Inhalt

VG München, Urteil v. 12.11.2025 – M 7 K 25.4005
Titel:

Zulassung zu öffentlicher Einrichtung, Nutzung einer Sportanlage durch Sportverein, Zwei-Stufen-Theorie, Widerruf der Zulassung, Ermessensausfall

Normenketten:
GO Art. 21
GO Art. 32 Abs. 3
GO Art. 37
BayVwVfG Art. 49 Abs. 2
BayVwVfG Art. 28
Schlagworte:
Zulassung zu öffentlicher Einrichtung, Nutzung einer Sportanlage durch Sportverein, Zwei-Stufen-Theorie, Widerruf der Zulassung, Ermessensausfall
Fundstelle:
BeckRS 2025, 35498

Tenor

I. Der Bescheid der Beklagten vom 26. Juni 2025 wird aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass durch die Kündigung des Nutzungsvertrags vom 11. Februar 2015 einschließlich sämtlicher Nachträge sowie der Zuschussvereinbarung vom 4. Dezember 2018 mit Schreiben der Beklagten vom 6. Juni 2025 das öffentlich-rechtliche Nutzungsverhältnis nicht zum 31. Dezember 2025 beendet wird.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger, ein Sportverein, wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten, mit dem die Zulassung zur Nutzung des von ihm genutzten Sportgeländes widerrufen wurde.
2
Mit Schreiben vom 2. Mai 2024 kündigte die Beklagte erstmals den Nutzungsvertrag mit dem Kläger vom 11. Februar 2015 einschließlich sämtlicher Nachträge zum 31. Dezember 2024. Der Kläger erhob daraufhin Klage (M 7 K 24.4620) und stellte einen Eilantrag, dem die Kammer mit Beschluss vom 25. November 2024 (M 7 E 24.6849) stattgab, da das öffentlichrechtliche Nutzungsverhältnis in Bezug auf die öffentliche Einrichtung durch die Kündigung noch nicht als wirksam beendet angesehen wurde.
3
In nichtöffentlicher Sitzung am 27. Mai 2025 beschloss der Stadtrat der Beklagten gemäß den Beschlussvorschlägen in den dort ausgegebenen Tischvorlagen, im Zuge des Verwaltungsverfahrens in Bezug auf den Widerruf der Zulassung zur Nutzung der städtischen Sportanlage an der …straße durch den Kläger den Nutzungsvertrag vom 11. Februar 2015 samt sämtlicher Nachträge sowie die Zuschussvereinbarung vom 4. Dezember 2018 (jeweils zwischen der Stadt und dem Kläger) zum 31. Dezember 2025 zu kündigen (TOP 2 nichtöffentlich) sowie die Verwaltung zu ermächtigen, die Zulassung des Klägers zur Nutzung der städtischen Sportanlage gemäß Art. 49 BayVwVfG zu widerrufen (TOP 3 nichtöffentlich).
4
Am 5. Juni 2025 erhob eine Stadträtin Klage (M 7 K 25.3416) und stellte Antrag auf Erlass einstweiliger Anordnungen (M 7 E 25.3417).
5
Der Kläger erhob am 6. Juni 2025 hiergegen ebenfalls vorbeugend Klage (M 7 K 25.3452) und stellte einen Eilantrag (M 7 E 25.3453).
6
Die Eilanträge wurden mit Beschlüssen jeweils vom 27. Juni 2025 (M 7 E 25.3417 und M 7 E 25.3453) abgelehnt. Die Klage (M 7 K 25.3452) nahm der Kläger später zurück.
7
Mit Schreiben vom 6. Juni 2025 kündigte die Beklagte (höchst vorsorglich erneut) den bestehenden Nutzungsvertrag sowie die bereits abgelaufene Zuschussvereinbarung mit dem Kläger zum 31. Dezember 2025. Gleichzeitig wurde dem Kläger ein neuer Nutzungsvertrag übersandt. Hierzu wurde dem Kläger mitgeteilt, sobald die unterzeichneten Exemplare bei der Beklagten eingegangen seien, werde der dem Kläger bereits zugesandte Entwurf der zukünftigen Zuschussvereinbarung dem Stadtrat zur Beschlussfassung vorgelegt.
