Inhalt

OLG München, Endurteil v. 20.01.2025 – 17 U 8292/21
Titel:

Höhe des Schadensersatzes bei Beschädigung eines Rohrs durch Baggerarbeiten 

Normenketten:
BGB § 249, § 823
ZPO § 91
Leitsätze:
1. Wurde ein Gutachten von einer Partei vor dem Rechtsstreit eingeholt, fehlt es an einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Rechtsstreit, sodass ein Rechtsschutzbedürfnis insoweit besteht und der Kläger nicht auf das Kostenfestsetzungsverfahren zu verweisen ist. (Rn. 16 – 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ist der Kläger weiterhin Eigentümer des Grundstückes, kann er fiktiven Schadensersatz in Höhe des mangelbedingten Minderwerts oder Ersatz der voraussichtlich erforderlichen Mängelbeseitigungskosten verlangen. (Rn. 21 – 26) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schadensersatzanspruch, abstrakt, Neukostenbasis, Grundstücksschaden, Privatgutachterkosten, Ersatzfähigkeit, Kostenfestsetzungsbeschluss, Rechtsschutzinteresse, fiktiver Schadensersatz, Kostenerstattung
Vorinstanz:
LG Ingolstadt, Endurteil vom 20.10.2021 – 33 O 582/17
Fundstellen:
MDR 2025, 384
BeckRS 2025, 395
LSK 2025, 395

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgerichts Ingolstadt vom 20.10.2021 (Aktenzeichen: 33 O 582/17) unter teilweiser Aufhebung abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 2.016,92 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 01.09.2016 zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 147,56 zu bezahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 76% und die Beklagte 24%.
5. Das Urteil ist jeweils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Berufungsrechtsstreits tragen der Kläger 82% und die Beklagte 18%.
IV. Das in Ziffer I. genannte Urteil des Landgerichts Ingolstadt und dieses Urteil sind jeweils ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung der jeweiligen Gegenpartei jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die jeweilige Gegenpartei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
V. Die Revision wird für beide Parteien zugelassen, soweit sie durch das Senatsurteil in der Hauptsache (ohne Feststellungsantrag und ohne vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten) jeweils beschwert sind. Zuständig ist jeweils der Bundesgerichtshof.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf € 7.583,52 festgesetzt.

Entscheidungsgründe

A
1
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aufgrund einer Beschädigung eines Erdwärmekollektor(rohre) s (künftig: Erdrohr) auf dem Grundstück des Klägers in P. aufgrund von Baggerarbeiten auf dem Nachbargrundstück in der L.-straße 7 in P..
2
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die Feststellungen im Endurteil des LG Ingolstadt vom 20.10.2021 mit nachfolgenden Änderungen und Ergänzungen verwiesen.
3
Am 20.04.2015 führte ein Mitarbeiter der Beklagten Baggerarbeiten durch, bei denen das im Boden des klägerischen Grundstücks verlegte Erdrohr durchgerissen wurde. Dieses hat(te) eine Gesamtlänge von 48 m.
4
Der vom Kläger mit der Ermittlung der Schadenshöhe beauftragte Sachverständige S. (vgl. Anlage K 1) benötigte mindestens 5 Stunden zur Anfertigung seines Gutachtens. Insgesamt rechnete dieser gegenüber dem Kläger 11,75 Stunden Arbeitszeit, Neben- und Kfz-Kosten in Höhe von insgesamt € 1.333,92 brutto ab (Anlage K 2). Er kam in seinem Privatgutachten zu dem Ergebnis, dass das Erdrohr in voller Länge auszutauschen und nicht lediglich über mehrere Meter zu reparieren ist.
5
Vorprozessual hat die Haftpflichtversicherung der Beklagten bereits € 1.207,00 auf den Schaden des Klägers bezahlt.
6
Der Kläger behauptet, das Erdrohr werde nur in einer Länge von 50 m geliefert.
7
Die ursprünglich verbaute Lüftungsanlage sei zum Schadenszeitpunkt noch nicht in Betrieb genommen gewesen.
8
Seinen privaten Sachverständigen S. habe er voll bezahlt.
