Titel:
Bauherr, Steckengebliebenes Verfahren
Normenketten:
VwGO § 113 Abs. 5 S. 2
BayBO Art. 50
Schlagworte:
Bauherr, Steckengebliebenes Verfahren
Fundstelle:
BeckRS 2025, 4038
Tenor
I. Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II. Die Beklagte wird verpflichtet, den Antrag vom 6. November 2018 (Eingangsdatum bei der Beklagten) – "Haus A1", Az. ... 8/1* – unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden (M 1 K 24.6629).
Die Beklagte wird verpflichtet, den Antrag vom 6. November 2018 (Eingangsdatum bei de Beklagten) – "Häuser A2 und A3", Az. ... 7/1* – unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden (M 1 K 24.6630).
Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen.
III. Von den Kosten des Verfahrens hat die Klägerin 1/5 und die Beklagte 4/5 zu tragen
IV. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt die Erteilung zweier Baugenehmigungen für drei Mehrfamilienhäuser mit Tiefgarage (M 1 K 24.6629 und M 1 K 24.6630) auf den FlNrn. 524/2 und 524/3 der Gem. … (im Folgenden: Baugrundstücke).
2
Die Klägerin ist Eigentümerin der vorgenannten, mit (aufschiebend bedingtem) Kaufvertrag vom 4. Mai 2018 von der … C. GmbH & Co. KG (im Folgenden: C.-GmbH) erworbenen Grundstücke. Sie wurde am 26. April 2019 in das Grundbuch eingetragen.
3
Die – seit dem von der Klägerin durchgeführten Abbruch eines Tennis- und Squashcenters (errichtet auf Grundlage des Bebauungsplans „Für die Sportanlage D. “ der Beklagten vom 29. Februar 1998, geändert am 24. März 1998 und 30. Juni 1988) – unbebauten Baugrundstücke liegen in einem Areal, für das die Beklagte eine städtebauliche Neuüberplanung – „Bebauungsplan D. “ – vorgesehen hatte. U.a. am 11. Januar 2018 wurden städtebauliche Verträge zwischen der Beklagten und der C.-GmbH als Investorin und Projektentwicklerin geschlossen. Entwurfsverfasserin war die „Planungsgruppe S. “ (im Folgenden: Planerin S.). Der Bebauungsplan wurde am 25. Oktober 2018 als Satzung beschlossen.
4
Am 26. Oktober 2018 richtete der Geschäftsführer der C.-GmbH ein Schreiben an den ehemaligen Oberbürgermeister der Beklagten, in dem er diesen davon unterrichtete, dass er die Umsetzung der Bauträgermaßnahme nicht selbst verwirklichen könne, allerdings hierfür die Klägerin als Partnerin habe gewinnen können. Für den ersten Bauabschnitt (Häuser A1 bis A3) sei bereits der Antrag auf Baugenehmigung vorbereitet, der in den nächsten Tagen eingereicht werde. Die C.-GmbH werde er in absehbarer Zeit liquidieren.
5
Mit Schreiben vom ... November 2018 bestätigte die Klägerin gegenüber dem damaligen Oberbürgermeister der Beklagten, dass sie „als künftige Grundstückseigentümerin und Bauherrin“ mit den Festsetzungen des „Bebauungsplans D. “ einverstanden sei.
6
Am 2. November 2018 beantragte die C.-GmbH (auf Wunsch der Klägerin) die Erteilung zweier Baugenehmigungen zur Errichtung von Mehrfamilienhäusern (E+II+D, Häuser A1 bis A3) mit Tiefgarage auf Grundlage des § 33 BauGB. Entwurfsverfasserin war die Planerin S., die Kosten wurden von der Klägerin getragen. Beantragt ist die Errichtung von zwei Mehrfamilienhäusern mit Tiefgarage (Haus A2 + Haus A3) auf den Grundstücken FlNrn. T aus 524/2 und 525/6 (nach Änderungen der Flurstückbezeichnungen nunmehr: 524/3) und die Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit Tiefgarage (Haus A1) auf dem Grundstück FlNr. T aus 524/2. Die im Wesentlichen entwurfsgleichen Gebäude mit jeweils 14 Wohneinheiten verfügen über eine Grundfläche von in etwa 13,49 m x 24,74 m bei einer Höhenentwicklung von E+II+DG (Terrassengeschoss mit Pultdach) und einer Firsthöhe von 12,70 m.