8
Mit Bescheid vom 26. Juni 2025 widerrief die Beklagte die Zulassung zur Nutzung des Sportzentrums an der …straße als öffentliche Einrichtung im Sinne des Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GO gemäß Nutzungsvertrag vom 11. Februar 2015 einschließlich sämtlicher Nachträge mit Wirkung zum Ende des Jahres 2025. Der Widerruf betreffe nicht die Teilfläche des Sportzentrums gemäß Vertrag vom 30. Oktober 2012 (Kunstrasenvertrag). Mit Schreiben vom 2. April 2025 habe die Beklagte ein Anhörungsverfahren eingeleitet. Es sei nicht beabsichtigt, den Kläger künftig nicht mehr zur Nutzung des Sportzentrums zuzulassen. Vielmehr solle ein neuer Nutzungsvertrag mit den Inhalten gemäß dem Anhörungsschreiben beigefügten Anlagen abgeschlossen werden und zudem eine entsprechende neue Zulassung gemäß Art. 21 GO zur Nutzung des Sportzentrums erteilt werden, was im Einzelnen weiter ausgeführt wurde. Der Kläger habe sich zum Anhörungsschreiben mit Schreiben vom 25. Februar 2025 und vom 3. Juni 2025 geäußert. Dieser Vortrag sei, soweit es sich um für die Entscheidung erhebliche Tatsachen handele, vor Erlass des Bescheids gewürdigt worden. Außerdem habe der der Kläger eine Hauptsacheklage (M 7 K 25.3452) sowie einen Eilantrag gemäß § 123 VwGO (M 7 E 25.3453) beim Verwaltungsgericht München erhoben und hierzu vorgetragen. Auch der in diesen Verfahren eingebrachte Vortrag sei, soweit es sich um für die Entscheidung erhebliche Tatsachen handele, vor Erlass des Bescheids gewürdigt worden. Der Widerruf beruhe auf Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 BayVwVfG i.V.m. § 12 Nr. 1 Satz 2 des Nutzungsvertrags vom 11. Februar 2015. Wie das Verwaltungsgericht München im Beschluss vom 25. November 2024 (M 7 E 24.6849) ausführe, sei mit dem Zustandekommen des zivilrechtlichen Nutzungsvertrags auch ein öffentlichrechtliches Rechtsverhältnis zustande gekommen, welches parallel zu den zivilrechtlichen Vertragsbeziehungen fortbestehe. Demnach beinhalte die Regelung in § 12 Nr. 1 Satz 2 des Nutzungsvertrags vom 11. Februar 2015 den Vorbehalt, dass neben der Kündigung auch ein Widerruf gemäß Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 BayVwVfG mit einer Frist von sechs Monaten zum Jahresende vorbehalten worden sei. Der Widerruf sei Grundlage für die beabsichtigte Neuregelung der Nutzung des Sportgeländes. Es sei eine umfassende, konfliktvermeidende Neuregelung erforderlich, die die bisherigen Nutzungsrechte des Klägers abgestimmt mit Nutzungsrechten Dritter reduziere und modifiziere. Erforderlich sei ungeachtet von Nutzungsrechte Dritter auch eine – wie beschrieben – adäquate Modifizierung/Änderung der Nutzungsmöglichkeiten auf Grundlage der seit 2015 stattgefundenen Entwicklungen, für die eine bloße sachlich/inhaltliche Reduzierung im Wege eines Teilwiderrufs ungeeignet sei. Es bedürfe der genannten inhaltlichen Änderungen, die in einem neuen Nutzungsverhältnis nach Art. 21 GO (und in einem neuen zivilrechtlichen Nutzungsvertrag) geregelt werden müssten. Dem Kläger werde das beabsichtigte, künftig reduzierte und modifizierte Nutzungsrecht mittels Neuzulassung im Sinne des Art. 21 GO (sowie Abschluss eines neuen Nutzungsvertrags) verbindlich in Aussicht gestellt, wenn dieser innerhalb eines von ihm selbst wählbaren Zeitraums bis Ende 2025 