Inhalt

AG München, Beschluss v. 03.02.2025 – 1508 IN 1912/15
Titel:

Ermessensentscheidung des Insolvenzgerichts beim Antrag auf Übertragung des Verwertungsrechts nach § 173 Abs. 2 InsO

Normenkette:
InsO § 173 Abs. 2
Leitsätze:
1.  Hat das Gericht keine einstweiligen Sicherungsmaßnahmen nach § 21 Abs. 2 Nr. 3, Nr. 5 InsO angeordnet, ist der Sicherungsgläubiger schon im Eröffnungsverfahren berechtigt, von seinem Verwertungsrecht Gebrauch zu machen. Die Verfahrenseröffnung hindert ihn nicht, eine im Eröffnungsverfahren begonnene Verwertung fortzusetzen.  (redaktioneller Leitsatz)
2.  Eine Übertragung der Verwertung auf den Verwalter steht entgegen, dass die Verwertung des Kontoguthabens aus tatsächlichen Gründen bereits dadurch erheblich erschwert ist, dass eine Vielzahl der berechtigten Anleger namentlich nicht bekannt sind. Bei einer Anleihe, so wie hier vorliegend, handelt es sich regelmäßig um Inhaberpapiere. Folglich kann die Auszahlung auch nicht einfach auf die ursprünglichen Bankverbindungen ausgezahlt werden, von welchen die Gelder für die Anleihe eingesammelt worden sind, da so etwaige Übertragungen des Inhaberpapiers nicht berücksichtigt würden. (redaktioneller Leitsatz)
3.  Da aus Sicht des Gerichts durchaus eine Verzögerung eingetreten ist, zumal bereits seit Eröffnung eine Verwertungspflicht besteht, ist aus Sicht des Gerichts anstelle der Fristsetzung, der Antragsgegnerin zumindest eine Berichtspflicht von drei Monaten über den Fortgang der Verwertung aufzuerlegen.  (redaktioneller Leitsatz)
4. Grundsätzliche Voraussetzung für die Übertragung des Verwertungsrechts nach § 173 Abs. 2 InsO ist die Verzögerung der Verwertung durch den absonderungsberechtigten Gläubiger. Der für die Annahme einer Verzögerung erforderliche Zeitraum ist in Abhängigkeit von den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Es kommt unter anderem darauf an, ob während des Eröffnungsverfahrens die Durchführung von Verwertungsmaßnahmen möglich war und wie lange eine Verwertung des mit dem Absonderungsrecht belasteten Gegenstands üblicherweise dauert. (Rn. 16 und 21) (redaktioneller Leitsatz)
5. Ist auch durch den Insolvenzverwalter keine schnellere Verwertung zu erwarten, so ist eine Übertragung des Verwertungsrechts auf ihn nicht zielführend und hat zu unterbleiben. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
6. Die Bemessung der Frist zur Verwertung nach § 173 Abs. 2 S. 1 InsO ist eine Frage des konkreten Einzelfalls. Ihre Dauer hängt maßgeblich von der Art und Beschaffenheit des Sicherungsguts und der vom Insolvenzverwalter im Rahmen seines Antrags vorzutragenden Verwertungsmöglichkeiten ab. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
7. Das Insolvenzgericht kann, da es bei einem Antrag gem. § 173 Abs. 2 InsO nach pflichtgemäßem Ermessen entscheidet, von einer Fristsetzung absehen und an deren Stelle dem absonderungsberechtigten Gläubiger eine Berichtspflicht über den Fortgang der Verwertung auferlegen. (Rn. 27 – 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Übertragung des Verwertungsrechts, Verwertung durch den Gläubiger, Verzögerung der Verwertung, Antrag auf Übertragung, Fristsetzung zur Verwertung, Berichtspflicht über den Fortgang der Verwertung, Pflicht zur Verwertung
Fundstellen:
ZRI 2025, 376
FDInsR 2025, 003850
BeckRS 2025, 3850
LSK 2025, 3850

Tenor

1. Der Antrag des Insolvenzverwalters vom 27.02.2024 gemäß § 173 Absatz 2 Satz 1 InsO auf Übertragung des Verwertungsrechts über das Restguthaben in Höhe von 853.932,56 EUR auf dem Konto bei der Kreissparkasse von der T. GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft auf den Insolvenzverwalter wird als derzeit unbegründet zurückgewiesen.
2. Der Treuhänderin wird aufgegeben, über den weiteren Verlauf der Verwertungstätigkeit hinsichtlich des Restguthabens in Höhe von 853.932,56 EUR auf dem Konto bei der Kreissparkasse in Abständen von drei Monaten gegenüber dem Gericht zu berichten.
