Inhalt

OLG Bamberg, Beschluss v. 16.01.2025 – 10 Wx 2/25 e
Titel:

Gebührenprivilegierung für eine Grundbuchumschreibung bei Erbauseinandersetzung und Auflassung des Alleineigentums an einen Erben

Normenketten:
GBO § 35 Abs. 1
GNotKG KV Nr. 14110
Leitsätze:
1. Für die Gebührenprivilegierung der Grundbuchumschreibung i. S. d. Nr. 14110 KV-GNotKG nach einem Erbfall ist es im Falle der Erbauseinandersetzung einer Erbengemeinschaft i. S. d. Anm. 1 Satz 2 unschädlich, wenn einem Erben durch Auflassung das Alleineigentum an einem zum Nachlass gehörenden Grundstück übertragen wird. (Rn. 12 – 17)
2. Allein für die Gebührenprivilegierung einer solchen Grundbuchumschreibung ist es nicht erforderlich, dass der Grundstückserwerber seine Erbeneigenschaft nachweist. Dies gilt auch, wenn die Erbfolge sich nicht auf den in § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO genannten Unterlagen ergibt. (Rn. 18 – 22)
Die Gebührenprivilegierung von Nr. 14110 GNotKG KV Anm. 1 S. 1 iVm S. 2 greift, wenn eine zunächst zum Erben berufene Erbengemeinschaft ihrerseits „als Ganzes“ eingetragen wird, für die nachfolgende, erneute Umschreibung des Eigentums auf den „endgültigen“ Erben nach erfolgter Erbauseinandersetzung nicht. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Grundbuchberichtigung, Erbengemeinschaft, Erbauseinandersetzung, Gebührenprivilegierung, Eigentumsumschreibung, Erbfall, Auflassung
Fundstellen:
MDR 2025, 549
RPfleger 2025, 208
FGPrax 2025, 45
ErbR 2025, 345
JurBüro 2025, 156
NJOZ 2025, 251
BeckRS 2025, 359
FDErbR 2025, 000359
LSK 2025, 359

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin werden der Beschluss des Amtsgerichts Würzburg vom 20.12.2024, Az: …, sowie die Kostenrechnung ReNr. … aufgehoben.
2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, Auslagen werden nicht erstattet.

Gründe

I.
1
Nach dem Ableben des Eigentümers eines im Grundbuch des Erstgerichts eingetragenen Grundstücks am 01.01.2024 beantragte die Erinnerungs- und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Beschwerdeführerin) als Miterbin nach dem Verstorbenen die Umschreibung des Grundeigentums nach zuvor erfolgter Erbauseinandersetzung durch Urkunde des Notars a. D. S., …, vom … (Urknr. …), in der die Mitglieder der Erbengemeinschaft im Wege einer Teilerbenauseinandersetzung den Eigentumsübergang unter anderem am verfahrensgegenständlichen Grundstück untereinander erklärt haben.
2
Nach der erfolgten Umschreibung des Grundeigentums von dem Erblasser auf die Beschwerdeführerin wurde die streitgegenständliche Rechnung gem. Nr. 14110 KV-GNotKG ausgestellt.
3
Die von der Beschwerdeführerin hiergegen erhobene Erinnerung wurde mit Beschluss vom 20.12.2024 zurückgewiesen, der Beschwerde hiergegen vom 07.01.2024 mit Beschluss vom 13.01.2025 nicht abgeholfen. Das Erstgericht vertritt im Kern die Auffassung, dass der Gebührenprivilegierung nach Nr. 14110 Anm. 1 KV-GNotKG der Umstand entgegen stehe, dass die Eintragung der Beschwerdeführerin nicht als „Erbin“ erfolgt sei, weil insoweit der notariell beurkundete Erbauseinandersetzungsvertrag mit der Auflassung „dazwischen“ getreten sei und überdies kein Erbnachweis vorliege.
