegenüber der Klägerin auch auf die datenschutzrechtlichen Vorgaben des Art. 24 BayDSG für die Videoüberwachung als maßgeblich beziehen. Es handelt sich bei der Klägerin um eine öffentliche Stelle im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayDSG.
25
Das Bayerische Datenschutzgesetz ist auf die Klägerin anwendbar.
26
Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 BDSG gilt das Bundesdatenschutzgesetz für die Verarbeitung personenbezogener Daten durch (1.) öffentliche Stellen des Bundes und (2.) durch öffentliche Stellen der Länder, soweit der Datenschutz nicht durch Landesgesetz geregelt ist und soweit sie (a) Bundesrecht ausführen oder (b) als Organe der Rechtspflege tätig werden und es sich nicht um Verwaltungsangelegenheiten handelt. Für nichtöffentliche Stellen gilt dieses Gesetz für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie die nicht automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen, es sei denn, die Verarbeitung durch natürliche Personen erfolgt zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten (§ 1 Abs. 1 Satz 2 BDSG).
27
Das Bundesdatenschutzgesetz regelt die Anwendbarkeit entsprechend der Gesetzgebungskompetenz des Bundes auf die unterschiedlichen Regelungsadressaten, d.h. den Bund, die Länder und die nichtöffentlichen Stellen, also die private Wirtschaft. Adressaten des Bundesdatenschutzgesetzes sind öffentliche Stellen des Bundes und der Länder sowie nichtöffentliche Stellen. Die Zweigleisigkeit des Datenschutzes bezüglich öffentlicher und nichtöffentlicher Stellen hat lange Tradition im deutschen Recht. Bereist das Bundesdatenschutzgesetz von 1977 sah die Zweigleisigkeit des Datenschutzes vor. Das Datenschutzrecht soll einerseits als Abwehrrecht den Bürger vor der Datenverarbeitung durch den Staat schützen, andererseits soll ein Schutz gegenüber der Datenverarbeitung durch private Stellen gesichert werden (vgl. Böken in Sydow/Marsch, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2022, § 1 BDSG Rn. 3 ff.). Die Datenschutzgrundverordnung kennt eine Unterscheidung zwischen öffentlichen und nichtöffentlichen Stellen zwar nicht, verbietet sie im Rahmen der an die Mitgliedstaaten gerichteten Öffnungsklauseln aber auch nicht (vgl. Klar/Kühling in Kühling/Buchner, DSGVO BDSG, 4. Aufl. 2024, § 2 BDSG Rn. 2).
28
Das Bundesdatenschutzgesetz hat dabei den Charakter eines „Auffanggesetzes“, das nur subsidiär zur Anwendung kommt. Existiert landesspezifisches Datenschutzrecht, hat dieses Vorrang. In diesen Fällen gilt für Landesbehörden primär Landesrecht, dessen Ausgestaltung den einzelnen Bundesländern entsprechend ihren Gesetzgebungskompetenzen obliegt (vgl. BAG, U.v. 6.6.2023 – 9 AZR 621/19 – juris Rn. 20 m.w.N.). Das Bundesdatenschutzgesetz gilt daher für öffentliche Stellen der Länder nur subsidiär, d.h. soweit der Datenschutz nicht durch Landesrecht geregelt ist. Der Bayerische Landesgesetzgeber hat Vorschriften über den Datenschutz im Bayerischen Landesdatenschutzgesetzt geregelt, dessen Anwendungsbereich auch für Kommunen eröffnet ist, vgl. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BayDSG (vgl. BayObLG, B.v. 26.10.2021 – 202 StRR 126/21 – juris Rn. 5; B.v. 15.1.2024 – 204 VAs 177/23 – juris Rn. 39; BayVGH, B.v. 9.1.2024 – 13a CS 23.1414 – juris Rn. 51; Hornung in Simitis/Hornung/Spieker gen. Döhmann, Datenschutzrecht, 2. Aufl. 2025, § 1 BDSG Rn. 15; Klar in Kühling/Buchner, DSGVO BDSG, 4. Aufl. 2024, § 1 BDSG Rn. 9; Böken in Sydow/Marsch, DSGVO/ BDSG, 3. Aufl. 2022, § 1 BDSG Rn. 9).
29
Damit kommt primär das Landesdatenschutzrecht zur Anwendung. Der Anwendungsbereich des Bayerischen Datenschutzgesetzes wird in dessen Artikel 1 festgelegt. Die Vorschrift konkretisiert die in § 2 BDSG angelegte Unterscheidung von öffentlichen und nichtöffentlichen (Schreibweise im Landesrecht: nicht öffentlichen) Stellen für das Landesrecht und weist den öffentlichen Stellen des Freistaats Bayern das für sie jeweils grundsätzlich – vorbehaltlich bereichsspezifischer Regelungen – maßgebliche nationale Datenschutzregime zu, das die Datenschutz-Grundverordnung in ihrem originären sowie in ihrem nach Art. 2 Satz 1 BayDSG eröffneten Anwendungsbereich ergänzt (vgl. Engelbrecht in Schröder, BayDSG, 1. Aufl. 2021, Art. 1 Rn. 1).
