Titel:
Gewährung einer Betriebskostenpauschale (Neustarthilfe)
Normenketten:
GG Art. 3 Abs. 1
BayHO Art. 23, Art. 44
BayVwVfG Art. 43, Art. 48 ff., Art. 49a Abs. 1
Leitsätze:
1. Durch einen vorläufigen Verwaltungsakt wird das Regelungsprogramm der Art. 43, 48 ff. BayVwVfG modifiziert bzw. finden die Art. 48 ff. BayVwVfG keine Anwendung, da in einem solchen Fall die Behörde bei der endgültigen Regelung hieran nicht gebunden ist. Ergeht dann eine endgültige Entscheidung, erledigt sich der vorläufige Verwaltungsakt und wird durch die endgültige Entscheidung ersetzt. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Gewährung einer Überbrückungshilfe wegen Corona erfolgt auf Grundlage der Richtlinie im billigen Ermessen der Förderbehörde, wobei die Richtlinie von der zuständigen Bewilligungsbehörde gleichmäßig (Art. 3 Abs. 1 GG), im Einklang mit Art. 23 und 44 BayHO, ohne Verstoß gegen andere Rechtsvorschriften und gemäß dem Förderzweck angewendet werden muss, wie dieser in den Richtlinien zum Ausdruck kommt, während die Verwaltungsgerichte sich im gerichtlichen Verfahren auf die Prüfung zu beschränken haben, ob bei der Anwendung der Richtlinie im Einzelfall der Gleichheitssatz verletzt worden ist oder gegebenenfalls ein sonstiger Verstoß gegen einschlägige materielle Rechtsvorschriften vorliegt. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
3. Dem Zuwendungsgeber steht es frei, sich für eine bestimmte Verwaltungspraxis zu entscheiden und diese konsequent anzuwenden, wobei die allein relevante Willkürgrenze selbst dann nicht überschritten wird, wenn es auch für eine alternative Förderpraxis gute oder gegebenenfalls bessere Gründe gäbe. Eine Verletzung kann allenfalls dann vorliegen, wenn die maßgeblichen Kriterien unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar wären und sich der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhen. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
4. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung der Fördervoraussetzungen ist der Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung über die Förderung, sodass alles, was im Verwaltungsverfahren nicht vorgetragen oder erkennbar war, deshalb auch im Rahmen der konkreten Ermessensausübung nicht berücksichtigt werden muss. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
5. Wird ein Verwaltungsakt, der eine Zuwendung zunächst nur vorläufig bewilligt hat, rückwirkend durch einen anderen Verwaltungsakt ersetzt, der die Zuwendung in geringerer Höhe festsetzt oder gänzlich ablehnt, so gelten die Erstattungsvorschriften des Art. 49a Abs. 1 und 3 BayVwVfG entsprechend. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Keine Pflicht der Behörde zur Nachfrage, hier: nicht offensichtlichen Fehler („Versehen“), bei der Dateneingabe durch den prüfenden Dritten zu Lasten der Klagepartei, Neustarthilfe, Betriebskostenpauschale, Corona, Ermessen, Billigkeitsleistung, Eingabefehler, Schlussbescheid, vorläufiger Verwaltungsakt, Überbrückungshilfe, Förderrichtlinien, Verwaltungspraxis, Selbstbindung, maßgeblicher Zeitpunkt, Rückforderung, Willkürgrenze
Fundstelle:
BeckRS 2025, 3603
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
1
Die Klägerin wendet sich gegen einen Schlussbescheid der Beklagten, mit dem für den Zeitraum Januar bis Juni 2021 eine Betriebskostenpauschale (Neustarthilfe) teilweise gewährt und bisher geleistete Zahlungen größtenteils zurückgefordert wurden.
2
Auf einen entsprechenden Antrag bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 19.08.2021 über eine Billigkeitsleistung und Bescheinigung als „Kleinbeihilfe“ eine Betriebskostenpauschale (Neustarthilfe) in Höhe von 7.875,00 EUR nach der Richtlinie für die Gewährung von Überbrückungshilfe des Bundes für kleine und mittelständische Unternehmen – Phase 3 (Überbrückungshilfe III). Die Bewilligung und Auszahlung der Neustarthilfe erging unter dem Vorbehalt der endgültigen Festsetzung im Rahmen der Endabrechnung.
