Titel:
Akteneinsicht und Recht auf Kopie hinsichtlich einer Ergänzungspflegschaftsakte des Jugendamtes, Zuständigkeit des Familiengerichts
Normenketten:
DSGVO Art. 15 Abs. 3
FamFG § 151 Nr. 5
Leitsatz:
Die Geltendmachung des Rechts auf Kopie (Art. 15 Abs. 3 DSGVO) hinsichtlich eine Ergänzungspflegschaftsakte des Jugendamtes ist eine Kindschaftssache nach § 151 Nr. 5 FamFG, für dessen gerichtliche Geltendmachung der Rechtsweg zu den Familiengerichten eröffnet ist.
Schlagworte:
Akteneinsicht und Recht auf Kopie hinsichtlich einer Ergänzungspflegschaftsakte des Jugendamtes, Zuständigkeit des Familiengerichts
Fundstelle:
BeckRS 2025, 3601
Tenor
1. Der Verwaltungsrechtsweg ist unzulässig. Das Verfahren wird an das Amtsgericht …, Abteilung für Familiensachen, verwiesen.
2. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Gründe
1
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutz Informationen aus Akten der Antragsgegnerin.
2
Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 10.10.2024 (Bl. 10 der Gerichtsakte) einen „Antrag auf Akteneinsicht“ bei der Antragsgegnerin gestellt. Im Betreff bezog sich der Antragsteller auf einen Antrag auf Akteneinsicht nach § 25 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – SGB X sowie Art. 15 Datenschutz-Grundverordnung – DSGVO für „[die verstorbene Ehefrau] …, [den Kläger] … und [die gemeinsame Tochter] …“. Gefordert wurde die Akteneinsicht in sämtliche Unterlagen, die beim Jugendamt der Antragsgegnerin über die vorgenannten Personen geführt werden. Daneben verlangte er eine Kopie sämtlicher Dokumente über die genannten Personen sowie Einsicht in alle damit verbundenen Informationen und Daten gem. Art. 15 DSGVO. Die Akteneinsicht umfasse insbesondere – aber nicht ausschließlich – alle Protokolle, Berichte, Beschlüsse, die im Zusammenhang mit der Betreuung und Überwachung der genannten Personen entstanden sind; schriftliche Stellungnahmen, Vermerke und Notizen, die für Entscheidungen in den Angelegenheiten der genannten Person verwendet wurden sowie auch Einsicht in die Nebenakten. Er fordere die vollständige Herausgabe von Kopien dieser Akten oder alternativ eine umfassende Akteneinsicht vor Ort.
3
Mit Schreiben vom 20.11.2024 der Antragsgegnerin wurde dem Antragsteller mitgeteilt, dass seinem Antrag nicht vollständig entsprochen werden könne. Ein Anspruch aus § 25 SGB X setze eine öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörde voraus. Die Antragsgegnerin, konkret das Stadtjugendamt, wurde gem. § 1809 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB zum Ergänzungspfleger bestellt und sei somit privatrechtlich tätig geworden. Der Anwendungsbereich des SGB X sei somit nicht eröffnet. Unabhängig davon würde dem Antragsteller gem. Art. 15 DSGVO Akteneinsicht hinsichtlich der eigenen Daten des Antragstellers gewährt, welche sich auf Unterlagen beschränke, die er selbst eingereicht habe. Zur Einsicht in die Akte, die nur vor Ort gewährt werden könne, werde um eine rechtzeitige Terminvereinbarung gebeten. Eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung seien, würde zur Verfügung gestellt.
4
Mit Schriftsatz vom 02.12.2024, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am 03.12.2024, beantragte der Antragsteller:
5
1. Die Stadt …, vertreten durch das Jugendamt, im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm unverzüglich Einsicht in die vollständigen Akten zu gewähren, die meine Person, meine verstorbene Ehefrau …, und meine Tochter …, geboren … betreffen.
6
2. Die Einsichtnahme soll durch Bereitstellung digitaler Kopien (z.B. PDF) oder durch Übermittlung physischer Kopien erfolgen.
7
3. Das Gericht soll eine Frist von 14 Tagen für die Bereitstellung der Akten setzen, um sicherzustellen, dass die Einsicht rechtzeitig erfolgt.