3. Soweit bis zum 30.01.2026 die Verwertung nicht wesentlich vorangeschritten ist, kommt auf erneuten Antrag des Insolvenzverwalters die Übertragung des Verwertungsrechts gemäß § 173 Absatz 2 Satz 1 InsO in Betracht.

Gründe

- I.
1
a) Mit Schreiben vom 27.02.2024 (Bl. 1115/1118 d.A.) hat der Insolvenzverwalter Herr Rechtsanwalt (im Weiteren: Antragsteller) Antrag gemäß § 173 Absatz 2 Satz 1 InsO auf Übertragung des Verwertungsrechts über das Restguthaben in Höhe von 853.932,56 EUR auf dem Konto bei der Kreissparkasse von der T. GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (im Weiteren: Antragsgegnerin) auf ihn als Insolvenzverwalter gestellt.
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b) Mit Beschluss vom 06.07.2015 ist vorläufige Insolvenzverwaltung gem. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InsO angeordnet und der Antragsteller zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt worden. Gleichzeitig ist angeordnet worden, dass u.a. die Forderungen, die im Fall der Eröffnung des Verfahrens von § 166 InsO erfasst würden oder deren Aussonderung verlangt werden könnte, vom jeweiligen Gläubiger nicht verwertet oder eingezogen werden dürfen sowie dass Verfügungen der Schuldnerin nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO).
3
Mit weiterem Beschluss vom 16.08.2017 ist sodann das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Antragsteller zum Insolvenzverwalter bestellt worden.
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Im Berichtstermin am 15.11.2017 hat die Gläubigerversammlung beschlossen, einen Gläubigerausschuss einzusetzen.
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c) Die Schuldnerin hat im Jahr 2013 eine Anleihe über 300 Mio. EUR zum Kauf von Windkraftanlagen ausgegeben. Als Anleihen gezeichnet und bezahlt wurden hiervon lediglich 12,9 Mio. EUR. Windkraftanlagen wurden jedoch nicht gekauft. Im Jahr 2014 wurde die Unwirksamkeit der für die Anleihe zugrundeliegenden Globalurkunde bekannt und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) stellte daher den Handel der Anleihe ein. Daraufhin hat die Antragsgegnerin an die Schuldnerin keine Zahlungen mehr freigegeben.
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Bei Insolvenzantragstellung am 23.06.2015 bestand das gegenständliche Restguthaben von rund 860 Tsd. EUR, bei welchem durch die kontoführende Bank bislang lediglich Kosten und Zinsen in Abzug gebracht worden sind. Das Restguthaben ist an die Antragsgegnerin zum Schutz der Anleger als Vertrag zugunsten Dritter verpfändet.
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d) Der Antragsteller führt in seinem Antrag vom 27.02.2024 sowie seinen weiteren Stellungnahmen vom 25.07.2024 (Bl. 1152/1156 + Anl. d.A.) und vom 17.01.2025 (Bl. 1214/1214 + Anl. d.A) im Wesentlichen aus, die Antragsgegnerin habe das Restguthaben bislang nicht verteilt, sondern an rund 120 Anleger nur aufgrund Urteil oder Vergleich Quoten von rund 220 Tsd. EUR, welche die Antragsgegnerin oder deren Haftpflichtversicherung bislang verauslagt haben, verteilt. Damit würde das Restguthaben nicht insgesamt und systematisch an die Anleger verteilt, sondern Zahlungen seit Jahren nur auf Druck einzelner Anleger geleistet. Die Antragsgegnerin komme daher ihrer Pflicht zur Verwertung nicht nach. Vielmehr soll seit Jahren unzähliger Schriftverkehr und Gespräche über die Verwertung des Restguthabens geführt worden sein, ohne nennenswerten Erfolg.
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e) Die Antragsgegnerin hat mit Schreiben vom 02.05.2024 (Bl. 1134/1138 + Anl. d.A.), vom 13.11.2024 (Bl. 1193/1198 + Anl. d.A.) und vom 20.01.2025 (Bl. 1218/1223 + Anl. d.A.) zu dem Antrag Stellung genommen und beantragt schließlich mit letztgenanntem Schreiben, den Antrag des Antragstellers gem. § 173 Abs. 2 InsO vom 27.02.2024 als derzeit unbegründet zurückzuweisen. Hilfsweise beantragt die Antragsgegnerin im Falle der Übertragung des Verwertungsrechts gem. § 173 Abs. 2 InsO eine angemessene Fristsetzung, innerhalb der eine eigene Verwertung realistisch durchführbar erscheint, wobei die Fristsetzung in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird.
