Titel:
Subventionsbetrug durch Beantragung von Corona-Überbrückungshilfen mithilfe eines Rechtsanwalts
Normenketten:
StGB § 53 Abs. 1, Abs. 2, § 54 Abs. 1 S. 2, S. 3, § 73 Abs. 1, § 73b Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 73c, § 264 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, Abs. 2 S. 1, Abs. 8 Nr. 1, Abs. 9 Nr. 1, Nr. 2
SubvG § 4 Abs. 1
BayHO Art. 53
StPO § 154 Abs. 2
BayStrAG Art. 1
BRAO § 1, § 3
Leitsätze:
Die Registrierung eines Accounts auf der Antragsplattform für Corona-Überbrückungshilfen unter dem Namen eines Rechtsanwalts, der tatsächlich keinerlei Überprüfungen als „prüfender Dritter“ vornehmen soll, stellt eine Scheinhandlung i.S.d. § 4 Abs. 1 SubvG dar (Anschluss an BGH, Beschluss vom 12.10.2023 – 2 StR 243/22, BGHSt 68, 33). (Rn. 38)
1. Die für die Strafbarkeit nach § 264 Abs. 9 Nr. 2 erforderliche Scheinhandlung iSv § 4 Abs. 1 SubvG, Art. 1 BayStrAG liegt vor, wenn über die Falschangabe hinaus ein gegenüber dem Subventionsgeber zur Kenntnis gebrachter tatsächlicher Akt vorgenommen wird, der geeignet ist, den Anschein eines in Wahrheit inexistenten Sachverhalts zu vermitteln (BGHSt 68, 33 = BeckRS 2023, 34863). (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein besonders schweren Fall iSd § 264 Abs. 2 S. 1 StGB kann bei gewährten Subventionen vorliegen, wenn in einer nationalen Notlage ein auf schnelle Abwicklung ausgerichtetes und stark auf Vertrauen in die Antragsteller setzendes Hilfeverfahren ausgenutzt wurde (BGHSt 66, 115 = BeckRS 2021, 10616). (Rn. 42 und 43) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Subventionsbetrug, Coronahilfe, Überbrückungshilfe, Rechtsanwalt, Account, Antragsplattform, prüfender Dritter, Scheinhandlung, besonders schwerer Fall, Wertersatz, Beihilfehandlung
Vorinstanz:
LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 07.12.2022 – 12 KLs 501 Js 2401/22
Fundstelle:
BeckRS 2025, 3909
Tenor
I. Der Angeklagte AF ist schuldig des vorsätzlichen Subventionsbetruges in 14 Fällen.
Er wird deshalb unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 07.12.2022 – 12 KLs 501 Js 2401/22 – zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren und 6 Monaten verurteilt.
II. Der Angeklagte E wird freigesprochen.
III. Es wird die Einziehung von Wertersatz angeordnet
- gegen die X KG in Höhe von 1.511.102,33 €, davon
- gesamtschuldnerisch in Höhe von 207.500 € mit der L GmbH sowie
- gesamtschuldnerisch in Höhe von 386.258,47 € mit dem Angeklagten AF und
- gesamtschuldnerisch in Höhe von 156.926,19 € mit der B GmbH – gegen den Angeklagten AF in Höhe von 423.283,79 €, davon gesamtschuldnerisch in Höhe von 386.258,47 € mit der X KG – gegen die B GmbH in Höhe von 156.926,19 € gesamtschuldnerisch mit der X KG – gegen die L GmbH in Höhe von 207.500 € gesamtschuldnerisch mit der X KG.
IV. Der Angeklagte AF trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich seiner notwendigen Auslagen, soweit er verurteilt worden ist; soweit das Verfahren gegen ihn eingestellt wurde, trägt diese Kosten die Staatskasse.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Angeklagten E werden der Staatskasse auferlegt.
Entscheidungsgründe
(abgekürzt gem. § 267 Abs. 4 StPO)
A. Persönliche Verhältnisse
1
Die Kammer hat zur Verfahrensvereinfachung folgende Verfahrensbeschränkungen vorgenommen:
2
Der Fall 6 der Anklage wurde gem. § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt, weil insoweit nach Beurteilung der Kammer kein Subventionsbetrug (§ 264 StGB), sondern ein Betrug (§ 263 StGB) in Betracht kam, was ein vom Schema der Anklage abweichendes tatsächliches und rechtliches Prüfprogramm bedingt hätte.
3
Die Einstellung des Falles 7 der Anklage gem. § 154 Abs. 2 StPO folgte daraus, dass der Angeklagte AF hier unter seinem eigenen Namen tätig geworden ist, während die Kammer den Tatkomplex Kanzlei AF unter dem Gesichtspunkt des prüfenden Dritten behandeln wollte, was bei diesem Fall nicht zutraf.
4
Die Einstellungen im Tatkomplex B GmbH (§ 154 Abs. 2 StPO bzgl. Fall 17, 154a Abs. 2 StPO bzgl. § 264 Abs. 1 Nr. 1 StPO in den Fällen 12 bis 16) beruhen darauf, dass die Kammer insoweit für die Verurteilung allein auf die zweckwidrige Mittelverwendung abstellen wollte.
C. Die Verurteilung des Angeklagten AF
I. Festgestellter Sachverhalt
a) Beteiligte Gesellschaften und Personen
5
Die ... GmbH war Komplementärin der ... KG. Formale Geschäftsführerin der X GmbH war zunächst die Ehefrau des Angeklagten, G. Mit Gesellschafterbeschluss vom 14.12.2020 wurde sie als Geschäftsführerin abberufen und der anderweit Verfolgte P zum Geschäftsführer bestellt. Mit Gesellschafterbeschluss vom 27.09.2021 wurde P – der seit 15.03.2017 auch der Alleingesellschafter war – als Geschäftsführer abberufen und der Angeklagte AF als Geschäftsführer der ... GmbH bestellt. An diesem Tag übernahm AF auch alle Gesellschaftsanteile. Tatsächlich übte der Angeklagte AF seit Gründung der GmbH am 23.12.2005 die Funktion des Geschäftsführers anstelle der bestellten Geschäftsführer tatsächlich aus. Rechtlich war dies gegenüber dem anderweit Verfolgten P durch einen Treuhandvertrag abgesichert, aufgrund dessen P im Innenverhältnis zu AF keine Entscheidungsbefugnisse hatte, sondern dessen Anweisungen Folge leisten musste, was er auch durchgehend tat.
6
Die ... GmbH ist – auch nach ihrer Auflösung aufgrund des am 17.05.2024 eröffneten Insolvenzverfahrens – die einzige Komplementärin der ... KG. Kommanditisten sind der Angeklagte AF mit einer Einlage von 1.300 € und seine Ehefrau mit einer Einlage von 100 €.
7
Die L GmbH wurde am 04.11.2021 im Handelsregister des Amtsgerichts … eingetragen. Gegenstand des Unternehmens war u.a. die Übernahme der persönlichen Haftung in der ... KG, wozu es aber tatsächlich nicht kam. Geschäftsführerin der L GmbH ist die Tochter des Angeklagten AF N. Tatsächlich handelte der Angeklagte AF von der Gründung der Gesellschaft an als deren faktischer Geschäftsführer.