9
Mit Endurteil des LG Ingolstadt vom 20.10.2021 wurde die Beklagte verurteilt, an den Kläger (weitere) € 683,00 nebst Zinsen sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 147,56 zu bezahlen und im Übrigen die Klage abgewiesen.
10
Der Kläger beantragt mit seiner Berufung:
Unter Abänderung des Endurteils des Landgerichts Ingolstadt, Az. 33 O 582/17, vom 20.10.2021 wird
1.
die Beklagte verurteilt, an den Kläger weitere 6.283,92 € € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.09.2016 zu bezahlen,
2.
festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche, den Betrag gemäß Klageantrag Ziffer I. der erstinstanzlichen Klageschrift vom 26.04.2017 übersteigenden materiellen Schäden, die aus der Zerstörung des Erdwärmetauscherrohres durch die Beklagte am 17.04.2015 künftig entstehen, zu ersetzen, soweit sie nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergehen,
3.
die Beklagte verurteilt, an den Kläger weitere vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 660,56 € zu bezahlen.
11
Die Beklagte beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
12
Hinsichtlich des Vortrags der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18.11.2024 verwiesen.
13
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) E. vom 25.03.2024 sowie durch Anhörung des Sachverständigen im Termin am 18.11.2024. Diesbezüglich wird auf das Sachverständigengutachten (Bl. 271/279 d. A.) sowie das Sitzungsprotokoll (Bl. 312/315 d. A.) verwiesen.
14
Mit Beschluss vom 18.11.2024 hat der Senat dem Kläger Frist zur Stellungnahme zu den Hinweisen des Senats an diesem Tag sowie zum Ergebnis der Beweisaufnahme bis zum 16.12.2024 gesetzt. An diesem Tag ging beim OLG München ein Schriftsatz des Klägers ein, auf den verwiesen wird (vgl. Bl. 321/328 d. A.).
B
15
Die (teilweise mit Bedenken; siehe dazu unten unter Ziffer B II 6) zulässige Berufung des Klägers (§§ 511, 517, 520 ZPO) hat lediglich in Höhe von € 1.333,92 in der Zahlungshauptsache nebst Zinsen Erfolg, im Übrigen ist sie unbegründet (§ 823 Abs. 1 BGB).
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I. Die Klage ist auch hinsichtlich der geltend gemachten Kosten für den privaten Sachverständigen in Höhe von € 1.333,92 zulässig, eine Verweisung auf die Kostenfestsetzung für den vorliegenden Rechtsstreit mangels Rechtsschutzbedürfnisses ist nicht veranlasst:
17
1. In einer Verkehrsunfallsache hat der BGH Folgendes entschieden: Nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Dazu können auch die Kosten für die Einholung eines Privatsachverständigengutachtens gehören, wenn sie unmittelbar prozessbezogen sind. Dies ist dann der Fall, wenn das Privatgutachten von der Beklagten am Tag nach der Klagezustellung in Auftrag gegeben worden ist. Die Prozessbezogenheit kann nicht mit der Begründung verneint werden, die Beklagte habe schon vor Klageerhebung geltend gemacht, sie könne beweisen, dass nicht sämtliche Schäden auf den Verkehrsunfall zurückzuführen seien. Aus diesem Vorbringen kann insbesondere nicht geschlossen werden, dass ihr das D.-Gutachten schon damals vorlag (vgl. BGH, Beschluss vom 26.02.2013 VI ZB 59/12, NJW 2013, 1823, 1823, Randziffer 4). Zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig ist die Einholung eines Privatgutachtens, wenn eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die Kosten auslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte. Dabei darf die Partei die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen. Lagen nach dem Klagevorbringen im Streitfall Anhaltspunkte für den Verdacht eines versuchten Versicherungsbetrugs vor, durfte die Beklagte die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Klärung der Frage einer möglicherweise gegebenen Unfallmanipulation als sachdienlich erachten. Dies gilt entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde unabhängig davon, wie die Beklagte die Beweissituation vor Klageerhebung eingeschätzt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 26.02.2013 VI ZB 59/12, NJW 2013, 1823, 1823, Randziffer 5). Auf das Ergebnis des Gutachtens kommt es nicht an (vgl. BGH, Beschluss vom 26.02.2013 VI ZB 59/12, NJW 2013, 1823, 1824, Randziffer 11). Vorbereitungskosten sind als Kosten des Rechtsstreits im Sinn von § 91 ZPO anzusehen und dem Grunde nach zu erstatten, wenn die entsprechende Aufwendung mit einem konkreten bevorstehenden Rechtsstreit in unmittelbarer Beziehung steht und seiner Vorbereitung dienen soll. Dazu gehören solche Aufwendungen nicht, die die Partei macht, um sich erst die Grundlage für ihre Entscheidung zu verschaffen, ob prozessiert werden soll oder nicht. Wer sich über den Prozess erst noch klar werden will, handelt noch nicht unmittelbar prozessbezogen. Das gilt insbesondere für die Aufwendungen von Versicherungsunternehmen, die ihre materiell-rechtliche Einstandspflicht klären wollen, ohne dass sich schon ein Prozess abzeichnet (Stein/Jonas-Muthorst, 23. Auflage, § 91 ZPO Randziffer 39).