30
Der Anwendungsbereich des Bayerischen Datenschutzgesetzes erstreckt sich zunächst auf die Behörden und sonstigen öffentlichen Stellen des Freistaats Bayern, der Gemeinden, Gemeindeverbände und der sonstigen der Aufsicht des Freistaats Bayern unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts (vgl. Art. 1 Satz 1 BayDSG). Öffentliche Stellen in diesem Sinne sind auch Vereinigungen des privaten Rechts, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen und an denen – ungeachtet der Beteiligung nicht öffentlicher Stellen – eine oder mehrere der in Abs. 1 Satz 1 genannten juristischen Personen des öffentlichen Rechts unmittelbar oder durch eine solche Vereinigung beteiligt sind (vgl. Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayDSG).
31
Die Regelung in Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayDSG hält sich innerhalb des durch § 2 BDSG festgelegten Definitionsrahmens für öffentliche Stellen der Länder.
32
§ 1 Abs. 1 BDSG wird durch die Definitionsnorm des § 2 BDSG ergänzt. Sie bestimmt die öffentlichen und nichtöffentlichen Stellen, die in den Anwendungsbereich des Bundesdatenschutzgesetzes fallen. Die Absätze 1 und 2 des § 2 BDSG bestimmen zunächst, welche Einrichtungen des Bundes und der Länder originär öffentliche Stellen im Sinne des § 1 Abs. 1 BDSG sind. § 2 Abs. 3 BDSG legt fest, unter welchen Voraussetzungen auch Vereinigungen des privaten Rechts von öffentlichen Stellen des Bundes und der Länder als öffentliche Stellen des Bundes bzw. der Länder angesehen werden können. Schließlich bestimmt § 2 Abs. 4 BDSG, dass auch nichtöffentliche Stellen, also natürliche und juristische Personen, Gesellschaften und andere Personenvereinigungen des privaten Rechts, öffentliche Stelle im Sinne des Gesetzes sein können. Im Gegenzug regelt § 2 Abs. 5 BDSG, unter welchen Voraussetzungen öffentliche Stellen des Bundes und der Länder als nichtöffentliche Stellen im Sinne des Gesetzes anzusehen sind (vgl. Schreiber in Plath, DSGVO/​BDSG/​TTDSG, 4. Auflage 2023, § 2 BDSG, Rn. 2).
33
Öffentliche Stellen der Länder sind nach der Definition in § 2 Abs. 2 BDSG die Behörden, die Organe der Rechtspflege und andere öffentlich-rechtlich organisierte Einrichtungen eines Landes, einer Gemeinde, eines Gemeindeverbandes oder sonstiger der Aufsicht des Landes unterstehender juristischer Personen des öffentlichen Rechts sowie deren Vereinigungen ungeachtet ihrer Rechtsform. Als öffentliche Stellen der Länder gelten demnach auch Vereinigungen einer Gemeinde ungeachtet ihrer Rechtsform.
34
Auch wenn der Landesgesetzgeber wegen des Vorrangs des Landesdatenschutzrechts (§ 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BDSG) dessen Geltungsbereich durch Festlegung des Begriffs der von seinem Gesetz erfassten öffentlichen Stellen eigenständig regeln kann, bleibt zumindest der Rahmen des Regelungsbereichs durch § 2 Abs. 2 BDSG abgesteckt. Der von dem Land zu regelnde Bereich des Datenschutzes seiner öffentlichen Stellen, d.h. im weit verstandenen Sinne der Landesverwaltung, lässt es nicht zu, nichtöffentliche Stellen, die keine Aufgaben öffentlicher Verwaltung wahrnehmen, der Bundesregelung zu entziehen und stattdessen dem Landesrecht zu unterwerfen. Auf die Frage, ob für die Annahme einer öffentlichen Stelle die Kommune innerhalb der privatrechtlichen Organisation eine dominierende Stellung einnehmen muss, kommt es nicht an. Entscheidend ist, ob die Tätigkeit in Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung erfolgt. Eindeutig nicht in den Anwendungsbereich des Landesdatenschutzrechts fallen ausschließlich von privater Hand betriebene Einrichtungen, die ansonsten von der öffentlichen Hand zu übernehmende Pflichtaufgaben wahrnehmen, etwa im Falle einer Kindergarteninitiative (vgl. Schulz in Gola/Heckmann, DSGVO – BDSG, 3. Auflage 2022, § 2 BDSG, Rn. 13).
