Titel:
Folgeantrag Äthiopien, Abschiebungsverbot verneint bei Zöliakie/Glutenunverträglichkeit
Normenketten:
AsylG § 71
AufenthG § 60 Abs. 5 und Abs. 7 S. 1
Schlagworte:
Folgeantrag Äthiopien, Abschiebungsverbot verneint bei Zöliakie/Glutenunverträglichkeit
Fundstelle:
BeckRS 2025, 3598
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Gründe
1
Der Antragsteller, äthiopischer Staatsangehöriger mit Volkszugehörigkeit der Oromo, begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen einen Bescheid des Bundesamts vom 30.01.2025, mit dem sein Asylfolgeantrag als unzulässig abgelehnt wurde.
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Das Asylerstverfahren des Antragstellers ist rechtskräftig negativ abgeschlossen (vgl. B 7 K 19.31087 – U.v. 20.11.2019). Auch die Asylverfahren der Eltern des Antragstellers und seines Geschwisters sind ohne Erfolg geblieben (vgl. B 7 K 17.32066 – U.v. 20.11.2019 und B 7 K 17.32189 – U.v. 20.11.2019).
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Am 29.03.2022 wurde für den Antragsteller durch den Bevollmächtigten ein Folgeantrag gestellt. Vorgelegt wurde zwei ärztliche Atteste vom 10.06.2021 und 14.07.2021 mit den Diagnosen Zöliakie, Anämie, Hepatopathie und Wachstumsstörung.
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Nach dem Attest vom 14.07.2021 habe sich der Antragsteller 11/2020 erstmalig in der kindergastroenterologischen Betreuung befunden und sich nun im Juli 2021 erneut zu einer Verlaufskontrolle vorgestellt. Im November 2020 sei eine Zöliakie diagnostiziert worden. Es handele sich um eine Autoimmunerkrankung, bei der eine Glutenaufnahme zu einer schweren Entzündung des Dünndarms und auch anderer Organe führe. Die einzige Therapie bestehe in einer strikten lebenslangen glutenfreien Kost. Eine andere Therapie sei nicht möglich, eine kausale Behandlung existiere nicht, die Diagnose sei lebenslang. Die Aufnahme von Gluten führe bereits in kleinsten Mengen zu einem Aufflammen der Autoimmunreaktion. Sei eine strenge Diät nicht dauerhaft möglich, komme es unweigerlich zu lebensbedrohlichen Konsequenzen. Die Entzündung im Dünndarm führe zur Mangelernährung, zur unzureichenden Nährstoffaufnahme bis hin zum Eiweißverlust. Folgen seien Gewichtsabnahme, Eisenmangel, Wachstumsstörungen, chronischer Durchfall, Erbrechen und nach Jahren auch bösartigen Tumoren des Dünndarms, sog. Lymphome. Eine Autoimmunerkrankung sei aber auch eine Erkrankung des ganzen Organismus und so träten bei Zöliakie-Patienten ohne strenge Diät gesundheitliche Störungen an vielen möglichen Organsystemen auf (Leberbeteiligung, Gelenksentzündungen, Zahnschmelzdefekte, neurologische Störungen, Unfruchtbarkeit, Osteoporose…).
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Der Antragsteller habe bei Diagnosestellung an einer schweren Blutarmut (Anämie) durch Eisenmangel, einer Wachstumsstörung und einer Gewichtsabnahme gelitten. Zusätzlich habe sich eine erhebliche Erhöhung der Leberwerte als Zeichen eines Leberzellschadens gezeigt. All dies passe zu den Symptomen der Zöliakie. Nach sieben Monaten glutenfreier Diät hätten sich die Blutwerte gebessert, das Längenwachstum und eine Gewichtszunahme habe wieder eingesetzt. Eine strikte glutenfreie Ernährung müsse aus medizinischer Sicht zwingend lebenslang sichergestellt sein. Sei dies nicht der Fall, komme es unweigerlich zu einer lebensbedrohlichen Gesundheitsverschlechterung.