8
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Antragsteller Kläger in einem Schadenersatzverfahren (Az. …*) gegen die Antragsgegnerin, eine Gutachterin und den Staat Bayern sei, in dem es unter anderem um die unrechtmäßige Entziehung des Sorgerechts für seine Tochter gehe. Die Akten des Jugendamtes enthielten Beweise und Informationen, die für eine mündliche Verhandlung im März 2025 entscheidend seien. Ohne diese Akten sei er nicht in der Lage, seine Ansprüche in der Verhandlung effektiv zu vertreten. Ein Anspruch ergebe sich für das Begehren aus Art. 15 DSGVO und § 25 SGB X, auch hinsichtlich seiner verstorbenen Ehefrau und seiner Tochter. Die Antragsgegnerin verweigere eine vollständige Akteneinsicht und beschränke diese auf Unterlagen, die er selbst eingereicht habe. Dies sei rechtlich nicht haltbar, da Art. 15 DSGVO ein umfassendes Auskunftsrecht gewähre, das sich nicht auf selbst eingebrachte Unterlagen beschränke. Die Behörde, auch in ihrer Funktion als Ergänzungspfleger, unterliege dem Datenschutzrecht und den Transparenzpflichten. Die Behörde sei hilfsweise auch über ihre Funktion als Ergänzungspfleger hinaus tätig geworden, etwa in dem sie seine Tochter zwangsweise in eine Anstalt verbracht hätten, ohne dass ein Gerichtsbeschluss vorgelegen habe. Zudem sei die Ernennung zum Ergänzungspfleger auch wesentlich später erfolgt. Die behauptete Privatrechtlichkeit der Tätigkeit sei kein legitimer Grund, um die Akteneinsicht zu verweigern. Die mündliche Verhandlung im Februar erfordere eine gründliche Vorbereitung, die ohne die vollständige Akteneinsicht nicht möglich sei. Eine weitere Verzögerung würde sein Recht auf effektiven Rechtsschutz erheblich beeinträchtigen.
9
Mit Schriftsatz vom 13.12.2024 beantragte die Antragsgegnerin den Antrag nach § 123 VwGO kostenpflichtig zurückzuweisen.
10
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass dem Antragsteller weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund zukomme. Er habe bereits keinen Anordnungsanspruch glaubhaft geltend gemacht. Der Antragsteller habe keinen Anspruch auf die geltend gemachte Akteneinsicht nach § 25 SGB X; dem Antrag nach Art. 15 DSGVO sei die Antragsgegnerin nachgekommen.
11
Die Voraussetzungen des § 25 SGB X lägen nicht vor. Zum einen habe der Antragsteller kein rechtliches Interesse gegenüber der Antragsgegnerin dargelegt. Zum anderen setze ein Akteneinsichtsrecht nach dieser Vorschrift ein laufendes Verwaltungsverfahren voraus, was vorliegend aber fehle. Ein Verfahren gemäß § 8 SGB X sei die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsaktes oder auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet sei; es schließe den Erlass des Verwaltungsaktes oder den Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrages ein. Beteiligte eines solchen Verwaltungsverfahrens richteten sich nach § 12 Abs. 1 SGB X. Im vorliegenden Fall sei das Stadtjugendamt der Antragsgegnerin vom Amtsgericht …, Abt. für Familiensachen, gem. § 1809 BGB (§ 1909 BGB a.F.) zum Ergänzungspfleger bestellt worden und sei somit privatrechtlich tätig. Die Tätigkeit als Ergänzungspfleger werde nicht im Rahmen eines Verfahrens im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB X durchgeführt. Dies sei damit zu begründen, dass die Tätigkeit des Jugendamtes in diesem Zusammenhang nicht auf den Erlass eines Verwaltungsaktes oder den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gemäß § 8 SGB X ausgerichtet sei. In Bezug auf den Antrag nach Art. 15 DSGVO sei mitzuteilen, dass der danach bestehende Auskunftsanspruch ausweislich des eindeutigen Wortlauts nur im Hinblick auf die zur eigenen Person gespeicherten Daten bestehe. Der Antragsteller habe daher nur Anspruch auf Auskunft über seine personenbezogenen Daten und über die in Art. 15 Abs. 1 Buchst. a) bis h) DSGVO genannten Informationen. Diesem Antrag samt dessen Reichweite sei die Antragsgegnerin vollumfänglich nachgekommen.