8
aa) Der Angeklagte AF nahm im Vorfeld der abgeurteilten Antragstellungen die Registrierung auf der Antragsplattform für die Gewährung von Coronahilfen www.ueberbrueckungshilfe.de vor. Dazu hatte er spätestens am 04.01.2021 die beA-Karte der in seiner Kanzlei angestellten Rechtsanwältin Z ohne deren Einwilligung und Kenntnis an sich genommen und unter dem Namen „Z“ einen Account erstellt, auf den er in der Folgezeit allein Zugriff hatte und den er zur Antragstellung ohne Einwilligung und Kenntnis Z´s nutzte.
9
Unter Nutzung des Accounts stellte der Angeklagte als „Z“ für die X KG Anträge auf Bewilligung von Überbrückungshilfe Corona, die sodann von der IHK für München und Oberbayern (fortan: IHK), die in Bayern hierfür zuständig war, bearbeitet wurden. Dabei machte er über subventionserhebliche Tatsachen unrichtige Angaben. Es handelte sich um folgende Anträge:
Fall
|
Art des Antrags
|
Förderzeitraum
|
Aktenzeichen des Antrags
|
Datum der Antragsstellung
|
Datum der Erklärungen des Antragstellers
|
1
|
Überbrückungshilfe Corona II
|
09/2020 bis 12/2020
|
…
|
23.01.2021
|
25.01.2021
|
2
|
Überbrückungshilfe Corona II, (Erhöhung zu Fall 1)
|
09/2020 bis 12/2020
|
…
|
10.06.2021
|
10.06.2021
|
3
|
Überbrückungshilfe Corona III
|
01/2021 bis 06/2021
|
…
|
26.03.2021
|
26.03.2021
|
4
|
Überbrückungshilfe Corona III, (Erhöhung zu Fall 3)
|
01/2021 bis 06/2021
|
…
|
10.06.2021
|
10.06.2021
|
5
|
Überbrückungshilfe Corona III+
|
07/2021 bis 09/2021
|
…
|
24.09.2021
|
25.09.2021
|
10
Wie der Angeklagte AF – hier und auch in den anderen Tatkomplexen – wusste, handelte es sich bei den Förderprogrammen Überbrückungshilfe Corona II, III und III+ um Leistungen aus öffentlichen Mitteln nach Bundes- oder Landesrecht an Betriebe oder Unternehmen, die wenigstens zum Teil ohne marktmäßige Gegenleistung gewährt wurden und die der Förderung der Wirtschaft dienen sollten, mithin um Subvention.
11
Die Antragstellung für die Förderprogramme erfolgte elektronisch über die Antragsplattform www.ueberbrueckungshilfe.de und musste zwingend von einem prüfenden Dritten (auch: „Antragserfassender“) durchgeführt werden. Prüfende Dritte konnten lediglich Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer und Rechtsanwälte sein, wie der Angeklagte AF wusste. Er wusste ebenso, dass die Antragstellung eines prüfenden Dritten für sich selbst nach den Vergabebedingungen ausgeschlossen war.
12
Die Antragstellung für die genannten Förderprogramme erforderte ferner die Beigabe des Formulars „Erklärungen des Antragstellers“, das vom Antragsteller ausgefüllt, unterschrieben und dann als Pdf-Dokument zum Antrag hochgeladen werden musste. Der Angeklagte AF gab im Rahmen der jeweiligen Antragstellung für die ... KG sämtliche Daten und Erklärungen im Formular „Erklärungen des Antragsstellers“ ein und legte die Dokumente seiner Ehefrau zur Unterschrift vor. Diese unterschrieb jeweils das Formular. Diese Dokumente für die Antragstellung reichte der Angeklagte anschließend jeweils unter der Vorspiegelung, dass die prüfende Dritte Z die Anträge erfasst und geprüft habe, elektronisch von seinem PC in der … Straße in … bei der IHK ein, indem er sie auf die Antragsplattform hochlud. Ferner antwortete der Angeklagte AF auf Rückfragen der IHK unter der Rechtsanwaltskennung „Z“.
13
bb) In sämtlichen Anträgen täuschte der Angeklagte AF bewusst wahrheitswidrig über subventionserhebliche Tatsachen.
14
So gab er sich in sämtlichen Anträgen bewusst zu Unrecht als „Z“ und somit als prüfende Dritte aus. Es war dem Angeklagten klar, dass es sich bei der Identität des prüfenden Dritten um eine subventionserhebliche Tatsache handelte, auch wenn sie in den Antragsunterlagen nicht ausdrücklich als solche bezeichnet war. Tatsächlich hatte Z keinen der Anträge gesehen und geprüft.
15
Weiterhin gab er in allen Anträgen an, dass das Unternehmen folgende Mitarbeiter beschäftigt:
- Beschäftigte bis 20 Stunden: 3
- Beschäftigte auf 450 €-Basis: 1
16
Tatsächlich beschäftigten die ... KG und die ... GmbH in den jeweiligen Förderzeiträumen keine Mitarbeiter. Nach den Vergabebedingungen war nur dasjenige Unternehmen antragsberechtigt, das zumindest einen Beschäftigten hatte. Dabei zählte eine 450 €-Kraft mit dem Faktor 0,3. Die drei Personen, von denen der Angeklagte behauptete, sie seien von dem verbundenen Unternehmen ... GmbH / ... KG beschäftigt – P, C und K – waren in der fraglichen Zeit jedoch tatsächlich beim Angeklagten selbst, firmierend als AF Vermietung und Verpachtung beschäftigt. Zudem waren alle drei insoweit lediglich als 450 €-Kräfte beschäftigt, sodass sie in Summe (3 x 0,3 = 0,9) weniger als der eine notwendige Mitarbeiter waren.
17
Aufgrund der ausdrücklichen Hinweise im Antragsformular wusste der Angeklagte, dass es sich bei der Zahl der Beschäftigten um eine subventionserhebliche Tatsache handelte.
18
cc) Aufgrund der Anträge und im Vertrauen auf deren Richtigkeit bewilligten die Mitarbeiter der IHK Überbrückungshilfen und zahlten diese aus, sodass sie auf dem Konto der ... KG mit der IBAN DE… gutgeschrieben wurde. Im Einzelnen:
Fall
|
beantragter Betrag
|
Bescheid vom
|
ausgezahlter Betrag
|
gutgeschrieben am
|
1
|
74.065,96 €
|
28.01.2021
|
74.065,96 €
|
01.02.2021
|
2
|
189.083,53 €
|
28.06.2021
|
115.017,57 €
|
30.06.2021
|
3
|
778.833,74 €
|
28.05.2021
|
778.833,74 €
|
01.06.2021
|
4
|
1.076.984,44 €
|
|
|
|
5
|
441.000,00 €
|
|
|
|
19
dd) In den Fällen 1 bis 3 flossen der ... KG Taterträge in Form von zu Unrecht bewilligter Überbrückungshilfe Corona in Höhe von insgesamt 967.917,67 € zu. Im Zeitraum vom 02.11.2021 bis 23.12.2021 überwies der Angeklagte ohne Rechtsgrund vom Konto der ... KG insgesamt 207.500 € auf das Konto der L GmbH mit der IBAN DE… Hierbei handelte es sich jeweils um Teilbeträge der zuvor an die ... KG ausbezahlten Subventionen. Im Einzelnen:
Datum
|
Betrag
|
angegebener Verwendungszweck
|
02.11.2021
|
25.000 €
|
Stammeinlage …
|
30.11.2021
|
30.000 €
|
Einlage KG
|
01.12.2021
|
30.000 €
|
Einlage KG
|
07.12.2021
|
30.000 €
|
Einlage KG
|
13.12.2021
|
30.000 €
|
Einlage KG
|
22.12.2021
|
2.500 €
|
Einlage
|
23.12.2021
|
30.000 €
|
Einlage KG
|
23.12.2021
|
30.000 €
|
Einlage KG
|
Gesamt:
|
207.500 €
|
|
20
Die Kanzlei AF hatte ihren Sitz in der … Straße in … Der Angeklagte AF war deren alleiniger Inhaber. Am 14.11.2019 widerrief ihm die Rechtsanwaltskammer … die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft und ordnete insoweit die sofortige Vollziehung an. Der Angeklagte E war daher vom 27.02.2020 bis zum 08.12.2021 von der Rechtsanwaltskammer als AF´s Vertreter bestellt. Mit Bescheid vom 08.12.2021 wurde E zum Abwickler der Kanzlei bestellt.