18
2. Das Privatgutachten des Klägers stammt vom Mai/Juni 2016 (Anlage K 1). Die Haftpflichtversicherung der Beklagten hat daraufhin mit Schreiben vom 01.12.2016 (Anlage K 5) erneut eine weitere Erstattung abgelehnt (zuvor hatte sie bereits unter dem 02.12.2015 ein eigenes Schadensgutachten erstellen lassen). Die Klage stammt vom 26.04.2017 und ging am 28.04.2017 beim LG Ingolstadt ein. Der Senat verneint aufgrund dieser zeitlichen Abläufe einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem hiesigen Rechtsstreit, sodass das (zunächst fragliche) Rechtsschutzbedürfnis einer Klage insoweit nicht entgegensteht.
19
II. Die Berufung ist nur hinsichtlich der Ersatzfähigkeit der Bruttosachverständigenkosten in Höhe von € 1.333,92 begründet, ansonsten hat sie keinen Erfolg:
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1. Eine Haftung der Beklagten dem Grunde nach steht allerdings fest (§ 823 Abs. 1 BGB). Die Beklagte kann sich nicht auf Unkenntnis von der Lage des Erdrohres berufen. Sie hat sich zu vergewissern, dass der Baugrund, auf dem sie baggern will, frei ist. Das von ihr beschädigte Erdrohr wäre für sie bei entsprechender Nachfrage auch ohne Weiteres erkennbar gewesen. Durch diese Sorgfaltspflichtverletzung durch Unterlassen bei bestehender Erkundigungspflicht hat die Beklagte rechtswidrig einen entsprechenden Schaden verursacht.
21
2. Der Kläger kann im vorliegenden Fall den Schaden an seinem Grundstück zwar fiktiv abrechnen (§ 249 Abs. 2 Satz 1 BGB):
22
a) Der Käufer kann im Rahmen des kleinen Schadensersatzes entweder Ausgleich des mangelbedingten Minderwerts oder Ersatz der voraussichtlich erforderlichen Mängelbeseitigungskosten verlangen, wobei es unerheblich ist, ob der Mangel tatsächlich beseitigt wird (BGH, Beschluss vom 13.03.2020, V ZR 33/19, NZBau 2021, 40, 41 und 46, Randziffern 7 und 48; Urteil vom 12.03.2021, V ZR 33/19, Randziffer 7; allerdings jeweils aufgrund von Mängeln im Rahmen eines Kaufvertrages).
23
b) Das gilt auch für den Fall eines Schadensersatzanspruchs nach § 14 Nr. 4 Halbsatz 2 WEG in der bis 30.11.2020 geltenden Fassung (vgl. BGH, Urteil vom 9.12.2016, V ZR 124/16, NJW-RR 2017, 527, 529, Randziffern 29f.).
24
c) Ausgeschlossen wäre eine solche fiktive Abrechnung für den (ursprünglichen) Eigentümer nur, wenn er das betroffene Grundstück vor Erhalt der Schadensersatzzahlung veräußert hätte (vgl. BGH, Urteil vom 08.07.1999, III ZR 159/97, NJW 1999, 3332, 3334, Ziffer II 3 b bb (2)).
