Inhalt

VG München, Beschluss v. 03.03.2025 – M 1 SN 25.414
Titel:

Eilantrag, Nachbar, Abstandsflächen, Abstandsflächensatzung, 16m Privileg, Antragsbefugnis, Öffentliche Verkehrsflächen, Straßenmitte, Aufteilung, Ungegliederte Außenwand, Abstandsflächenrelevante Außenwand

Normenketten:
VwGO § 80a Abs. 3
VwGO § 80 Abs. 5
BayBO Art. 6
Schlagworte:
Eilantrag, Nachbar, Abstandsflächen, Abstandsflächensatzung, 16m Privileg, Antragsbefugnis, Öffentliche Verkehrsflächen, Straßenmitte, Aufteilung, Ungegliederte Außenwand, Abstandsflächenrelevante Außenwand
Fundstelle:
BeckRS 2025, 4039

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragsteller begehren die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage, die sie als Nachbarn gegen die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung erhoben haben.
2
Die Antragsteller sind Eigentümer des Grundstücks FlNr. 2721/30 Gem. …, das, im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 40 der Stadt K. gelegen, mit einem Einfamilienhaus bebaut ist. Das Grundstück der Antragsteller grenzt nordöstlich an das nicht überplante Vorhabengrundstück, FlNr. 2732/1 Gem. …, an. Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich der Satzung über abweichende Maße der Abstandsflächentiefe der Stadt K., zuletzt geändert mit Satzung vom 25. März 2021 („Abstandsflächensatzung“). § 2 Satz 1 der Abstandsflächensatzung sieht vor, dass abweichend von Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO die Abstandstiefe außerhalb von Gewerbe-, Kern- und Industriegebieten, festgesetzten urbanen Gebieten 0,8 H, mindestens jedoch 3 m beträgt. § 2 Satz 2 lässt darüber hinaus vor bis zu zwei Außenwänden von nicht mehr als 16 m Länge 0,4 H genügen, wenn das Gebäude an mindestens zwei Außenwänden Satz 1 beachtet.
3
Unter dem 11. September 2024 erteilte der Antragsgegner den Beigeladenen eine Baugenehmigung zum Abbruch eines bestehenden Wohnhauses mit Garage/ Nebengebäuden und zum Neubau eines Doppelhauses und eines Wohnhauses mit zwei Wohneinheiten inklusive Garagen auf dem Vorhabengrundstück. Die hiergegen von den Antragstellern erhobene Klage (M 1 K 24.5974) samt Eilantrag (M 1 SN 24.7302) hat das Bayerische Verwaltungsgericht nach Rücknahme der Baugenehmigung mit Bescheid vom 18. Dezember 2024 mit Beschlüssen jeweils vom 14. Januar 2025 eingestellt.
4
Unter dem 19. Dezember 2024, den Antragstellern ausweislich der Postzustellungsurkunde zugestellt am 21. Dezember 2024, erließ der Antragsgegner nach Umplanung seitens der Beigeladenen die streitgegenständliche Baugenehmigung zum Abbruch eines bestehenden Wohnhauses mit Garage/ Nebengebäuden und zum Neubau eines Doppelhauses und eines Wohnhauses mit zwei Wohneinheiten inklusive Garagen auf dem Vorhabengrundstück.
5
Hiergegen haben die Antragsteller am … Januar 2025 Klage (M 1 K 25.330) erhoben sowie am … Januar 2025 Eilrechtsschutz gesucht und beantragen,
6
die aufschiebende Wirkung der am … Januar 2025 erhoben Klage vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht München, Az. M 1 K 25.330, gegen den Bescheid des Landratsamts … vom 19. Dezember 2025, Az. …, anzuordnen.