7
Der Bebauungsplanentwurf vom 25. Oktober 2018 wurde in der Folgezeit nicht öffentlich bekannt gemacht.
8
Mit jeweiligem Schreiben vom 27. November 2018 wandte sich die Beklagte an die C.-GmbH und wies darauf hin, dass der Bebauungsplan noch keine Planreife aufweise, sodass die Bauanträge nicht genehmigungsfähig seien. Mit jeweiligem Schreiben vom 3. Dezember 2018 bestätigte der Geschäftsführer der C.-GmbH, dass er mit einem Ruhen einverstanden sei. Die Bearbeitung solle so wieder aufgenommen werden, dass die Baugenehmigungen möglichst kurz vor oder zeitgleich mit der Veröffentlichung des Bebauungsplans erteilt werden könnten.
9
Am 15. Januar 2019 stellte sich die Klägerin in einer Sitzung des Planungsausschusses der Beklagten vor. In der Stadtratssitzung vom 24. Januar 2019 wurde der Klägerin (und einer Schwestergesellschaft) die Zustimmung zum Eintritt in die ursprünglich mit der C.-GmbH geschlossenen städtebaulichen Verträge gewährt. U.a. am 19. Februar 2019 erfolgte ein/e „Nachtrag und Übernamevereinbarung“ zum städtebaulichen Vertrag vom 11. Januar 2018 zwischen der Klägerin (und einer Schwestergesellschaft), der C.-GmbH und der Beklagten.
10
Am 21. Januar 2019 reichte die C.-GmbH einen neuen Abstandsflächenplan ein und stellte am 28. Januar 2019 einen Antrag auf Abweichung von den Abstandsflächen für eine Lärmschutzwand (Haus A1).
11
Am 17. April 2019 wurde die C.-GmbH aus dem Handelsregister gelöscht.
12
Am 28. Januar 2020 richtete ein Vertreter der Planerin S. eine E-Mail u.a. an den Geschäftsführer der Klägerin, in der ein Gespräch mit dem Fachbereichsleiter des Bauamtes der Beklagten zusammengefasst und an diesen „cc“ gerichtet wurde. Der Stadtrat der Beklagten behandle den erneuten Billigungs- und Auslegungsbeschluss für den Bebauungsplan am 20. Februar 2020. Voraussichtlich im Mai 2020 solle dieser beschlossen werden. Vorsorglich solle die Wiederaufnahme der Bearbeitung der Baugenehmigungen beantragt werden.
13
Unter dem 30. Januar 2020 wandte sich die Klägerin per Brief an die Beklagte und ersuchte um Wiederaufnahme der Baugenehmigungsverfahren. Dieser Brief ging der Beklagten laut ihrer Einlassung aufgrund einer falschen Adressierung nicht zu und wurde ihr erst durch den Bevollmächtigten der Klägerin am 27. März 2022 übermittelt.
14
Am 25. November 2021 beschloss die Beklagte die Einstellung des Bauleitplanverfahrens zum „Bebauungsplan D. “. Am 16. November 2024 machte die Beklagte den Bebauungsplan Nr. 21 „Sportanlage D. “ bekannt. Die Klägerin stellte einen Normenkontrollantrag (1 N 24.2171).
15
Erstmals mit Schreiben vom 19. Januar 2022 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Akteneinsicht in die Bauantragsakten zur Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses. Nach einem Schriftwechsel lehnt die Beklagte mit Schreiben vom 31. Mai 2022 (wohl fehlerhaft datiert auf den 8. April 2022) das Gesuch auf Akteneinsicht ab. Mit Liquidation der C.-GmbH hätten sich die Bauantragsverfahren erledigt. Die Klägerin sei erst nach Löschung der C.-GmbH aus dem Handelsregister als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen worden und könne daher nicht mehr in die Beteiligtenstellung einrücken. Am … Juli 2022 erhob die Klägerin Klage auf Akteneinsicht (M 1 K 22.3526).
16
Am ... November 2024 hat die Klägerin Untätigkeitsklagen erhoben. Sie beantragt im Verfahren M 1 K 24.6629:
17
Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin die beantragte Baugenehmigung zur Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit Tiefgarage (Haus A1) auf dem Grundstück Fl.Nr. T aus 524/2 der Gemarkung … in T. , Az. der Beklagten: … . 8/1*, zu erteilen.