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d) Letzteres ist nicht geschehen, der Kläger war und ist unstrittig Eigentümer des Grundstücks, auf dem das Rohr verlegt war (und wieder ist).
26
Nach Auffassung des Senats gestattet § 249 Abs. 2 BGB damit auch bei Schäden im Zusammenhang mit einem Grundstück die Abrechnung des fiktiven Schadens unabhängig davon, dass der Kläger den Schaden durch Verlegung eines neuen Rohres selbst beseitigt haben will.
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3. Der Kläger kann hinsichtlich des beschädigten Rohres allerdings nur die von den Sachverständigen H. (erstinstanzlicher Sachverständiger) und E. für gerechtfertigt gehaltenen Aufwendungen für eine Reparatur des Erdrohres auf einer Länge von 8 m in Höhe von € 1.890,00 verlangen (auf Nettobasis: § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB):
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a) Noch nach altem Schadensrecht hat der Bundesgerichtshof Folgendes entschieden: Der auf Geldersatz gerichtete Schadensersatzanspruch nach § 249 S. 2 BGB ist seiner Funktion nach ein Herstellungsanspruch. Der Geschädigte, der nach § 249 S. 1 BGB grundsätzlich die Herstellung desjenigen Zustands verlangen kann, der vor dem Schadensfall bestanden hat (sogenannte Naturalrestitution), soll bei Beschädigung einer Sache die Wahl haben, statt der vom Schädiger geschuldeten Reparatur oder Ersatzbeschaffung die Sache selbst wiederherstellen zu lassen und den dafür erforderlichen Geldbetrag vom Schädiger zu verlangen. Der Anspruch setzt deshalb voraus, dass eine Herstellung der Sache überhaupt noch möglich ist. Fraglich kann im Einzelfall nur sein, ob ein Fall der Unmöglichkeit der Wiederherstellung vorliegt. Das ist dann der Fall, wenn die beschädigte Sache irreparabel ist, also ein sogenannter Totalschaden vorliegt. Ist das zu bejahen, dann muss damit die Unmöglichkeit der Naturalrestitution nach § 249 S. 2 BGB noch nicht feststehen, wenn Herstellung durch Beschaffung einer gleichartigen und gleichwertigen Sache den Umständen nach in Betracht kommt und die Ersatzbeschaffung nicht unverhältnismäßig ist (§ 251 Abs. 2 BGB; BGH, Urteil vom 10.07.1984, VI ZR 262/82, NJW 1984, 2282, 2282, Ziffer II 1 a zur Zerstörung eines beweglichen Unikats).
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b) Festzuhalten bleibt also zunächst, dass im Gegensatz zum Gewährleistungsrecht im Kaufrecht dem durch eine unerlaubte Handlung Geschädigten kein Wahlrecht auf „Nachbesserung“ oder „Ersatzlieferung“ (vgl. § 439 Abs. 1 BGB) zusteht.
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c) Abzustellen ist daher auf die Erforderlichkeit des vom Kläger verlangten Geldbetrages (§ 249 Abs. 2 Satz 1 BGB).
31
Dafür reicht der Betrag zur reinen Reparatur des Kollektorrohres aus, die gesamte Neuverlegung eines Kollektorrohres ist nicht erforderlich: Hierzu hat der vom Senat persönlich angehörte Sachverständige E. ausgeführt, nach den Bestimmungen des Herstellers (der gerade eine Verbindungsmöglichkeit für zwei Rohre anbiete) und der VDI 6022 sei es Stand der Technik, eine Reparatur eines (unterstellt) gerade erst verlegten und noch nicht benutzten Kollektorrohres durch Einsatz eines längenmäßig begrenzten Ersatzrohres (Stangenware) unter Verwendung der vom Hersteller hierfür bereitgestellten Verbindungsstücke (Muffe und Gummiisolierung) vorzunehmen. Das sei auch aus hygienischen Gründen aus technischer Sicht zulässig, zumal ja die Rohre an ihren Enden ohnehin auf die gleiche Art und Weise irgendwo angeschlossen werden müssten. Dort bestehe zwar ein Lüftungs- oder Revisionsschacht, die Anschlussstelle sei aber zur Reinigung ohne spezielles Gerät nicht zu erreichen. Und wenn man sich solches spezielles Reinigungsgerät beschaffe, könne man auch Muffen erreichen, die irgendwo zwischen zwei Anschlussstellen im Rahmen einer Reparatur für eine entsprechende Verbindung sorgten. Ob nun der Kläger für einen vollständigen Ersatz über seine 48 m Rohr den entsprechenden Geldbetrag verlangen könne oder nur für die Reparatur, sei Rechtsfrage und von ihm nicht zu beantworten.