die neuen vertraglichen Regelungen abschließe und einen entsprechenden Antrag zur neuen Nutzung des Geländes im Sinne von Art. 21 GO stelle. Das beabsichtigte Vorgehen sei erforderlich, da das bislang bestehende Rechtsverhältnis nicht mit milderen Mitteln neu geregelt werden könne. Die rechtliche Situation sei vergleichbar mit einer zivilrechtlichen Änderungskündigung. Substantiierter Vortrag, dass dies für den Kläger nicht zumutbar, gar existenzgefährdend wäre, sei nicht erbracht und sei auch sonst nicht ersichtlich. Vielmehr sei das beabsichtigte Vorgehen der Beklagten nach umfassender Abwägung der berechtigten Interessen anderer gemeinnütziger Vereine sowie der städtischen Belange gegenüber den Interessen des Klägers angemessen. Die damit für den Kläger verbundenen Nachteile seien mit Blick auf die verbindlich in Aussicht gestellten Neuregelungen moderat. Es bestehe kein Recht auf dauerhafte, nie mehr reduzierbare und modifizierbare Nutzung einer Einrichtung nach Art. 21 GO. Der Einwand des Klägers gemäß Schreiben an das Verwaltungsgericht vom 10. Juni 2025 sei unzutreffend. Der Widerruf ziehe nicht die Rückzahlung „staatlicher“ Fördergelder nach sich. Tatsächlich sei der Vertrag über eine Teilfläche vom 30. Oktober 2012 (Kunstrasenvertrag), der Fördermittel für die Errichtung des Kunstrasenplatzes tangiere, vom Widerruf nicht betroffen. Die offenbar 25-jährige Bindefrist für die Förderung der Investitionskosten sei mit der 25-jährigen Laufzeit des Vertrags vom 30. Oktober 2012 gewürdigt worden. Dieser habe laut Präambel des Nutzungsvertrags vom 11. Februar 2015 für 25 Jahre Bestand haben sollen. Demnach enthalte § 12 Nr. 1 Satz 2 des Nutzungsvertrags vom 11. Februar 2015 keinen Widerrufsvorbehalt gemäß Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 BayVwVfG für diese Teilfläche.
9
Am 4. Juli 2025 erhob der Kläger Klage und stellte einen weiteren Eilantrag (M 7 E 25.4006), welchen er später wieder zurücknahm. Der Kläger trägt vor, die Verwaltungsleitung der Beklagten habe den Stadtrat durch falsche Informationen und Verschweigen von wichtigen Informationen manipuliert. Es sei in der Stadtratssitzung auch gezielt die falsche Behauptung aufgestellt worden, der Kläger hätte kein Mitwirken gezeigt und somit die tatsächlichen Gegebenheiten verschwiegen. Mit derartigen Unterstellungen sei ein größerer Teil der Stadtratsmitglieder gegen den Kläger aufgebracht worden. Die Beschlüsse hätten in der öffentlichen Sitzung gefasst werden müssen, da ebenso wie bereits in der Stadtratssitzung vom 23. April 2024 keine Beeinträchtigung von sensiblen personenbezogenen Daten vorgelegen habe. Es würden dem Gericht wichtigste Dokumente vorenthalten. Der Kläger habe in dem Gespräch mit dem Amtsleiter anlässlich der Akteneinsicht am 30. April 2025 erneut seine Sichtweise dargelegt. Dies sei in den Akten nicht enthalten. Der Amtsleiter habe in der Stadtratssitzung am 27. Mai 2025 den Stadtrat erneut wissentlich mit falschen Behauptungen auf seine Seite gezogen. Den Stadträten seien rechtswidrig sämtliche Unterlagen im Vorfeld der nichtöffentlichen Sitzung verweigert worden. Die rechtswidrigen Handlungen der Beklagten alleine in der Sitzung vom 27. Mai 2025 würden in Feststellungsanträgen aufgelistet, was im Folgenden im Einzelnen ausgeführt wurde.