3
Am 28.03.2023 übermittelte die für die Klägerin tätige prüfende Dritte die Endabrechnung zur Neustarthilfe. Auf der Basis der Umsätze von 26.055,71 EUR im 6-monatigen Referenzzeitraum des Jahres 2019 und der gemeldeten tatsächlichen Umsätzen im Förderzeitraum von 22.839,87 EUR ergab sich bereits nach den Darstellungen im Onlineportal ein erwarteter Rückzahlungsbetrag von 6.889,72 EUR.
4
Nachdem die Beklagte den Eingang der Endabrechnung mit E-Mail vom 28.03.2023 bestätigt hatte, erließ sie den streitgegenständlichen Schlussbescheid vom 11.10.2023. Mit diesem Bescheid wurde der Klägerin eine Betriebskostenpauschale (Neustarthilfe) in Höhe von 985,28 EUR für den beantragten Zeitraum Januar bis Juni 2021 bewilligt und ein Betrag in Höhe von 6.889,72 EUR nebst Regelung zur Verzinsung zurückgefordert. Auf die Einzelheiten im Bescheid vom 11.10.2023 wird Bezug genommen.
5
Am 03.11.2023 ließ die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten Klage erheben.
6
Der Bescheid beruhe darauf, dass die prüfende Dritte im Onlineportal die tatsächlichen Umsätze falsch gemeldet habe. So sei anstelle von 2.839,87 EUR versehentlich eine weitere „2“ im Bereich der vierten Vorkommastelle eingegeben worden, also die Zahl 22.839,87 EUR.
7
Im Vorfeld dieser fehlerhaften Eingabe, die dann auch abgesandt worden sei, habe die prüfende Dritte zweimal die Online-Maske ausgefüllt, diese ihrerseits anderweitig fehlerbehafteten Anträge jedoch zurückgezogen. In diesen beiden Fällen habe die prüfende Dritte bei den Umsätzen im Förderzeitraum den richtigen Betrag in Höhe von 2.839,87 EUR eingegeben. Tatsächlich entsprächen die Umsätze der Klägerin im Förderzeitraum einem Betrag von 2.839,87 EUR. Auf der Grundlage dieses tatsächlichen Umsatzergebnisses hätte die Beklagte die Förderung auf 7.875,00 EUR festsetzen müssen.
8
Es liege ein offensichtlicher Eingabefehler vor, bei dem lediglich eine Zahl bei der Eingabe vergessen worden sei. Solche offensichtlichen Unrichtigkeiten müssten auch im Klageverfahren noch berücksichtigt werden, zumal die Beklagte während der Klagefrist außergerichtlich über den Eingabefehler informiert worden sei.
9
Vergleichend wurde auf den „umgekehrten Fall“ hingewiesen, in dem eine Neustarthilfe aufgrund falscher Angaben zu Gunsten des Antragstellers gewährt worden sei. Würde man der Praxis der Beklagten folgen, so könnte eine zu hohe Subvention nicht zurückgefordert werden, wenn man lediglich auf die Angaben des Antragstellers abstelle. Dies könne aus Sicht der Klägerin nicht richtig sein.
10
Die Klägerin beantragt,
- 1.
-
Die Beklagte wird verpflichtet, in Abänderung des gegenständlichen Schlussbescheides vom 11.10.2023 für die Klägerin eine Betriebskostenpauschale (Neustarthilfe) in Höhe von 7.875,00 EUR für den beantragten Zeitraum Januar bis Juni 2021 festzusetzen.
- 2.
-
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
11
Die Beklagte beantragt,
12
Ein gesetzlicher Anspruch auf die streitgegenständliche Förderleistung bestehe nicht. Der Beklagten sei auch kein anspruchsbegründender Ermessensfehlgebrauch vorzuwerfen.
