Titel:
Fortsetzungsfeststellungsklage, Umweltvereinigung, Abschussplan, Hegegemeinschaft, Rechtswidrigkeit, Abwägungsfehler, Wiederholungsgefahr
Schlagworte:
Fortsetzungsfeststellungsklage, Umweltvereinigung, Abschussplan, Hegegemeinschaft, Rechtswidrigkeit, Abwägungsfehler, Wiederholungsgefahr
Vorinstanz:
VG Augsburg, Urteil vom 22.02.2022 – Au 8 K 21.1895
Fundstelle:
BeckRS 2025, 34528
Tenor
I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 22. Februar 2022 wird abgeändert. Es wird festgestellt, dass der Bescheid des Landratsamts Oberallgäu vom 1. April 2021 rechtswidrig war.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Entscheidung ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollsteckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
1
Der Kläger, eine als eingetragener Verein organisierte und vom Freistaat Bayern für den satzungsmäßigen Aufgabenbereich „der Förderung eines verantwortungsvollen Umgangs mit den Wildtieren und ihren Lebensräumen, der Förderung des Tierschutzgedankens sowie des Natur- und Umweltschutzes“ anerkannte, landesweit tätige Vereinigung i.S.v. § 3 UmwRG, begehrt nach der durch Zeitablauf eingetretenen Erledigung des Bescheids vom 1. April 2021 die Feststellung der Rechtswidrigkeit dieses Bescheids.
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Mit diesem Bescheid hatte die Untere Jagdbehörde für das Jagdjahr 2021/2022 einen gemeinsamen Gamswildabschussplan für acht Reviere (die sog. „Poolreviere“) der beigeladenen Niederwildhegegemeinschaft (ein Zusammenschluss von Jagdausübungsberechtigten von 26 benachbarten Revieren) bestätigt. Der streitgegenständliche Abschussplan umfasste hierbei zwei Böcke der Klasse Ia, drei Böcke der Klasse IIb, vier Geißen, zwei Jahrlinge und vier Gamskitze, d.h. 15 Stück Gamswild. Zur Begründung wurde angeführt, der Abschuss entspreche den einvernehmlich zwischen den Revierinhabern, den Jagdgenossen bzw. Inhabern der Eigenreviere und der Hegegemeinschaft festgelegten Abschusszahlen.
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Das Verwaltungsgericht, dessen Feststellungen im Tatbestand sich der Senat in vollem Umfang zu eigen macht (§ 130b Satz 1 VwGO), hat die Klage abgewiesen. Die Klage sei zulässig, jedoch unbegründet. Mit dem Umgriff des Abschussplans (nicht revierbezogen, sondern auf Hegegemeinschaftsebene) seien im Ergebnis mit Blick auf das Hegeziel der Hegegemeinschaft keine umweltbezogenen Rechtsvorschriften betroffen, die im Rahmen der Begründetheit einer Verbandsklage zu prüfen seien (UA Rn. 88). Im Übrigen würden weder Wortlaut noch Telos des § 21 BJagdG einen auf eine Hegegemeinschaft bezogenen gemeinsamen Abschussplan per se ausschließen (UA Rn. 89). Die Festlegung des streitgegenständlichen Abschussplans entspreche den gesetzlichen Anforderungen des § 21 BJagdG. Abwägungsfehler seien nicht ersichtlich. Die Festlegung der Abschusszahl auf insgesamt 15 Stück sei nicht zu beanstanden (UA Rn. 99 bis 110). Der festgelegte Abschuss sei auch vor dem Hintergrund, dass die Garns als Tierart des Anhangs V der FFH-Richtline dem besonderen Schutz dieser Richtlinie unterliege (UA Rn. 111 bis 118) bzw. auf der Vorwarnliste der Roten Liste stehe (UA Rn. 119 bis 124), nicht zu beanstanden. Schließlich erfülle der streitgegenständliche Abschussplan die Voraussetzungen einer Gebietserhaltungsmaßnahme im Sinne des Art. 6 Abs. 1 FFH-Richtlinie und führe nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Natura-2000-Gebiets „Kürnacher Wald“ in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen (UA Rn. 126 f.).