21
aa) Der Angeklagte AF nahm im Vorfeld der abgeurteilten Antragstellungen Registrierungen auf der Antragsplattform www.ueberbrueckungshilfe.de vor. Dazu hatte er zum einen den Account „Z“ registriert, wie oben (C.I.1.b.aa) beschrieben. Weiterhin erstellte er im Februar 2021 auf den Namen seines Vertreters E einen weiteren Account. Dies geschah zwar mit dem Einverständnis E´s. Allerdings hatte AF von Vornherein vor, die Anträge ohne die Mitwirkung E´s als prüfender Dritter zu stellen, was er später entsprechend tat.
22
Unter Nutzung der beiden Accounts stellte der Angeklagte AF für die Kanzlei als „Z“ den Antrag im Fall 8 und als „E“ (Accountname „…“) die Anträge in den Fällen 9 bis 11, ohne dass in den jeweiligen Fällen Z oder E hiervon wussten. Es handelte sich um folgende Anträge:
Fall
|
Art des Antrags
|
Förderzeitraum
|
Aktenzeichen des Antrags
|
Datum der Antragsstellung
|
Datum der Erklärungen des Antragstellers
|
8
|
Überbrückungshilfe Corona II
|
09/2020 bis 12/2020
|
…
|
04.01.2021
|
|
9
|
Überbrückungshilfe Corona II
|
09/2020 bis 12/2020
|
…
|
05.03.2021
|
08.03.2021
|
10
|
Überbrückungshilfe Corona II (Erhöhung zu Fall 9)
|
09/2020 bis 12/2020
|
…
|
27.06.2021
|
27.06.2021
|
11
|
Überbrückungshilfe Corona III
|
01/2021 bis 06/2021
|
…
|
09.05.2021
|
09.05.2021
|
23
Der Angeklagte AF gab auch hier im Rahmen der jeweiligen Antragstellungen sämtliche Daten und Erklärungen im Formular „Erklärungen des Antragsstellers“ selbst ein, unterschrieb deren Ausdrucke und lud deren Scans auf der Antragsplattform hoch. Die Dokumente für die Antragstellung in den Fällen 9 bis 11 lud der Angeklagte AF jeweils unter der Vorspiegelung, dass der vorgeblich prüfende Dritte E die Anträge geprüft habe, elektronisch von seinem PC in der … Straße in … auf der Antragsplattform hoch. Ferner antwortete AF auf Rückfragen der IHK unter der Rechtsanwaltskennung „E“. Entsprechendes galt im Fall 8 für die vorgebliche prüfende Dritte Z.
24
bb) In sämtlichen Anträgen für die Kanzlei täuschte der Angeklagte AF somit bewusst wahrheitswidrig über subventionserhebliche Tatsachen, indem er sich bewusst zu Unrecht als „Z“ bzw. „E“ als vorgeblich prüfende Dritte ausgab. Es war dem Angeklagten klar, dass es sich bei der Identität des prüfenden Dritten um eine subventionserhebliche Tatsache handelte.
25
cc) Im Vertrauen darauf, dass die Angaben der vermeintlich prüfenden Dritten richtig waren bzw. dass ein prüfender Dritter die vom Antragssteller getätigten Angaben überprüfte und deren Richtigkeit bzw. Plausibilität bestätigte, bewilligten die Mitarbeiter der IHK Überbrückungshilfen und zahlten diese an den Angeklagten AF auf dessen Konto mit der IBAN DE… aus. Im Einzelnen:
Fall
|
beantragter Betrag
|
Bescheid vom
|
ausgezahlter Betrag
|
gutgeschrieben am
|
8
|
37.025,32 €
|
|
|
|
9
|
37.025,32 €
|
07.04.2021
|
37.025,32 €
|
09.04.2021
|
10
|
111.315,98 €
|
|
|
|
11
|
386.258,47 €
|
08.06.2021
|
386.258,47 €
|
10.06.2021
|
26
dd) Durch die unrichtigen Anträge für die Kanzlei AF und Kollegen flossen dem Angeklagten AF insgesamt 423.283,79 € zu. Nach Eingang der Überbrückungshilfe III am 10.06.2021 in Höhe von 386.258,47 € überwies der Angeklagte AF am 11.06.2021 ohne Rechtsgrund 390.000 € auf das Konto der X KG mit der IBAN DE…
27
Die B GmbH mit Sitz in … wurde am 07.02.2018 im Handelsregister des Amtsgerichts … eingetragen. Gegenstand des Unternehmens war der Betrieb von Fitnessstudios. Mit Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 22.06.2022 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der B GmbH eröffnet. Die Gesellschaft ist dadurch aufgelöst. Geschäftsführer der B GmbH war vom 27.06.2018 bis zum 30.07.2021 der anderweit Verfolgte P. Er war auch bis zum 30.07.2021 alleiniger Gesellschafter. Seit dem 30.07.2021 ist die Tochter des Angeklagten AF, N, alleinige Gesellschafterin. Mit Gesellschafterbeschluss vom 30.07.2021 wurde der Zeuge A zum Geschäftsführer bestellt. Tatsächlich war – durch einen Treuhandvertrag vom 08.08.2017 abgesichert – der Angeklagte AF in der ganzen Zeit faktischer Geschäftsführer und alleiniger Bestimmer bei der B GmbH.
