Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 20.02.2025 – 204 StObWs 578/24
Titel:

Kein Anspruch des Strafgefangenen auf frühzeitige Mitteilung des Termins einer Ausführung

Normenketten:
StVollzG § 113 Abs. 1, § 115 Abs. 3
BayStVollzG Art. 37, Art. 208
Leitsatz:
Ein Strafgefangener hat gegenüber der Justizvollzugsanstalt grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass diese ihm den Zeitraum einer Ausführung zur Erhaltung der Lebenstüchtigkeit mittel- oder gar langfristig im Voraus mitteilt; die konkrete zeitliche Festlegung unterliegt der Organisationshoheit der Justizvollzugsanstalt. (Rn. 14)
Schlagworte:
Strafvollzug, Antrag, Zulässigkeit, gerichtliche Entscheidung, Justizvollzugsanstalt, Organisationshoheit, Untätigkeitsklage, Vornahmeantrag, Ausführung, Termin, frühzeitige Mitteilung, schutzwürdiges Interesse, Rechtsbeschwerde
Vorinstanz:
LG Regensburg, Beschluss vom 16.10.2024 – SR StVK 452/23
Fundstelle:
BeckRS 2025, 3525

Tenor

1. Die Rechtsbeschwerde des Strafgefangenen R. gegen den Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing vom 16. Oktober 2024 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
2. Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 100 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Am 20.02.2023 stellte der Beschwerdeführer bei der Antragsgegnerin einen Ausführungsantrag, der am 03.03.2023 genehmigt wurde. Dabei wurde ihm mitgeteilt, dass der Zeitpunkt und – so die Antragsgegnerin – die Modalitäten kurzfristig bekanntgegeben werden würden. Daraufhin beantragte er, den Termin so präzise und rechtzeitig wie möglich bekanntzugeben, was unterblieb. Am 17.04.2023 stellte er einen mündlichen Antrag mit dem Ziel der in Wochen eingrenzenden Bekanntgabe des Ausführungstermins. Die Antragsgegnerin teilte ihm daraufhin am selben Tag mit, dass kein Termin benannt werde.
2
Mit Schreiben vom 18.04.2023 stellte der Beschwerdeführer Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit dem Ziel, die Antragsgegnerin umgehend zu verpflichten, seinen mündlichen Antrag vom 17.04.2023 umgehend zu bescheiden.
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Die Antragsgegnerin nahm hierzu mit Schreiben vom 02.05.2023 Stellung und beantragte, den Antrag als unzulässig zu verwerfen, da sein mündlicher Antrag verbeschieden worden sei. Eine nähere Eingrenzung des Zeitraums von zwei Wochen und der groben Modalitäten der Ausführung (z.B. Ausführung erfolgt in der Natur oder Stadt) erfolge erst einige Zeit vor dem Ausführungstermin, da nicht ausschließbar sei, dass bis zur tatsächlichen Durchführung mehrere Wochen bzw. teils auch Monate vergehen.
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Hierauf erwiderte der Antragsteller mit Schreiben vom 10.05.2023 Mit Beschluss vom 16.10.2024 hat die auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing den Vornahme-Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig zurückgewiesen, da die Antragsgegnerin den mündlichen Antrag des Antragstellers ablehnend verbeschieden habe. Ein Anspruch auf einen schriftlichen Bescheid bestehe nicht.
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Gegen diesen ihm am 21.10.2024 zugestellten Beschluss hat der Strafgefangene am 31.10.2024 zur Niederschrift des Amtsgerichts Straubing Rechtsbeschwerde eingelegt, mit der er beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und gemäß seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu entscheiden, hilfsweise die Sache an das Landgericht Regensburg zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. Wegen der Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf die Niederschrift vom 31.10.2024 Bezug genommen Die Generalstaatsanwaltschaft München beantragt mit Schreiben vom 08.11.2024, die Rechtsbeschwerde als unzulässig kostenfällig zu verwerfen.