13
Die Rückzahlungspflicht bestehe aufgrund der im Förderverfahren zur Endabrechnung gemachten Angaben zu den jeweiligen Umsätzen. Zudem sei die Rückzahlung höher als die Bagatellgrenze, so dass deswegen auch nicht auf die Rückzahlung verzichtet werden könne. Etwaige erst im Klageverfahren getätigte Angaben wie Klarstellungen und Korrekturen der Umsätze könnten angesichts des maßgeblichen Zeitpunkts des Bescheidserlasses keine Berücksichtigung finden. Denn die Berechnung beruhe auf den bereits im Förderverfahren zur Endabrechnung dargelegten Umsatzangaben und dem daraus ermittelten Umsatzrückgang. Es sei nicht willkürlich und ohne Sachgrund, dass die Beklagte nach ihrer Verwaltungspraxis Korrekturen und Klarstellungen der Angaben im Antrag außerhalb von Änderungsanträgen nach Abschluss des Förderverfahrens nicht mehr anerkenne. Dies diene vielmehr der Ermöglichung einer zügigen und bayernweit gleichmäßigen Fördermittelbereitstellung. Die Beklagte verkenne nicht, dass damit gerade für Kleinunternehmen ohne gesonderten Verwaltungsunterbau durchaus hohe Hürden für die Leistungsgewährung bestünden. Für den vorliegend allein relevanten Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG stellten die für die Verfahrensausgestaltung angeführten Erwägungen aber ausreichende Differenzierungsgründe dar, auch vor dem Hintergrund eines Mindestmaßes an Schutz vor unberechtigten Fördermittelvergaben.
14
Die Beklagte dürfe grundsätzlich auf die vom prüfenden Dritten gemachten Angaben vertrauen, soweit keine Anhaltspunkte für Unvollständigkeit oder Fehlerhaftigkeit der Angaben vorlägen. Maßgeblich seien die Antragsdaten, wie sie der Beklagten übermittelt worden seien. Dass diese Angaben womöglich unrichtig gewesen seien, ändere nichts an der Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheides. Dass die im Förderverfahren getätigten Angaben richtig und vollständig seien, werde in dem hier vorliegenden Massenverfahren von prüfenden Dritten, die hierfür beruflich besonders qualifiziert seien, geprüft und von diesen bestätigt. Auf die Richtigkeit der Zahlen vertrauend habe die Beklagte den streitgegenständlichen Schlussbescheid erlassen. Anhaltspunkte, die für eine Unvollständigkeit oder Fehlerhaftigkeit der durch die prüfende Dritten der Klägerin gemachten Angaben gesprochen hätten, seien für die Beklagte nicht ersichtlich gewesen und hätten sich ihr auch nicht aufdrängen müssen. Dies zeige letztlich auch der Vortrag der Klägerin selbst auf. Während die prüfende Dritte in der an die Beklagte nach Bescheidserlass gerichteten E-Mail von einem tatsächlichen Umsatz von 3.590,63 EUR ausgegangen sei, gebe der Bevollmächtigte der Klägerin den Umsatz nunmehr mit 2.839,87 EUR an.
15
Mit Schriftsätzen vom 30.01.2024 bzw. 13.02.2024 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
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Im Übrigen wird auf die Behördenakten und die Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
17
1. Im Einverständnis der Beteiligten wird über die Klage ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
18
2. Bei verständiger Würdigung des Vorbringens der Klägerin (§ 88 VwGO) ist die Klage als Verpflichtungsklage dahin auszulegen, dass die Beklagte unter entsprechender Abänderung des Bescheids vom 11.10.2023 verpflichtet werden soll, der Klägerin eine Neustarthilfe in Höhe von insgesamt 7.875,00 EUR zu bewilligen bzw. unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über den Antrag der Klägerin neu zu entscheiden. Ferner wendet sich die Klägerin im Wege der Anfechtungsklage gegen die im Bescheid vom 11.10.2023 verfügte Rückerstattung und Verzinsung des bereits ausbezahlten Betrags in Höhe von 6.889,72 EUR.