35
Die Länder haben ein jeweils für ihren öffentlichen Sektor eigenes Datenschutzrecht geschaffen. Darin finden sich typischerweise auch Regelungen, welche Organisationsstrukturen des jeweiligen Landes dort als öffentliche Stellen erscheinen sollen. Besteht zur Bildung öffentlicher Stellen bei Rechtsträgern des öffentlichen Rechts im Vergleich der deutschen Datenschutzrechte wohl weitgehend Konvergenz, können Vereinigungen in privater Rechtsform nach landesrechtlichen Maßstäben auch dann öffentliche Stellen bilden, wenn sich unter den Anteilseignern oder Mitgliedern nicht ausschließlich öffentliche Stellen befinden, wie z.B. in Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayDSG (vgl. Engelbrecht in Simitis/Hornung/Spieker gen. Döhmann, Datenschutzrecht, 2. Aufl. 2025, § 2 BDSG Rn. 26). Den Ländern steht es im Hinblick auf ihre Gesetzgebungskompetenz für die Organisation der Landesverwaltung (Art. 70 Abs. 1 GG) grundsätzlich frei, über die Grenzen des eigenen öffentlichen Sektors zu bestimmen (vgl. Engelbrecht in Simitis/Hornung/Spieker gen. Döhmann, Datenschutzrecht, 2. Aufl. 2025, § 2 BDSG Rn. 26 unter Verweis auf Uhle in Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 70 Rn. 109). Sie haben allerdings zu beachten, dass der Bund den Begriff der nichtöffentlichen Stelle kraft seiner Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG bundeseinheitlich vorgeben hat. Da das Bundesdatenschutzgesetz nach Maßgabe von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG gegenüber dem eigenen Datenschutzrecht der Länder keinen Vorrang beansprucht, hat § 2 Abs. 2 BDSG in der Praxis keine wesentliche Bedeutung erlangt (vgl. Engelbrecht in Simitis/Hornung/Spieker gen. Döhmann, Datenschutzrecht, 2. Aufl. 2025, § 2 BDSG Rn. 26 f.; vgl. auch Schreiber in Plath, DSGVO/BDSG/TTDSG, 4. Aufl. 2023, § 2 BDSG Rn. 12: Soweit die Datenschutzgesetze der Länder per Definition den Begriff der „öffentlichen Stelle“ der Länder festlegen, gilt in deren Anwendungsbereich allein die landesrechtliche Definition, weil das Land insoweit von seiner Gesetzgebungskompetenz nach Art. 70 Abs. 1 GG Gebrauch gemacht hat. § 2 BDSG kann dann lediglich als Auslegungshilfe herangezogen werden; vgl. auch BT-Drs. 11/4306, S. 39: „Hilfe für die Normadressaten“). Auch aus der Regelung in § 2 Abs. 3 BDSG folgt im Übrigen, dass öffentliche Stellen der Länder auch Vereinigungen des privaten Rechts von öffentlichen Stellen der Länder sein können – ungeachtet der Beteiligung nichtöffentlicher Stellen –, wenn diese Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen (vgl. auch BT-Drs. 11/4306 S. 39 f.; Dammann, RDV 1992, 157/158). Eine Mischvereinigung (Vereinigung des privaten Rechts mit Beteiligungen nichtöffentlicher Stellen) kann dann als Vereinigung des Hoheitsträgers („dessen Vereinigung“) angesehen werden, wenn sie von diesem beherrscht wird. Entscheidend dafür ist, ob dieser die Tätigkeit der Vereinigung in wesentlichen Fragen steuern kann (vgl. Dammann, RDV 1992, 157/158).
36
Die Regelung in Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayDSG, wonach ausdrücklich auch eine (nur) mittelbare Beteiligung („durch eine solche Vereinigung“) juristischer Personen des öffentlichen Rechts an Vereinigungen des privaten Rechts einer Einstufung als öffentliche Stelle nicht entgegensteht, geht über diesen Definitionsrahmen nicht hinaus (vgl. zur Fortführung des bisherigen Rechtszustands bei „Schachtelbeteiligungen“ in der Neufassung der Vorschrift durch Gesetz vom 15. Mai 2018, GVBl. S. 230, auch die Gesetzesbegründung, LT-Drs. 17/19628, S. 31). Es sind keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass es sich bei einer „Vereinigung einer Gemeinde ungeachtet ihrer Rechtsform“ im Sinne von § 2 Abs. 2 BDSG nicht auch um ein sogenanntes „Enkelunternehmen“ in Privatrechtsform handeln könnte. Bereits der Wortlaut der Vorschrift enthält keine derartige Einschränkung. Gerade im Fall einer – wie hier – vollständigen Anteilseignerschaft der Gemeinde an der Muttergesellschaft lässt sich eine hundertprozentige Tochtergesellschaft derselben ohne weiteres dem Rechtsträger Gemeinde als „deren Vereinigung“ zuordnen, da weitere Anteilseigner schon nicht vorhanden sind. „Die VAG Verkehrs-Aktiengesellschaft ist ein 100-prozentiges Tochterunternehmen der Städtische Werke N. GmbH und somit der Stadt N. “, wie die StWN zu der Konzernstruktur selbst ausführen (vgl. unter https://www.StWN.de/ueber-uns/konzernstruktur/).
37
Der Begriff der „Vereinigung“ ist weit auszulegen. Erfasst werden sowohl Vereine als auch Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften. Die öffentliche Hand kann sich ihrer spezifischen datenschutzrechtlichen Verantwortung nicht dadurch entziehen, dass sie eine privatrechtliche Organisationsform wählt (vgl. Böken in Sydow/Marsch, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2022, § 2 BDSG Rn. 12). Auch wenn der Begriff der „Vereinigung“ weit auszulegen ist, fallen jedenfalls reine Finanzbeteiligungen nicht darunter (vgl. Schulz in Gola/Heckmann, DSGVO – BDSG, 3. Auflage 2022, § 2 BDSG, Rn. 20).