28
aa) Der Angeklagte AF registrierte sich selbst als Rechtsanwalt und prüfender Dritter für die B GmbH auf der Antragsplattform www.ueberbrueckungshilfe.de und erstellte einen entsprechenden Account. Sodann stellte er dort folgende Anträge:
Fall
|
Art des Antrags
|
Förderzeitraum
|
Aktenzeichen des Antrags
|
Datum der Antragsstellung
|
Datum der Erklärungen des Antragstellers
|
12
|
Corona Überbrückungshilfe II
|
09/2020 bis 12/2020
|
…
|
13.12.2020
|
14.12.2020
|
13
|
Corona Überbrückungshilfe II (Erhöhung zu Fall 12)
|
09/2020 bis 12/2020
|
…
|
26.06.2021
|
26.06.2021
|
14
|
Corona Überbrückungshilfe III
|
01/2021 bis 06/2021
|
…
|
19.03.2021
|
19.03.2021
|
15
|
Corona Überbrückungshilfe III, (Erhöhung zu Fall 14)
|
01/2021 bis 06/2021
|
…
|
10.06.2021
|
10.06.2021
|
16
|
Überbrückungshilfe III+
|
07/2021 bis 09/2021
|
…
|
25.09.2021
|
24.09.2021
|
29
bb) Mitarbeiter der IHK bewilligten daraufhin Überbrückungshilfen und zahlten sie auf das Konto der B GmbH, IBAN DE…, aus. Im Einzelnen:
Fall
|
beantragter Betrag
|
Bescheid vom
|
ausgezahlter Betrag
|
gutgeschrieben am
|
12
|
17.385,23 €
|
22.12.2020
|
17.385,23 €
|
29.12.2020
|
13
|
44.118,78 €
|
05.07.2021
|
26.733,55 €
|
07.07.2021
|
14
|
80.649,44 €
|
20.03.2021
|
40.324,72 €
|
25.03.2021
|
02.04.2021
|
40.324,72 €
|
07.04.2021
|
15
|
137.010,91 €
|
30.07.2021
|
56.361,47 €
|
03.08.2021
|
16
|
57.681,19 €
|
18.10.2021
|
28.840,60 €
|
30.09.2021
|
28.840,59 €
|
20.10.2021
|
30
cc) Wie der Angeklagte AF aufgrund der jeweiligen Hinweise in den Bewilligungsbescheiden wusste, war die Überbrückungshilfe jeweils zweckgebunden und diente ausschließlich dazu, dem antragstellenden Unternehmen eine weitergehende Liquiditätshilfe in Form einer anteiligen Erstattung von betrieblichen Fixkosten zu gewähren und so zu seiner Existenzsicherung beizutragen. Der Antragsteller durfte die Überbrückungshilfe nur zur Deckung der förderfähigen Fixkosten verwenden, wie dies in den unter Ziffer 1. der Hauptbestimmungen des jeweiligen Bescheids genannten Rechtsgrundlagen näher beschrieben war. In Kenntnis dessen überwies der Angeklagte AF, wie er wusste ohne jeden Rechtsgrund, erhebliche Teile der empfangenen Subventionen an die ... KG und verwendete das Geld somit bewusst zweckwidrig. Insgesamt überwies er 156.926,19 €, die zweckwidrig verwendet wurden. Im Einzelnen:
31
Nach Eingang der Überbrückungshilfe II am 29.12.2020 i.H.v. 17.385,23 € erfolgte am 06.01.2021 die Überweisung an die ... KG i.H.v. 6.240 € durch den Angeklagten AF.
32
Nach Eingang des zweiten Teilbetrags der Überbrückungshilfe III am 07.04.2021 i.H.v. 40.324,72 € überwies AF am 08.04.2021 an die ... KG 41.000 €.
33
Nach Eingang der Überbrückungshilfe II am 07.07.2021 i.H.v. 26.733,55 € erfolgte am 12.07.2021 die Überweisung an die ... KG i.H.v. 14.000 € durch den Angeklagten AF.
34
Nach Eingang der Überbrückungshilfe III am 03.08.2021 i.H.v. 56.361,47 € erfolgte am 04.08.2021 die Überweisung an die ... KG i.H.v. 58.000 € durch den Angeklagten AF.
35
Nach Eingang der Überbrückungshilfe III+ am 30.09.2021 und am 20.10.2021 i.H.v. insgesamt 57.681,19 € überwies AF am 01.11.2021 an die X KG 40.000 €.
III. Rechtliche Würdigung
36
Damit hat sich der Angeklagte, wie tenoriert, des Subventionsbetrugs in 14 tatmehrheitlichen Fällen schuldig gemacht (§ 264 Abs. 1 Nr. 1, 2, § 53 StGB). Die beantragten und teils auch gewährten Corona-Überbrückungshilfen II, III und III+ waren Subventionen i.S.d. Strafgesetzes (§ 264 Abs. 8 Nr. 1 StGB), die, wie es auch in den im Prozess gelesenen Bewilligungsbescheiden der IHK heißt, als Billigkeitsleistung vom Freistaat Bayern aus öffentlichen Mitteln des Bundes nach Art. 53 BayHO und weiteren Vorschriften Betrieben und Unternehmen gewährt wurden und jedenfalls auch der Förderung der Wirtschaft dienten. In rechtlicher Hinsicht ist ergänzend auszuführen:
1. „prüfender Dritter“ als subventionserhebliche Tatsache
37
In den Tatkomplexen ... KG und Kanzlei AF machte der Angeklagte falsche Angaben über die Identität des prüfenden Dritten. Bei dieser Angabe handelt es sich um eine subventionserhebliche Tatsache, die sich allerdings – mangels expliziter Nennung – nicht auf § 264 Abs. 9 Nr. 1 StGB stützen kann, sondern auf § 264 Abs. 9 Nr. 2 StGB. Nach dem Subventionsantrag hat der prüfende Dritte eine derart zentrale Funktion, dass die Bewilligung der Überbrückungshilfe auch davon abhängt, dass der im Antrag angegebene prüfende Dritte auch derjenige ist, der den Antrag stellt (vgl. LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 07.12.2022 – 12 KLs 501 Js 2401/22, juris Rn. 530). Der prüfende Dritte musste, wie sich aus den Antragsunterlagen ergab, über eine bestimmte berufliche Qualifikation verfügen (Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer oder Rechtsanwalt) und musste vom Antragsteller personenverschieden sein. Letzteres wurde im nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellten Fall 7 deutlich, als die Antragstellung des Angeklagten AF für seine eigene Kanzlei von der IHK aus eben diesem Grund zurückgewiesen wurde und er den Antrag daher zurücknahm. Sowohl die berufliche Qualifikation als auch das Verbot des Eigenantrags dienten als verfahrensmäßige Mechanismen zur Betrugsprävention, denen große Bedeutung zukam, weil die Gewährung der Überbrückungshilfen schnell und unkompliziert erfolgen sollte (d.h. ohne ernstliche Sachprüfung), was diese Hilfen besonders betrugsanfällig machte.
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Die für die Strafbarkeit nach § 264 Abs. 9 Nr. 2 erforderliche Scheinhandlung im Sinne von § 4 Abs. 1 SubvG, Art. 1 BayStrAG (vgl. BGH, Beschluss vom 12.10.2023 – 2 StR 243/22, juris Rn. 18) liegt vor, wenn über die Falschangabe hinaus ein gegenüber dem Subventionsgeber zur Kenntnis gebrachter tatsächlicher Akt vorgenommen wird, der geeignet ist, den Anschein eines in Wahrheit inexistenten Sachverhalts zu vermitteln (BGH, aaO, Rn. 23 ff.). Das war in beiden Tatkomplexen jeweils gegeben. Indem der Angeklagte AF bei der IHK die Accounts im Namen der Rechtsanwältin Z und des Rechtsanwalts E anlegte, gab er gegenüber den Mitarbeitern der IHK bewusst der Wahrheit zuwider vor, diese Rechtsanwälte stünden bereit, die später zu stellenden Anträge als prüfende Dritte zu prüfen und geprüft einzureichen. Tatsächlich war das nicht der Fall, weil der Angeklagte von A. an die Anträge selbst und von den Genannten ungeprüft stellen wollte. Die Registrierung der Accounts unter deren Personalien stellte einen von den späteren Antragstellungen, in denen Z und E jeweils als prüfende Dritte erschienen, zu unterscheidenden Scheinakt dar.
2. „Anzahl der Mitarbeiter“ als subventionserhebliche Tatsache
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Im Tatkomplex ... KG hat der Angeklagte die IHK jeweils über Anzahl der Beschäftigten getäuscht; tatsächlich war das Unternehmen nicht antragsberechtigt.