18
Sie beantragt weiterhin im Verfahren M 1 K 24.6630:
19
Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin die beantragte Baugenehmigung zur Errichtung von zwei Mehrfamilienhäusern mit Tiefgarage (Haus A2 + Haus A3) auf den Grundstücken Fl.Nr. T aus 524/2 und 524/3 der Gemarkung … in T. , Az. der Beklagten: … …7/1*, zu erteilen.
20
Die Klägerin sei Bauherrin. Der Bauherrenwechsel habe vor der Liquidation der C.-GmbH mit Schreiben vom 2. November 2018 stattgefunden, sodass das Genehmigungsverfahren zu keinem Zeitpunkt erledigt gewesen sei. Bauherr sei, wer die Bauverantwortung trage. Die Verantwortung müsse nach außen erkennbar sein, insbesondere durch entsprechendes Auftreten gegenüber der Bauaufsichtsbehörde. Der Fachbereichsleiter des Bauamtes der Beklagten habe die Klägerin als Bauherrin angesehen, was sich insbesondere aus der E-Mail vom 28. Januar 2020 ergebe. Das Bauvorhaben sei bauplanungsrechtlich zulässig. Es liege im unbeplanten Innenbereich. Der Bebauungszusammenhang ende an der unmittelbar nördlich an das Vorhabengrundstück angrenzenden Straße. Die Beseitigung des Tennis- und Squashcenters mit einer Minigolfanlage und Gastronomie als das bisher letzte, zum Bebauungszusammenhang gehörende Gebäude zum Zweck der alsbaldigen Errichtung eines Ersatzbaus bewirke nicht, dass die Vorhabengrundstücke ihre Innenbereichsqualität verlören. Die Vorhaben würden sich in die maßgebliche Umgebung einfügen. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass sie den Rahmen überschritten, gäbe es keine städtebaulichen Spannungen. Die Klägerin habe ein Akteneinsichtsrecht aufgrund ihrer Beteiligtenstellung als Bauherrin, nach § 100 Abs. 1 VwGO sowie aufgrund ihres berechtigten Interesses zur Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses.
21
Die Beklagte beantragt,
22
die Klagen abzuweisen.
23
Die Klägerin sei nicht Bauherrin und habe keinen Anspruch auf Akteneinsicht. Ihr fehle die Aktivlegitimation, die Klagen seien unzulässig. Ursprünglich sei die C.-GmbH Bauherrin gewesen. Mit der Liquidation habe sich das zuvor ruhend gestellte Baugenehmigungsverfahren erledigt. In ein nicht mehr existentes Verfahren könne nicht eingerückt werden. Auf die Vorgänge ab dem 17. April 2019 und die von der Klägerin genannten Schreiben komme es daher nicht an. Ein rechtsgeschäftlicher Nachfolgetatbestand bezüglich der Bauherrneigenschaft sei nicht gegeben. Überdies stünde dies nicht im Einklang mit dem Auftreten der C.-GmbH. Allein diese habe den Bauantrag und unter dem 28. Januar 2019 einen Antrag auf Abweichung gestellt. Soweit die Klägerin in die mit der C.-GmbH geschlossenen städtebaulichen Verträge im Zusammenhang mit der Bauleitplanung eingetreten sei, könne hieraus für die Bauherreneigenschaft nichts geschlossen werden. Ungeachtet dessen seien die Vorhaben aufgrund ihrer Außenbereichslage nicht genehmigungsfähig. Bei der Bebauung östlich der Straße „D. “ handele es sich nicht um einen Ortsteil. Überdies nehme der Vorhabenstandort nicht an einem etwaigen Bebauungszusammenhang teil. Das ehemalige Tennis-Center sei von dieser Bebauung weit abgesetzt gewesen. Zudem habe es sich nicht um eine bauliche Anlage gehandelt, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen gedient habe. Jedenfalls füge sich das Vorhaben nach dem Maß der baulichen Nutzung nicht in die Eigenart der Umgebung ein.
24
Am 23. Januar 2025 legte die Beklagte Behördenakten (Bauakten …8/1* und …7/1*) vor, in die der Bevollmächtigte der Klägerin Akteneinsicht nahm. Die Beteiligten haben im Verfahren, das die Akteneinsicht in die Bauakten zum Gegenstand hat (M 1 K 22.3526), in der vom Gericht am 28. Januar 2025 durchgeführten mündlichen Verhandlung das Ruhen beantragt (Beschluss vom 29. Januar 2025).