7
Die Baugenehmigung verletze die gegenüber ihrem Grundstück einzuhaltenden Abstandsflächen. Die Antragsteller könnten sich vorliegend nicht auf das in § 2 Satz 2 der Abstandsflächensatzung enthaltene „16 m-Privileg“ berufen, halte jedoch zum Grundstück der Antragsteller nur eine Abstandsflächentiefe von 0,4 H ein. Dies betreffe zunächst die von Haus 1 nach Süden zu den Häusern 2 und 3 einzuhaltende Abstandsfläche. Die südliche Außenwand von Haus 1 sei 16,75 m lang. Ausweislich des Abstandsflächenplans sei vorgesehen, auf einer Breite von 16,0 m eine Abstandsflächentiefe von 0,4 H und auf einer Breite von 0,75 m eine Abstandsflächentiefe von 0,8 H einzuhalten. Eine Inanspruchnahme des 16 m Privilegs bei einer 16,75 m langen Wand sei jedoch generell nicht möglich, denn die Bewohner im gegenüberliegenden Haus würden durch eine Wandlänge von 16,75 m abgeriegelt, was einen erheblichen Verlust an Belichtung bedeuten würde. Die Einhaltung der vollen Abstandsflächentiefe nach 16,0 m Außenwand brächte den Bewohnern keinen Vorteil. Auf diese Weise würden die gesetzgeberischen Vorgaben umgangen, die eine typisierte Interessenabwägung darstellten. Zum anderen halte das Vorhaben schon nach dem vorgelegten Abstandsflächenplan die nach Norden einzuhaltende Abstandsflächentiefe von 0,8 H zur öffentlichen Straßenfläche nicht ein. Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayBO dürften sich diese nur bis zur Mitte der öffentlichen Verkehrsfläche erstrecken. Schließlich dürfe insoweit auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Stadt K. im Rahmen der kommunalen Befassung mit dem ursprünglichen Bauantrag darauf hingewiesen habe, dass sich der bestehende Kurvenbereich der Ortsstraße „Am M.“ als zu eng erwiesen habe. Mit den Beigeladenen sei deshalb ein notarieller Kaufvertrag über einen Erwerb von 140 qm aus dem den Beigeladenen gehörenden Grundstück FlNr. 2723/1 zu schließen. In der durch die Stadt K. genehmigten Entwässerungsplanung sei die Grundstücksabtretung bereits berücksichtigt. Erfolge die Abtretung, rücke die Straßenmitte noch weiter zum Vorhabengrundstück hin. Der Antragsgegner habe in Kenntnis dieses Umstands die rechtswidrige Baugenehmigung erteilt, dabei könne das Vorhaben die Vorgaben der BayBO gar nicht einhalten, und zwar bereits zum Zeitpunkt des Erstbezugs.
8
Der Antragsgegner beantragt,
9
den Antrag auf einstweilige Anordnung abzulehnen.
10
Das Abstandsflächenprivileg könne weder nur für 16,00 m lange Außenwände in Anspruch genommen werden, noch sei eine Verteilung auf mehrere Wandteile einer Außenwand unzulässig. Im Übrigen könnten sich die Antragsteller nicht darauf berufen, dass nach Norden oder Süden die Abstandsflächen nicht eingehalten würden, weil ihr Grundstück hierdurch nicht betroffen werde.
11
Die Beigeladenen haben sich nicht zur Sache geäußert.
12
Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die Gerichtsakte, auch in den Verfahren M 1 K 24.5974, M 1 SN 24.7302 und M 1 K 25.330, sowie die beigezogene elektronische Behördenakte (BA) Bezug genommen.
II.