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Ausweislich der FAQ zu den jeweiligen Überbrückungshilfen war ein Unternehmen dann antragsberechtigt, wenn es zum Stichtag (29.02. oder 31.12.2020) zumindest einen Beschäftigten hatte, unabhängig von der Stundenzahl. Dabei ergab sich aus den FAQ, dass „ein“ Beschäftigter nicht mit einem bei dem Unternehmen angestellten Menschen gleichzusetzen war, denn insoweit enthielten die FAQ gesonderte Regelungen dazu, wie die Anzahl der Beschäftigten zu ermitteln war. Dessen bedürfte es nicht, wenn gälte, dass ein Beschäftigter schlicht eine Person ist. Danach galt, dass Beschäftigte auf der Basis von Vollzeitäquivalenten zu ermitteln waren, wobei ein Beschäftigter auf 450 €-Basis mit dem Faktor 0,3 anzusetzen war. Daraus folgt, dass die drei Angestellten, die der Angeklagte als seinerzeit bei der ... GmbH beschäftigt behauptete, in der Summe mit 0,9 Vollzeitäquivalenten zu gewichten waren. Das ist weniger als eins. Selbst dann also, wenn die drei geringfügig Beschäftigten bei dem verbundenen Unternehmen ... GmbH und ... KG angestellt gewesen wären – was sie zur Überzeugung der Kammer nicht waren – reichte es rechnerisch nicht aus.
3. Zweckwidrige Mittelverwendung
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Im Tatkomplex ... GmbH hat der Angeklagte die gewährten Subventionsmittel zweckwidrig verwendet und konnte demgemäß verurteilt werden. Wenn man annimmt, dass die subjektiv wie objektiv voll erfüllte Tatvariante des § 264 Abs. 1 Nr. 2 StGB hinter der Nr. 1 als mitbestrafte Nachtat zurücktritt, weil der Schaden bereits mit der Auszahlung einer unberechtigten Subvention voll entsteht (vgl. BGH, Beschluss vom 03.02.2016 – 1 StR 383/15, juris Rn. 4; MüKo-StGB/Ceffinato, 4. Aufl., § 264 Rn. 134), steht das einer Bestrafung des Angeklagten gem. § 264 Abs. 1 Nr. 2 StGB hier nicht entgegen. Die Kammer hielt es nach gegebener Beweislage für zweifelhaft, ob die Voraussetzungen des § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB in den Fällen 12 bis 16 vollumfänglich gegeben waren. Daher hat sie von der Verfolgung dieser Variante nach § 154a Abs. 2 StPO abgesehen und den Schuldspruch zulässigerweise nur auf § 264 Abs. 1 Nr. 2 StGB gestützt (vgl. BGH, Beschluss vom 16.05.2017 – 3 StR 445/16, juris Rn. 9; Urteil vom 22.07.1970 – 3 StR 237/69, juris Rn. 40 ff.; Fischer/Fischer, StGB, 72. Aufl., Vor § 52 Rn. 66).
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Die Kammer legte in allen Fällen den Strafrahmen des unbenannten besonders schweren Falles (§ 264 Abs. 2 Satz 1 StGB) zugrunde. Ein solcher ist anzunehmen, wenn er sich nach Gewicht von Unrecht und Schuld vom Durchschnitt vorkommender Fälle so abhebt, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten ist (Fischer/Fischer, StGB, 72. Aufl., § 46 Rn. 88).
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So war in die Abwägung neben der Höhe der in den einzelnen Fällen und insgesamt gewährten Subventionen einzustellen, dass der Angeklagte in einer nationalen Notlage ein auf schnelle Abwicklung ausgerichtetes und stark auf Vertrauen in die Antragsteller setzendes Hilfeverfahren ausgenutzt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 04.05.2021 – 6 StR 137/21, juris Rn. 12). Zulasten des Angeklagten sprach die Vielzahl der Fälle und die damit gezeigte kriminelle Energie. Auch wenn man zu seinen Gunsten das umstandslose Geständnis in Rechnung stellt, führte das in der Gesamtabwägung nicht zum Rückgriff auf den Regelstrafrahmen.
2. Strafzumessung im engeren Sinne
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Bei der Strafzumessung im engeren Sinne hat die Kammer namentlich erwogen:
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Zu Gunsten des Angeklagten sprach, dass er sich zu Beginn der Hauptverhandlung umfassend geständig zur Sache einließ, ohne dass dies durch eine ihm günstige Verfahrensabsprache abgesichert gewesen wäre. Damit hat er insbesondere auch der Zeugin Z eine (erneute) Aussage zur Sache erspart, die sie im letzten Prozess sichtlich belastet hatte. Auch wenn dies nicht als aktive Schadenswiedergutmachung gewertet werden konnte, hat die Kammer zugunsten des Angeklagten gewertet, dass mittlerweile erhebliche Vermögenswerte – von der Kammer insgesamt mit rund 800.000 € geschätzt – gesichert werden konnten, die objektiv den verbleibenden Schaden deutlich reduzieren. Weiterhin bereute der Angeklagte glaubhaft die Taten und entschuldigte sich beim Angeklagten E als auch beim anderweit Verfolgten P dafür, dass er sie in die Sache mit hineingezogen habe.
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Gegen den Angeklagten sprach die hohe kriminelle Energie, mit der er vorgegangen ist. Diese äußerte sich in der Anzahl der Anträge, die zeitlich dicht aufeinander folgten (Tatserie), und in der Gesamtsumme der zu Unrecht erlangten bzw. zweckwidrig verwendeten Subventionen. Weiter sprach gegen den Angeklagten, dass er bereits wegen Vermögensstraftaten vorbestraft war und während der Tatzeit unter offener Bewährung stand.
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Unter Abwägung der genannten Gesichtspunkte hielt die Kammer folgende Einzelstrafen für tat- und schuldangemessen:
Fall
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Einzelstrafe
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1
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2 Jahre 4 Monate
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2
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2 Jahre 8 Monate
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3
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4 Jahre
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4
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2 Jahre 3 Monate
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5
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2 Jahre 6 Monate
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8
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1 Jahr
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9
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2 Jahre
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10
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1 Jahr 6 Monate
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11
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3 Jahre 4 Monate
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12
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6 Monate
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13
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1 Jahr 9 Monate
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14
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9 Monate
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15
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2 Jahre
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16
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1 Jahr 9 Monate
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a) Bei der gemäß § 53 Abs. 1, 2, § 54 Abs. 1 Satz 2, 3 StGB unter angemessener Erhöhung der höchsten Einsatzfreiheitsstrafe zu bildenden Gesamtstrafe waren die oben genannten Umstände in eine umfassende Gesamtabwägung einzubringen. Die Einsatzstrafe ergab sich dabei aus der einzubeziehenden Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 3 Monaten aus dem Urteil der Kammer vom 07.12.2022 in der Sache 12 KLs 501 Js 2401/22. Diesem Urteil lag zusammengefasst folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Angeklagte, der bis zum Widerruf seiner Zulassung am 14.11.2019 als selbständiger Rechtsanwalt tätig war, meldete sich am 27.10.2021 unter dem von ihm zuvor erstellten Account auf den Namen der Rechtsanwältin Z als prüfender Dritter auf der Antragsplattform www.ueberbrueckungshilfe.de an, und stellte dort einen Antrag auf Überbrückungshilfe Corona III für die AL GmbH (fortan: AL) für den Förderzeitraum November 2020 bis Juni 2021. Dies tat er, obwohl er wusste, dass die AL die Voraussetzungen für die Subventionsgewährung nicht erfüllte, indem er im Antrag bewusst unzutreffende Angaben machte. Er befand sich aber in erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten und brauchte das Geld.