25
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte (auch im Verfahren M 1 K 22.3526) sowie auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
26
Die beiden anhängigen Verfahren konnten gemäß § 93 VwGO zur gemeinsamen Entscheidung verbunden werden, da die Streitgegenstände – Baugenehmigungen für im Wesentlichen baugleiche Wohnhäuser im selben Areal – im Zusammenhang stehen. Ausreichend dafür ist, dass die unterschiedlichen Streitgegenstände auf im Wesentlichen gleichartigen rechtlichen oder tatsächlichen Gründen beruhen (vgl. Garloff in: Posser/Wolff/Decker, BeckOK VwGO, Stand: 1.7.2023, § 93 Rn. 2; vgl. zu den Voraussetzungen des § 93 VwGO auch: Wöckel in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 16. Auflage 2022, § 93 Rn. 2).
27
Bei verständiger Würdigung des Klageziels der Klägerin, § 88 VwGO, begehrt diese die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung der beantragten bauaufsichtlichen Genehmigungen und, sofern dies bei fehlender Spruchreife nicht möglich sein sollte, eine Verpflichtung der Beklagten zur Entscheidung über die Anträge unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (Verbescheidung). Ein Verpflichtungsantrag enthält regelmäßig auch den in dieselbe Richtung zielenden und nur inhaltlich hinter der erstrebten Verpflichtung zurückbleibenden Antrag auf Neubescheidung (BVerwG, U.v. 31.3.2004 – 6 C 11/03 – BVerwGE 120, 263-276 = juris Rn. 43). Es besteht daher grundsätzlich kein Erfordernis, einen solchen Antrag (wie gleichwohl in der Praxis üblich) hilfsweise neben dem Verpflichtungsantrag zu stellen (Schmidt-Kötters in: Posser/Wolff/Decker, BeckOK VwGO, Stand: 1.1.2024, § 42 Rn. 62 m.w.N.).
28
Die zulässigen Klagen erweisen sich im tenorierten Umfang als begründet.
29
Sie haben insoweit Erfolg, als die Beklagte zu verpflichten war, die Bauanträge der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden, § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO. Die Klägerin hat als Bauherrin (2.1.) einen Anspruch auf (ermessensfehlerfreie) Entscheidung über ihre Bauanträge. Das Gericht war nicht verpflichtet, die Sache spruchreif zu machen, da die Beklagte die Baugenehmigungsverfahren für die streitgegenständlichen Vorhaben noch nicht durchgeführt hat, so dass ein „stecken gebliebenes“ Genehmigungsverfahren“ vorliegt (2.2.). Im Übrigen waren die Klagen, soweit sie über die Bescheidung der Bauanträge hinausgehend erhoben worden sind, daher als unbegründet abzuweisen.
30
1. Die Klagen sind zulässig. Die Beklagte hat über die Anträge der Klägerin auf Erteilung der Baugenehmigungen ohne zureichenden Grund in angemessener Frist nicht sachlich entschieden, § 75 Satz 1 VwGO.
31
1.1. Insbesondere fehlt nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Umstände, die nicht nur für die Zulässigkeit, sondern auch für die Begründetheit der Klage maßgeblich sind, sind im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung zugunsten des Rechtsschutzsuchenden zu unterstellen und erst im Rahmen der Begründetheitsprüfung zu ermitteln (OVG Berlin-Bbg, B.v. 10.3.2022 – OVG 10 S 23/21 – juris Rn. 6). Bei solchen doppelrelevanten Tatsachen ist es im Rahmen der Zulässigkeit der Klage ausreichend, dass die Klägerin solche Tatsachen – hier ihre Bauherreneigenschaft – einseitig behauptet (VG Leipzig, U.v. 17.6.2016 – 1 K 259/12 – BeckRS 2016, 52019).