13
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
14
1. Der im Hinblick auf § 212a Abs. 1 VwGO statthafte Antrag, gerichtet auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der nachbarlichen Anfechtungsklage gemäß § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO, ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere fehlt es, anders als der Antragsgegner meint, den Antragstellern nicht an der Antragsbefugnis, § 42 Abs. 2 VwGO analog. Die Antragsteller können im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO analog geltend machen, durch die Baugenehmigung in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt zu sein. Sie tragen diesbezüglich vor, dass das Vorhaben hinsichtlich der durch Haus 1 ausgelösten Abstandsflächen nicht von der in § 2 Satz 2 der Abstandsflächensatzung geregelten Verkürzung der Abstandsflächen auf 0,4 H Gebrauch machen dürfe. Das Vorhaben halte nicht vor zwei Außenwänden die volle Abstandsflächentiefe von 0,8 H ein, sodass die zum Grundstück der Antragsteller hin einzuhaltenden Abstandsflächen nicht mit 0,4 H veranschlagt hätten werden dürfen. Mit dem Vortrag, die von den Antragstellern gerügten Abstandsflächenverstöße (betreffend Haus 1 nach Norden und Süden) beträfen das Grundstück der Antragsteller nicht, sodass allein schon deshalb keine Rechtsverletzung der Antragsteller bestehe, übersieht der Antragsgegner, dass in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bereits seit langem geklärt ist, dass das – ehemals in Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO geregelte, vorliegend über § 2 Satz 2 der Abstandsflächensatzung relevante – sog. 16 m-Privileg keine Anwendung findet, wenn die volle Abstandsflächentiefe vor mehr als zwei Außenwänden unterschritten wird (BayVGH, B.v. 17.4.2000 – Gr.S 1/1999 – 14 B 97.2901). Die verkürzte Abstandsflächentiefe hat der Nachbar daher nur dann hinzunehmen, wenn die Voraussetzungen des 16 mPrivilegs insgesamt eingehalten werden. Es ist nicht ersichtlich und vom Antragsgegner auch nicht vorgetragen, weshalb dies für die vorliegende Konstellation, in der das 16 m-Privileg nicht aufgrund einer gesetzlichen Regelung, sondern aufgrund einer Regelung in der Abstandsflächensatzung zur Anwendung kommt, nicht gelten solle.
15
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
16
Im Rahmen eines Verfahrens nach § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht aufgrund der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage eine eigene Ermessensentscheidung darüber, ob die Interessen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts sprechen, oder diejenigen, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streiten, höher zu bewerten sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen. Diese sind ein wesentliches, aber nicht das alleinige Indiz für und gegen den Erfolg des gestellten Antrags. Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein (weil er zulässig und begründet ist), so wird regelmäßig nur die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben (weil er unzulässig oder unbegründet ist), so ist dies ein starkes Indiz für die Ablehnung des Antrages auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Sind schließlich die Erfolgsaussichten offen, findet eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten unabhängige, Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt.
Die Interessenabwägung fällt vorliegend zugunsten der Vollziehbarkeit der Baugenehmigung aus, weil sich die in der Hauptsache angegriffene Baugenehmigung nach summarischer Prüfung als rechtmäßig darstellt und die Antragsteller nicht in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 VwGO.
17
Eine Anfechtungsklage ist begründet, soweit der der angegriffene Verwaltungsakt rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Es genügt demnach nicht, wenn der angegriffene Verwaltungsakt objektiv rechtswidrig ist. Die Anfechtungsklage hat vielmehr nur dann Erfolg, wenn der Kläger durch den angegriffenen Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt ist. Ist der Kläger – wie hier die Antragsteller im Hauptsacheverfahren – nicht Adressat des Verwaltungsaktes, sondern lediglich als Dritter betroffen, so ist grundsätzlich erforderlich, dass Verwaltungsakt wegen Verstoßes gegen eine Vorschrift rechtswidrig ist, die den Kläger als Dritten zu schützen bestimmt ist. Bei einem Nachbarrechtsbehelf gegen eine Baugenehmigung kommt es demnach darauf an, ob diese gegen im Baugenehmigungsverfahren zu prüfende drittschützende Rechtsnormen verstößt (BayVGH, B.v. 30.9.2019 – 9 CS 19.967 – juris Rn. 21).
18
2.1 Die Anwendung des 16 m-Privilegs scheitert nicht daran, dass ausweislich des Abstandsflächenplans die vor der nördlichen Außenwand von Haus 1 einzuhaltende Abstandsflächentiefe über die Mitte der nördlich angrenzenden Straße hinausgeht. Das Vorhaben kann in der vorliegenden Konstellation auch die über die Straßenmitte hinausgehende Fläche für die Einhaltung der Abstandsflächentiefe von 0,8 H in Anspruch nehmen.