6
Hierzu hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 21.11.2024 Stellung genommen.
II.
7
Die gemäß Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 118 StVollzG form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil bereits kein zulässiger Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 113 Abs. 1 StVollzG vorliegt und der Strafgefangene diesen Antrag mit seiner Rechtsbeschwerde weiterverfolgt.
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1. Ein zulässiger Antrag auf gerichtliche Entscheidung gehört zu den allgemeinen Verfahrensvoraussetzungen, die nach überwiegender Auffassung im Rechtsbeschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfen sind und deren Fehlen zur Unzulässigkeit der Rechtsbeschwerde führt (st. Rspr. des Senats, vgl. Beschlüsse vom 23.01.2024 – 204 StObWs 578/23 –, juris Rn. 17; vom 28.05.2024 – 204 StObWs 187/24 –, juris Rn. 11; so auch KG, Beschlüsse vom 18.05.2009 – 2 Ws 8/09 Vollz, juris Rn. 6; vom 01.02.2017 – 2 Ws 253/16 Vollz, juris Rn. 8; vom 25.09.2017 – 2 Ws 145/17 Vollz, juris Rn. 5; OLG Koblenz, Beschluss vom 23.06.2010 – 2 Ws 184/10 (Vollz) –, juris Rn. 11; Laubenthal in Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, StVollzG, 7. Auflage 2020, 12. Kap., Abschn. J, Rn. 3).
9
Der vom Strafgefangenen erstinstanzlich gestellte Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist – wie die Strafvollstreckungskammer zutreffend angenommen hat – unzulässig. Der Beschwerdeführer hat seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung ausdrücklich auf § 113 StVollzG gestützt. Zulässigkeitsvoraussetzung einer Untätigkeitsklage gemäß § 113 Abs. 1 StVollzG ist aber, dass die Justizvollzugsanstalt es unterlassen hat, eine beantragte Maßnahme innerhalb einer bestimmten Frist zu verbescheiden (vgl. Arloth, in Arloth/Krä, 5. Aufl. 2021, StVollzG § 113 Rn. 1; BeckOK Strafvollzug Bund/Euler, 26. Ed. 01.08.2024, StVollzG § 113 Rn. 1). Dies ist nicht der Fall, da die Antragsgegnerin den mündlich gestellten Antrag des Strafgefangenen vom 17.04.2023, der darauf gerichtet war, ihm den Ausführungstermin umgehend nach Wochen eingrenzbar bekanntzugeben, also beispielsweise mitzuteilen, dass dieser zwischen der 30. und 31. Kalenderwoche stattfinden wird, am selben Tag abschlägig verbeschieden hat, indem sie mitgeteilt hat, dass kein Termin benannt werde.
10
Der Gefangene kann auch nicht mittels Vornahmeantrag einen weiteren Bescheid (Zweitbescheid) erzwingen (Arloth, in Arloth/Krä, a.a.O., StVollzG § 113 Rn. 1 m.w.N.; BeckOK Strafvollzug Bund/Euler, a.a.O., StVollzG § 113 Rn. 1).
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2. Die Rechtsbeschwerde wäre überdies jedenfalls offensichtlich unbegründet (§ 119 Abs. 3 StVollzG).
12
a) Die Strafvollstreckungskammer war nicht gehalten, den in Strafvollzugssachen überaus erfahrenen Strafgefangenen auf die Unzulässigkeit seines Antrags hinzuweisen oder auf eine Umstellung des Antrags hinzuwirken. Vor allem war für einen Fortsetzungsfeststellungsantrag nach § 115 Abs. 3 StVollzG kein Raum. Denn ein solcher setzt voraus, dass der ursprünglich gestellte Antrag auf gerichtliche Entscheidung zulässig war (vgl. Arloth, in Arloth/Krä, a.a.O., StVollzG § 115 Rn. 10 m.w.N.; BeckOK Strafvollzug Bund/Euler, a.a.O., StVollzG § 115 Rn. 13 m.w.N.). Der Vornahmeantrag nach § 113 Abs. 1 StVollzG war aber von vornherein unzulässig und konnte sich somit nicht durch spätere Ereignisse erledigt haben.