Geschäftsführerin der AL war formell die Ehefrau des Angeklagten, G. Tatsächlich traf sie keine eigenen Entscheidungen für die GmbH. Stattdessen handelte der Angeklagte für die Gesellschaft nach eigenem Gutdünken. Satzungsmäßiger Zweck der AL war seit 2015 die Beplanung und Bebauung von Grundstücken, die im Eigentum des Mitgesellschafters T und dessen Ehefrau standen. Dieser Zweck konnte von der AL seit dem Jahr 2018 nicht mehr erreicht werden, da T den Gesellschaftsvertrag zum 31.12.2017 gekündigt und die Grundstücke, nachdem eine Einigung mit dem Angeklagten über deren Schicksal gescheitert war, im Jahr 2018 an einen Dritten veräußert hatte. Spätestens seit 2018 entfaltete die AL keinerlei wirtschaftliche Tätigkeit mehr.
Über das Onlineportal füllte der Angeklagte den Antrag aus. Er machte dort bewusst wahrheitswidrig folgende unzutreffende Angaben:
Er gab an, die AL hätte zu den Stichtagen 29.02.2020 bzw. 31.12.2020 sowie in den Fördermonaten November 2020 bis Juni 2021 zwölf Mitarbeiter beschäftigt. Tatsächlich hatte die AL, wie der Angeklagte wusste, keine Beschäftigten.
Weiter gab er an, die AL sei dauerhaft wirtschaftlich am Markt tätig. Tatsächlich war die AL, wie der Angeklagte wusste, spätestens seit dem Jahr 2018 nicht mehr am Markt tätig.
Der Angeklagte erklärte, der AL seien verglichen mit dem monatlichen Durchschnitt des Jahresumsatzes 2019 coronabedingte Umsatzeinbrüche entstanden. Tatsächlich war die AL im Jahr 2019 umsatzlos und konnte demzufolge keinen Umsatzrückgang erleiden.
Der Angeklagte gab an, die AL habe im Zeitraum November 2020 bis Juni 2021 monatlich förderbare Fixkosten gehabt. Tatsächlich hatte die AL, wie er wusste, in dem Zeitraum keine berücksichtigungsfähigen Fixkosten.
Die Falschangaben waren, wie der Angeklagte wusste und wie es sich aus den Förderbedingungen ergab, subventionserheblich. Er rechtfertigte seine Falschangaben damit, dass er die maßgeblichen Werte und Kennzahlen seiner Rechtsanwaltskanzlei, die er in die AL „eingebracht“ habe, der AL habe zurechnen und in deren Antrag aufnehmen dürfen. Tatsächlich hatte er zuvor schon für die Kanzlei einen eigenen Antrag auf Gewährung der Überbrückungshilfe Corona III für den für den Förderzeitraum November 2020 bis Juni 2021 gestellt und bewilligt bekommen.
Das Formular mit den genannten Erklärungen des Antragstellers druckte der Angeklagte anschließend aus und legte die Seite mit der Unterschriftenzeile der damaligen Mitangeklagten Brigitte AF zur Unterschrift vor. Diese unterzeichnete das Dokument am 28.10.2021 auf Aufforderung des Angeklagten AF, ohne es näher zur Kenntnis zu nehmen. Der Angeklagte AF scannte den unterschriebenen Ausdruck ein, lud ihn auf der Antragsplattform hoch und schickte ihn samt dem Antrag am 28.10.2021 elektronisch an die für die Antragsbearbeitung zuständige IHK für München und Oberbayern.
Der Angeklagte beantragte die Überbrückungshilfe – ohne dass ihm dies von ihr gestattet worden wäre – unter dem Namen der Rechtsanwältin Z als prüfender Dritter. Der Grund hierfür war, dass der Antrag zwingend durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer als prüfender Dritter gestellt werden musste. Die Rechtsanwaltskammer hatte jedoch mit Bescheid vom 05.11.2019, dem Angeklagten zugestellt am 14.11.2019, die Zulassung des Angeklagten als Rechtsanwalt widerrufen und die sofortige Vollziehung ihres Bescheides angeordnet. Der Angeklagte durfte seinen Beruf als Rechtsanwalt seitdem nicht mehr ausüben. Er befürchtete deshalb, als prüfender Dritter von der IHK nicht akzeptiert zu werden.
Aufgrund seiner Angaben bewilligte die IHK der AL mit Bescheid vom 27.12.2021 Überbrückungshilfe Corona III in Höhe von 556.106,07 €. Der Betrag wurde am 04.01.2022 auf dem Geschäftskonto der AL gutgeschrieben. Der Angeklagte beauftragte noch in der Nacht vom 04. auf den 05.01. die Überweisung von 556.691 € von diesem Konto auf das Konto der ... KG, deren Geschäfte er ebenfalls faktisch führte. Von dort tätigte er am 11.01.2022 eine weitere Überweisung in Höhe von 500.000 € auf das Konto der ebenfalls faktisch von ihm geführten L GmbH, um den Kaufpreis für ein Grundstück zu bezahlen. Dem Angeklagten war bei dieser Mittelverwendung klar, dass er die Subventionsmittel entgegen den Vorgaben des Zuwendungsbescheides nutzte; das war ihm aber gleichgültig.
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In der dortigen Strafzumessung, die den Strafrahmen des § 264 Abs. 2 StGB zur Grundlage hatte, hat die Kammer die oben bereits genannten Punkte berücksichtigt und insbesondere darauf gesehen, dass die Höhe der erlangten Subvention sehr hoch war und dass der Angeklagte durch sein Tun die Zeugin Z der Strafverfolgung ausgesetzt hatte.
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b) Unter zusammenfassender Würdigung der Strafzumessungsgesichtspunkte, insbesondere auch des motivatorischen und zeitlichen Zusammenhangs hielt die Kammer eine Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren 6 Monaten, die aus den verhängten Einzelfreiheitsstrafen gebildet wurde, insgesamt für tat- und schuldangemessen. Die Rückführung der durchaus hohen Einzelstrafen auf eine verglichen damit maßvolle Gesamtfreiheitsstrafe beruhte vor allem auf dem umstandslosen und reuigen Geständnis des Angeklagten, das so nicht zu erwarten war und das die Kammer stark zu seinen Gunsten gewichtet hat.
D. Einziehung von Wertersatz
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I. Die Einziehung von Wertersatz war gegen die ... KG i.H.v. 1.511.102,33 € anzuordnen. Auf deren Konto wurden unmittelbar 967.917,67 € an unberechtigten Subventionen einbezahlt (§ 73 Abs. 1, § 73c StGB). Weiterhin überwies der Angeklagte AF an die ... KG ohne Rechtsgrund einen Teil der an die Kanzlei ausbezahlten Subventionen i.H.v. 386.258,47 € weiter (tatsächlich überwies der Angeklagte 390.000 € an die X KG, der Einziehungsbetrag ist aber gedeckelt durch die Höhe der korrespondierend zugeflossenen Subvention, denn nur insoweit hat die ... KG zu Unrecht etwas erlangt), ebenso einen Teil der an die B GmbH ausgereichten Subventionen i.H.v. 156.926,19 € (hier gilt Entsprechendes für die Deckelung des Einziehungsbetrags). Diese Beträge unterliegen gem. §§ 73, 73b Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 73c StGB bei der ... KG der Einziehung von Wertersatz. In Höhe des jeweils weitergereichten Betrages haften AF – als Inhaber der Kanzlei AF – und die B GmbH als Gesamtschuldner mit der ... KG. Insgesamt sind der ... KG so 1.511.102,33 € zugeflossen.