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In dem Attest vom 10.06.2021 wird ebenfalls ausgeführt, dass Patienten mit einer Zöliakie ein Leben lang überwacht werden und die Diät konsequent einhalten müssten. Dies erscheine der Gemeinschaftspraxis unter Flüchtlingsbedingungen nicht durchführbar, wenn nicht gar unmöglich und damit als eine akute Gefährdung des Kindes um Leib und Leben. Es sei aus medizinischer Sicht dringend erforderlich, dass der Antragsteller die Möglichkeit bekomme, einen Aufenthalt hier zu erhalten und damit die Möglichkeit, ein gesundes Leben zu führen.
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Mit Bescheid vom 30.01.2025 lehnte das Bundesamt den Folgeantrag als unzulässig ab (Nr. 1). Weiter wurde der Antrag auf Abänderung des Bescheides vom 28.07.2017 bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG abgelehnt (Nr. 2).
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Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antrag sei unzulässig, da die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nicht vorlägen. Ein Asylantrag sei unzulässig, wenn im Falle eines Folgeantrages nach § 71 AsylG ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen sei (§ 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG). Ein weiteres Asylverfahren sei gemäß § 71 Abs. 1 AsylG nur dann durchzuführen, wenn neue Elemente oder Erkenntnisse zutage getreten oder vom Ausländer vorgebracht worden seien, die mit erheblicher Wahrscheinlichkeit zu einer für den Ausländer günstigeren Entscheidung beitragen, oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO gegeben seien und der Ausländer ohne eigenes Verschulden außerstande gewesen sei, die Gründe für den Folgeantrag im früheren Asylverfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen. Neu seien Elemente oder Erkenntnisse, die nach rechtskräftigem Abschluss des vorangegangenen Verfahrens entstanden oder zutage getreten seien. Als neu gälten zudem solche Elemente oder Erkenntnisse, die bereits vor Abschluss dieses Verfahrens existierten, aber bisher weder vom Antragsteller geltend gemacht, noch vom Bundesamt berücksichtigt worden seien. Elemente seien Angaben des Antragstellers zu den Gründen für seinen Asylantrag und sämtliche ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen und Belege. Zu den Elementen zählten auch Angaben zum Alter, zu familiären und sozialen Verhältnissen, zur Identität, zur Staatsangehörigkeit, zu früheren Asylanträgen und Reisewegen. Erkenntnisse seien Informationen, die vom Antragsteller oder vom Bundesamt erlangt oder festgestellt würden und sich auf die Situation des Antragstellers oder auf die Situation im Herkunftsland bezögen.
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Für den Antragsteller sei eine Glutenunverträglichkeit und eine Wachstumsstörung unter Vorlage ärztlicher Unterlagen vorgetragen worden. Dies sei im Erstverfahren nicht geltend gemacht worden.
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Zudem müssten die neuen Elemente oder Erkenntnisse mit erheblicher Wahrscheinlichkeit zu einer für den Ausländer günstigeren Entscheidung beitragen. Hierfür sei erforderlich, dass der neue Sachvortrag die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Zuerkennung internationalen Schutzes betreffe und somit Elemente enthalte, auf die eine Schutzgewährung begründen könnten. Der Antragsteller müsse einen schlüssigen, aus sich heraus bereits verständlichen Sachvortrag präsentieren, aus dem sich entweder ein Bezug auf die Kernelemente der vorangegangenen Entscheidung ergebe, indem eine Änderung dargelegt werde, oder der Elemente enthalte, die Kernelemente einer neuen Entscheidung werden könnten, indem ein neuer Sachverhalt dargelegt werde.
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Dabei sei der erheblich wahrscheinliche Beitrag zu einer günstigeren Entscheidung anzunehmen, wenn der neue Sachvortrag bei abstrakter Betrachtung die Voraussetzungen einer Schutzgewährung erfüllen könne. Die neuen Elemente oder Erkenntnisse trügen somit nicht erst dann zu einer günstigeren Entscheidung bei, wenn dem konkreten Antragsteller aufgrund beachtlich wahrscheinlicher Verfolgung oder eines beachtlichen wahrscheinlichen ernsthaften Schadens Schutz zuzuerkennen wäre, sondern bereits dann, wenn der neue Sachvortrag für sich genommen bei einer Person aus dem relevanten Herkunftsland die Qualität habe, nunmehr zu einer Zuerkennung internationalen Schutzes führen zu können – gleichwohl aus einer vollständigen Prüfung aller Aspekte des individuellen Einzelfalls unter Berücksichtigung des anzulegenden Wahrscheinlichkeitsmaßstabs ein anderes Ergebnis resultieren könne. Diese Prüfung sei jedoch einem weiteren Asylverfahren vorbehalten.