12
Zudem habe der Antragsteller vorliegend keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Denn er habe nicht ausreichend dargelegt, dass er ohne die einstweilige Anordnung unzumutbaren Nachteilen ausgesetzt wäre und mit seinem Begehren nicht auf ein Hauptsacheverfahren verwiesen werden könne. Der Antragsteller habe hinsichtlich der Dringlichkeit vorgetragen, dass ein Schadensersatzverfahren rechtshängig sei und die Akten der Antragsgegnerin Beweise und Informationen enthalten würden, die für die mündliche Verhandlung im März 2025 entscheidend seien. Ohne die Akten wäre er angeblich nicht in der Lage, seine Ansprüche in der Verhandlung effektiv zu vertreten. Mit dieser Argumentation könne der Antragsteller die Dringlichkeit nicht hinreichend glaubhaft machen. Denn er lege nicht dar, inwieweit die Kenntnis des Akteninhalts den Schadensersatzprozess maßgeblich beeinflussen könne. In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass die Klageschrift den Amtshaftungsprozess betreffend aus Januar 2023 stamme. Der Antragsgegnerin sei sie mit Verfügung des Landgerichts … vom 05.03.2023 zugestellt worden. Damit sei der Amtshaftungsprozess bereits seit fast zwei Jahren anhängig. Es sei davon auszugehen, dass der Antragsteller während der Dauer des Verfahrens bereits sämtliche seiner Angriffs- und Verteidigungsmittel im Rahmen des vor dem Zivilgericht geltenden Beibringungsgrundsatzes vorgebracht habe, so dass nicht zu erkennen sei, wie ihm nun plötzlich gegen Ende des Verfahrens die Einsicht in die Akten der Antragsgegnerin weiterhelfen solle, vor allem vor dem Hintergrund, dass die Angriffs- und Verteidigungsmittel im Zivilprozess rechtzeitig vorzubringen seien.
13
Mit Schreiben des Gerichts vom 16.12.2024 wies das Gericht den Antragsteller darauf hin, dass das Begehren bezüglich der Akten der Antragstellerin über die Ergänzungspflegschaft voraussichtlich dem Rechtsweg zu den Familiengerichten zuzuordnen sei (§§ 1, 151 Nr. 5 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG)). Ein Anspruch diesbezüglich aus § 25 SGB X dürfte in Ermangelung eines laufenden Verwaltungsverfahrens ausscheiden.
14
Mit weiterem Schriftsatz vom 19.12.2024 führte die Antragsgegnerin aus, dass der Antrag des Antragstellers auf Akteneinsicht durch die Beklagte als Antrag zur Einsicht in die Akten zur Ergänzungspflegschaft ausgelegt worden sei. Nur diese Akten enthielten Unterlagen zum aktuell laufenden Verfahren vor dem Landgericht. Tatsächlich seien beim allgemeinen Sozialdienst (sozialpädagogischer Bereich) und der wirtschaftlichen Jugendhilfe (finanzielle Abwicklung des vorgenannten) jeweils eine Alt-Akte vorhanden, die bereits archiviert worden seien. Da diese Akten bereits archiviert worden seien, handele es sich hierbei nicht mehr um ein laufendes Verfahren gem. § 25 SGB X.