10
Der Kläger beantragt zuletzt,
I. Der Bescheid der Beklagten vom 26. Juni 2025 wird aufgehoben.
II. Es wird festgestellt, dass durch die Kündigung des Nutzungsvertrags vom 11. Februar 2015 einschließlich sämtlicher Nachträge sowie der Zuschussvereinbarung vom 4. Dezember 2018 mit Schreiben der Beklagten vom 6. Juni 2025 das öffentlichrechtliche Nutzungsverhältnis nicht zum 31. Dezember 2025 beendet wird.
11
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
12
Sie trägt hierzu mit Schriftsatz vom 4. November 2025 vor, inhaltlich habe der Kläger gegen den Widerrufsbescheid nichts Substantielles vorgetragen. Soweit ersichtlich habe der Kläger zum Anhörungsschreiben trotz dessen ausführlichen Inhalts nicht Stellung genommen. Es werde auch nicht erläutert, welche Behauptungen aus welchem Grund falsch gewesen seien. Gleiches gelte für die „Vielzahl von wichtigen Unterlagen“, die nach dem Klägervortrag nicht vorgelegt worden seien. Im Widerrufsbescheid habe die Beklagte sämtliches ihr bekanntes Material in ihrer Abwägungs- und Ermessensentscheidung berücksichtigt und hinreichend gewürdigt. Weiter wurde zur Vorgeschichte ausgeführt. Die weiteren vier städtischen Sportanlagen wiesen nicht die Kapazität auf, um den Trainings- und Spielbetrieb der … … sicherstellen zu können. Diese benötigten einen eigenen Trainingsplatz mit permanenter Nutzung von drei Umkleiden mit Duschen sowie einen Besprechungsraum. Diese Kapazitäten könnten lediglich auf der städtischen Sportanlage an der …straße (Gelände des Klägers) zur Verfügung gestellt werden. Dies sei möglich, ohne den sportlichen Betrieb des Klägers zu gefährden. In den vergangenen Jahren hätte sich (bis 2025) immer wieder gezeigt, dass eine direkte Abstimmung zwischen dem Kläger und den … … nicht zielführend sei. Am 25. März 2024 sei der Sachvortrag mit allen Informationen zum neuen Nutzungskonzept der städtischen Sportanlagen samt neuer Nutzungsverträge im Entwurf dem Kläger erneut zugesendet worden. Am 11. April 2024 habe ein Gespräch mit dem Präsidenten des Klägers, der Stadträtin Frau … …, dem Stadtrat Herrn … und Vertretern der Stadtverwaltung stattgefunden. In diesem Gespräch habe der Präsident des Klägers Änderungswünsche am Vertragsentwurf geäußert, welche allerdings keine Berücksichtigung mehr hätten finden können, da die Sitzungsunterlagen für die Stadtratssitzung am 23. April 2024 bereits versendet gewesen seien. In der Stadtratssitzung sei nochmals unter anderem über die Verhältnismäßigkeit der dem Kläger verbleibenden Flächen und Räumlichkeiten in Bezug auf die Sportanlage an der …straße diskutiert worden. Auch seien zwei Anträge der Stadträte Frau … … und Herrn …, welche weiterhin fast die gesamte Sportanlage dem Kläger zusprechen sollten, mit großer Mehrheit abgelehnt worden. Letztlich sei mit großer Mehrheit beschlossen worden, die Sportanlage an der …straße entsprechend dem vorgelegten Nutzungskonzept aufzuteilen, entsprechend neue Verträge abzuschließen sowie den bestehenden Nutzungsvertrag mit dem Kläger zu kündigen. Aus diesen Gründen sei die Thematik Kündigung bzw. Widerruf am 23. April 2024 und 27. Mai 2025 dem Stadtrat zum Beschluss vorgelegt worden, obwohl dies kommunalverfassungsrechtlich nicht erforderlich gewesen sei. Es sei hier nicht um konstitutive Stadtratsbeschlüsse gegangen. Gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. d und Nr. 3 Buchst. c der Geschäftsordnung des Stadtrats sei hierzu der Oberbürgermeister zuständig gewesen. Insofern seien die Stadtratsbeschlüsse fakultativer Art gewesen. Der Stadtratsbeschluss am 27. Mai 2025 zu den TOP 2 und 3 (nichtöffentlich) sei zudem mit Blick auf den bereits am 23. April 2024 gefassten Stadtratsbeschluss lediglich deklaratorisch gewesen. Jedenfalls habe bereits am 23. April 2024 der Wille bestanden, das Nutzungsverhältnis zu beenden. Selbst wenn ein Verstoß gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit stattgefunden hätte, wäre der vollzogene Verwaltungsakt nicht fehlerhaft, da ein Stadtratsbeschluss für den Rücknahmebescheid nicht erforderlich gewesen sei. Dessen ungeachtet hätte der bereits am 23. April 2024 gefasste Stadtratsbeschluss auch die Befugnis zum Erlass des Widerrufsbescheids erteilt. Es habe auch kein Ladungsmangel und keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit vorgelegen, was weiter ausgeführt wurde. Auf Verstöße gegen die Geschäftsordnung könne sich der Empfänger des Bescheids jedenfalls nicht berufen.