38
Maßgeblich ist, dass der Vereinigung die Erledigung einer Aufgabe der öffentlichen Verwaltung übertragen sein muss. Auch wenn das Gesetz diese Anforderung nur in § 2 Abs. 3 BDSG ausdrücklich erwähnt, ergibt sich die Eingrenzung aus dem Normzweck, dass „Verwaltungstätigkeit“ nach einheitlichen Grundsätzen kontrolliert werden soll. Der ungeschriebene Normzweck der Wahrnehmung der Aufgaben der öffentlichen Verwaltung ist auch dann gegeben, wenn der betroffene Hoheitsträger (Bund, Land, Kommune) die Aufgabe auch hoheitlich oder schlicht-hoheitlich erfüllen könnte, er sich jedoch einer „eigenen“ privatrechtlichen Vereinigung bedient (vgl. Schulz in Gola/Heckmann, DSGVO – BDSG, 3. Auflage 2022, § 2 BDSG, Rn. 20; Dammann, RDV 1992, 157/158; vgl. auch Böken in Sydow/Marsch, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2022, § 2 BDSG Rn. 13). Entsprechend dem Normzweck ist die ungeschriebene gesetzliche Voraussetzung, dass die Beteiligung der öffentlichen Stelle der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe dienen muss, weit auszulegen (vgl. Dammann, RDV 1992, 157/158). Wer öffentlich-rechtliche Aufgaben wahrnimmt, ist in jedem Falle eine öffentliche Stelle (vgl. Gusy/Eichenhofer in BeckOK Datenschutzrecht, Stand 1.8.2024, § 1 BDSG Rn. 73; vgl. ergänzend – zu der § 2 Abs. 2 BDSG nachgebildeten Regelung in § 6 Abs. 1b AO – selbst bei Minderheitsbeteiligung des Hoheitsträgers auch Krumm in Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand 1/2025, § 6 Rn. 8). Die Funktion einer öffentlichen Stelle können somit auch von öffentlichen Stellen gebildete juristische Personen oder sonstige Vereinigungen des privaten Rechts haben, wenn sie öffentliche Aufgaben wahrnehmen, wie in Art. 1 Abs. 2 BayDSG geregelt (vgl. Schulz in Gola/Heckmann, DSGVO – BDSG, 3. Auflage 2022, § 2 BDSG, Rn. 30). Prinzipiell ist die Trägerschaft maßgeblich, nicht hingegen die Frage nach den Handlungsformen der Aufgabenerfüllung (vgl. Gusy/Eichenhofer in BeckOK Datenschutzrecht, Stand 1.8.2024, § 1 BDSG Rn. 70). Erforderlich ist nicht unbedingt eine direkte Teilnahme an der Ausführung der öffentlichen Aufgabe, sondern es genügt ebenso die Mitwirkung an Hilfs-, Neben- und Servicefunktionen, wobei die Mitwirkung auch in einer Unterstützung oder Förderung liegen kann. Welche öffentliche Aufgabe des Hoheitsträgers durch eine privatrechtliche Vereinigung ausgeführt, unterstützt oder gefördert wird, spielt keine Rolle (vgl. Dammann, RDV 1992, 157/159). Zu den Aufgaben der öffentlichen Verwaltung gehören insbesondere die Aufgaben der Daseinsvorsorge (vgl. Böken in Sydow/Marsch, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2022, § 2 BDSG Rn. 13; Dammann, RDV 1992, 157/159; vgl. auch Gusy/Eichenhofer in BeckOK Datenschutzrecht, Stand 1.8.2024, § 2 BDSG Rn. 25). Das Vorliegen einer öffentlichen Aufgabe wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass bei der Aufgabenerfüllung Wettbewerb mit privaten Anbietern besteht. Es genügt, dass die staatliche Teilnahme am Wettbewerb zum Zweck der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe erfolgt (vgl. Dammann, RDV 1992, 157/159 f.).
39
Auch die Regelung in Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayDSG knüpft die Qualifikation einer Vereinigung des privaten Rechts als öffentliche Stelle neben dem Beteiligungserfordernis strikt an die Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung. Somit ist insgesamt nicht ersichtlich, dass der dort gezogene Anwendungsbereich über die bundesgesetzlichen Vorgaben des Bundesdatenschutzgesetzes hinausgehen und ein unzulässiger Eingriff in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG („Recht der Wirtschaft“) vorliegen würde.
40
Soweit sich die Klägerin insoweit auf die genannte Oberverwaltungsgerichtsentscheidung (NdsOVG, U.v. 7.9.2017 – 11 LC 59/16; nachgehend BVerwG, B.v. 9.7.2019 – 6 B 2/18; vorgehend VG Hannover, U.v. 10.2.2016 – 10 A 4379/15 – alle juris) beruft, vermag sie damit nicht durchzudringen. So ist schon der dort zugrundliegende Sachverhalt nicht mit dem hier vorliegenden vergleichbar. Denn die Entscheidungen beziehen sich auf die Betrauung eines gemischtwirtschaftlichen Unternehmens mit der Erbringung von Verkehrsdienstleistungen durch den Aufgabenträger (vgl. NdsOVG, U.v. 7.9.2017 – 11 LC 59/16 – juris Leitsatz 1, Rn. 2; VG Hannover, U.v. 10.2.2016 – 10 A 4379/15 – juris Leitsatz 1, Rn. 2, 62). Bei der Klägerin handelt es sich aber schon nicht um ein gemischtwirtschaftliches Unternehmen, da private Anteilseigner nicht vorhanden sind. Die Entscheidung verhält sich weiter auch nicht zu der Frage, ob bzw. weshalb die dortige Klägerin nicht unter § 2 Abs. 2 BDSG fällt (vgl. § 2 Abs. 4 Satz 1 BDSG – „soweit“). Insofern wird nur festgestellt, dass die Klägerin als Aktiengesellschaft der Regelung in § 2 Abs. 4 Satz 1 BDSG unterfalle (vgl. NdsOVG, U.v. 7.9.2017 – 11 LC 59/16 – juris Rn. 31; VG Hannover, U.v. 10.2.2016 – 10 A 4379/15 – juris Rn. 29), und im Folgenden wird geprüft, ob die Voraussetzungen des § 2 Abs. 4 Satz 2 BDSG (Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben der öffentlichen Verwaltung durch nichtöffentliche Stelle) erfüllt sind. Weiterhin verhält sich die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts auch nicht zu der (primären) Frage, weshalb die dortige Klägerin nicht in den Anwendungsbereich des dort geltenden Landesdatenschutzgesetzes fällt. Insoweit wird nur ausgeführt, dass das Bundesdatenschutzgesetz nicht anwendbar wäre, wenn es sich bei der Klägerin um eine öffentliche Stelle des Landes handelte, und anschließend festgestellt, dass es sich bei der Klägerin um eine nichtöffentliche Stelle im Sinne des Bundesdatenschutzgesetzes