19
Grundsätzlich müssen Abstandsflächen auf dem Baugrundstück selbst liegen, Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO. Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayBO ermöglicht darüber hinaus, dass Abstandsflächen auf öffentlichen VerkehrsGrün- und Wasserflächen zum Liegen kommen, jedoch nur bis zu deren Mitte. Die andere Straßenhälfte kann der an der anderen Straßenseite angrenzende Grundstückseigentümer gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayBO für sich beanspruchen. Indem Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayBO die öffentliche Fläche abstandsflächenrechtlich zwischen den Eigentümern der anliegenden Grundstücke aufteilt, wird im Ergebnis mit Blick auf das Abstandsflächenrecht eine abstandsflächenrechtliche Erweiterung der jeweiligen Grundstücke bewirkt (in diesem Sinne auch Schönfeld in BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, 31. Ed. Stand 1.10.2024, Art. 6 Rn. 97). Vorliegend besteht jedoch die Besonderheit, dass es sich bei den jeweils angrenzenden Grundstücken bzw. Grundstücksteilen mit FlNr. 2723/1 Gem. … um ein Buchgrundstück handelt. Es spricht schon deswegen einiges dafür, dass die Beigeladenen für die in Rede stehenden Abstandsflächen die gesamte Straßenbreite in Anspruch nehmen können, ist doch ihr Grundstück abstandsflächenrechtlich um beiden Straßenhälften erweitert; Art. 6 Abs. 3 BayBO regelt insoweit, dass sich Abstandsflächen überdecken dürfen, sodass eine doppelte abstandsflächenrechtliche Inanspruchnahme der öffentlichen Verkehrsfläche ausgeschlossen ist. Zudem geht die Kammer nach summarischer Prüfung unter Heranziehung des in BayernAtlas verfügbaren Luftbildes ohnehin davon aus, dass der nördlich an die öffentliche Verkehrsfläche angrenzende Grundstücksteil jedenfalls in dem Bereich, in dem die Abstandsfläche die Straßenmitte überschreitet, nicht bebaubar ist. In diesem Bereich misst das Grundstück nämlich lediglich eine Tiefe von ca. 2,60 m. Im Norden schließt sich ein Graben an.
20
Die abstandsflächenrechtliche Rechtmäßigkeit der Inanspruchnahme auch der nördlichen Hälfte der Verkehrsfläche ergibt sich nach Ansicht der Kammer auch aus folgender Überlegung: mit der Regelung des Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayBO erweitert der Gesetzgeber die anliegenden Grundstücke abstandsflächenrechtlich jeweils bis zur Straßenmitte, indem er ermöglicht, diese Flächen für die Abstandsflächen in Anspruch nehmen zu dürfen. Es spricht daher einiges dafür, dass ein Überschreiten der Straßenmitte durch eine Abstandsflächenübernahme des an die andere Straßenseite angrenzenden Grundstücksnachbarn ermöglicht werden kann, weil damit die abstandsflächenrechtlichen Belange gewahrt bleiben (in diesem Sinne auch: Hahn in Busse/Kraus, BayBO, 156. EL Dezember 2024, Art. 6 Rn. 84, wohl auch Schönfeld in BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, 31. Ed. Stand 1.10.2024, Art. 6 Rn. 97; aECLI:A:Molodovsyk/Famers/Waldmann, BayBO, Stand: November 2024; Art. 6 Rn. 106: weil der Nachbar auf ein Recht an einem anderen Grundstück verzichtet, sei zusätzlich eine Abweichungsentscheidung erforderlich). Nachdem vorliegend die angrenzenden Grundstücksteile ein Buchgrundstück bilden, war eine solche Abstandsflächenübernahme, sofern man trotz oben Gesagtem von ihrer Erforderlichkeit ausgeht, jedoch entbehrlich.