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3. Die Klage ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die Klägerin kann nicht beanspruchen, dass die Beklagte verpflichtet wird, unter Abänderung des Bescheids vom 11.10.2023 eine Betriebskostenpauschale (Neustarthilfe) in Höhe von insgesamt 7.875,00 EUR für den Zeitraum Januar bis Juni 2021 festzusetzen. Insofern erweist sich der Bescheid vom 11.10.2023 als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Diese hat auch keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte zur Neuverbescheidung verpflichtet wird (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO).
20
a) Bei dem streitgegenständlichen Bescheid handelt es sich um einen sog. „Schlussbescheid“, mithin einen Verwaltungsakt, der auf Grundlage eines vorläufigen Verwaltungsaktes ergangen ist. Bei einem vorläufigen Verwaltungsakt steht der Inhalt der Regelung unter dem sie einschränkenden Vorbehalt endgültiger Regelung – so beispielsweise wie vorliegend bei einer Subventionsbewilligung unter Vorbehalt der endgültigen Entscheidung über die Subventionshöhe. Durch den vorläufigen Verwaltungsakt wird damit das Regelungsprogramm der Art. 43, 48 ff. BayVwVfG modifiziert bzw. finden die Art. 48 ff. BayVwVfG keine Anwendung. Soweit die Regelung nämlich vorläufig ist, ist die Behörde bei der endgültigen Regelung hieran nicht gebunden. Ergeht dann eine endgültige Entscheidung, erledigt sich der vorläufige Verwaltungsakt. Er wird durch die endgültige Entscheidung ersetzt (vgl. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Auflage 2023, § 35, Rn. 243 ff. m.w.N.).
21
Ausweislich des vorläufigen Bewilligungsbescheides vom 19.08.2021 erging die Bewilligung und Auszahlung der Neustarthilfe unter dem Vorbehalt der endgültigen Festsetzung im Rahmen der Endabrechnung (vgl. Nr. 2 des Bewilligungsbescheides). Konkret kommt dementsprechend dem angefochtenen Bescheid vom 11.10.2023 der Charakter eines Schlussbescheids mit dem Regelungsgehalt zu, die von der Klägerin beantragte Förderung endgültig auf 985,28 EUR festzusetzen. Hierauf nimmt auch der Tenor des streitgegenständlichen Bescheids unter Nr. 5 ausdrücklich Bezug (vgl. BVerwG, U.v. 14.4.1983 – 3 C 8.82 – juris Rn. 34; U.v. 15.3.2017 – 10 C 1/16 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 26.10.2023 – 22 C 23.1609 – juris Rn. 11; VG München, U.v. 8.5.2023 – M 31 K 21.4671 – juris Rn. 44 ff.).
22
b) Es bestehen keine Bedenken hinsichtlich der materiellen Rechtmäßigkeit.
23
aa) In rechtlicher Hinsicht ist im Ausgangspunkt zu beachten, dass eine Rechtsnorm, die einen Anspruch auf Bewilligung der beantragten Zuwendung begründet, nicht existiert. Die Gewährung der Überbrückungshilfe erfolgt vielmehr auf Grundlage der Richtlinie im billigen Ermessen der Förderbehörde. Die Richtlinie muss dabei von der zuständigen Bewilligungsbehörde gleichmäßig (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV), im Einklang mit Art. 23 und 44 BayHO, ohne Verstoß gegen andere Rechtsvorschriften und gemäß dem Förderzweck angewendet werden, wie dieser in den Richtlinien zum Ausdruck kommt. Die Verwaltungsgerichte haben sich im gerichtlichen Verfahren auf die Prüfung zu beschränken, ob bei der Anwendung der Richtlinie im Einzelfall der Gleichheitssatz verletzt worden ist oder ggf. ein sonstiger Verstoß gegen einschlägige materielle Rechtsvorschriften vorliegt (vgl. BayVGH, B.v. 23.10.2023 – 22 ZB 23.1426 – juris Rn. 13).