handle und (nur) dies weiter ausgeführt (vgl. NdsOVG, U.v. 7.9.2017 – 11 LC 59/16 – juris Rn 30 f.). Insbesondere unterscheiden sich aber auch die maßgeblichen Rechtsgrundlagen, als dort das Landesdatenschutzgesetz des Landes Niedersachsen einschlägig und zu berücksichtigen war, welches – wie oben ausgeführt – grundsätzlich primär gilt. So enthielt dieses in der dortigen Ausgangsfassung (Niedersächsisches Datenschutzgesetz – NDSG – in der Fassung vom 29. Januar 2002, gültig bis 24. Mai 2018) die Regelung, dass „Personen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs“ insoweit öffentliche Stellen im Sinne des Gesetzes seien, als ihnen „Aufgaben der öffentlichen Verwaltung übertragen“ worden seien (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 NDSG 2012). Die ursprüngliche Entwurfsfassung (vgl. NdsLT-Drs. 12/3290, S. 4), wonach auf eine „Wahrnehmung von Aufgaben“ abgestellt worden war, wurde auf Empfehlung des Ausschusses für innere Verwaltung dahingehend abgeändert (vgl. LT-Drs. 12/4971, S. 4). Diese Änderung wurde auch damit begründet, dass nur „die sogenannten Beliehenen“ angesprochen werden sollten, die ohnehin „Behörden“ seien (vgl. VG Hannover, U.v. 10.2.2016 – 10 A 4379/15 – juris Rn. 46). Im „öffentlichen Bereich“ war das Gesetz anwendbar auf Behörden und sonstige öffentliche Stellen des Landes, der Gemeinden und Landkreise, der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Bereichs sowie deren Vereinigungen (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 NDSG 2012). Insgesamt bestehen bzw. bestanden daher ganz erhebliche Unterschiede in den jeweiligen landesgesetzlichen Regelungen zu der Frage, wann eine Vereinigung des privaten Rechts als öffentliche Stelle im Sinne des Landesdatenschutzgesetzes anzusehen ist bzw. damals anzusehen war. Für eine Auslegung der Regelungen in Art. 1 Abs. 1 und 2 BayDSG oder die Frage, ob sich dieser im Rahmen der bundesgesetzlichen Vorgaben hält, können die Entscheidungen daher keinen maßgeblichen Aufschluss geben.
41
Bei der Klägerin handelt es sich um eine öffentliche Stelle im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayDSG, da sie als Aktiengesellschaft eine Vereinigung des privaten Rechts ist, Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt und an ihr eine Gemeinde (hier: kreisfreie Stadt) durch eine solche Vereinigung (mittelbar) beteiligt ist.
42
Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayDSG enthält neben der Variante der unmittelbaren Beteiligung des Freistaats Bayern oder von dessen Aufsicht unterliegender juristischer Personen des öffentlichen Rechts an der privatrechtlichen Vereinigung weiter die Variante der bloß mittelbaren Beteiligung. Ist eine privatrechtliche Vereinigung aufgrund unmittelbarer Beteiligung von juristischen Personen eine öffentliche Stelle, so führt ihre Beteiligung an einer zweiten privatrechtlichen Vereinigung dazu, dass auch diese zweite Vereinigung eine öffentliche Stelle im Sinne des Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayDSG ist, sofern diese zweite Vereinigung ebenfalls Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Diese zweite privatrechtliche Vereinigung kann also ebenfalls in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen, und zwar auch dann, wenn an ihr keine (bayerische) juristische Person des öffentlichen Rechts mehr unmittelbar beteiligt ist. Diese mittelbare Beteiligung genügt allerdings nur unter der Voraussetzung eines hinreichenden, die Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung ermöglichenden Beteiligungsumfangs (vgl. Wilde/Ehmann/Niese/Knoblauch, Datenschutz in Bayern, Stand: Mai 2024, Art. 1 BayDSG Rn. 42). Obwohl das Gesetz keine Mindestbeteiligung vorsieht, genügt nicht jede beliebige Beteiligung für eine Zuordnung zu den öffentlichen Stellen und damit für die Rechtsfolge von Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BayDSG. Die juristische Person des öffentlichen Rechts im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BayDSG muss bei einer Beteiligung, die datenschutzrechtlich als öffentliche Stelle erscheinen soll, eine beherrschende Stellung innehaben. Diese ungeschriebene Voraussetzung beruht auf dem systematischen Zusammenhang von Art. 1 Abs. 2 Satz 1 mit Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BayDSG. Bei einer Übertragung der dem Rechtsträger im Rahmen der staatlichen Aufgabenordnung typischerweise durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes zugewiesenen Aufgabe auf eine Vereinigung des privaten Rechts verbleibt eine Gewährleistungsverantwortung bei der übertragenden Stelle. Umgekehrt erlangt die Vereinigung des privaten Rechts hinsichtlich der Aufgabe keine Dispositionsmacht. Dies gilt insbesondere für die unternehmerische Entscheidung, eine Leistung, die Gegenstand einer öffentlichen Aufgabe ist, zukünftig nicht mehr oder in einer wesentlich anderen Form anzubieten. Ob eine beherrschende Stellung der juristischen Person des öffentlichen Rechts besteht, bedarf einer Analyse im Einzelfall. Hat der Rechtsträger eine absolute Mehrheit der Anteile oder Stimmen, kann grundsätzlich ein Beherrschungsverhältnis angenommen werden. Eine Beherrschung durch die öffentliche Hand liegt auch vor, wenn sämtliche Anteilseigner oder Mitglieder zu den in Abs. 1 Satz 1 genannten (bayerischen) juristischen Personen des öffentlichen Rechts zählen. Im Übrigen sind regelmäßig ergänzende Indizien heranzuziehen. So kann neben der Zusammensetzung eines vorhandenen Aufsichtsrats insbesondere der Inhalt von Grundlagendokumenten (z.B. Gesellschaftsvertrag, Satzung, Beherrschungsvertrag) Aufschluss geben (vgl. Engelbrecht in Schröder, BayDSG, 1. Aufl. 2021, Art. 1 Rn. 26 ff.).