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An der Richtigkeit der in sich logischen und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen E. zu zweifeln, sieht der Senat keinen Anlass und ist von dessen Richtigkeit überzeugt. Dies gilt um so mehr, als der Sachverständige H., der allerdings als solcher wegen dauerhafter Erkrankung (vgl. Verfügung des LG Ingolstadt vom 08.12.2020 = Bl. 145 d. A.) dem Senat nicht mehr zur Verfügung steht, in seinen schriftlichen Gutachten für das LG Ingolstadt zu denselben Ergebnissen kommt.
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Auf die Frage, ob es Ringware von 25 m Länge gibt bzw. zum Schadenszeitpunkt gab, kommt es mangels Verbaus nicht an.
34
Allein aus dem Vorhalt des Klägers zur äußeren Rillung von Stangenware (woher hat der Kläger diese Kenntnis?) kann hier nicht auf Behauptungen des Sachverständigen ins Blaue geschlossen werden. Denn schon die Relevanz des Vorhalts (seine Richtigkeit einmal unterstellt) ist für den Senat nicht ersichtlich.
35
Damit sind auch die technischen Sachfragen des Klägers aus seinem Schriftsatz vom 18.12.2019 entgegen der Ansicht des Klägers beantwortet.
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Im Übrigen sind die Ausführungen des Privatsachverständigen Sch. vom 10.12.2019 (Anlage K 6) zumindest insoweit unlogisch, als er die Möglichkeit einer Muffenverbindung einräumt (was bei Lüftungsschächten usw. ohnehin so erfolgen muss), gleichzeitig aber von einer seiner Ansicht nach bestehenden Unzulässigkeit ausgeht (wie will der Privatsachverständige Sch. ein Lüftungsrohr an seinen Endpunkten anschließen?). Außerdem wird von ihm der Unterschied zwischen Erstverlegung und Reparatur nicht beachtet.
37
Rechtlich kann der Kläger die Neuverlegung des gesamten Erdohres zur Berechnung seines Schadens auch aus einem weiteren Grund nicht zugrunde legen: Denn er hat seine fiktiven Reparaturkosten abgerechnet und nicht die tatsächlichen Kosten für ein neues Rohr (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 09.06.2009, VI ZR 110/08, VersR 2009, 1092, 1094f., Randziffern 23 und 26 zu einem Kraftfahrzeugschaden nach Verkehrsunfall).
38
d) Die übrigen Einwände des Klägers insbesondere gegen die Ergebnisse des Sachverständigen E. in seinem Gutachten sind nach Ansicht des Senats nicht durchgreifend:
39
Der Kläger trägt selbst vor, nach Forderung des Herstellers sei die Verlegung möglichst in einem Stück vorzunehmen. „Möglichst“ heißt nicht zwingend immer und der Sachverständige E. hat ausführlich begründet, dass dies zunächst nur für eine Neuverlegung und nicht für eine Reparatur gelte. Das ist für den Senat nachvollziehbar. Er hat keine Zweifel an der Fachkompetenz des Sachverständigen und ist von der technischen Richtigkeit dieser Ausführungen überzeugt. Auch ein Minderwert ist nach Auffassung des Senats schon aus Rechtsgründen nicht gegeben, da sich nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen E. notwendige Muffenverbindungen an Lüftungsschächten mit Spezialgerät genauso reinigen lassen (sofern notwendig) wie Muffenverbindungen dazwischen.