32
1.2. Die Untätigkeitsklage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist, § 75 Satz 2 VwGO. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn sich die Behörde weigert, in der Sache zu entscheiden (Schenke in: Kopp/Schenke, VwGO, 29. Aufl. 2023, § 75 Rn. 12 u. 15; VG Kassel, U.v. 19.12.1983 – II/V E 1513/83 – NVwZ 1985, 217). So liegt es hier. Da die Beklagte zum einen davon ausging, dass die Klägerin nicht Bauherrin sei und zum anderen davon, dass sich das Verfahren erledigt habe und die Bescheidung der Anträge deshalb endgültig nicht vornehmen wollte, war ein weiteres Zuwarten durch die Klägerin nicht angezeigt. Daher kann offenbleiben, ob die durch die C.-GmbH ruhend gestellten Baugenehmigungsverfahren aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles (etwa dem Schreiben der Klägerin vom 30. Januar 2020, welches der Beklagten laut deren Angaben allerdings erst am 27. März 2022 übermittelt worden war) bereits vor Erhebung der Untätigkeitsklagen durch die Klägerin wiederaufzunehmen gewesen wären oder ob auf diesen Zeitpunkt abzustellen ist.
33
1.3. Aufgrund des endgültigen Absehens der Behörde davon, die Anträge weiter zu bearbeiten, kann hier auch dahinstehen, ob die Bauanträge, wie der Bevollmächtigte der Beklagten in der mündlichen Verhandlung ausführte, an formellen Mängeln leiden und ob ein an formellen Mängeln leidender Antrag grundsätzlich geeignet ist, die Frist des § 75 VwGO in Gang zu setzen (vgl. hierzu: BayVGH, B.v. 3.6.2016 – 15 BV 15.2441 – juris Rn. 14 f.; VGH BW, U.v. 27.2.2003 – 5 S 1279/01 – BauR 2003, 1345 = juris Rn. 24). Neben dem Rechtsanspruch auf Erteilung der Baugenehmigung hat der Bauherr nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayBO auch einen solchen auf Entscheidung über den Bauantrag innerhalb angemessener Frist (Decker in: Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand: 156. EL Dezember 2024, Art. 68 Rn. 216). Das Baugenehmigungsverfahren beginnt mit der Antragstellung, Art. 65 BayBO und endet, (sofern keine Fiktion eintritt) grundsätzlich entweder mit der Erteilung der beantragten Baugenehmigung oder mit der Ablehnung des Bauantrags (vgl. Beckmann in: Stüer/Beckmann, Handbuch des Bau- und Fachplanungsrechts, 6. Auflage 2025, Rn 3659; vgl. auch Shirvani in: Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand: 156. EL Dezember 2024, Art. 65 Rn. 31 zu den Entscheidungsmöglichkeiten der Bauaufsichtsbehörde). Sofern die Behörde diesen gesetzlich geregelten Abläufen bzw. Vorgaben nicht entspricht, bleibt dem Bauwerber kein anderer Weg, als das Ersuchen um gerichtlichen Rechtsschutz. § 75 VwGO soll verhindern, dass die Behörde durch Untätigbleiben dem Bürger die Möglichkeit eines wirksamen Rechtsschutzes nehmen kann (BayVGH, B.v. 3.6.2016 – 15 BV 15.2441 – juris Rn. 16 m.w.N.).
34
2. Die Klagen sind teilweise begründet. Die Klägerin hat als Bauherrin einen Anspruch auf Bescheidung ihrer Bauanträge.
35
2.1. Die Klägerin ist Bauherrin. Mit Ihrem Schreiben vom 2. November 2018 hat sie den Bauherrenwechsel wirksam bei der Beklagten angezeigt.
36
2.1.1. Die Baugenehmigung kann nur auf Antrag erteilt werden, Art. 64 BayBO. Adressat der Baugenehmigung ist der Antragsteller bzw. der Bauherr. Wie bereits ausgeführt, hat dieser einen Anspruch auf Entscheidung über den Bauantrag.
37
Mit Änderung der BayBO zum 1. Januar 2008 wurde die Definition des Bauherrenbegriffs aus dem Gesetz gestrichen. Gleichwohl kann auf Art. 56 BayBO 1998 zurückgegriffen werden, da sich inhaltlich am Bauherrenbegriff nichts geändert hat. Bauherr ist, wer auf seine Verantwortung eine bauliche Anlage vorbereitet oder ausführt, vorbereiten oder ausführen lässt. Die Definition setzt unausgesprochen voraus, dass Bauherr nur derjenige sein kann, dessen Wille rechtlich die Bauvorbereitung und -ausführung beherrscht (vgl. Würfel in: Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand: Dezember 2024, Art. 50 Rn. 7f.).