13
b) Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers hat die Strafvollstreckungskammer ihm durch die Abweisung seines Antrags als unzulässig den Rechtsweg nicht abgeschnitten. Soweit er vorbringt, die Stellung eines Verpflichtungsantrags, die Ausführung an einem bestimmten Tag durchzuführen, würde stets leerlaufen, da die Anstalt jeweils organisatorische Gründe vorbringen könnte, weshalb der erstrebte Ausführungstag nicht in Frage komme, mag dies zutreffen. Dies beeinträchtigt ihn aber nicht in seinen Rechten, da der Antragsteller kein schutzwürdiges Interesse dargetan hat, den Zeitraum der Ausführung zur Erhaltung seiner Lebenstüchtigkeit bereits zeitnah zum Zeitpunkt der grundsätzlichen Genehmigung vom 03.03.2023 – hier also am 17.04.2023 – zu erfahren oder gar die Ausführung zur Erhaltung der Lebenstüchtigkeit an einem bestimmten Tag durchzuführen. Anders läge es beim Antrag auf Ausführung aus wichtigem, termingebundenem Anlass gemäß Art. 37 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 BayStVollzG. Um eine solche Ausführung handelt es sich aber vorliegend nicht.
14
Selbst wenn – wie der Beschwerdeführer behauptet – die Antragsgegnerin den für seine Ausführung zur Erhaltung der Lebenstüchtigkeit vorgesehenen Zeitpunkt oder Zeitrahmen schon festgelegt haben sollte, hat er keinen Anspruch darauf, hiervon mittel- oder gar langfristig im Voraus in Kenntnis gesetzt zu werden. Denn der genaue Zeitpunkt unterliegt der Organisationshoheit der Antragsgegnerin, die auch im Falle einer mittel- oder langfristigen internen Festlegung hieran nicht gebunden wäre, also jederzeit von ihrer Planung abweichen könnte.
15
Ein Ausnahmefall, in dem ein besonderes Interesse des Gefangenen an der Kenntnis des Termins bereits im April 2023 anzuerkennen sein könnte, ist weder ersichtlich, noch wird ein solcher vom Antragsteller geltend gemacht. Dieser hat am 20.02.2023, dem Tag, an dem er laut Vorbringen der Anstalt seine insgesamt siebte Ausführung zur Erhaltung der Lebenstüchtigkeit erhalten hat, seine achte Ausführung zur Erhaltung der Lebenstüchtigkeit beantragt, die in der Konferenz am 03.03.2023 genehmigt worden ist. Gerichtsbekannt hat der Antragsteller seinem Vorbringen in einem früheren Rechtsbeschwerdeverfahren zufolge bis dahin Ausführungen zum Erhalt der Lebenstüchtigkeit nur zweimal im Jahr erhalten (vgl. Senatsbeschluss vom 13.01.2025 – 204 StObWs 413/24), so dass – unabhängig von der vorliegend nicht zu klärenden Frage, ob diese Frequenz ausreicht – kein Fall vorliegt, in dem der Gefangene bei Antragstellung am 18.04.2023 eine begründete Befürchtung hegen konnte, dass die vorliegend in Streit stehende achte Ausführung durch die Antragsgegnerin soweit hinausgeschoben werden würde, dass die Durchführung der zweiten Ausführung zum Erhalt der Lebenstüchtigkeit im Jahr 2023 gefährdet sein könnte.
III.
16
1. Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus Art. 208 BayStVollzG, § 121 Abs. 2 Satz 1 StVollzG.
17
2. Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8, § 65 Satz 1, §§ 60, 52 Abs. 1 GKG.