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Erforderlich ist weiter, dass die privatrechtliche Vereinigung auch Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. „Aufgaben der öffentlichen Verwaltung“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayDSG können nur solche Aufgaben sein, die zwar auch durch einen Hoheitsträger hoheitlich oder schlicht-hoheitlich erfüllt werden könnten, jedoch von ihm deswegen nicht erfüllt werden, weil sich der Hoheitsträger hierfür einer privatrechtlichen Vereinigung bedient, die diese Aufgaben in Privatrechtsform wahrnimmt (sog. „Verwaltungsprivatrecht“). Die ausgliedernden Hoheitsträger müssen sich des privatrechtlichen Rechtssubjekts zur Erfüllung von Aufgaben bedienen, die sie ohne die privatrechtliche Organisationsform unmittelbar selbst (als juristische Person des öffentlichen Rechts) erfüllen müssten (Pflichtaufgaben) oder erfüllen könnten (freiwillige Aufgaben). Zweck des Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayDSG ist es, die Anwendung des Gesetzes grundsätzlich auch dann zu gewährleisten, wenn Verwaltungsaufgaben auf privatrechtliche Rechtssubjekte übertragen werden. Durch die Änderung der Rechtsform desjenigen, der die Aufgaben erfüllt, soll sich keine Änderung im Datenschutzstandard ergeben (vgl. Wilde/Ehmann/Niese/Knoblauch, Datenschutz in Bayern, Stand: Mai 2024, Art. 1 BayDSG Rn. 44 ff.). Eine privatrechtliche Vereinigung, an der eine Gemeinde beteiligt ist, muss gemäß Art. 92 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO durch einen öffentlichen Zweck im Sinne von Art. 87 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO gedeckt sein. Danach darf eine Gemeinde ein Unternehmen in einer Rechtsform des Privatrechts nur errichten, wenn u.a. ein öffentlicher Zweck das Unternehmen erfordert, insbesondere wenn die Kommune mit ihm gesetzliche Verpflichtungen oder Aufgaben des eigenen Wirkungskreises erfüllen will. Bei Gemeinden ist die Erfüllung von Aufgaben des eigenen Wirkungskreises aufgrund der weit gefassten Vorschrift des Art. 57 GO in relativ großem Umfang gegeben. Diese Aufgaben können insgesamt dem Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge zugeordnet werden. Kein Ausschlussgrund für die Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe ist das Vorliegen von Wettbewerb. Dies folgt aus der Regelung des Art. 1 Abs. 3 Satz 1 BayDSG, der gerade die Rechtsfolgen der Teilnahme von öffentlichen Stellen am Wettbewerb regelt. Abzugrenzen ist die Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung von dem Anbieten von Produkten, das sich in der unternehmerischen Betätigung am Markt erschöpft. Der Wille zur Erbringung einer eigenen Leistung des Staates oder der Kommune ist kennzeichnend für die Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung durch eine privatrechtliche Vereinigung. Die Leistung, die die privatrechtliche Vereinigung Dritten gegenüber anbietet, muss mittelbar als Leistungserbringung der öffentlichen Verwaltung gewollt sein. Ein wesentliches Indiz für einen solchen Willen kann auch in der Besetzung des Aufsichtsrats (insbesondere der Position des Vorsitzenden) mit Kabinettsmitgliedern, (Ober-)Bürgermeistern und Landräten gesehen werden. Ausgehend von der kommunalen Beteiligung sind öffentliche Stellen beispielsweise auch die in Privatrechtsform betriebenen Krankenhäuser von kommunalen Trägern sowie Stadt- und Gemeindewerke mit ihren teils im Wettbewerb stehenden, teils monopolartig erbrachten Spektrum an Leistungen wie Ver- und Entsorgung, Bäder und Verkehrswesen (vgl. Wilde/Ehmann/Niese/Knoblauch, Datenschutz in Bayern, Stand: Mai 2024, Art. 1 BayDSG Rn. 49 ff.).