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Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Senat zugelassenen Berufung und beantragt:
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I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 22. Februar 2022 wird abgeändert.
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II. Es wird festgestellt, dass der Bescheid des Landratsamtes Oberallgäu vom 1. April 2021 über die Bestätigung des Abschusses für Gamswild für die sog. Poolreviere in der Hegegemeinschaft Buchenberg: Buchenberg-West I (074), Buchenberg-West III (144), Kreuzthal (084), Kürnach (956), Ulmerthal (101), Wengen (114), Wengenerwald (107) und Wenger Egg (147) für das Jagdjahr 2021/2022, umfassend zwei Böcke Klasse Ia, drei Böcke Klasse IIb, vier Geißen, zwei Jahrlinge und vier Kitze, Az. Jagd-Ma, rechtswidrig war.
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Er rügt im Wesentlichen, dass der Geltungsbereich eines Abschussplans entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts Umweltrelevanz habe. Der Abschuss-Pool sei offenkundig rechtswidrig, weil er gesetzlich nicht vorgesehen sei. Die Abwägung sei fehlerhaft, da jedwede belastbaren Daten zur Bestandsstruktur fehlten; insbesondere fehle es an einem revierbezogenen Monitoring als Grundlage für den Abschussplan. Auch die fehlende Verträglichkeitsprüfung im Natura-2000-Gebiet „Kürnacher Wald“ führe zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
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Mit Schreiben vom 1. Dezember 2025 hat der Senat die Beteiligten gemäß § 130a i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO zu einer Entscheidung durch Beschluss nach § 130a Satz 1 VwGO angehört.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen und der Behördenakten verwiesen.
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Der Senat entscheidet über die Berufung gemäß § 130a VwGO durch Beschluss, da er sie einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält; die Beteiligten wurden hierzu gemäß § 130a Satz 2 i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO gehört.
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Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist zulässig (1.) und begründet (2.).
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1. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist zulässig. Insbesondere ist der Kläger gemäß § 2 Abs. 1 UmwRG antragsberechtigt (1.1) und hat ein berechtigtes Interesse an der nachträglichen Feststellung der Unwirksamkeit des angefochtenen Bescheids vom 1. April 2021 (1.2).
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1.1 Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 und § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 sowie Satz 2 UmwRG ist der Bescheid vom 1. April 2021, mit dem der Abschussplan für die betroffenen Reviere der Beigeladenen festgestellt worden ist, für den Kläger anfechtbar.
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Eine Vereinigung, die – wie der Kläger – nach § 3 UmwRG anerkannt ist, kann nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwRG, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 einlegen; die weiteren Voraussetzungen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 und Satz 2 UmwRG liegen hier unstreitig vor. Der angegriffene Verwaltungsakt war eine Zulassungsentscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG.
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Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG ist das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz anzuwenden auf Rechtsbehelfe gegen Verwaltungsakte oder öffentlich-rechtliche Verträge, durch die andere als in den Nummern 1 bis 1b genannte Vorhaben unter Anwendung umweltbezogener Rechtsvorschriften des Bundesrechts, des Landesrechts oder unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Union zugelassen werden.