13
Der Kläger tritt dem mit Schriftsatz vom 11. November 2025 entgegen, insbesondere zu den Vorhalten mangelnder Kooperation bei Überlassungen an die … … durch Vorlage von Schriftverkehr.
14
Mit Urteil vom 12. November 2025 (M 7 K 25.3416) hat die Kammer festgestellt, dass die zu TOP 2 und 3 nichtöffentlich gefassten Beschlüsse des Stadtrats der Beklagten in der Sitzung vom 27. Mai 2025 unwirksam sind. Zudem hat die Kammer mit Urteil vom 12. November 2025 (M 7 K 24.4620) festgestellt, dass durch die Kündigung des Nutzungsvertrags vom 11. Februar 2015 einschließlich sämtlicher Nachträge mit Schreiben der Beklagten vom 2. Mai 2024 das öffentlichrechtliche Nutzungsverhältnis nicht zum 31. Dezember 2024 beendet wurde.
15
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behörden Bezug genommen sowie ergänzend auf die Gerichts- und Behördenakten in den Verfahren M 7 K 24.4620, M 7 E 24.6849, M 7 K 25.3416, M 7 E 25.3417, M 7 K 25.3452, M 7 E 25.3453 und M 7 E 25.4006.

Entscheidungsgründe

16
Die zulässige Klage ist begründet.
17
Der Bescheid der Beklagten vom 26. Juni 2025 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
18
Der Bescheid erweist sich bereits deshalb als rechtswidrig, da der zugrundliegende Stadtratsbeschluss wegen Ladungsmangels unwirksam ist (vgl. VG München, U.v. 12.11.2025 – M 7 K 25.3416). Auch ist von einem Verstoß gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit nach Art. 52 Abs. 2 GO auszugehen (vgl. VG München, U.v. 12.11.2025 – M 7 K 25.3416).
19
Aber auch unabhängig davon erweist sich der Widerrufsbescheid als rechtswidrig, da nicht erkennbar ist, dass der Stadtrat das Widerrufsermessen nach Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 BayVwVfG ausgeübt hat.