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Sie führt in ihren Stellungnahmen im Wesentlichen aus, dass nach Insolvenzeröffnung zunächst abgewartet werden sollte, ob und inwieweit einzelne Anleger die quotale Auszahlung aus dem Restguthaben neben etwaiger Ansprüche auf Schadensersatz gerichtlich geltend machen würden. Insoweit sollte zumindest der voraussichtliche Verjährungseintritt abgewartet werden. Dem seitens der Antragsgegnerin geplanten Vorgehen soll der Antragsteller nicht widersprochen haben. Die Abwicklung der Anlegerklagen habe sich über einen längeren Zeitraum als ursprünglich angenommen hingezogen.
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Daneben geht die Antragsgegnerin davon aus, zwar zur Verwertung berechtigt, jedoch nicht verpflichtet zu sein und beruft sich insoweit auf die Entscheidung des OLG München vom 28.05.2020 – 29 U 631/19.
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Zuletzt sollen die Gespräche im Jahr 2023 mit dem Antragsteller wieder intensiviert sowie eine Abrede dahingehend getroffen worden sein, dass durch die Antragsgegnerin ein Entwurf einer Verwertungsvereinbarung vorgelegt werde. In diesem Zusammenhang soll der Antragsteller auch eine Kostenbeteiligung nach § 171 InsO der Masse gefordert haben, welche der Masse jedoch wegen dem bei der Antragsgegnerin liegenden Verwertungsrecht gar nicht zustehe. Außerdem führt die Antragsgegnerin ausführlich dazu aus, wie die Verwertung des Restguthabens durchgeführt werden könne, insbesondere stellt sie einen Weg dar, wie die namentlich unbekannten Anleger ermittelt werden können und auch wie verfahren werden kann, soweit in tatsächlicher Hinsicht nicht alle unbekannten Anleger ermittelt werden können.
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Die Antragsgegnerin sei selbst ebenso an der ordnungsgemäßen Durchführung der Verwertung des Restguthabens interessiert.
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f) Den Mitgliedern des Gläubigerausschusses wurde Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Sie unterstützen den Antrag des Antragstellers einstimmig.
II.
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Der Antrag ist zulässig, jedoch derzeit nicht begründet.
15
a) Zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung lag das Verwertungsrecht des gegenständlichen Restguthabens unstreitig bei der Antragsgegnerin, § 173 Abs. 1 InsO.
16
b) Grundsätzliche Voraussetzung für die Übertragung des Verwertungsrechts nach § 173 Abs. 2 InsO ist die Verzögerung der Verwertung durch die absonderungsberechtigte Gläubigerin. Vorliegend liegt das Absonderungsrecht für die Anleihegläubiger bei der Antragsgegnerin, § 50 Abs. 1 InsO.
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Der Gläubiger kann anders als der Insolvenzverwalter auch schon vor dem Berichtstermin verwerten (K/P/B/Flöther § 173 Rn. 6; K. Schmidt/Sinz § 173 Rn. 7). Der Gläubiger kann und muss den Gegenstand auch im Interesse der Masse möglichst optimal verwerten, da ein etwaiger Übererlös an die Masse auszukehren ist. Hieraus wird sich regelmäßig eine Pflicht des Gläubigers zu möglichst rascher Verwertung ergeben. Es kann aber auch geboten sein, mit der Verwertung zu warten, um beispielsweise von Kurssteigerungen zu profitieren. Bei einer im Interesse der Masse verzögerten Verwertung kann der Gläubiger Zinsen analog § 169 InsO verlangen.
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Hat das Gericht keine einstweiligen Sicherungsmaßnahmen nach § 21 Abs. 2 Nr. 3, 5 InsO angeordnet, ist der Sicherungsgläubiger schon im Eröffnungsverfahren berechtigt, von seinem Verwertungsrecht Gebrauch zu machen (K. Schmidt/Sinz § 173 Rn. 7). Die Verfahrenseröffnung hindert ihn nicht, eine im Eröffnungsverfahren begonnene Verwertung fortzusetzen (K/P/B/Flöther § 173 Rn. 6; Uhlenbruck/Brinkmann, 15. Aufl. 2019, InsO § 173 Rn. 5, 6).