15
Mit Schriftsatz vom 27.12.2024 führte der Antragsteller sinngemäß aus, dass sein Begehren sich nicht auf die Akten der Ergänzungspflegschaft beschränke. Er widerspreche einer Verweisung an das Familiengericht. Anspruchsgrundlagen seien § 25 SGB X und Art. 15 DSGVO. Aus den „Schutzbehauptungen“ der Antragsgegnerin gehe hervor, seine minderjährige Tochter könne die Akteneinsicht nur selbst vornehmen, da jegliche Vertretung verweigert worden sei und noch werde. Es sei zynisch und menschenverachtend, somit entgegen Art. 1 GG, seiner minderjährigen Tochter zumuten zu wollen, die Aktenordner im Rahmen einer Akteneinsicht intensiv durchzugehen. Als Ehemann und Witwer sei er berufen, den Tod seiner Frau aufzuklären und habe daher ein umfassendes Akteneinsichtsrecht auch für seine Frau. Zudem sei er auch ihr postmortaler Bevollmächtigter. Insoweit legte der Antragsteller eine Vollmacht vor, die von einer Frau … an den Antragsteller erteilt wurde. Diese gilt gem. Ziffer 9 über den Tod hinaus und umfasst auch die gerichtliche Vertretung gegenüber Behörden (Ziffer 3 und 7). Daneben legte der Antragsteller eine auf den 27.12.2024 datierte „Eidesstattliche Versicherung“ eines Herrn … vor.
16
Mit Schreiben des Gerichts vom 02.01.2025 wurden die Beteiligten zur Frage des Rechtswegs angehört. Die Beteiligten haben zur beabsichtigten Verweisung Stellung genommen. Mit Fax vom 11.01.2025 hat der Antragsteller einer Verweisung zugestimmt. Die Antragsgegnerin ist mit Schriftsatz vom 08.01.2025 einer Verweisung entgegengetreten. Sie sieht einen einheitlichen Streitgegenstand, jedenfalls würde § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnen.
17
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
18
1. Der Antragsteller macht kumulativ mehrere Ansprüche geltend, für die unterschiedliche Rechtswege eröffnet sind. Soweit er eine vollständige Kopie der Akte über die Ergänzungspflegschaft durch das Jugendamt der Antragsgegnerin begehrt, ist hierfür der Weg zu den Verwaltungsgerichten nicht eröffnet. Das Verfahren wurde daher insoweit nach § 93 S. 2 VwGO analog abgetrennt, unter einem neuen Aktenzeichen weitergeführt und ist nach § 173 S. 1 VwGO in Verbindung mit § 17a Abs. 2 S. 1 GVG an das zuständige Amtsgericht …, Abteilung für Familiensachen, zu verweisen.
19
Dem Antragsschriftsatz kann aufgrund des Antrages mit der Ziffer 2 entnommen werden, dass er primär Akten in Kopie von der Antragsgegnerin fordert. Hierfür gilt grundsätzlich Art. 15 Abs. 3 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Diese Anspruchsgrundlage nennt der Antragsteller ausdrücklich. Da der Antragsteller sich zur Begründung aber auch ausdrücklich auf § 25 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) beruft, der das davon zu unterscheidende Recht auf Akteneinsicht normiert, kann davon ausgegangen werden, dass auch dieses Recht geltend gemacht wird, wenn und soweit ein Anspruch auf Kopie nicht gegeben sein sollte. Das kann nicht zuletzt deshalb angenommen werden, weil er im Antrag vom 10.10.2024 an die Stadt schreibt: „alternativ eine umfassende Akteneinsicht vor Ort“ und im Schriftsatz vom 27.12.2024 auf eine Akteneinsicht vor Ort eingegangen wird. Diese Sichtweise wäre auch rechtsschutzintensiver, da sich Art. 15 DSGVO und § 25 SGB X von den bereitzustellenden Informationen/Akten(teilen) unterscheiden können.