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II. An die Kanzlei AF wurden unberechtigte Subventionen i.H.v. insgesamt 423.283,79 € ausbezahlt, sodass in dieser Höhe beim Angeklagten – als Inhaber der Kanzlei – Wertersatz einzuziehen war (§ 73 Abs. 1, § 73c StGB).
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III. Die von der B GmbH zweckwidrig verwendeten Gelder belaufen sich auf 156.926,19 €. In dieser Höhe war direkt bei ihr gem. § 73 Abs. 1, § 73c StGB einzuziehen.
54
IV. Bei der L GmbH waren 207.500,00 € einzuziehen (§§ 73 73b Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 73c StGB). Es handelt sich dabei um einen Teil der von der X KG empfangenen und weitergeleiteten Subvention. Daher haften beide i.H.v. 207.500,00 € als Gesamtschuldner.
E. Freispruch des Angeklagten E
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Der Angeklagte E war aus tatsächlichen Gründen freizusprechen.
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Die Anklage warf dem Angeklagten E vor, in den Fällen 9 bis 11 der Anklage (Tatkomplex Kanzlei AF und Kollegen), dem Angeklagten AF Beihilfe zu dessen Taten geleistet zu haben, indem er es ihm ermöglicht habe, die Registrierung eines Accounts auf seinen – E´s – Namen vorzunehmen. Das habe es AF erlaubt, unter E´s Namen Anträge auf Überbrückungshilfe zu stellen, die von E nicht geprüft worden seien und auch nicht geprüft werden sollten. Demgemäß habe der Angeklagte E auch keine Prüfungen der Anträge vorgenommen. Weiterhin habe E dem Angeklagten AF ermöglicht, unter seinem – E´s – Namen auf Rückfragen der IHK zu antworten. E habe gewusst, dass AF die Voraussetzungen eines prüfenden Dritten nicht erfüllt habe und dass sein Handeln es AF ermöglicht habe, unrichtige Anträge zu stellen.
II. Festgestellter Sachverhalt
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Die Kammer hat zu ihrer Überzeugung folgenden Sachverhalt festgestellt:
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Die Rechtsanwaltskammer … hatte dem Angeklagten AF mit Bescheid vom 05.11.2019 die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft entzogen und die sofortige Vollziehbarkeit des Bescheids angeordnet. Die Kammer begründete ihre Entscheidung mit dem Vermögensverfall des Angeklagten. Am 21.11.2019 gab der Angeklagte die Vermögensauskunft ab. Im Februar 2020 übernahm der Angeklagte E, der von AF deswegen angefragt worden war, dessen Vertretung. Die Kammer bestellte ihn demgemäß als AF´s Vertreter.
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Im Januar 2021 kontaktierte der Angeklagte AF den Angeklagten E und fragte, ob E als sein Vertreter einen Antrag auf Corona Überbrückungshilfe für die Kanzlei stellen könne. Es gehe um Hilfen von rund 37.000 € und er – AF – könne wegen der entzogenen Zulassung selbst keinen Antrag stellen. Der Angeklagte E, der sich in der Materie der Corona-Hilfen nicht auskannte und für seine eigene Kanzlei keinen Antrag gestellt hat, sagte nicht sofort zu, sondern besprach sich zunächst mit seiner Sozia, der Zeugin H, mit der Rechtsanwältin J von der Rechtsanwaltskammer und mit einer Richterin des Amtsgerichts S. Dabei erfuhr er von der Zeugin H, die zu diesem Zweck bei einem Steuerberater Erkundigungen eingeholt hatte, dass zu den Aufgaben eines Antragstellers gehöre, die Umsatzentwicklung und die Fixkosten auf Plausibilität zu prüfen. Ferner sei es ihm in seiner Funktion als Vertreter möglich, einen Antrag für die Kanzlei zu stellen. Den einem Hilfsantrag zugrunde liegenden Leitfaden für Antragserfassende des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie und die Detailregelungen in den für die Antragstellung ausgegebenen FAQ kannte der Angeklagte E nicht.
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Bei einem weiteren Telefonat teilte der Angeklagte AF dem Angeklagten E mit, ein Antrag auf Überbrückungshilfe müsse elektronisch gestellt werden, was vom Rechner in der Kanzlei AF aus erfolgen solle. Dazu würde AF einen EDV-Spezialisten beiziehen, E müsse nur seine beA-Karte mitbringen. E sagte zu, den Antrag zu stellen, und ließ sich im Vorfeld des Treffens Ausdrucke von Zahlenmaterial (Umsätze und Fixkosten) der Kanzlei für die Jahre 2019 und 2020 übergeben. Dieses sah sich der Angeklagte E durch und fand es plausibel.
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Am 02.02.2021 trafen sich die beiden Angeklagten in den Kanzleiräumen der Kanzlei AF. Zudem waren zwei weitere, namentlich hier nicht bekannte Personen zugegen, ein Computer-Spezialist und eine Buchhaltungskraft der Kanzlei AF. Bei dieser Gelegenheit sah sich E die ausgedruckten Antragsunterlagen nochmals durch und gab so lange auf dessen Bitte hin dem Angeklagten AF seine beA-Karte. Während E in den Unterlagen weiterlas, waren der Angeklagte AF und sein Computer-Spezialist damit beschäftigt, die Registrierung vorzunehmen und den Antrag online zu stellen. Anschließend gab AF an E dessen beA-Karte. Der Angeklagte E verließ darauf die Kanzleiräume in der Vorstellung, alles Notwendige für die Stellung des einen Antrags erledigt und seinen Teil – die Prüfung der Umsatzzahlen – der Antragstellung ordnungsgemäß erledigt zu haben.
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Tatsächlich war der vom Angeklagten AF auf E´s Namen registrierte Account nicht vollständig funktionsfähig, weil AF bei der Registrierung eine falsche E-Mail-Adresse eingegeben hatte, über die keine Kommunikation stattfinden konnte. Daher teilte AF, als er seinen Fehler bemerkt hatte, E mit, er werde ein Schreiben an das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufsetzen, in dem er bitte, den eingerichteten Account wegen des Fehlers zu löschen und mitteile, einen neuen Account unter dem Benutzernamen „…“ mit der richtigen E-Mail-Adresse einzurichten.
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E versandte das ihm von AF im Entwurf zugeleitete Schreiben, wie von AF erbeten, sodann unter seinem Briefkopf. Mit Schreiben vom 26.02.2021 teilte die … AG, die die EDVtechnische Betreuung der Coronahilfen des Bundes durchführte, dem Angeklagten E eine zur Einrichtung eines neuen Accounts notwendige PIN mit, die dieser an den Angeklagten AF weitergab. Die Einrichtung des neuen Accounts unter “…“ gelang dem Angeklagten AF und er stellte, beginnend am 08.03.2021, die Anträge in den Fällen 9 bis 11. Davon wusste der Angeklagte E allerdings nichts, weil er meinte, am 02.02.2021 alles Notwendige für den einen ihm vorgestellten Antrag bereits getan zu haben. Der Angeklagte AF unterrichtete E nicht über die weiteren Anträge, die letzterer mangels Kenntnis auch nicht prüfen konnte.
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Die Kammer konnte sich keine zweifelsfreie Überzeugung dahin bilden, dass der Angeklagte E bei seiner Mitwirkung an der Registrierung des Accounts für die Anträge auf Corona-Hilfen wusste, dass der Angeklagte AF den einen ihm bekannten Antrag vom 02.02.2021 zu Unrecht, d.h. ohne Erfüllung der Voraussetzungen, stellen würde. Es lagen auch aus seiner Sicht keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das Risiko strafbaren Verhaltens des Angeklagten AF sehr hoch war.