24
Entscheidend ist allein, wie die zuständige Behörde die Richtlinie im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger, zu einer Selbstbindung führenden Verwaltungspraxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen an den Gleichheitssatz gebunden ist. Dabei darf eine solche Richtlinie nicht – wie Gesetze oder Rechtsverordnungen – gerichtlich ausgelegt werden, sondern sie dient nur dazu, eine dem Grundsatz der Gleichbehandlung entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (vgl. BayVGH, B.v. 3.8.2022 – 22 ZB 22.1151 – juris Rn. 17; B.v. 17.11.2010 – 4 ZB 10.1689 – juris Rn. 19; BVerwG, U.v. 16.6.2015 – 10 C 15.14 – juris Rn. 24; VG München, U.v. 28.6.2023 – M 31 K 22.1561 – juris Rn. 17 m.w.N.).
25
Dem Zuwendungsgeber steht es frei, sich für eine bestimmte Verwaltungspraxis zu entscheiden und diese konsequent anzuwenden. Die allein relevante Willkürgrenze wird selbst dann nicht überschritten, wenn es auch für eine alternative Förderpraxis gute oder ggf. bessere Gründe gäbe. Eine Verletzung kann allenfalls dann vorliegen, wenn die maßgeblichen Kriterien unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar wären und sich der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhen (vgl. BayVGH, B.v. 8.11.2021 – 6 ZB 21.2023 – juris Rn. 6 und 13; VG Augsburg, U.v. 19.7.2023 – Au 6 K. 22.1310 – juris Rn. 50 m.w.N.).
26
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung der Fördervoraussetzungen ist der Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung über die Förderung (vgl. BayVGH, B.v. 27.2.2023 – 22 ZB 22.2554 – juris Rn. 14; B.v. 2.2.2022 – 6 C 21.2701 – juris Rn. 10). Alles, was im Verwaltungsverfahren nicht vorgetragen oder erkennbar war, muss deshalb auch im Rahmen der konkreten Ermessensausübung nicht berücksichtigt werden (vgl. VG München, U.v. 18.8.2023 – M 31 K 21.4949 – juris Rn. 31). Grundsätzlich liegt es gerade in Zuwendungsverfahren in der Sphäre des Zuwendungsempfängers, die Voraussetzungen für die Gewährung einer Zuwendung bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt darzulegen und nachzuweisen. Denn da die streitige Zuwendung eine freiwillige staatliche Leistung darstellt, ist ihre Gewährung von einer Mitwirkung der Antragsteller im Rahmen des Zuwendungsverfahrens, insbesondere von der Mitteilung und Substantiierung zutreffender, zur Identifikation und für die Förderfähigkeit notwendiger Angaben abhängig. Die Anforderung geeigneter Nachweise für die Anspruchsberechtigung ist auch vor dem Hintergrund des Grundsatzes der sparsamen Verwendung von Haushaltsmitteln (Art. 7 Abs. 1 Satz 1 BayHO) gerade im Bereich der Leistungsverwaltung sachgerecht und nicht zu beanstanden. Ferner entspricht die Verpflichtung zur Mitwirkung seitens der Antragsteller allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen, Art. 26 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG (vgl. VG Würzburg, U.v. 26.4.2021 – W 8 K 20.1487 – juris Rn. 31 m.w.N.). Bei den verwaltungsrechtlichen Verfahren betreffend die Corona-Wirtschaftshilfen der Beklagten handelt es sich um Massenverfahren, deren Bewältigung ein gewisses Maß an Standardisierung auf behördlicher Seite erfordert und zulässt (vgl. auch VG Würzburg, B.v. 13.7.2020 – W 8 E 20.815 – juris Rn. 28 f.; BayVGH, B.v. 31.5.2023 – 22 C 23.809 – juris Rn. 13). Dabei ist weiterhin zu beachten, dass dem verwaltungsverfahrensrechtlichen Effektivitäts- und Zügigkeitsgebot (Art. 10 Satz 2 BayVwVfG) bei der administrativen Bewältigung des erheblichen Förderantragsaufkommens im Rahmen der Corona-Beihilfen besondere Bedeutung zukommt; dies gerade auch deswegen, um Antragstellern möglichst schnell Rechtssicherheit im Hinblick auf die Erfolgsaussichten ihrer Förderanträge