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Vorliegend wäre die Antragsgegnerin bereits im vorläufigen Verfahren dazu berechtigt gewesen, das Restguthaben zu verwerten, da dieses gerade nicht von den Sicherungsmaßnahmen im Beschluss vom 06.07.2015 erfasst worden ist. Eine Pflicht zur Verwertung bereits zu diesem Zeitpunkt kann hieraus jedoch nicht hergeleitet werden.
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Spätestens mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 16.08.2017 bestand jedoch die Pflicht zur Verwertung durch die Antragsgegnerin. Nach dem gerichtlichen Hinweis vom 10.12.2024 (Bl. 1205/1206 d.A.) nimmt dies die Antragsgegnerin nunmehr auch hin.
21
c) Der für die Annahme einer Verzögerung erforderliche Zeitraum ist in Abhängigkeit von den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Es kommt u.a. darauf an, ob während des Eröffnungsverfahrens die Durchführung von Verwertungsmaßnahmen möglich war und wie lange eine Verwertung des mit dem Absonderungsrecht belasteten Gegenstands üblicherweise dauert (vgl. MüKoInsO/Kern, 4. Aufl. 2019, InsO § 173 Rn. 29).
22
Die Verwertung des vorliegend betroffenen Kontoguthabens ist aus tatsächlichen Gründen bereits dadurch erheblich erschwert, dass eine Vielzahl der berechtigten Anleger namentlich nicht bekannt sind. Der Einwand eines Mitglieds des Gläubigerausschusses mit Schreiben vom 09.01.2025 (Bl. 1211/1213 d.A.), dass aus den Überweisungen Name sowie Kontonummer ersichtlich und damit keine Anleger unbekannt seien, ist nicht zu folgen, denn bei einer Anleihe, so wie hier vorliegend, handelt es sich regelmäßig um Inhaberpapiere. Dies wird so auch von der Antragsgegnerin unbestritten vorgetragen. Folglich kann die Auszahlung auch nicht einfach auf die ursprünglichen Bankverbindungen ausgezahlt werden, von welchen die Gelder für die Anleihe eingesammelt worden sind, da so etwaige Übertragungen des Inhaberpapiers nicht berücksichtigt würden.
23
Der Antragsteller hat in Gänze keine Ausführungen dazu gemacht, wie (durch ihn) bei einer Übertragung des Verwertungsrechts die unbekannten Anleger ermittelt würden. Ganz im Gegenteil, denn mit Schreiben vom 17.01.2025 teilt er mit, dass dieses Problem zwar seit langem bekannt und auch im Gläubigerausschuss Lösungen erörtert wurden, gleichwohl teilt er diese Lösungen dem Gericht nicht mit und gibt an, „bewusst nur den obigen Hinweis gegeben“ zu haben, wobei sich dies wohl darauf beziehen dürfte, dass das Restguthaben auf alle Anleger und somit auch auf die noch unbekannten Anleger verteilt werden müsse. Gerade dieser Aspekt ist jedoch vorliegend von zentraler Bedeutung bei der Beurteilung, ob das Verwertungsrecht auf den Antragsteller übertragen werden kann. Denn wenn auch durch den Antragsteller keine schnellere Verwertung zu erwarten ist, so ist auch eine Übertragung des Verwertungsrechts nicht zielführend und hat folglich zu unterbleiben.
24
Die Antragsgegnerin hat dagegen ausführlich diverse Möglichkeiten zur Ermittlung der unbekannten Gläubiger nachvollziehbar dargestellt. Dabei hat sie auch Ausführungen dazu gemacht, welche dieser Möglichkeiten in tatsächlicher Hinsicht ernsthaft in Betracht zu ziehen sind. Auch hat sie nachvollziehbar dargelegt, wie weiter zu verfahren ist, sofern nicht alle unbekannten Anleger ermittelt werden können. Dabei wird wohl ein sich auf die Erlösauskehr für das sodann noch vorhandene Restguthaben folgende Hinterlegungsverfahren anschließen. Auch bei diesem wird mit besonderen rechtlichen Schwierigkeiten gerechnet, denn im Regelfall sind sowohl die Berechtigten namentlich bekannt als auch die konkrete Höhe des Betrags, welcher für diese hinterlegt wird. Diese Angaben können vorliegend aber gerade nicht gemacht werden. Hieraus folgend könnte das Hinterlegungsverfahren deutlich länger als sonst üblich dauern.
25
Im Übrigen wird insoweit auf das Schreiben vom 13.11.2024 ausdrücklich Bezug genommen.