1. Persönliche Verhältnisse
2. Feststellungen zur Sache
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Die Feststellungen zur Sache beruhen auf der glaubhaften Einlassung des Angeklagten E und der damit weitgehend korrespondierenden Aussage des Angeklagten AF, sowie auf den gelesenen Urkunden und der Aussage der Zeugin KHK´in K zu den durchgeführten Ermittlungen.
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a) Der objektive Tatbestand war für alle drei vorgeworfenen Taten dadurch verwirklicht, dass der Angeklagte E mit seiner beA-Karte dem Angeklagten AF die Möglichkeit eröffnet hat, sich unter seinem – E´s – Namen auf der Antragsplattform zu registrieren. Die weitergehende Tätigkeit, die im Abgleich der Zahlen und in der Plausibilitätsprüfung für den einzureichenden Antrag am und vor dem 02.02.2021 bestand, stellte äußerstenfalls eine psychologische Beihilfe dar. Tatsächlich hat der Angeklagte den vom Angeklagten E geprüften Antrag nicht gestellt, sondern am 08.03.2021 einen eigenen neuen.
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b) Für die Beurteilung des subjektiven Tatbestands hat die Kammer die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Beihilfestrafbarkeit bei berufstypischen neutralen Handlungen zugrunde gelegt. Danach gilt: Zielt das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf ab, eine strafbare Handlung zu begehen, und weiß dies der Hilfeleistende, so ist sein Tatbeitrag als Beihilfehandlung zu werten. In diesem Fall verliert sein Tun stets den Alltagscharakter; es ist als „Solidarisierung“ mit dem Täter zu deuten und dann auch nicht mehr als sozialadäquat anzusehen. Weiß der Hilfeleistende dagegen nicht, wie der von ihm geleistete Beitrag vom Haupttäter verwendet wird, hält er es lediglich für möglich, dass sein Tun zur Begehung einer Straftat genutzt wird, so ist sein Handeln regelmäßig noch nicht als strafbare Beihilfehandlung zu beurteilen, es sei denn, das von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten war derart hoch, dass er sich mit seiner Hilfeleistung die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein ließ (st. Rspr., BGH, Beschluss vom 26.01.2017 – 1 StR 636/16, juris Rn. 7; Urteil vom 30.09.2020 – 3 StR 511/19, juris Rn. 25; Urteil vom 20.08.2024 – 5 StR 326/23, juris Rn. 40 ff., beide m.w.N.).
68
Die zitierte Rechtsprechung war auf den Fall anwendbar. Die Beantragung von Corona-Hilfen stellte durchaus eine neutrale und berufstypische Handlung eines Rechtsanwalts dar. Der Subventionsgeber hat neben anderen auch Rechtsanwälte in den Kreis derjenigen aufgenommen, die zulässigerweise Hilfsanträge stellen können, weil er ihnen aufgrund ihrer Professionalität und Vertrauenswürdigkeit (vgl. §§ 1, 3 BRAO) zutraute, dies ordnungsgemäß zu bewerkstelligen. Die Voraussetzungen für die Annahme des Vorsatzes lagen aber nicht zur zweifelsfreien Überzeugung der Strafkammer vor. Aus seiner subjektiven Sicht hatte der Angeklagte E die von ihm für notwendig und ausreichend erachteten Auskünfte eingeholt und die ihm vorgelegten Unterlagen durchgesehen. Dabei hat er festgestellt, dass es zwischen den Jahren 2019 und 2020 zu einem Umsatzrückgang in der Kanzlei AF gekommen war, was aus seiner Sicht die Beantragung der Corona-Hilfen rechtfertigte. Das war aus seiner Sicht auch plausibel, weil infolge der Corona-Pandemie allenthalben – auch in E´s eigener Kanzlei – das Geschäft zurückgegangen war und die Gewährung von Überbrückungshilfen „in aller Munde“ waren. Damit hat sich der Angeklagte nicht rechtsblind gestellt und dem Angeklagten AF nicht „ins Blaue“ geholfen. Diese Herangehensweise des Angeklagten E an die Antragstellung war unter Anlegung eines objektiven Maßstabs allerdings unterkomplex. Die Kammer hat aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme insgesamt aber nicht die volle Überzeugung dahin gewinnen können, dass der Angeklagte in seinem Verständnishorizont positiv wusste, dass der Angeklagte AF einen unrichtigen Antrag abgeben würde und dass sein – E´s – Beitrag subjektiv dementsprechend darauf gerichtet war, eine rechtswidrige Tat zu fördern
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Auf einen Vorsatz E´s hat die Kammer auch nicht deshalb geschlossen, weil – wie E wusste – nicht er selbst, sondern der Angeklagte AF am 02.02.2021 am Computer den Antrag eingetippt hatte. Der Umstand, dass Rechtsanwälte den Antrag stellen dürfen, bedeutet nach Auffassung der Kammer nicht, dass sie ihn eigenhändig eintippen müssen. Sie müssen den Antrag auf Plausibilität prüfen – das hat der Angeklagte E anhand der ihm vorgelegten Ausdrucke getan – sie können das Eintippen oder sonstige technische Hilfstätigkeiten aber vertrauenswürdigen Dritten überlassen. Ob der Angeklagte E hier den Angeklagten AF trotz dessen Zulassungsentzugs als hinreichend vertrauenswürdig ansehen durfte, kann dahinstehen, denn jedenfalls zieht die Kammer aus dem Geschehen nach Lage der Dinge nicht den Schluss, es lasse sich damit deliktischer Vorsatz im Hinblick auf einen Subventionsbetrug begründen. Bei alldem hat die Kammer auch bedacht, dass der Angeklagte E kein nachvollziehbares Motiv hatte, sich zugunsten des Angeklagten AF strafbar zu machen, zumal die Aufforderung AF´s, E möge ihm doch eine Rechnung stellen, erst deutlich später erfolgte und bei der objektiven Hilfeleistung noch nicht absehbar war. Nach E´s Einschätzung war die Hilfe bei der Antragstellung im Februar 2021 durch die Vergütung für seine Vertretertätigkeit abgegolten.
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Ein die Kammer überzeugender Rückschluss auf E´s Vorsatz hinsichtlich der fehlenden Antragsberechtigung des Angeklagten AF ergibt sich auch nicht daraus, dass dem Angeklagten E auf Grund seiner Tätigkeit als Vertreter bewusst war, dass es sich bei der Kanzlei, bzw. bei dem Angeklagten AF als dem Kanzleiinhaber, bereits am 31.12.2019 um ein Unternehmen in Schwierigkeiten im Sinne von Art. 2 Abs. 18 der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (Verordnung (EU) Nr. 651/2014), also um ein insolvenzreifes Unternehmen, handelte. Dieses vom Subventionsgeber festgelegte Ausschlusskriterium für eine Antragstellung war nicht anwendbar, da die Kanzlei weniger als 50 Beschäftigte und einen Jahrumsatz bzw. eine Jahresbilanz von weniger als 10 Millionen Euro hatte, sodass es sich um ein Kleinstunternehmen handelte und es – wie ebenfalls vom Subventionsgeber in den FAQ festgelegt wurde – nicht drauf ankam, ob es sich am 31.12.2019 in Schwierigkeiten befand, sondern einzig darauf, ob es (bzw. der Angeklagte AF) im Zeitpunkt der Antragsstellung Gegenstand eines Insolvenzverfahren nach nationalem Recht war. Dies war nicht der Fall.
71
Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 Abs. 1, § 467 Abs. 1 StPO.