44
Bei einer mittelbaren Beteiligung kann der Fall eintreten, dass mit Wirkung nach außen nur das „Enkel-Beteiligungsunternehmen“ eine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung ausführt. Hier ist weder zu fordern, dass das „Tochter“-Beteiligungsunternehmen das operative Geschäft mit dem „Enkel“ teilt, noch, dass es eine andere Aufgabe der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, um selbst die Anforderungen von Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayDSG zu erfüllen. Vielmehr kommt es allein auf die vom „Enkel“ nach außen erfüllte Aufgabe an: Ebenso wie die juristische Person des öffentlichen Rechts mit einer verbliebenen Gewährleistungsverantwortung nimmt auch ihre „Tochter“ mit der Beteiligungsverwaltung hinsichtlich des „Enkels“ an der Wahrnehmung dieser Aufgabe teil. Dies setzt freilich intakte Beherrschungsverhältnisse in Richtung auf den „Enkel“ voraus (vgl. Engelbrecht in Schröder, BayDSG, 1. Aufl. 2021, Art. 1 Rn. 31).
45
Die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayDSG sind vorliegend erfüllt. Die Klägerin nimmt – vermittelt über die StWN – als Einrichtung des allgemeinen öffentlichen Personennahverkehrs Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahr. Die Stadt N. als Aufgabenträgerin ist auch an der Klägerin über die StWN mittelbar im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayDSG beteiligt.
46
Gemäß Art. 2 Abs. 1 BayÖPNVG ist öffentlicher Personenverkehr eine Aufgabe der Daseinsvorsorge. Die Planung, Organisation und Sicherstellung des allgemeinen öffentlichen Personennahverkehrs ist eine freiwillige Aufgabe der Landkreise und kreisfreien Gemeinden im eigenen Wirkungskreis (vgl. Art. 8 Abs. 1 Satz 1 BayÖPNVG; vgl. auch § 8 Abs. 3 Satz 1 PBefG). Die Aufgabenträger können nach Art. 11 BayÖPNVG Einrichtungen des allgemeinen Personennahverkehrs nach Maßgabe der Gemeindeordnung oder der Landkreisordnung als Regiebetrieb, als Eigenbetrieb, als selbständiges Kommunalunternehmen des öffentlichen Rechts oder in einer Rechtsform des privaten Rechts führen oder sich an einer in der Rechtsform des privaten Rechts geführten Einrichtung beteiligen.
47
Bei den StWN – hiervon unmittelbar abgeleitet die Klägerin als hundertprozentiges Tochterunternehmen – handelt es sich um eine solche Einrichtung des allgemeinen öffentlichen Personennahverkehrs der Stadt N. . Dies belegt bereits die Unternehmensgeschichte. So führte die Stadt N. viele Jahrzehnte ihre städtischen Versorgungs- und Verkehrsbetriebe getrennt voneinander als sogenannte Regiebetriebe. Sie gehörten zur Stadtverwaltung. 1934 wurden die Stadtwerke unter dem Namen „Städtische Werke Nürnberg“ zusammengefasst und 1938 zu einem Eigenbetrieb umgestaltet. Im Dezember 1958 beschloss der Nürnberger Stadtrat, die Städtischen Werke Nürnberg mit Wirkung vom 1. Januar 1959 in drei Eigengesellschaften umzuwandeln. Geschaffen wurden die Städtische Werke N. GmbH (StWN GmbH), die EWAG Energie- und Wasserversorgung Aktiengesellschaft und die VAG Verkehrs-Aktiengesellschaft. Die StWN GmbH bekam als Organ-Obergesellschaft eine geschäftsleitende Funktion. Die Städtischen Werke sind ein klassiches Querverbundunternehmen. Die Tochtergesellschaften EWAG und VAG arbeiteten – obwohl aktienrechtlich selbständig – von Beginn an ausschließlich für die Muttergesellschaft StWN GmbH. Als hundertprozentiges Tochterunternehmen der Stadt N. entscheiden Oberbürgermeister und Stadtrat in Aufsichtsratsgremien gemeinsam mit Geschäftsführung und Vorstand über die Geschicke der Städtischen Werke (vgl. unter https://www.StWN.de/ueber-uns/geschichte/).