26
Auch die Ansicht eines weiteren Mitglieds des Gläubigerausschusses vom 24.10.2024, die Antragsgegnerin könne sich auf ein ausschließliches Verwertungsrecht zugunsten der Anleihegläubiger nicht (mehr) berufen, schlägt fehl, denn auch der Antragsteller hätte das Absonderungsrecht vollumfänglich bei einer Verwertung zu berücksichtigen.
27
d) Das Insolvenzgericht entscheidet bei einem Antrag nach § 173 Abs. 2 InsO nach pflichtgemäßem Ermessen (Nerlich/Römermann/Becker Rn. 26). Die Länge der vom Gericht zu bemessenden Frist ist nicht geregelt. Eine Frist von einem bis zwei Monaten wird allgemein als ausreichend und angemessen angesehen, kann aber im Einzelfall auch noch länger sein (MüKoInsO/Kern Rn. 32; Uhlenbruck/Brinkmann Rn. 8; K. Schmidt InsO/Sinz Rn. 15). Letztlich ist die Bemessung der Frist jedoch eine Frage des konkreten Einzelfalls. Ihre Dauer wird maßgeblich von der Art und Beschaffenheit des Sicherungsguts und der vom Insolvenzverwalter im Rahmen seines Antrags vorzutragenden Verwertungsmöglichkeiten abhängen (ebenso Braun/Dithmar Rn. 3), vgl. BeckOK InsR/Lütcke, 37. Ed. 15.7.2024, InsO § 173 Rn. 9.
28
Der Antragsteller regt eine Fristsetzung von einem Monat an. Auch wenn es sich vorliegend „lediglich“ um ein Kontoguthaben handelt, welches im Normalfall unproblematisch verwertet werden kann, so gestaltet sich die Verwertung des gegenständlichen Kontoguthabens aufgrund der obigen Ausführungen aber gerade als sehr aufwändig. Obwohl die Frist in das pflichtgemäße Ermessen zu stellen ist, wird hiervon zum aktuellen Zeitpunkt bewusst (noch) nicht Gebrauch gemacht.
29
Dies auch deshalb, da der Antragsteller bei den Gesprächen über eine Verwertungsvereinbarung zwischen ihm und der Antragsgegnerin selbst dadurch erschwert hat, dass er pauschale Kostenbeiträge gem. §§ 170, 171 InsO als Kosten der Verwertung aus dem Kontoguthaben zur Masse beansprucht hat, obwohl diese der Masse – zumindest solange das Verwertungsrecht bei der Antragsgegnerin liegt – gar nicht zustehen. In seiner Stellungnahme vom 25.07.2024 hat der Insolvenzverwalter auf Nachfrage des Gerichts nunmehr zwischenzeitlich eingeräumt, dass der Masse diese Pauschale nicht zusteht.
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e) Der Antrag kann gerade auch als Druckmittel eingesetzt werden, um den Gläubiger zur Verwertung anzuhalten (Nerlich/Römermann/Becker Rn. 22; BeckOK InsR/Lütcke, 37. Ed. 15.7.2024, InsO § 173 Rn. 8). Da aus Sicht des Gerichts durchaus eine Verzögerung eingetreten ist, zumal bereits seit Eröffnung eine Verwertungspflicht besteht, ist aus Sicht des Gerichts anstelle der Fristsetzung, der Antragsgegnerin zumindest eine Berichtspflicht von drei Monaten über den Fortgang der Verwertung aufzuerlegen.
31
Bei der Beurteilung, ob in rund einem Jahr eine Fristsetzung zur Übertragung der Verwertung in Betracht kommt, wird dies wesentlich davon abhängen, wie weit bis dahin die Verwertung vorangeschritten ist und ob die Antragsgegnerin eine etwaige weitere Verzögerung der Verwertung zu vertreten hat. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift ist eine Übertragung des Verwertungsrechts dann nicht sinnvoll, wenn die Verwertungsmaßnahmen im Wesentlichen abgeschlossen sind (vgl. MüKoInsO/Kern, 4. Aufl. 2019, InsO § 173 Rn. 35). Dagegen kann sich die Antragsgegnerin nicht darauf berufen, dass Unterlagen durch den Antragsteller nicht zeitnah zur Verfügung gestellt worden sind, soweit der Antragsteller hierzu nicht verpflichtet ist. Gleichwohl sollte der Antragsteller sich dem nicht vollständig verwehren und insbesondere der in der Vergangenheit zugesagten Mitwirkung an der Verwertung nachkommen.
32
Im Ergebnis ist festzustellen, dass der Sachvortrag des Antragstellers derzeit für eine Übertragung des Verwertungsrechts als unzureichend angesehen wird.