38
Die Person des Bauherrn ergibt sich grundsätzlich aus dem Bauantrag, Art. 64 Abs. 1 BayBO. Unstreitig wurden hier die Bauanträge zunächst von der C.-GmbH in deren Namen eingereicht. Darauf, dass die Klägerin die Kosten für die Bauanträge intern übernommen hat (vgl. Rechnungen der Planerin S. vom 26. November 2018) kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Bauherr ist auch dann der im Bauantrag genannte, wenn der Bau nicht in seinem Auftrag und auf seine Rechnung ausgeführt werden soll (Molodovsky/Famers/Waldmann, Bayerische Bauordnung, Stand: November 2024, Art. 50 Rn. 8), einen „wirtschaftlichen“ Bauherrn kennt die BayBO nicht.
39
2.1.2. Allerdings ist ein Wechsel des Bauherrn im Laufe des bauaufsichtlichen Verfahrens jederzeit möglich. Rechte und Pflichten eines Bauherrn sind nämlich nicht an die Person desjenigen gebunden, der die Ausführung des Vorhabens auf seine Verantwortung veranlasst oder die Verantwortung als Bauherr übernommen hat, sondern übertragbar (Würfel in: Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand: Dezember 2024, Art. 50 Rn. 78).
40
Der Bauernwechsel ist anzuzeigen. Im Jahr 2018 galt hierfür das Schriftformerfordernis, Art. 50 Abs. 1 Satz 5 BayBO aF (nunmehr: Textform). Die Mitteilung nach Art. 50 Abs. 1 Satz 5 BayBO ist allerdings nicht konstitutiv für das Ende bzw. den Beginn der Bauherreneigenschaft. Art. 50 Abs. 1 Satz 5 BayBO bezweckt lediglich eine Vereinfachung des Verfahrens, insbesondere im Vollzug. Daher kann sich die Behörde bis zur Anzeige des Bauherrenwechsels an den alten Bauherrn halten (Molodovsky/Famers/Waldmann, Bayerische Bauordnung, Stand: November 2024, Art. 50 Rn. 36 m.w.N., Würfel in: Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand: Dezember 2024, Art. 50 Rn. 78 m.w.N.).
41
2.1.3. Das vom Geschäftsführer der Klägerin unterzeichnete Schreiben vom 2. November 2018 an den damaligen Oberbürgermeister der Beklagten genügt den Anforderungen des Art. 50 Abs. 1 Satz 5 BayBO. Maßgebend ist der erklärte Wille, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte (§ 133 BGB entsprechend). Das Schreiben enthält neben dem Anerkenntnis nach § 33 Abs. 1 Nr. 3 BauGB die Anzeige des Bauherrnwechsels. Aus der Formulierung „hiermit bestätigen wir Ihnen, dass auch wir als künftiger Grundstückseigentümer und Bauherr mit den Festsetzungen des (…) Bebauungsplans einverstanden sind“ geht unzweifelhaft hervor, dass die Klägerin neben der städtebaulichen Verpflichtung auch die Verantwortung im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens übernehmen wollte und die Bauherreneigenschaft für sich beansprucht. Aus den dem Gericht vorliegenden Unterlagen geht zudem hervor, dass den am Verfahren Beteiligten bekannt war, dass die C.-GmbH als städtebauliche Vertragspartnerin bzw. Bauträgerin und Bauherrin ausscheiden und durch die Klägerin ersetzt werden würde (vgl. etwa Schreiben der C.-GmbH vom 26. Oktober 2018 an den ehemaligen Oberbürgermeister der Beklagten). Spätestens mit Ausscheiden der C.-GmbH ist die Klägerin in die Bauherrnstellung eingetreten. Demgemäß kann es auch nicht darauf ankommen, ob die C.-GmbH vor ihrer Liquidation noch weitere Handlungen im Baugenehmigungsverfahren vorgenommen hat.
42
Daher kann offenbleiben, ob die Ansicht der Beklagten, dass das (allerdings grundsätzlich nicht personen-, sondern grundstücksbezogene) Baugenehmigungsverfahren mit Liquidation der C.-GmbH erledigt war, zutrifft (vgl. jedoch zur Erledigung eines Verfahrens ohne Bescheidung: BayVGH, U.v. 5.9.1989 – 25 B 88.01631 – NVwZ 1990, 775), zumal selbst für diesen Fall ein neuer Bauherr zweifelsohne das „Wiederaufleben“ eines noch nicht verbeschiedenen Bauantragsverfahrens konkludent durch Anzeige des Bauherrnwechsels bewirken kann.