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Beim Antragsteller seien diese Voraussetzungen nicht gegeben. Aus seinem Vorbringen sei ein erheblich wahrscheinlicher Beitrag zu einer günstigeren Entscheidung nicht zu erkennen. So bezögen sich die Gründe für den Antragsteller ausschließlich auf gesundheitliche Belange.
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Die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG seien im vorliegenden Fall ebenfalls nicht gegeben. Das Bundesamt habe im ersten Asylverfahren unanfechtbar festgestellt, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG nicht bestünden. Es sei im Rahmen einer erneuten Befassung mit § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG im Folgeantragsverfahren zunächst zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 51 VwVfG vorliegen.
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Gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VwVfG müssten sich entweder die Sach- oder Rechtslage zu Gunsten des Antragstellers geändert haben (Nr. 1) oder neue Beweismittel vorliegen, die eine für ihn günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (Nr. 2) oder Wiederaufnahmegründe nach § 580 Zivilprozessordnung (ZPO) bestehen (Nr. 3).
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Zu Gunsten des Antragstellers sei eine Änderung i.S.v. § 51 Abs. 1 VwVfG, wenn sie zum einen solche Umstände betreffe, die für die bestandskräftige Entscheidung tatsächlich maßgeblich gewesen seien, und zum anderen eine günstigere Entscheidung erfordere oder doch ermögliche. Dies sei dann gegeben, wenn die gleiche Entscheidung aufgrund der Änderung nicht erneut ergehen würde.
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Weiterhin sei der Antrag nach § 51 Abs. 2 und 3 VwVfG nur zulässig, wenn der Antragsteller ohne grobes Verschulden außerstande gewesen sei, den Grund für das Wiederaufgreifen im früheren Verfahren geltend zu machen und er den Antrag binnen drei Monaten nach Kenntnis des Wiederaufgreifensgrundes gestellt habe.
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Aus den eingereichten ärztlichen Bescheinigungen ergebe sich eine solche Änderung nicht. Ausweislich des Attests vom 14.07.2021 hätten sich die Leiden hinsichtlich Anämie, Hepatopathie und Wachstumsstörung nach der Feststellung, dass beim Antragsteller eine Glutenunverträglichkeit vorliege und seitdem eine entsprechende glutenfreie Ernährung erfolge, wieder verbessert bzw. normalisiert.
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Es sei nicht ersichtlich, dass für den Antragsteller eine weiterhin notwendige glutenfreie Ernährung – bei einer gemeinsamen Rückkehr im Familienverband – im Heimatland nicht verfügbar und erreichbar wäre. Davon abgesehen werde hinsichtlich des Lebensunterhalts auf die Ausführungen im Urteil des VG Bayreuth – B 7 K 19.31087, S. 6 verwiesen.
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Gründe, die unabhängig von den Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG eine Abänderung der bisherigen Entscheidung zu § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG gemäß § 49 VwVfG rechtfertigen würden, lägen ebenfalls nicht vor. Für den Antragsteller seien keine hinreichenden Umstände vorgetragen, die zu einem vom Erstverfahrensbescheid abweichenden Ergebnis bezüglich der Feststellung von Abschiebungsverboten im Sinne des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG führen könnte. Auf die weitere Begründung wird verwiesen.