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Der Bescheid vom 1. April 2021 war auf die Zulassung eines anderen Vorhabens im Sinne der Vorschrift gerichtet. Der Vorhabenbegriff des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG orientiert sich an der Bestimmung in § 2 Abs. 4 UVPG (BVerwG, U.v. 22.6.2023 – 10 C 4.23 – juris Rn. 17; U.v. 7.11.2024 – 3 CN 23.23 – juris Rn. 23), geht aber darüber hinaus (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer Vorschriften an europa- und völkerrechtliche Vorgaben, BT-Drs. 18/9526 S. 36). Es genügt, dass für die Zulassungsentscheidung umweltbezogene Rechtsvorschriften anzuwenden sind. Das ist hier der Fall. Umweltbezogene Rechtsvorschriften im Sinne des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes sind Bestimmungen, die sich zum Schutz von Mensch und Umwelt auf den Zustand von Umweltbestandteilen oder Faktoren im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 1 und 2 UIG beziehen (§ 1 Abs. 4 UmwRG). Erfasst sind alle Normen, die zumindest auch dazu beitragen, dass gegenwärtige und künftige Generationen in einer ihrer Gesundheit und ihrem Wohlbefinden zuträglichen Umwelt leben können, weiter auch Normen, die verlangen, dass die Belange des Umweltschutzes gerecht abgewogen werden (Abwägungsgebote), sodass jeder im Rahmen eines Abwägungsvorgangs auch der Umwelt zuzurechnende Belang dessen Umweltbezogenheit insgesamt begründet (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 1 UmwRG Rn. 31).
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Bei dem angegriffenen Abschussplan waren im Rahmen der Bestätigung des Abschussplans nach Art. 32 Abs. 1 Satz 1 BayJG durch die untere Jagdbehörde umweltbezogene Rechtsvorschriften des Bundesrechts (§ 21 Abs. 2 BJagdG, § 2 Abs. 1 Nr. 1 BJagdG) zu prüfen. Da § 2 Abs. 3 Nr. 1 UIG auch die Artenvielfalt und ihre Bestandteile sowie Wechselwirkungen zwischen Artenvielfalt und der natürlichen Lebensräume zu den von ihm erfassten Umweltbestandteilen zählt, ist die Entscheidung über einen Abschussplan nach § 21 BJagdG auch unter Anwendung umweltbezogener Vorschriften des Bundesrechts im Sinne der Vorschrift ergangen. Das Jagdrecht weist in § 21 BJagdG zahlreiche Berührungspunkte mit dem Naturschutzrecht auf. Der Abschuss des Wildes ist danach so zu regeln, dass die berechtigten Ansprüche der Land- , Forst- und Fischereiwirtschaft auf Schutz gegen Wildschäden voll gewahrt bleiben sowie die Belange von Naturschutz und Landschaftspflege berücksichtigt werden. Innerhalb der hierdurch gebotenen Grenzen soll die Abschussregelung dazu beitragen, dass ein gesunder Wildbestand aller heimischen Tierarten in angemessener Zahl erhalten bleibt und insbesondere der Schutz von Tierarten gesichert ist, deren Bestand bedroht erscheint.
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1.2 Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass der angegriffene Abschussplan rechtswidrig war. Es kann deshalb offenbleiben, ob dieses Erfordernis bei Rechtsbehelfen von anerkannten Umweltvereinigungen nach § 2 Abs. 1 UmwRG ebenfalls besteht (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 7.11.2024 – 3 CN 2.23 – juris Rn. 28).
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Ein schützenswertes Interesse des Klägers an der nachträglichen Klärung der Rechtmäßigkeit des Abschussplans ergibt sich aus dem Vorliegen einer Wiederholungsgefahr. Eine solche besteht bereits deshalb, weil die Untere Jagdbehörde ihrer ständigen Praxis folgend, wieder einen Pool-Abschussplan erlassen wird, solange dessen Zulässigkeit nicht gerichtlich geklärt ist. Abgesehen von dem räumlichen Umgriff wird ein künftiger Abschussplan zwar auf der Grundlage eines neuen forstlichen Gutachtens zur Situation der Waldverfügung ergehen. Der Kläger rügt jedoch die mangelnde Berücksichtigung des Schutzstatus des „kleinen Gamswildbestandes“ nach der FFH-Richtlinie (92/43/EWG) und dessen Erhaltungszustand sowie die mögliche Beeinträchtigung der Gesundheit/Erhaltung des Gamsbestandes bei der Abschussplanung. Er wirft die Frage auf, ob der streitgegenständliche Abschussplan bzw. die Jagd auf Gamswild die Voraussetzungen einer Gebietserhaltungsmaßnahme im hier betroffenen Natura-2000 Gebiet „Kürnacher Wald“ erfüllt und eine Verträglichkeitsprüfung nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG hätte durchgeführt werden müssen. Jedenfalls insofern wären die maßgeblichen rechtlichen und tatsächlichen Umstände im Wesentlichen als unverändert anzusehen.