20
Von einer Zuständigkeit des Stadtrats für die Widerrufsentscheidung ist auszugehen. Denn gemäß § 9 Nr. 5 Buchst. a der Geschäftsordnung für den Stadtrat Fürstenfeldbruck Wahlperiode 2020 – 2026 (im Folgenden: Geschäftsordnung) ist der Ausschuss für Integration, Soziales, Jugend und Sport zuständig für die Entscheidung über die Art und den Umfang der Benutzung städtischer Sportanlagen und -einrichtungen durch örtliche und auswärtige Vereine oder Privatpersonen sowie die Vergabe der Sportförderungsmittel. Es handelt sich bei diesem Ausschuss um einen beschließenden Ausschuss, welcher die ihm übertragenen Angelegenheiten selbstständig anstelle des Stadtrats im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel entscheidet (vgl. § 9 Abs. 1 Geschäftsordnung, vgl. auch Art. 32 Abs. 3 GO). Nur der Stadtrat selbst kann Entscheidungen, für die ein beschließender Ausschuss zuständig ist, im Einzelfall wieder an sich ziehen. Soweit – wie hier – das öffentlicherechtliche Nutzungsverhältnis in Bezug auf die öffentliche Einrichtung betroffen ist, besteht demgegenüber auch keine Zuständigkeit des Oberbürgermeisters als laufende Angelegenheit (vgl. Art. 37 GO, § 17 Geschäftsordnung). Diese betrifft insoweit (nur) die Vornahme von Rechtsgeschäften und Vertragsabschlüssen (vgl. § 17 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. d und Nr. 3 Buchst. c Geschäftsordnung).
21
Nach Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 BayVwVfG darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung nur widerrufen werden, wenn der Widerruf im Verwaltungsakt vorbehalten ist. Da es sich hierbei um eine Ermessensentscheidung handelt, hat die Behörde ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (Art. 40 BayVwVfG). Bei dem Widerruf hat die Behörde im Rahmen ihrer gebotenen Ermessensausübung grundsätzlich den Schutz des Vertrauens auf den Bestand des Verwaltungsakts mit dem öffentlichen Interesse an seiner Rücknahme abzuwägen.
22
Der Stadtrat der Beklagten hat hier das bestehende Widerrufsermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt.
23
Eine Ermessensunterschreitung im Sinne eines Ermessensausfalls oder Ermessensnichtgebrauchs liegt vor, wenn die Behörde den ihr zustehenden Handlungsfreiraum nicht erkannt und dementsprechend überhaupt kein Ermessen ausgeübt hat (vgl. Riese in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht VwGO, Stand: Februar 2025, § 114 VwGO Rn. 60). Hier ist davon auszugehen, dass die Beklagte nicht erkannt hat, dass ihr bezüglich des Widerrufs der Zulassung zur Nutzung der Sportanlage Ermessen zusteht. Denn wie sich aus dem Vorbringen der Beklagten sowie der Tischvorlage zum TOP 3 nichtöffentlich und dem Sitzungsverlauf ergibt, geht diese der Sache nach davon aus, dass es sich bei dem Beschluss lediglich um die formal richtige Umsetzung des bereits am 23. April 2024 gefassten Beschlusses handeln soll. Die Ausübung des Ermessens wurde auf die Verwaltung übertragen. Eigene Ermessenserwägungen wurden nicht angestellt.
24
Eine Ermessensentscheidung ist weiterhin in der Regel nur dann rechtmäßig, wenn die Behörde den entscheidungserheblichen Sachverhalt zutreffend und vollständig ermittelt und in ihre Erwägungen eingestellt hat (vgl. SächsOVG, U.v. 26.2.2025 – 4 A 566/20 – juris Rn. 31). Auch solches ist hier nicht ersichtlich, denn zum einen werden im Rahmen der Stadtratsentscheidung die Einwendungen des Klägers nicht gewürdigt und zum anderen wird auch auf die Folgen der Kündigung für den Kläger nicht eingegangen. Dieser würde ab dem Januar 2026 sein Trainingsgelände verlieren, wenn er den ihm von der Verwaltung zuletzt angebotenen Vertrag nicht unterzeichnet. Über einen Vertragsneuabschluss hat der Stadtrat aktuell keinen neuen Beschluss gefasst.