und damit über die (Nicht-)Gewährung von Fördermitteln zu geben (VG München, U.v. 26.4.2022 – M 31 K 21.1857 – juris Rn. 23; U.v. 23.2.2022 – M 31 K 21.418 – juris Rn. 28). Zu beachten ist dabei, dass die möglicherweise erhöhte (verfahrensmäßige) Fürsorgebedürftigkeit eines einzelnen Antragstellers vorliegend zugunsten der quasi „objektiven“, materiellen/finanziellen Fürsorgebedürftigkeit einer Vielzahl von Antragstellern, denen ein existenzbedrohender Liquiditätsengpass drohen würde, wenn ihnen nicht zeitnah staatliche Zuwendung in Form von Corona-Soforthilfen gewährt werden, zurückzutreten hat bzw. mit letzteren zum Ausgleich zu bringen ist, zumal die Antragsteller im Rahmen eines Zuwendungsverfahrens eine letztlich aus § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB resultierende, zur allgemeinen Mitwirkungspflicht (Art. 26 Abs. 2 BayVwVfG) hinzutretende (erhöhte) Sorgfaltspflicht im Hinblick auf die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben trifft. Die Anforderungen an ein effektiv und zügig durchgeführtes Massenverfahren sind dabei nicht zu überspannen. Wenn überhaupt eine Nachfrage angezeigt ist, kann aufgrund der massenhaft anfallenden und in kurzer Zeit zu entscheidenden Förderanträge oftmals eine einmalige Nachfrage zur Plausibilisierung auf elektronischem Weg genügen (vgl. BayVGH, B.v. 20.7.2022 – 22 ZB 21.2777 – juris Rn. 16 und 21; VG Würzburg, U.v. 1.12.2023 – W 8 K 23.428 – juris Rn. 37).
27
bb) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe lagen zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses die anzulegenden Voraussetzungen nicht vor, soweit ein über 985,28 EUR hinausgehender Förderbetrag geltend gemacht wird.
28
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass sich ausgehend von den Angaben, die die prüfende Dritte gegenüber der Beklagten im Onlineportal gemacht hat, keine Förderung ergibt, die den Betrag von 985,28 EUR übersteigt.
29
Die Klägerin vertritt vielmehr den Standpunkt, dass ihrer damals handelnden prüfenden Dritten ein Fehler bei der Dateneingabe unterlaufen sei, der im Nachhinein – hier im gerichtlichen Verfahren – gleichsam noch „heilbar“ sein müsse.
30
Wie zuvor bereits ausgeführt wurde, kommt es indessen für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 11.10.2023 auf den Zeitpunkt des Bescheidserlasses an. Es trifft nicht zu, dass es sich bei der der prüfenden Dritten unterlaufenen fehlerhaften Dateneingabe um einen offensichtlichen Fehler in dem Sinne gehandelt hätte, dass die Beklagte hätte erkennen können bzw. müssen, dass die gemeldeten tatsächlichen Umsätze im Zeitraum Januar bis Juni 2021 unrichtig gewesen sein müssen oder dass sich der Beklagten zumindest eine Nachfrage hätte aufdrängen müssen. Denn der von der prüfenden Dritten gemeldete Umsatz von 22.839,87 EUR bewegt sich keinesfalls in einem Rahmen, der die Beklagte an der Richtigkeit der Eingabe gleichsam von Amts wegen hätte zweifeln lassen müssen. Dieser Betrag war rund 12% geringer als die für den Referenzzeitraum 2019 angegebenen Umsätze und somit nicht etwa „ungewöhnlich“ oder ersichtlich in einer Größenordnung, die die Behörde als Eingabeversehen hätte erkennen können bzw. müssen.
31
Es hätte vielmehr der prüfenden Dritten oblegen, die eingegebenen Daten sorgfältig zu prüfen bzw. einen Abgleich mit dem im Onlineportal angezeigten prognostischen „erwarteten Rückzahlungsbetrag“ vorzunehmen. Die Korrektur solcher zunächst fehlerhafter Angaben war – wie sich auch aus dem Klagevortrag ersehen lässt – ohne Weiteres möglich, und zwar in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich bis zum Erlass des Schlussbescheids, jedenfalls aber bis zum Ablauf der Frist für die Einreichung der Endabrechnung.