43
2.2. Ob den streitgegenständlichen Vorhaben Vorschriften, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind, entgegenstehen, muss nach den Grundsätzen über das „stecken gebliebene“ Genehmigungsverfahren trotz Erhebung der Verpflichtungsklagen hier nicht abschließend beurteilt werden. Die Beklagte war vielmehr zu verpflichten, das Genehmigungsverfahren durchzuführen und die Klägerin zu bescheiden, da der von ihr herangezogene Grund, das Genehmigungsverfahren nicht durchzuführen (mangelnde Bauherreneigenschaft), nicht trägt.
44
2.2.1. Da auf eine Baugenehmigung grundsätzlich ein Rechtsanspruch besteht, hat das Gericht die Sache zwar regelmäßig spruchreif zu machen, d.h. über die Frage, ob die Baugenehmigung zu erteilen ist, selbst zu entscheiden. Dabei bedeutet „Spruchreife“, dass das Gericht anhand der von ihm getroffenen Feststellungen und Überlegungen eine abschließende Entscheidung über das Klagebegehren, mithin den geltend gemachten Anspruch, treffen kann. Eine Ausnahme von der Verpflichtung des Gerichts, die Sache spruchreif zu machen, besteht jedoch dann, wenn die Behörde die Baugenehmigung für ein Vorhaben, ohne seine Vereinbarkeit mit den im Baugenehmigungsverfahren zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften umfassend beurteilt zu haben, wegen eines bestimmten Rechtsverstoßes ablehnt, es sich mithin um ein „stecken gebliebenes“ Genehmigungsverfahren handelt (vgl. Decker in: Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand: Dezember 2024, Art. 68 Rn. 594 ff. m.w.N.; vgl auch: BayVGH, B.v. 18.6.2009 – 22 B 07.1384 – juris Rn. 36). In der Situation eines „stecken gebliebenen“ Genehmigungsverfahrens entfällt die Verpflichtung des Gerichts zur Herbeiführung der Spruchreife, wenn ansonsten im Verwaltungsverfahren noch nicht behandelte komplexe Fragen erstmals behandelt werden müssten. Dies gilt insbesondere, wenn die Genehmigung unter Beifügung von Nebenbestimmungen im Raum steht. Im Allgemeinen sind individuelle Einschätzungen und Zweckmäßigkeitserwägungen dafür erheblich, ob diese oder jene gleichermaßen geeignete Auflage oder sonstige Nebenbestimmung anzufügen ist. Es ist in derartigen besonders gelagerten Fällen nicht Aufgabe der Gerichte, ein „stecken gebliebenes“ Genehmigungsverfahren in allen Einzelheiten durchzuführen (OVG NW, U.v. 3.2.2011 – 2 A 1416/09 – BeckRS 2011, 48881).
45
2.2.2. Eine Verpflichtung, die Sache spruchreif zu machen, ist auch dann nicht gegeben, wenn – wie hier – die Prüfung, ob ein Vorhaben sachlich genehmigungsfähig ist, von den zuständigen Behörden überhaupt noch nicht durchgeführt wurde (BVerwG, B.v. 25.11.1997 – 4 B 179-97 – NVwZ-RR 1999, 74). Es ist Aufgabe der Verwaltungsgerichte, die Verwaltung zu kontrollieren, jedoch nicht, das Verwaltungsverfahren erstmals durchzuführen, da sonst in die Kompetenz der Verwaltung eingegriffen würde.
46
Dass die begehrten Genehmigungen schon aus anderen Gründen, insbesondere aufgrund Unvollständigkeit der Bauvorlagen, offensichtlich zu versagen sind (vgl. NdsOVG, U.v. 15.5.2009 – 12 LC 55/07 – UPR 2009, 395), steht zum Abschluss der mündlichen Verhandlung nicht im Raum. Vielmehr sind die bauplanungsrechtliche und bauordnungsrechtliche Genehmigungsfähigkeit bislang vollkommen ungeklärt.
47
IV. 1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 VwGO. Die Kostenquotelung war hier aufgrund des Bescheidungsausspruchs und dem damit verbundenen teilweisen Unterliegen der Klägerin veranlasst.
48
2. Die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.