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2. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist begründet.
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Der Senat geht davon aus, dass der gemeinsame Abschussplan für die acht Pool-Reviere mangels Rechtsgrundlage unzulässig ist. Sowohl die Bestimmungen des Bundesjagdgesetzes (2.1) als auch des Bayerischen Jagdgesetzes (2.3) gehen von Einzelabschussplänen auch bei der Hegegemeinschaft aus.
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2.1 Die Abschussplanung innerhalb von Hegegemeinschaften gewinnt im Bundesjagdgesetz nur an einer Stelle Bedeutung, nämlich in § 21 Abs. 2 Satz 4 BJagdG. Danach sind Abschusspläne innerhalb von Hegegemeinschaften im Einvernehmen mit den Jagdvorständen der Jagdgenossenschaften und den Inhabern der Eigenjagdbezirke aufzustellen, die der Hegegemeinschaft angehören. Die Verwendung des Plurals („Abschusspläne“) zeigt deutlich, dass der Bundesgesetzgeber Einzelabschusspläne auch innerhalb der Hegegemeinschaft vorgesehen hat. Auch das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass die Abschussbestätigung eine Einzelfallregelung für das konkrete Jagdrevier ist (BVerwG, U.v. 19.3.1992 – 3 C 62.89 – juris Rn. 27).
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Das wird auch aus dem Gesetzgebungsverfahren deutlich. § 21 Abs. 2 Satz 4 BJagdG wurde mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Bundesjagdgesetzes (BGBl I 1976, 2849) eingefügt. Aus dem Gesetzgebungsverfahren ergeben sich manifeste Anhaltspunkte dafür, dass die Verwendung des Plural eine gewollte Entscheidung des Gesetzgebers war. Ursprünglich hatte der Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 6. November 1976 in einem neuen § 21 Abs. 2 Satz 3 BJagdG noch vorgesehen, dass in Hegegemeinschaften der Abschussplan von der Hegegemeinschaft im Einvernehmen mit den Jagdvorständen der Jagdgenossenschaften und den Inhabern der Eigenjagdbezirke aufzustellen ist, die der Hegegemeinschaft angehören (vgl. BT-Drs. 7/4285 S. 8).
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Offensichtlich gab es hinsichtlich der mit diesem Gesetz erstmals vorgesehenen bundeseinheitlichen Regelung zur Bildung von Hegegemeinschaften (vgl. BT-Drs. 7/4285 S. 12 zu Art. 1 Nr. 3) Vorbehalte im Bundesrat, da dies als „Aufweichung“ des Reviersystems gedeutet werden könne (a.a.O. S. 17). Letztlich wurde jedenfalls vom 10. Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten eine andere Fassung des vorgesehenen § 21 Abs. 2 Satz 3 BJagdG und beschlossen, nämlich (BT-Drs. 7/5471 S. 16 f.):
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„Innerhalb von Hegegemeinschaft sind die Abschusspläne im Einvernehmen mit den Jagdvorständen und den Inhabern der Eigenjagdbezirke aufzustellen, die der Hegegemeinschaft angehören.“
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[Hervorhebung im Original]
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Dem entspricht die heute geltende Fassung des § 21 Abs. 2 Satz 4 BJagdG. Der Bundesgesetzgeber hat sich also bewusst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens dafür entschieden, von einem gemeinsamen Abschussplan (Abschussplan der Hegegemeinschaft) abzusehen und stattdessen – unter Wahrung des das deutsche und bayerische Jagdwesen seit rund 150 Jahre beherrschenden Grundsatzes des Reviersystems (vgl. z.B. LT-Drs. 7/5203 und LT-Drs. 7/5765 S. 2) – auch innerhalb der Hegegemeinschaft (weiterhin) Einzelabschusspläne vorgesehen.