48
Der Stadt N. als Aufgabenträgerin kommt auch eine beherrschende Stellung gegenüber der Klägerin zu. Hierfür spricht bereits die hundertprozentige Anteilsinhaberschaft. Aufsichtsratsvorsitzender ist der dritte Bürgermeister der Klägerin. Auch besteht zwischen der StWN und der Klägerin ein Organvertrag bzw. Unternehmensvertrag im Sinne des § 291 Abs. 1 AktG (Beherrschungsvertrag, vgl. bereits § 291 Abs. 1 AktG 1965; vgl. zum Beherrschungsvertrag als Bestandteil der Sache nach des vom Steuerrecht herausgebildeten Organvertrags Hirte/Mohamed in Aktiengesetz Großkommentar, 4. Aufl. § 22 AktGEG, Rn. 7). Auch nach der zuletzt erfolgten Aussage des Oberbürgermeisters der Stadt N. gegenüber dem Beklagten kann die StWN auf dieser Grundlage die Rechtsgeschäfte der VAG steuern. Innerhalb der StWN steht der Alleingesellschafterin Stadt N. ein gesellschaftsrechtliches Weisungsrecht gegenüber der StWN zu. Diese führt auf ihrem Unternehmensauftritt selbst aus, dass sie im Auftrag ihrer Alleingesellschafterin, der Stadt N. , in ihren Kerngeschäftsbereichen Energie- und Wasserversorgung und öffentlicher Personennahverkehr aktiv sei – also in wesentlichen Bereichen der Daseinsvorsorge. Hauptzielrichtung sei dabei, für die Stadt ein insgesamt sowohl kommunalpolitisch als auch betriebswirtschaftlich optimales Ergebnis zu erzielen. Dieses Ziel zu erreichen suchten die Städtischen Werke, indem sie ihren wichtigsten Handlungsmaximen treu blieben, dabei (u.a.) einen effizienten Verkehrsbetrieb unter Beibehaltung hoher Standards bei Qualität, Sicherheit und Umweltverträglichkeit zu gewährleisten (vgl. unter https://www.StWN.de/ueber-uns/geschichte/). Auch hiermit wird deutlich, dass die Leistung, die die privatrechtliche Vereinigung Dritten gegenüber anbietet, mittelbar als Leistungserbringung der öffentlichen Verwaltung – hier der Stadt N. – gewollt ist. Daher ist auch hier trotz einer Übertragung der dem Rechtsträger im Rahmen der staatlichen Aufgabenordnung durch Gesetz zugewiesenen Aufgabe auf eine Vereinigung des privaten Rechts eine Gewährleistungsverantwortung bei der übertragenden Stelle verblieben und die Vereinigung des privaten Rechts hat hinsichtlich der Aufgabe selbst keine eigenständige Dispositionsmacht erlangt. Da gemäß Art. 8 Abs. 1 Satz 1 BayÖPNVG nicht nur die Planung und Organisation, sondern auch die Sicherstellung des allgemeinen öffentlichen Personennahverkehrs zu der Aufgabenverantwortung des Aufgabenträgers für den allgemeinen öffentlichen Personennahverkehr gehört, schließt die Aufgabenerfüllung auch die (tatsächliche) Erbringung von Verkehrsdienstleistungen mit ein. Auch die Videoüberwachung im Rahmen der Leistungserbringung lässt sich von dieser nicht isoliert abtrennen.
49
Im Übrigen geht auch aus der Gesetzesbegründung zur Änderung des bayerischen Datenschutzgesetzes (Neuregelung der Videoüberwachung durch öffentliche Stellen, vgl. LT-Drs. 15/9799, S. 5) deutlich hervor, dass der Gesetzgeber davon ausging, dass konkret auch die Klägerin als öffentliche Stelle dem Bayerischen Datenschutzgesetz unterliegen soll. Die Regelung (betreffend Videoüberwachung in öffentlichen Verkehrsmitteln) sollte – unabhängig von der Rechtsform – auf alle öffentlichen Verkehrsmittel anwendbar sein, die als öffentliche Stellen dem Bayerischen Datenschutzgesetz unterliegen (Art. 2 Abs. 1 und 2 BayDSG), z.B. auf die Münchner Verkehrs- und T. GmbH und die Verkehrs-Aktiengesellschaft Nürnberg. Für öffentliche Verkehrsmittel, die von nicht öffentlichen Stellen betrieben werden, z.B. durch private Busunternehmen, sollten hingegen die Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes gelten.
50
Die Klägerin erbringt in Bezug auf die Videoüberwachung an U-Bahnsteigen und in U-Bahnen bzw. den Betrieb der U-Bahn auch nicht konkret eine Leistung, mit der sie am Wettbewerb mit anderen Anbietern von entsprechenden Verkehrsleistungen (U-Bahnbetrieb) teilnimmt (vgl. Art. 1 Abs. 3 Satz 1 BayDSG). Solches wurde jedenfalls nicht dargelegt. Vielmehr dürfte ihr bezüglich des U-Bahnbetriebs faktisch eine monopolartige Stellung zu kommen. Soweit die Klägerin auf Wettbewerb im ÖPNV mit „anderen Anbietern von lokalen Mobilitätsdienstleistungen, wie insbesondere Taxi- und Mietwagenunternehmen sowie Car-Sharing-Anbietern usw.“ hinweist, bezieht sich diese Wettbewerbssituation auf andere Beförderungsmöglichkeiten, nicht jedoch den U-Bahnbetrieb. Daher gelten für die Klägerin hier insoweit auch nicht ausnahmsweise gemäß Art. 1 Abs. 3 Satz 1 BayDSG die für nichtöffentliche Stellen geltende Vorschriften.
51
Abgesehen von der gerügten Zuständigkeit des Beklagten sowie der in Bezug auf die Videoüberwachung konkret anzuwendenden Rechtsvorschriften hat die Klägerin keine weiteren durchgreifenden rechtlichen Verstöße des Beklagten in seinem Auskunftsersuchen nach Art. 16 Abs. 1 Satz 2 BayDSG dargelegt und solche sind im Übrigen auch nicht ersichtlich.
52
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
53
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
54
Die Berufung war nicht gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache oder Divergenz zuzulassen. Soweit ersichtlich, handelt es sich vorliegend um einen Einzelfall (vgl. zu den Voraussetzungen insoweit z.B. BayVGH, B.v. 4.2.2025 – 2 ZB 24.2025 – juris Rn. 13; OVG NW, B.v, B.v. 13.10.2011 – 1 A 1925/09 – juris Rn. 31) und die von Klägerseite herangezogene Oberverwaltungsgerichtsentscheidung bezieht sich nicht auf die hier maßgebliche Anwendung und Auslegung der Vorschriften des Bayerischen Datenschutzgesetzes. Selbst eine Vergleichbarkeit von Regelungsinhalten unterschiedlicher Normen wäre nicht ausreichend (vgl. BVerwG, B.v. 28.1.2004 – 6 PB 15/03 – juris Rn. 2), wobei eine solche – wie ausgeführt – hier bereits nicht gegeben ist.