40
Dehnungs„probleme“ sieht der Senat schon aus der Sicht des Sachverständigen H. nicht: Schon der Kläger behauptet, soweit ersichtlich, nicht, dass sich eine etwaige Dehnung des Erdrohres über mehr als 3 m nach jeder Seite von der Beschädigungsstelle stattgefunden habe (das muss der Kläger ja wohl selbst erkannt haben können, da er auch in der Lage war, das Rohr insgesamt selbst auszutauschen). Darüber hinaus hat der Sachverständige H. insgesamt 8 m Rohrlänge als Ersatz angesetzt, also noch eine weitere Sicherheit von insgesamt 2 m Rohrlänge. Außerdem lagen dem Sachverständigen E. Schadensfotos vor, und der Kläger trägt selbst nicht vor, dass darauf eine Dehnung über mehr als insgesamt 4 m Rohrlänge ersichtlich sei.
41
Die Länge von lediglich 8 m hat der Sachverständige E. mit entsprechend lieferbarer Stangenware erklärt, deren Existenz der Kläger selbst nicht bestreitet (sondern lediglich aus Rechtsgründen von einem notwendigen Komplettaustausch des gesamten Rohres ausgeht).
42
Nicht nachvollziehbar sind die Fragen des Klägers zur Fachkompetenz des Herrn R. (technischer Berater wohl des Händlers solcher Rohrware), welche Vorgehensweisen in solchen Fällen wie denen des Klägers gängig sind und welche Möglichkeiten der Stückelung angeboten werden: Wer wenn nicht ein technischer Berater hätte diese Kenntnisse. Dass die Auskünfte falsch sein könnten, hält der Senat, wie ausgeführt, schon deshalb für ausgeschlossen, weil ein solcher Berater ein erhebliches Interesse an möglichst umfangreichen Verkäufen hat (also eher zu größeren Längen neigen dürfte).
43
Die technische Begründung für die Erstverlegung möglichst in einem Stück hat der Sachverständige Dipl.-Ing. (FH) E. ausgeführt (und hierfür als richtig zugrunde gelegt), hier jedoch geht es um eine Reparatur (siehe oben Ziffer B II 3 c), noch dazu auf fiktiver Reparaturkostenbasis (siehe dazu oben Ziffer B II 3 c am Ende).
44
e) Die Behauptung des Klägers, das Erdrohr gebe es nur in einer Länge von 50 m, ist nicht richtig: Ausweislich des von der Beklagten vorgelegten Merkblatts der Fa. H. gibt es auch Rohrlängen von 25 m (vgl. Anlage BK 2, Seite 4; hinter Bl. 261 d. A.; die Einschränkung auf Lieferbarkeit zum Schadenszeitpunkt hat der Kläger erst im Schriftsatz vom 16.12.2024 vorgetragen). Ferner hat der Sachverständige Dipl.-Ing. (FH) E. zur Überzeugung des Senats ausgeführt, dass es im Handel auch noch Stangenware kürzerer Längen gebe, die zu den Kollektorrohren von 25 m bis 50 m völlig gleichwertig (und nicht gleich) seien.
45
f) Die Abrechnung von 8 m Erdrohrlänge entsprechend den Ausführungen des Erstgerichts in seinem Endurteil vom 20.10.2021 sind korrekt:
46
Die erforderliche Planie mit einem Gefälle von mindestens 2% ist auch auf einer Länge von 8 m herstellbar: Der Kläger hat selbst vorgetragen, selbst das Rohr mit einem entsprechenden Gefälle für 48 m verlegt zu haben. Warum das dann über eine Länge von nur 8 m bei Durchführung eines entsprechenden Höhennivellements nicht machbar sein soll, erschließt sich dem Senat nicht, zumal es der Kläger über die gesamte Länge ja offensichtlich selbst gekonnt hat.
47
Der private Gutachter des Klägers, der Sachverständige S. , hat für die Verlegung von 48 m Rohr 20 Stunden Arbeitszeit angesetzt (Anlage K 1, Seite 9). Dann erscheinen für die Verlegung von 8 m Rohr auch unter Berücksichtigung von Synergieeffekten bei größeren Streckenlängen der Ansatz von insgesamt 6 Stunden richtig bemessen (§ 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO), wie der erste gerichtliche Sachverständige H. zugrunde gelegt hat (mit einem Stundensatz von € 120,00 statt lediglich € 100,00 beim Privatgutachter!).