25
Zwar hat die Beklagte ein förmliches Anhörungsverfahren des Klägers nachgeholt. Allerdings beschränkt sich der Sachvortrag in der Tischvorlage zur Stadtratssitzung auf die Aussage, dass das Schreiben in keiner Weise auf das Anhörungsschreiben eingegangen sei, sondern nur allgemeine Vorwürfe enthalten habe. Dies trifft indes nicht zu, da der Kläger in diesem Schreiben der Sache nach auch auf die bereits zuvor geltend gemachten Einwendungen („sittenwidriger Vertrag“ – im Hinblick auf die schwerwiegenden finanziellen Folgen für den Kläger), insbesondere auch im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens hingewiesen hat. Zwar hat der Kläger nicht nochmals seine Einwendungen vorgebracht, diese waren aber bereits aus der Vergangenheit bekannt und hätten bei der Entscheidung berücksichtigt werden müssen. So hat der Kläger (auch in den gerichtlichen Verfahren) geltend gemacht, dass der neue Vertrag ihn finanziell massiv beeinträchtigen würde, er habe die Betriebskosten des gesamten Geländes zu tragen, obwohl weitere Vereine die Anlage nutzten, er werde auch zu bisher städtischen Obliegenheiten verpflichtet (Pflege des großen Baumbestands des großen städtischen Geländes, Instandsetzung der erheblich mangelhaften Flutlichtanlage, sowie auch die Sanierung der städtischen Gebäude). Diese Einwendungen sind auch der Sache nach gerechtfertigt. So enthält der Vertragsentwurf in der Fassung, die der Stadtrat am 27. März 2024 beschlossen hat, auch, dass der Kläger neben den Kosten für Schönheitsreparaturen, laufende Instandhaltung und Wartung, Unterhalt und Pflege nunmehr auch die Kosten für die Erneuerung der überlassenen Flächen und Räumlichkeiten übernehmen soll. Die Stadt sollte lediglich diejenigen Reparaturen und Instandsetzungen übernehmen, die zur baulichen Substanzerhaltung notwendig sind (vgl. § 7 Nr. 1 und Nr. 2 dieses Vertragsentwurfs). Insbesondere hat der Kläger dabei geltend gemacht, den Vertrag nicht unterzeichnen zu können, weil ihm der Inhalt der noch abzuschließenden Fördervereinbarung nicht bekannt gegeben wurde. Auch dieser Einwand war gerechtfertigt, da der Kläger mit Vertragsunterzeichnung erhebliche finanzielle Lasten zu tragen hätte, ohne Gewissheit oder überhaupt Kenntnis darüber zu haben, ob bzw. in welcher Höhe er hierfür städtische Fördermittel erhalten werde. Der Kläger sieht dies nachvollziehbar als existenzbedrohend an. Zu den Fördermitteln wurde auch kein Beschluss durch den beschließenden Ausschuss oder den Stadtrat gefasst. Der Kläger verweist weiterhin (bereits im Eilverfahren M 7 E 24.6849) auf hierzu erfolgte Gespräche, zuletzt am 11. April 2024 mit Vertretern der Beklagten, in dem von diesem die aus dem Vertragsentwurf folgenden schwerwiegenden finanziellen Folgen für ihn aufgezeigt wurden. Auch legte der Kläger im Rahmen des Eilverfahrens hierzu eine Gegenüberstellung des Nutzungsvertrags 2015 mit dem Nutzungsvertragsentwurf 2025 (in der damaligen Fassung) im Einzelnen vor. Zuletzt erfolgte ein Gespräch am 30. April 2025 anlässlich der Akteneinsicht der Vertreter des Klägers mit der Verwaltungsleitung der Beklagten im Beisein der Stadträtin … …, in dem die Vertreter des Klägers dessen Probleme bezüglich der Abgabe von Räumlichkeiten, insbesondere des Besprechungsraums darlegten, da ihm kein anderer Raum in dieser Größe zur Verfügung stehe.
26
Soweit die Beklagte anführt, dass der Stadtratsbeschluss am 27. Mai 2025 zu den TOP 2 und 3 (nichtöffentlich) mit Blick auf den bereits am 23. April 2024 gefassten Stadtratsbeschluss lediglich deklaratorisch und nicht erforderlich gewesen sei, wird übersehen, dass die Kammer bereits in ihrem Beschluss vom 25. November 2024 (M 7 E 24.6849) auf das fehlende Anhörungsverfahren zu diesem Zeitpunkt und eine (noch) nicht ersichtliche Ermessensausübung hingewiesen hat. Wegen der Einzelheiten hierzu wird auf diesen Beschluss Bezug genommen. Somit würde auch eine bloße formale Bestätigung des Beschlusses vom 23. April 2024 nicht zur Behebung der dort aufgezeigten Mängel führen.