32
Auch aus der Rechtsprechung zu den Corona-Subventionen ergibt sich, dass einzelne „irrtümlich falsche Angaben“ im Laufe des Verwaltungsverfahrens, aber eben vor Bescheidserlass korrigiert werden können (vgl. BayVGH, B.v. 9.1.2024 – 22 C 23.1773 – juris Rn. 23).
33
Aus dem Umstand, dass die prüfende Dritte – wie geltend gemacht wurde – zunächst wiederholt ihrerseits fehlerhafte Endabrechnungen „hochgeladen“ und dabei jeweils den tatsächlich zutreffenden Umsatz von 2.839,87 EUR angegeben hatte, kann die Klägerin nichts zu ihren Gunsten herleiten. Denn beide Endabrechnungen wurden von der prüfenden Dritten später wieder zurückgezogen und letztlich durch die hier streitgegenständliche Endabrechnung ersetzt. Die Beklagte war – soweit dies technisch überhaupt möglich gewesen wäre – nicht gehalten, die letztlich bei Fristablauf im Onlineportal eingegebene „unkorrigierte“ Endabrechnung mit zurückgezogenen Endabrechnungen zu vergleichen und ohne greifbaren Anlass auf die prüfende Dritte zuzugehen, um zu eruieren, ob denn der nun letztlich eingestellte „aktuelle“ Antrag zur Schlussabrechnung wirklich zutreffend sei oder ob nicht etwa Daten aus stornierten Anträgen maßgeblich seien.
34
Keiner vertieften Betrachtung bedarf im hiesigen Verfahren die Frage, wie die Beklagte mit dem „umgekehrten Fall“ umgeht, dass durch fehlerbehaftete Angaben des Antragstellers bzw. seines prüfenden Dritten eine „zu hohe“ Subvention bewilligt wird. Gewisse Vorkehrungen für diesen Fall sind in den entsprechenden Bescheiden enthalten (vgl. etwa die Nebenbestimmung Nr. 12 des Bescheids vom 19.08.2021 oder die entsprechenden Unterrichtungshinweise unter Nr. 14 dieses Bescheids, in denen u.a. auch auf das Strafrecht und Mitteilungspflichten eingegangen wird), im Übrigen eröffnet Art. 48 BayVwVfG unter den dort genannten Voraussetzungen die Möglichkeit der nachträglichen Korrektur von rechtswidrigen Verwaltungsakten.
35
Inwieweit eine Korrektur der fehlerhaften Umsatzangabe nach dem rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Verfahrens über Art. 51 BayVwVfG in Betracht kommt, erscheint äußerst fraglich, bedarf aber gegenwärtig ebenfalls keiner Vertiefung, da der Bescheid vom 11.10.2023 noch nicht bestandskräftig ist.
36
cc) Weiterhin sind keine durchgreifenden Ermessensfehler hinsichtlich des streitgegenständlichen Bescheides ersichtlich und es liegt auch kein atypischer Ausnahmefall vor.