4
Die Beschwerdeführerin vertritt demgegenüber die Auffassung, dass es für die Gebührenprivilegierung allein auf die (rechtzeitige) Umschreibung des Eigentums an einen Erben ankomme, zumal im Gesetz ausdrücklich nur von einer etwaig vorausgegangenen Erbauseinandersetzung, die unschädlich sein soll, ausgegangen wird.
II.
5
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
6
1. Die Beschwerde ist zulässig.
7
Die Beschwerde ist statthaft und erreicht die notwendige Beschwer (§ 81 Abs. 2 Satz 1 GNotKG).
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2. Die Beschwerde ist begründet.
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Die Beschwerdeführerin wendet sich zu Recht gegen den Kostenansatz für die Umschreibung des Grundeigentums von dem vorverstorbenen Erblasser an sie als Erbin gem. Nr. 14110 KV-GNotKG. Entgegen der Annahme des Erstgerichts greift zu Gunsten der Beschwerdeführerin auch noch nach der erfolgten Erbauseinandersetzung die Gebührenprivilegierung gem. Nr. 14110 Anm. 1 Satz 2 KV-GNotKG.
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In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass die vom Gesetzgeber gewollte Gebührenprivilegierung nach der Novellierung durch das 2. KostRMoG gerade auch erreichen wollte, dass Erben auch noch nach einer notwendigen vorangegangenen Erbauseinandersetzung zeitnah die Umschreibung des Grundbuchs veranlassen, damit dieses seiner Funktion der eindeutigen Wiedergabe der materiellen Rechtslage gerecht werden kann (vgl. BT-Drs. 17/11471, S. 206; statt vieler OLG Karlsruhe. Beschluss vom 29.06.2023 – 19 W 79/21 –, juris, Rn. 18; OLG München, Beschluss vom 10.02.2016 – 34 Wx 425/15 –, juris, Rn. 9 f.).
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Anerkannt ist, für die vorliegende Konstellation aber gerade nicht einschlägig, dass dann, wenn eine zunächst zum Erben berufene Erbengemeinschaft ihrerseits „als Ganzes“ eingetragen wird, die nachfolgende, erneute Umschreibung des Eigentums auf den „endgültigen“ Erben nach erfolgter Erbauseinandersetzung nicht mehr gebührenprivilegiert ist (OLG Karlsruhe. Beschluss vom 29.06.2023 – 19 W 79/21 <Wx> –, juris, Rn. 22, m.w. N.; OLG München, Beschluss vom 10.02.2016 – 34 Wx 425/15 –, juris, Rn. 9 f.; Gutfried, in: Bormann/Diehn/Sommerfeldt, GNotKG, 4. Aufl. 2021, KV 14110 KV-GNotKG Rn. 25). So liegt der vorliegende Fall indessen nicht.
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Für die Gebührenprivilegierung nach Nr. 14110 Anm. 1 Satz 1 i. V. m. Satz 2 KV-GNotKG ist nach dem reinen Gesetzeswortlaut nur in zeitlicher Hinsicht eine Antragstellung innerhalb von zwei Jahren seit dem Erbfall erforderlich (hierzu OLG Bamberg, Beschluss vom 23.05.2024 – 10 Wx 13/24 –, juris), sowie in sachlich-personeller Hinsicht die Umschreibung des Grundeigentums vom Erblasser unmittelbar auf einen Erben (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29.06.2023 – 19 W 79/21 –, juris, Rn. 21 ff.; OLG Braunschweig, Beschluss vom 04.01.2018 – 2 W 158/17 –, juris, Rn. 9; OLG Bamberg, Beschluss vom 24.01.2017 – 5 W 1/17 –, juris, Rn. 8).