21
2.2. Weiter ergibt sich keine Rechtsverletzung der Antragsteller daraus, dass der Abstandsflächenplan die von den Beigeladenen beabsichtigte „Grundstücksabtretung“ an die Stadt K. nicht berücksichtigt. Zu Recht wurden der Baugenehmigung die zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung herrschenden Grundstücksverhältnisse zugrunde gelegt. Eine Berücksichtigung künftiger Entwicklungen ist schon gar nicht möglich, weil der künftige Grundstücksverlauf noch nicht definitiv feststeht. Vielmehr gilt, dass die streitgegenständliche Baugenehmigung einzig die Ausführung des Vorhabens mit den Grundstücksgrenzen gemäß Abstandsflächenplan genehmigt. Eine andere Ausführung, namentlich mit einem anderen Grundstückszuschnitt, wird damit gerade nicht genehmigt. Eine andere Frage ist, ob die Bauaufsichtsbehörde berechtigt gewesen wäre, die Erteilung der streitgegenständlichen Baugenehmigung unter dem Gesichtspunkt des fehlenden Sachbescheidungsinteresses zu versagen, weil möglicherweise bereits bei Genehmigungserteilung absehbar war, dass das Vorhaben so wie beantragt nicht verwirklicht werden kann. Ob die Voraussetzungen hierfür gegeben gewesen wären, bedarf für das vorliegende nachbarrechtliche Verfahren jedoch keiner Klärung. Zur Ablehnung eines Antrags aufgrund fehlenden Sachbescheidungsinteresses ist eine Behörde rein aus verfahrensrechtlichen Gründen berechtigt, Dritte sollen dadurch nicht geschützt werden (Decker in Busse/Kraus, BayBO, 156. EL Dezember 2024. Art. 6 Rn. 148).
22
2.3 Keine Bedenken bestehen schließlich gegen die Inanspruchnahme der verkürzten Abstandsflächentiefe 0,4 H für einen (Groß-)Teil der südlichen Außenwand von Haus 1. Insoweit ist gemäß Abstandsflächenplan vorgesehen, die ungegliederte Außenwand, die eine Länge von über 16 m aufweist, abstandsflächenrechtlich aufzuteilen: so soll auf einer Länge von 16,00 m 0,4 H in Anspruch genommen werden, während im Übrigen 0,8 h vorgesehen sind.
23
§ 2 Satz 2 der Abstandsflächensatzung lässt vor bis zu zwei Außenwänden von nicht mehr als 16 m Länge 0,4 H genügen, wenn das Gebäude an mindestens zwei Außenwänden Satz 1 beachtet. Für die Anwendung ist unschädlich, dass die Außenwand vorliegend insgesamt eine Länge von 16 m überschreitet, weil die verkürzte Abstandsflächentiefe nur für eine Wandlänge von maximal 16 m in Anspruch genommen wird.
24
Zum früher in Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO geregelten 16 mPrivileg hat der Große Senat in seinem Beschluss vom 21. April 1986 bezüglich gegliederter Außenwände entschieden, dass insofern nur die sog. abstandsflächenrelevanten Außenwandteile maßgeblich sind (BayVGH, B.v. 21.4.1986 – GrS 1/85 – 15 B 84 A 2534), mithin die Teile der Außenwand, welche die volle Abstandsflächentiefe unterschreiten (so auch BayVGH, U. v. 25.5.1998 – 2 B 94.2682 – juris Rn. 26; vgl. Schönfeld in BeckOK BauordnungsR, 31. Ed. 1.10.2024, Art. 6 Rn. 171: es sei korrekter, von privilegierungsrelevanten Außenwänden bzw. Wandteilen zu sprechen). Nach der Rechtsprechung des 2. Senats (BayVGH, U. v. 25.5.1998 – 2 B 94.2682 – juris Rn. 26) soll dies auch für ungegliederte Außenwände gelten. Zwar hatte der 2. Senat hierzu auf Konstellationen Bezug genommen, in der aufgrund einer Anordnung des Vorhabends nicht parallel zur Grundstücksgrenze bzw. eines schrägen Grenzverlaufs die Einhaltung der vollen Abstandsfläche nicht eingehalten werden kann. In konsequenter Weiterentwicklung dieser Rechtsprechung ist eine solche Aufteilung in einen bis zu 16 m langen Teil der Außenwand, der von der halbierten Abstandsflächentiefe und einen Teil, der die volle Abstandsflächentiefe einhält, aber auch dann zulässig, wenn eine ungegliederte Außenwand vorliegt und der Grenzverlauf nicht schräg verläuft. Auch in diesen Fällen bleiben die Auswirkungen, die durch die Halbierung der Abstandsflächentiefe entstehen, auf eine Länge von 16 m begrenzt, während im Übrigen die volle Abstandsflächentiefe eingehalten wird.
25
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst, da sie keine Anträge gestellt und sich somit keinem Kostenrisiko ausgesetzt habeb (vgl. §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).
26
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 9.7.1 und 1.5 des Streitwertkatalogs.