37
c) Die unter Nr. 7 des Bescheids vom 11.10.2023 angeordnete teilweise Rückerstattung und Verzinsung der vorläufig bewilligten „Neustarthilfe“ in Höhe von 6.889,72 EUR ist ebenfalls rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
38
aa) Die Rechtmäßigkeit der Anordnung der Rückforderung ist an Art. 49a Abs. 1 BayVwVfG analog zu messen. Nach Art. 49a Abs. 1 BayVwVfG sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen oder widerrufen worden oder infolge Eintritts einer auflösenden Bedingung unwirksam geworden ist. Vorliegend kommt Art. 49a Abs. 1 BayVwVfG analog zur Anwendung, da gerade keine auf Art. 48 BayVwVfG gestützte Rücknahme bzw. kein auf Art. 49 BayVwVfG gestützter Widerruf des vorläufigen Bewilligungsbescheids erfolgt ist und der vorläufige Bewilligungsbescheid auch keine auflösende Bedingung enthält. Im Fall einer vorbehaltlichen Regelung bzw. eines Schlussbescheides ist jedoch eine Rücknahme nach Art. 48 BayVwVfG nicht erforderlich bzw. findet diese Vorschrift keine Anwendung. Vielmehr wird die vorläufige Gewährung der Abschlagszahlung durch den endgültigen, hier streitgegenständlichen, Schluss-Ablehnungsbescheid ersetzt und erledigt. Der Bewilligungsbescheid vom 19.08.2021 ist lediglich die Grundlage für die vorläufig geleistete Abschlagszahlung; hierin erschöpft sich seine Rechtswirkung. Demgegenüber kommt dem vorliegend angefochtenen Bescheid vom 11.10.2023 in dieser Hinsicht der Charakter eines Schlussbescheids mit dem Regelungsgehalt zu, die beantragte Förderung teilweise (endgültig) abzulehnen und die sich hieraus angesichts der erfolgten Abschlagszahlung ergebende Überzahlung nebst Zinsen zurückzufordern (vgl. BVerwG, U.v. 14.4.1983 – 3 C 8.82 – juris Rn. 34; U.v. 15.3.2017 – 10 C 1/16 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 26.10.2023 – 22 C 23.1609 – juris Rn. 11; VG München, U.v. 8.5.2023 – M 31 K 21.4671 – juris Rn. 44 ff.). Wird ein Verwaltungsakt, der eine Zuwendung zunächst nur vorläufig bewilligt hat, rückwirkend durch einen anderen Verwaltungsakt ersetzt, der die Zuwendung in geringerer Höhe festsetzt oder – wie hier – gänzlich ablehnt, so gelten die Erstattungsvorschriften des Art. 49a Abs. 1 und 3 BayVwVfG entsprechend (BayVGH, U.v. 10.11.2021 – 4 B 20.1961 – juris Rn. 18, 28 unter Bezugnahme auf BVerwG, U.v. 11.5.2016 – 10 C 8/15 – juris Rn. 11; BVerwG, U.v. 19.11.2009 – 3 C 7/09 – juris Rn. 24; VG München, U.v. 8.5.2023 – M 31 K 21.4671 – juris Rn. 48).
39
Gemessen hieran ist die Verpflichtung gemäß Art. 49a Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG analog zur Erstattung der nach endgültiger teilweiser Ablehnung der „Neustarthilfe“ durch den streitgegenständlichen Bescheid rechtsgrundlos erfolgten Abschlagszahlung rechtlich nicht zu beanstanden. Der in Form einer vorläufigen Regelung ergangene vorläufige Bewilligungsbescheid vom 19.08.2021 hat – wie ausgeführt – gemäß Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG seine Rechtswirkung dadurch verloren, dass er durch den streitgegenständlichen Bescheid ersetzt wurde. „Eigenständige“ Fehler der Rückforderungsentscheidung (vgl. Art. 49a Abs. 2 BayVwVfG) sind weder vorgetragen, noch anderweitig ersichtlich.
40
bb) Die Anordnung der Verzinsung des Rückforderungsbetrages beruht – soweit nicht ohne Rechtsverletzung der Klägerin auf eine Verzinsung verzichtet wurde – zutreffend auf Art. 49a Abs. 3 Satz 1 BayVwVfG analog. Art. 49a Abs. 3 BayVwVfG ist auf eine aus einem Erstattungsanspruch abgeleitete Zinsforderung entsprechend anzuwenden, wenn – wie hier – ein Verwaltungsakt, der eine Zuwendung zunächst nur vorläufig bewilligte, rückwirkend durch einen anderen Verwaltungsakt ersetzt wird, der die Zuwendung endgültig in geringerer Höhe festsetzt oder gänzlich ablehnt. Der Zuwendungsempfänger muss eine hiernach sich ergebende Überzahlung erstatten und den zu erstattenden Betrag vom Empfang an verzinsen (HessVGH, U.v. 13.5.2014 – 9 A 2289/12 – juris Rn. 35; BVerwG, U.v. 19.11.2009 – 3 C 7/09 – juris Rn. 24; U.v. 17.8.1995 – 3 C 17/94 – juris Rn. 26).
41
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.