20
2. Es ist nach dem bisherigen Vorbringen hinsichtlich des Rechts auf Kopie nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO bezüglich der Ergänzungspflegschaftsakte eine Verweisung an das Amtsgericht, Abteilung für Familiensachen, notwendig. Das gilt unabhängig davon, ob sich der Antragsteller in Bezug auf diese Begehren auf eigene Rechte beruft oder auf solche der verstorbenen Frau … oder der Tochter … Die Rechtswegzuständigkeit zum Amtsgericht, Abteilung für Familiensachen, folgt aus § 23a Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 23b GVG in Verbindung mit §§ 1, 111 Nr. 2, 151 Nr. 5 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit – FamFG. Die Amtsgerichte sind hiernach zuständig für Familiensachen, wobei hierfür die Abteilungen für Familiensachen (Familiengerichte) zuständig sind. Familiensachen sind insbesondere Kindschaftssachen nach § 151 FamFG. Unter § 151 Nr. 5 FamFG fällt insbesondere der Bereich der Ergänzungspflegschaft (BT-Drs. 16/6308, S. 234; Frank in: Musielak/Borth/Frank, FamFG, 7. Aufl. 2022, § 151 Rn. 14; Schlemm in: Bahrenfuss, FamFG, 3. Aufl., § 151 FamFG Rn. 7). Diese Zuweisungsnorm ist nach dem Willen des Gesetzgebers umfassend zu verstehen (BT-Drs. 16/6308, S. 234; Schlünder in: BeckOK FamFG, 52. Ed. 1.12.2024, § 151 Rn. 12). Umfasst sind auch die Fälle, in denen das Jugendamt nach § 55 Achtes Buch Sozialgesetzbuch – SGB VIII als Ergänzungspfleger tätig wird (Völker/Clausius/Wagner in: Kemper/Schreiber, Familienverfahrensrecht, 3. Aufl. 2015, § 151 Rn. 10). Von § 151 Nr. 5 FamFG eingeschlossen sind auch Entscheidungen über Rechte und Pflichten des Ergänzungspflegers (BT-Drs. 16/3608, S. 234; Hammer in: Prütting/Helms, FamFG, 6. Aufl. 2023, § 151 Rn. 19). Das betrifft kraft Sachzusammenhangs insbesondere auch Fragen über Auskunftspflichten (Feskorn in: Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 111 FamFG Rn. 2). Nichts anderes kann für das Recht auf Kopie nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO gelten, das ebenfalls einen unmittelbaren Sachzusammenhang mit der Ergänzungspflegschaft aufweist. Die aus dem Datenschutzrecht folgenden Verpflichtungen der Antragsgegnerin stellen insoweit einen bloßen Annex zu den originären familienrechtlichen Pflichten aus ihrer Tätigkeit als gerichtlich bestellter Ergänzungspfleger dar (vgl. zur Annexeigenschaft von „Nebenrechten“ BGH, B.v. 27.11.2013 – III ZB 59/13 – juris Rn. 12; OVG Lüneburg, B.v. 16.2.2016 – 7 OB 13/16 – juris Rn. 4). Da die Zuweisung an die Familiengerichte nach dieser Norm umfassend zu verstehen ist, ergibt sich auch nichts anderes daraus, dass die Ergänzungspflegschaft bereits beendet ist.
21
3. Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts hinsichtlich des Rechts auf Kopie bezüglich der Akten über die Ergänzungspflegschaft kommt vorliegend auch nicht unter Anwendung des § 17 Abs. 2 GVG in Betracht. Die Anträge des Klägers betreffen eine Vielzahl unterschiedlicher Streitgegenstände. Das Gericht des zulässigen Rechtsweges entscheidet hiernach den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten. Erforderlich wäre hierfür die Identität des Streitgegenstands (BVerwG, B.v. 21.11.2016 – 10 AV 1/16 – juris Rn. 10). Der Streitgegenstand wird durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet, bestimmt.
22
Bereits aufgrund der unterschiedlichen Rechtsschutzziele von Recht auf Kopie und Akteneinsicht liegt – entgegen dem vom Antragsteller ausdrücklich gewählten Wortlaut seiner Anträge („Einsicht“; „Einsichtnahme soll durch Bereitstellung digitaler Kopie“) – ein anderer Antrag vor. Insoweit ist zunächst in Erinnerung zu rufen, dass das Recht auf Einsicht (Einsichtnahme in Originalunterlagen), das Recht auf Auskunft (Mitteilung amtlichen Wissens) und das Recht auf Kopie (Zugang zu einer originalgetreuen Reproduktion, s. EuGH, U.v. 4.5.2023 – C-487/21 – juris Rn. 21) auf unterschiedliche Rechtsfolgen gerichtet sind (vgl. zu einem Einsichtsrecht und Recht auf Kopie VG Gelsenkirchen, U.v. 27.4.2020 – 20 K 6392/18 – juris Rn. 159). Es liegen deshalb unterschiedliche Streitgegenstände vor, die durchaus von unterschiedlichen Gerichtsbarkeiten entschieden werden können (s. nur FG München, GB v, 3.2.2022 – 15 K 1212/19 – juris Rn. 39 ff.).