48
g) Gegen die vom Sachverständigen H. erstinstanzlich errechneten € 1.890,00 hat der Kläger nichts weiter eingewendet außer der (vom Senat verneinten Behauptung), es müsse die Verlegung eines Erdrohres auf einer Länge von 48 m ersetzt werden. Fehler sind mit den vom Senat angestellten vorangegangenen Überlegungen auch nicht ersichtlich, weshalb der Senat in Übereinstimmung mit dem Endurteil des LG Ingolstadt vom 20.10.2021 von einer entsprechend nur begrenzten Ersatzfähigkeit ausgeht.
49
h) Einen weitergehenderen Ersatz für die volle Rohrlänge unter dem Blickwinkel des Herausforderungsschadens kann der Kläger nicht beanspruchen, weil er seinen Schaden abstrakt abrechnet und weil die weitergehenden Aufwendungen (insgesamt € 6.840,00 netto) unverhältnismäßig wären.
50
4. Allerdings kann der Kläger die Kosten seines privaten Gutachters in Höhe von brutto € 1.333,92 (Anlage K 2) im Sinne eines sogenannten Herausforderungsschadens ersetzt verlangen:
51
a) Lässt [bei einem Werkvertrag] der Besteller die Mängelbeseitigung durchführen, sind die von ihm aufgewandten Mängelbeseitigungskosten, die er bei verständiger Würdigung für erforderlich halten durfte, nicht nur gemäß § 634 Nr. 2, § 637 BGB zu erstatten. Der Besteller kann in diesem Fall die von ihm aufgewandten Mängelbeseitigungskosten vielmehr auch als Schaden gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB ersetzt. Denn ihm ist in Höhe der Aufwendungen ein Vermögensschaden entstanden, den er ohne das mangelhafte Werk nicht gehabt hätte. Der Umstand, dass er die Aufwendungen freiwillig erbracht hat, steht dem nicht entgegen. Er durfte sich hierzu aufgrund des Verhaltens des Unternehmers, der die ihm vom Gesetz eingeräumte Möglichkeit, sein mangelhaft abgeliefertes Werk nachzubessern (Nacherfüllung), nicht wahrgenommen hat, herausgefordert fühlen. Auf den Ersatz eines geringeren Minderwerts muss er sich in diesem Fall, vorbehaltlich der Unverhältnismäßigkeit der Aufwendungen, nicht verweisen lassen (BGH, Urteil vom 22.02.2018, VII ZR 46/17, WM 2018, 1323, 1327, Randziffer 46; für den Bereich der unerlaubten Handlung vgl. nur BGH, Urteil vom 03.07.1990, VI ZR 33/90, NJW 1990, 2885).
52
b) Der Kläger benötigte einen Sachverständigen, um die Kosten für den (abstrakten) Ersatz abzuschätzen. Dass das Gutachten deshalb wenig brauchbar ist, weil es von einem zu umfangreichen Ersatzanspruch ausgeht (Neuverlegung des gesamten Erdrohres), konnte der Kläger erst im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits wissen. Hinzu kommt, dass der Senat das Privatgutachten (Anlage K 1) in einem Vergleich mit den gerichtlichen Gutachten der Sachverständigen H. und E. als Schätzgrundlage herangezogen hat (s. oben Ziffer B II 3 f).
53
c) Der Höhe nach sind die vom privaten Sachverständigen S.  angesetzten Kosten für seine Arbeiten in Höhe von € 1.120,94 netto angemessen, wie der Sachverständige E., von der Beklagten unangegriffen, zur Überzeugung des Senats festgestellt hat.
54
d) Der Kläger kann auch Ersatz der Umsatzsteuer für die Gutachterkosten in Höhe von € 212,98 verlangen: Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, diese Kosten an den Sachverständigen bezahlt zu haben. Der Senat übersieht nicht das Eigeninteresse des Klägers im Rahmen dieser Angaben. Andererseits hätte der private Sachverständige bei Nichtzahlung durch den Kläger diesen längst (und wahrscheinlich auch erfolgreich) in Anspruch genommen (oder ihm wäre vom Kläger im vorliegenden Rechtsstreit aller Wahrscheinlichkeit nach der Streit verkündet worden). Deshalb ist der Senat davon überzeugt, dass diese nachvollziehbare Behauptung des Klägers richtig ist.