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Am 17.02.2025 hat der Bevollmächtigte für den Antragsteller Klage gegen den Bescheid vom 30.01.2025 erhoben. Zugleich wurde beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
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Für den Antragsteller sei eine Glutenunverträglichkeit und Wachstumsstörung unter entsprechender Vorlage ärztlicher Unterlagen vorgetragen worden. Dies habe im Erstverfahren nicht geltend gemacht werden können, weil es noch nicht bekannt gewesen sei. Aus den vorgelegten Attesten sei ersichtlich, dass der zwischenzeitlich ... -jährige Antragsteller unter Zöliakie leide, die erst zum Jahresende 2020 diagnostiziert worden sei. Es handele sich um eine immunologisch bedingte Systemerkrankung mit Enteropathie, die unbehandelt zu Nährstoffdefiziten, Wachstumsstörungen, Osteoporose und anderen Komplikationen führe. Dies sei eine schwere Autoimmunerkrankung, bei der, wenn nicht lebenslang eine strenge Diät durchweg eingehalten werden können, lebensbedrohliche Konsequenzen drohten. Die behandelnden Ärzte gingen davon aus, dass die erforderliche lückenlose Einhaltung der erforderlichen Diät im Heimatland des Antragstellers Äthiopien nicht gewährleistet werden könne. Dies sei dann aber sofort lebensbedrohlich. Es sei vollkommen unverständlich, dass die Antragsgegnerin diese Situation verkenne. Das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiege das öffentliche Vollzugsinteresse deutlich.
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Mit Schriftsatz vom 18.02.2025 beantragt das Bundesamt für die Antragsgegnerin, den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung bezieht sich die Antragsgegnerin auf die angefochtene Entscheidung.
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Im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakten (auch diejenigen des Asylerstverfahrens des Antragstellers und seiner Angehörigen) verwiesen.
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1. Der zulässige Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat in der Sache keinen Erfolg. Gemäß § 71 Abs. 4 i.V.m. § 36 Abs. 4 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet bzw. die Vollziehung nur ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafürsprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris).
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Gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist, wenn ein Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags erneut einen Asylantrag (Folgeantrag) stellt, ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn neue Elemente oder Erkenntnisse zutage getreten oder vom Ausländer vorgebracht worden sind, die mit erheblicher Wahrscheinlichkeit zu einer für den Ausländer günstigeren Entscheidung beitragen, oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO gegeben sind und der Ausländer ohne eigenes Verschulden außerstande war, die Gründe für den Folgeantrag im früheren Asylverfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.
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Nach diesen Maßstäben kann der Bescheid des Bundesamts vom 30.01.2025 rechtlich nicht beanstandet werden. In der Sache selbst schließt sich das Gericht zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen den Gründen des angefochtenen Bescheides an, der von zutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgeht und zu einer rechtsfehlerfreien Bewertung des Vortrags im Folgeverfahren gelangt (§ 77 Abs. 3 AsylG analog). Ergänzend ist zur Sache sowie zum Antragsvorbringen das Folgende auszuführen:
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a) Es trifft zu, dass der Vortrag im Folgeverfahren keinen Bezug zu (Asyl-)Gründen im Sinne der §§ 3, 4 AsylG aufweist. Insoweit hat das Bundesamt zu Recht davon abgesehen, ein Folgeverfahren durchzuführen.
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b) In Bezug auf die angeführten gesundheitlichen Gründe gilt für den vorliegenden Eilantrag ebenfalls der Maßstab, dass – für das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs im Rahmen des einschlägigen Verfahrens nach § 123 Abs. 1 VwGO – maßgeblich ist, ob ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der von Bundesamt getroffenen Entscheidung bestehen (vgl. BeckOK AuslR/Dickten AsylG § 71 Rn. 38).
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Dies trifft hier nicht zu. Aller Voraussicht nach kann vielmehr die Verneinung von Abschiebungsverboten im Bescheid vom 30.01.2025 rechtlich nicht beanstandet werden.
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Für den Antragsteller wurde zwar glaubhaft gemacht, dass er unter einer Zöliakie leidet, doch ist nicht erkennbar, dass bei „Rückkehr“ des Antragstellers nach Äthiopien die im Rahmen von § 60 Abs. 5 und/oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG anzulegende (Gefahren-) Schwelle erreicht würde.