27
Aber auch selbst wenn eine Übertragung der Ermessensentscheidung auf die Verwaltung zulässig gewesen wäre, geht im Übrigen auch aus dem streitgegenständlichen Bescheid nicht näher hervor, in welcher Weise diese bei dem Widerruf im Rahmen der gebotenen Ermessensausübung den Schutz des Vertrauens des Klägers auf den Bestand des Verwaltungsakts mit dem Interesse der Beklagten und des anderen Nutzungsinteressenten an seiner Rücknahme abgewogen hätte. Die Bescheidsgründe enthalten hierzu nur allgemeine Ausführungen. Zwar wurde dem Kläger von der Verwaltung der Abschluss eines neuen Nutzungsvertrags in Aussicht gestellt, bei dem auch Änderungen bzw. Ergänzungen erfolgt sind, wie z.B. eine Regelung zum Baumschnitt in § 7 Nr. 1 Satz 2 und Ergänzungen in § 7 Nr. 2, sowie eine Klarstellung bezüglich der Nichtbetroffenheit des Kunstrasenplatzes. Dabei ist allerdings bereits nicht ersichtlich, auf welcher Grundlage von der Verwaltung eigene Abweichungen gegenüber der von dem Stadtrat am 27. März 2025 beschlossenen Entwurfsfassung vorgenommen wurden. Zwar wurde auch nunmehr von der Verwaltung der Abschluss einer Zuschussvereinbarung mit dem Kläger in Aussicht gestellt. Allerdings sollte diese ausweislich des Kündigungsschreibens an den Kläger vom 6. Juni 2025 erst nach der Unterzeichnung des neuen Vertrags durch den Kläger dem Stadtrat zur Beschlussfassung vorgelegt werden. Weiterhin bezieht sich der Entwurf der Zuschussvereinbarung ausweislich seines Wortlauts nicht auf eine „Erneuerung“ von Flächen und Räumlichkeiten, die der Kläger nach dem Vertragsentwurf zusätzlich übernehmen soll. Die von dem Kläger dargelegten finanziellen Risiken erscheinen bereits damit als nicht nachvollziehbar ausgeräumt. Zudem drängt sich auf, dass der Kläger im Falle eines Widerrufs der Zulassung zu der Nutzung der gesamten Sportanlage auch den (einzelnen) Kunstrasenplatz nicht mehr sinnvoll nutzen könnte, sodass gleichwohl die Gefahr bestehen könnte, dass der Kläger die dafür erhaltenen Fördergelder zurückzahlen müsste. Im Rahmen der Interessenabwägung sind die finanziellen Folgen des neuen Vertragswerks für den Kläger mit einzubeziehen. Sollten diese zu einer Insolvenz- und Existenzgefahr bei dem Kläger führen, so nach dessen nachvollziehbarem Vortrag, wäre dieser Umstand im Rahmen der Entscheidung jedenfalls zu berücksichtigen.
28
Da sich der streitgegenständliche Bescheid als rechtswidrig erweist, war er aufzuheben.
29
Infolgedessen war weiterhin festzustellen, dass (auch) durch die Kündigung des Nutzungsvertrags vom 11. Februar 2015 einschließlich sämtlicher Nachträge sowie der Zuschussvereinbarung vom 4. Dezember 2018 mit Schreiben der Beklagten vom 6. Juni 2025 das öffentlichrechtliche Nutzungsverhältnis nicht zum 31. Dezember 2025 beendet wird. Zur weiteren Begründung hierzu wird auf das Urteil der Kammer vom 12. November 2025 (M 7 K 24.4620) entsprechend Bezug genommen. Da weiterhin von einem Fortbestehen des öffentlichrechtlichen Nutzungsverhältnisses auszugehen ist, war eine weitere dahingehende Feststellung veranlasst.
30
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
31
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.v.m. §§ 708 ff. ZPO.