23
Auch mit Blick auf die einzelnen Akten ist von verschiedenen Streitgegenständen auszugehen. Den Akten liegen unterschiedliche Lebenssachverhalte zugrunde (vgl. zu einer Differenzierung sogar innerhalb einer Beistandschaftsakte BayVGH, B.v. 19.11.2024 – 12 CE 24.467 – juris Rn. 22).
24
Daneben sind die verschiedenen Rechte jeweils auf andere Zielsetzungen gerichtet (vgl. zur Auswirkung dieses Umstands auf den Streitgegenstand BVerwG, B.v. 21.11.2016 – 10 AV 1/16 – juris Rn. 12); das Akteneinsichtsrecht bezieht sich aufgrund der Notwendigkeit der Beteiligteneigenschaft auf das jeweilige Verwaltungsverfahren, während die Rechte aus der DSGVO an den Schutz des Datenschutzrechts (Art. 8 der Grundrechte-Charta) der jeweils Betroffenen (Art. 4 Nr. 1 DSGVO) anknüpfen und von einem Verwaltungsverfahren zeitlich-sachlich grundsätzlich losgelöst sind (vgl. Rombach in: Hauck/Noftz, SGB X, 3. EL 2024, § 25 Rn. 23b; Walther in: Wiesner/Wapler, SGB VIII, 6. Aufl. 2022, § 68 Rn. 29; FG München, GB v. 3.2.2022 – 15 K 1212/19 – juris Rn. 39 ff.). Der Umfang vom Recht auf Kopie und Akteneinsicht (mag letztere auch durch eine Kopie der Akte erfüllt werden), sind angesichts dieser divergierenden Zielsetzungen nicht zwingend deckungsgleich, da sich die Kopien nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO auf die personenbezogenen Daten des betroffenen Antragstellers beziehen müssen (zutreffend Pätz in: Koenig, AO, 5. Aufl. 2024, § 32c Rn. 5 m.w.N.).
25
Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts über das Recht auf Kopie für den Antragsteller selbst hinsichtlich der Akten über die Ergänzungspflegschaft kommt demgegenüber als eigener Streitgegenstand unter dem Blickwinkel des § 17 Abs. 2 GVG nicht in Betracht. Soweit der Antragsteller überdies Rechte seiner verstorbenen Ehefrau Frau … und seiner Tochter … in Bezug auf die Ergänzungspflegschaftsakte geltend macht, liegen zudem jeweils unterschiedliche Klagegründe zugrunde, sodass es sich hierbei auch um unterschiedliche Streitgegenstände handelt und damit eine Anwendung von § 17 Abs. 2 GVG ebenso nicht in Betracht kommt.
26
Soweit der Antragsteller für sich selbst Akteneinsicht und Recht auf Kopie hinsichtlich der sonstigen Akten des Antragsgegners begehrt (eine archivierte Akte des Allgemeinen Sozialen Dienstes im sozialpädagogischen Bereich und eine archivierte Akte hinsichtlich der wirtschaftlichen Jugendhilfe bezüglich der finanziellen Abwicklung) und Akteneinsicht nach § 25 SGB X (analog) verlangt, sind das die davon zu trennenden Streitgegenstände.
27
4. Demgegenüber bleibt das Verwaltungsgericht über die Entscheidung über die Gewährung von Akteneinsicht nach § 25 SGB X (analog) in die Ergänzungspflegschaftsakten zuständig (vgl. zur Akteneinsicht in eine Beistandschaftsakte VG München, B.v. 14.2.2024 – M 18 E 23.5867 – juris Rn. 25) sowie über den Anspruch auf Akteneinsicht (§ 25 SGB X (analog)) und das Recht auf Kopie (Art. 15 Abs. 3 DSGVO) hinsichtlich der sonstigen Akten, § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO. Dies jeweils kraft eigenen Rechts des Antragstellers sowie mit Blick auf die Geltendmachung im Namen der verstorbenen Frau … sowie der Tochter …
28
5. Örtlich zuständig ist nach § 152 Abs. 2 FamFG das Amtsgericht …, Abteilung für Familiensachen.