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Bei der Zöliakie bzw. Glutenunverträglichkeit, unter der der Antragsteller leidet, handelt es sich um eine chronische Erkrankung der Dünndarmschleimhaut aufgrund einer Überempfindlichkeit gegen das in vielen Getreidesorten vorkommende Kleberprotein Gluten. Die einzige Behandlung der Zöliakie ist eine strikte lebenslängliche glutenfreie Ernährung. Die Zöliakie gehört zu den wenigen Krankheiten, die ausschließlich diätetisch behandelt werden können. Dafür ist eine eingehende professionelle diätetische Schulung (Ernährungsberatung) des Patienten und dessen Familie erforderlich. Das Einhalten einer strikten Diät führt zu einer vollständigen Normalisierung der Dünndarmschleimhaut und verhindert Spätkomplikationen (z.B. Osteoporose). Bezüglich der Diät sind alle Getreidearten verboten, die Gluten enthalten (insbesondere Weizen, Gerste, Rogge, Dinkel). Neben dem Weglassen glutenhaltiger Getreidearten ist ein besonderes Augenmerk auf versteckte Gliadinspuren zu richten, wie sie z.B. in Fertiggerichten zu finden sind.
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Eine strikte glutenfreie Diät ist auch bei motivierten, gut geschulten Patienten schwierig einzuhalten. Die Compliance einer glutenfreien Ernährung korreliert mit den Kenntnissen über die Krankheit (vgl. zum Ganzen Zöliakie im Kindesalter, Paediatrica, Vol. 16 No. 3 – 2005).
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Vorliegend wurde die Zöliakie-Erkrankung des Antragstellers bereits gegen Ende 2020 diagnostiziert. Nachdem zwischenzeitlich mehr als vier Jahre vergangen sind, darf davon ausgegangen werden, dass seine Eltern (und mit zunehmendem Alter freilich auch der Antragsteller selbst) die notwendigen Kenntnisse zum Umgang mit dieser Erkrankung verinnerlicht haben, insbesondere sich eben bei der Nahrungsaufnahme nach den ernährungsphysiologischen Empfehlungen der behandelnden Ärzte richten bzw. letztlich auch die gleichsam allgemeingültig bei dieser Art von Erkrankung einzuhaltenden Restriktionen bei der Ernährung beachten, soweit es eben möglich ist.
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Soweit das Bundesamt angenommen hat, dass nicht ersichtlich sei, dass für den Antragsteller eine glutenfreie Ernährung bei gemeinsamer Rückkehr im Familienverband in Äthiopien nicht verfügbar und erreichbar wäre, erweist sich diese Prognose als zutreffend.
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Das mit Abstand wichtigste Nahrungsmittel in Äthiopien ist „Injera“, ein weiches gesäuertes Fladenbrot, da möglichst mit Teff (auch Zwerghirse genannt) gebacken wird. Injera dient vor allem als Unterlage für weitere Speisen. Hülsenfrüchte spielen eine zentrale Rolle in der Alltagsküche der Äthiopier. So werden z.B. Bohnen, Kichererbsen oder Linsen unterschiedlicher Farben in gekochter, teils pürierter Form als Häufchen auf dem Injera serviert. Von zentraler Bedeutung sind ferner Soßengerichte, die mit oder ohne Fleisch serviert werden (vgl. BZfE, Ernährung im Fokus 2019, Essen in Afrika: Äthiopien und Ostafrika).
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Sowohl Teff als auch Hülsenfrüchte sind jedoch frei von Gluten (vgl. etwas utopia.de – Glutenfreie Lebensmittel: Was du bedenkenlos essen kannst (Liste) – hier werden u.a. auch Reis, Mais, Hirse und Buchweizen genannt). Gerade Teff wird in Äthiopien schon seit über 3.000 Jahren konsumiert; Menschen mit Zöliakie bzw. Glutenunverträglichkeit können dieses alte Getreidekorn bedenkenlos zu sich nehmen (vgl. www. …teff).
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Soweit davon berichtet wird, dass Injera teilweise auch auf der Basis anderer (glutenhaltiger) Getreidesorten hergestellt wird, obliegt es zuvorderst den Eltern des Antragstellers, darauf zu achten, dass ihr Sohn nur „geeignetes“ Injera als Mahlzeit erhält.
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Auch im Übrigen ist bei hypothetischer Rückkehr im Familienverbund nicht ersichtlich, dass der Antragsteller mit seinen Angehörigen in eine Situation geraten werde, die die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und/oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt. Dabei ist nicht zuletzt zu würdigen, dass aus den verschiedenen Rückkehr- und Reintegrationsprogrammen ganz erhebliche Leistungen in Anspruch genommen werden können, vgl. https://www. returningfromgermany.de/de/countries/ethiopia/.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).