55
e) Zwar hätte die Beklagte grundsätzlich einen Anspruch auf Abtretung etwaiger Ersatzansprüche gegen den Privatgutachter des Klägers (§ 255 BGB). Eine entsprechende Zug-um-Zug-Einrede hat sie jedoch nicht erhoben (§ 273 Abs. 1, § 274 Abs. 1 BGB).
56
5. Das ergibt einen Gesamtschaden des Klägers von insgesamt € 2.016,92:
Reparatur Erdrohr (netto): € 1.890,00
Sachverständigenkosten S. (brutto): € 1.333,92
abzüglich vorgerichtliche Zahlung
Haftpflichtversicherung: -€ 1.207,00
Saldo: € 2.016,92
57
6. Unter Hintanstellung größter Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Berufung bezüglich des Feststellungsantrags (der Kläger verhält sich in seiner Berufungsbegründung hierzu nicht) kann dahinstehen, ob dieser zulässig ist (vgl. zur Zulässigkeit des offen Lassens BGH, Urteil vom 10.10.2017, XI ZR 456/16, WM 2017, 2254, 2255, Randziffer 16; Urteil vom 10.10.2017, XI ZR 457/16, WM 2017, 2256, 2258, Randziffer 29; Urteil vom 27.02.2018, XI ZR 458/17, Randziffer 20; Urteil vom 27.02.2018, XI ZR 156/17, Randziffer 24; Urteil vom 27.02.2018, XI ZR 417/17, Randziffer 20; Urteil vom 27.02.2018, XI ZR 524/16, Randziffer 25; Urteil vom 17.04.2018, XI ZR 446/16, WM 2018, 1358, 1362, Randziffer 27; s.a. Urteil vom 01.07.2014, XI ZR 247/12, WM 2014, 1621, 1622, Randziffer 18; Urteil vom 05.11.2019, XI ZR 650/18, WM 2019, 2353, 2354, Randziffer 17; Urteil vom 04.09.2019, XII ZR 52/18, WM 2020, 802, 807, Randziffer 44). Jedenfalls ist er schon deshalb unbegründet, weil nicht ansatzweise zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung durch das Berufungsgericht fast 10 Jahre nach dem Schadensereignis ersichtlich ist, wieso jetzt noch Schäden im Zusammenhang mit dem Schadensereignis auftreten sollten. Auch der Kläger trägt keine diesbezüglichen Möglichkeiten vor.
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7. Allerdings kann der Kläger keine vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangen: Sein Prozessbevollmächtigter war bereits am 02.03.2016 mandatiert, also zu einem Zeitpunkt, zu dem Verzug noch nicht eingetreten war. Allein die Ablehnung einer Zahlung von mehr als € 1.207,00 durch die Haftpflichtversicherung der Beklagten rechtfertigt die Ersatzfähigkeit vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten allein aufgrund von § 823 Abs. 1 BGB nicht. Im Hinblick auf § 308 Abs. 1 Satz 1, § 528 Satz 2 ZPO bleiben die erstinstanzlich zugesprochenen € 147,56 jedoch bestehen.
C
59
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
60
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils und dieses Beschlusses erfolgte gemäß § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
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Die Revision war aufgrund grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache beschränkt zuzulassen hinsichtlich Ersatzfähigkeit eines fiktiv abgerechneten Schadens aufgrund (fahrlässiger) unerlaubter Handlung an einem Grundstück (Rechtsprechung hierzu bisher, soweit ersichtlich, nur zu Mangelrechten nach Verkauf), Abrechnung eines fiktiven Schadens an einem Grundstück auf Neuwertbasis (Ersatzfähigkeit der Neuverlegung des Erdrohres; Rechtsprechung hierzu anscheinend bisher nur zu Verkehrsunfällen) sowie Ersatzfähigkeit vorgerichtlicher Sachverständigenkosten bei während des Rechtsstreits feststehender weitgehender (aber nicht vollständiger) Unbrauchbarkeit des Gutachtens (Rechtsprechung hierzu anscheinend bisher nur zu Verkehrsunfällen).