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Sowohl in Rechtsprechung als auch Literatur ist sodann anerkannt, dass die Art und Weise einer zunächst notwendigen Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft keine Bedeutung entfaltet (vgl. ausdrücklich OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29.06.2023 – 19 W 79/21 –, juris, Rn. 23; OLG Köln, Beschluss vom 20.12.2021 – 2 Wx 314/21 –, juris, Rn. 14; OLG Stuttgart, Beschluss vom 16.07.2015 – 8 W 255/15 –, juris, Rn. 19, m. w. N.; OLG München, Beschluss vom 15.12.2015 – 34 Wx 334/15 –, juris, Rn. 10; Drempetic, in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl. 2021, Nr. 14110 KV-GNotKG Rn. 19; Gutfried, in: Bormann/Diehn/Sommerfeldt, GNotKG, 4. Aufl. 2021, Nr. 14110 KV-GNotKG Rn. 23; Kawell, in: Toussaint, Kostenrecht, 54. Aufl. 2024, Nr. 14110 KV-GNotKG Rn. 24 „Miterbe“; Uh, in: Dörndorfer/Wendtland/Gerlach/Diehn, BeckOK-Kostenrecht, Nr. 14110 KV-GNotKG Rn. 24 <Stand: 01.10.2024>); Wilsch, in: Korintenberg, GNotKG, 22. Aufl. 2022, Nr. 14110 KV-GNotKG Rn. 60 f.).
14
Dem Erstgericht ist zwar darin beizutreten, dass nach der allerdings nur als obiter dictum geäußerten Auffassung eines anderen Beschwerdegerichts bei einem postmortalen Eigentumserwerb mittels einer aufgrund trans- oder postmortaler Vollmacht namens des Erblassers an sich selbst, den (Allein-)Erben, erklärten Auflassung die Gebührenprivilegierung nicht greifen können soll (so OLG München, Beschluss vom 04.08.2016 – 34 Wx 110/16 –, juris, Rn. 29).
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In der vorgenannten Entscheidung hat sich das befasste Beschwerdegericht gleichwohl allein mit der Frage befasst, ob und inwieweit für eine Eigentumsumschreibung von Grundeigentum aufgrund einer Auflassung, wenn auch nach vorherigem Eintritt eines Erbfalls, die Gebührenprivilegierung gelten könnte, die als solche aber überhaupt nicht verfahrensgegenständlich gewesen war. Die im vorgenannten obiter dictum angestellte Erwägung, dass es in einem solchen Fall deshalb keine Gebührenprivilegierung gebe, weil der neue Grundstückeigentümer infolge der erklärten Auflassung und eben nicht (nur) infolge der Erbenstellung zum Grundstückseigentum gelangt sei, erscheint schon im Lichte des Regelungszwecks der Gebührenprivilegierung bei notwendiger Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft weder zwingend noch geboten. Zudem liegt der vorliegende Fall auch schon deshalb anders, weil eben nicht der überlebende Alleinerbe die Auflassung des dem Verstorbenen gehörende Miteigentumsanteil an einem Grundstück an sich selbst kraft einer solchen Vollmacht erklärt hat. Die Übertragung des obiter dictums auf die Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft mit der Folge, dass es für diese einen gebührenrechtlichen Unterschied auslösen würde, ob etwa im Wege der Erbteilübertragung oder des (Teil-)Erbverzichts einerseits oder durch Auflassung das zum Nachlass gehörende Grundstückseigentum übertragen wird, findet weder in der Begründung des Gesetzesentwurfs selbst noch anderweitig eine Stütze.
16
Anerkannt ist vielmehr, dass selbst eine Eigentumsumschreibung aufgrund einer zwischen den Miterben erklärten Auflassung dann gebührenprivilegiert ist, wenn die Auflassung der Erfüllung eines Vorausvermächtnisses dient (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 04.01.2018 – 2 W 158/17 –, juris, Rn. 9; OLG München, Beschluss vom 15.12.2015 – 34 Wx 334/15 –, juris, Rn. 8, 17 f.; OLG Stuttgart, Beschluss vom 16.07.2015 – 8 W 255/15 –, juris, Rn. 17).
17
Für eine Beschränkung der Anwendung der Gebührenprivilegierung des Nr. 14110 Anm. 1 Satz 2 KV-GNotKG dergestalt, dass es, wie im Falle der Gebührenprivilegierung des Nr. 14110 Anm. 1 Satz 1 KV-GNotKG explizit auf eine Umschreibung aufgrund der Erbschaft als solche ankäme, besteht weder Anlass noch Möglichkeit (vgl. OLG Braunschweig, 04.0.1.2018 – 2 W 158/17 –, juris, Rn. 10). Im Kern würde dies dazu führen, dass dem Grunde nach entweder doch nur die noch nicht auseinandergesetzte Erbengemeinschaft selbst „anlässlich des Erbfalls“ gebührenfrei eingetragen werden könnte oder im Zuge der Auseinandersetzung doch ohne jeglichen Mehrwert für die Rechtssicherheit und Rechtsklarheit anhand des Grundbuchs in der Gestaltung der Auseinandersetzung darauf geachtet werden müsste, dass gerade kein rechtsgeschäftlicher Übertragungsakt am Grundstückseigentum vorgesehen wird (in diese Richtung schon OLG Bamberg, Beschluss vom 24.01.2017 – 5 W 1/17 –, juris, Rn. 8 f.).
18
Ebenfalls unerheblich für die Gebührenprivilegierung nach Nr. 14110 Anm. 1 Satz 2 KV-GNotKG ist, ob und inwieweit die nicht gebührenrechtlich relevante Bestimmung des § 35 Abs. 1 GBO und deren Voraussetzungen erfüllt sind.
19
Insoweit ist daran zu erinnern, dass § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO als (enge) Ausnahmevorschrift allein vom Nachweis der Erbenstellung durch Erbschein in den konkret benannten Fällen der Erbenberufung ausgeht und in keiner Weise Vorgaben für die Gebührenprivilegierung nach Nr. 14110 Anm. 1 KV-GNotKG vorsieht, wie gegenläufig auch die Tatbestände der Gebührenprivilegierung ihrerseits keinerlei Vorgaben für den Nachweis der als solche einzig geforderten Erbenstellung des neuen Grundstückseigentümers umfassen (vgl. Wilsch in: Korintenberg, GNotKG, 22. Aufl. 2022, Nr. 14110 KV-GNotKG Rn. 57).
20
Die vom Erstgericht herangezogene früher vertretene Auffassung in der Literatur (Hey'l, in: Korintenberg, GNotKG, 19. Aufl. 2013, Nr. 14110 KV-GNotKG Rn. 45) erwähnt zwar eine notwendige Zugehörigkeit des Erwerbs zum Kreis der Miterben als der durch Erbnachweis ausgewiesenen Gesamtrechtsnachfolger, lässt aber insoweit keinerlei Engführung auf § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO oder die Art und Weise des Erbnachweises insgesamt erkennen. Zudem wurde auch schon „damals“ weitergehend angenommen, dass es für die Gebührenprivilegierung gerade nicht auf Art und Weise der Erbauseinandersetzung der Erbengemeinschaft ankommen soll (Hey'l, in: Korintenberg, GNotKG, 19. Aufl. 2013, Nr. 14110 KV-GNotKG Rn. 46).
21
Entsprechend hätte allenfalls die Eintragung der Auflassung selbst mangels notwendigen Nachweises der Erbenstellung der Mitglieder der Erbengemeinschaft, welche diese gegenüber der Beschwerdeführerin als Erwerberin des Grundstücks erklärt hat, zurückgewiesen werden können (vgl. insoweit z. B. OLG Hamm, Beschluss vom 10.01.2013 – 15 W 79/12 –, juris, Rn. 13). Für die gebührenrechtliche Privilegierung indessen spielt die Form des (erbrachten) Erbnachweises keine Rolle (vgl. ausdrücklich Wilsch, in: Korintenberg, GNotKG, 22. Aufl. 2022, Nr. 14110 KV-GNotKG, Rn. 57).
III.
22
Die Entscheidung ist wie auch das Verfahren selbst gerichtsgebührenfrei (§ 81 Abs. 8 Satz 1 GNotKG), Kosten und Auslagen werden nicht erstattet (§ 81 Abs. 8 Satz 2 GNotKG).