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2.2 Hinsichtlich der durch die Landesgesetzgebung zu bestimmenden näheren Ausgestaltung der Abschussplanung ist folgendes zu beachten:
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Der Landesgesetzgeber konnte ursprünglich (nur) den durch das Bundesjagdgesetz gezogenen Rahmen (Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BJagdG) ausfüllen. Mit der Föderalismusreform I ist die frühere Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes für das Jagdwesen in die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz überführt worden, Art. 72 Abs. 1 i.V.m. Art. 74 Abs. 1 Nr. 28 GG, sodass die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung haben, „solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch macht“. Eine Gesetzgebungsbefugnis der Länder besteht im Jagdrecht also zunächst in den Fällen, in denen das Bundesjagdgesetz keine abschließenden Regelungen enthält oder in denen es einen ausdrücklichen Regelungsvorbehalt zugunsten der Landesgesetzgebung vorsieht. Zusätzlich haben die Länder nach Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GG die Möglichkeit, vom Bundesrecht abweichende Regelungen zu treffen („sog. Abweichungsgesetzgebung“), sofern nicht das Recht der Jagdscheine betroffen ist („sog. abweichungsfester Kern“).
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Schließlich hat der verfassungsändernde Gesetzgeber in Art. 125b Abs. 1 GG eine (Übergangs-) Regelung bezüglich der Gesetzgebungsbefugnisse der Länder nach Überführung des ehemaligen Rahmenrechts in den Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung getroffen. Nach Art. 125b Abs. 1 Satz 2 GG bleiben die Befugnisse und Verpflichtungen der Länder zur Gesetzgebung „insoweit“ (d.h. im Hinblick auf das als Rahmenrecht erlassene und nach Art. 125b Abs. 1 Satz 1 GG fortgeltende Recht) bestehen. Das bedeutet, dass die Länder weiterhin ihre Gesetzgebungskompetenzen nach Art. 75 GG in der bis zum 1. September 2006 geltenden Fassung wahrnehmen und das fortbestehende Rahmenrecht des Bundesjagdgesetzes ausfüllen können. Sie dürfen von diesem fortbestehenden Rahmenrecht – mit Ausnahme des Rechts der Jagdscheine – auch abweichen (Art. 125 b Abs. 1 Satz 3 GG). Die Übergangsregelung hat im Bereich des Jagdrechts nach wie vor Bedeutung, da der Bund das ehemalige Rahmenrecht im Bundesjagdgesetz nicht in allen Teilen ersetzt hat.
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Von der Möglichkeit der sog. Abweichungsgesetzgebung hat der bayerische Landesgesetzgeber bislang keinen Gebrauch gemacht. Vielmehr ist hinsichtlich des hier interessierenden Art. 32 BayJG (Regelung zur Bejagung) bislang lediglich das Rahmengesetz des Bundesjagdgesetzes ausgefüllt worden. Die nach dem Jahr 2006 erfolgten Änderungen der Bestimmung sind nur redaktioneller Natur, sodass dies die Auslegung des Bayerischen Landesrechts determiniert.
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2.3 Art. 32 Abs. 1 Satz 1 BayJG bestimmt, dass der Revierinhaber den Abschlussplanvorschlag aufzustellen hat. Damit korrespondiert auch die Bestimmung des Art. 32 Abs. 2 Satz 1 BayJG, wonach der Revierinhaber verpflichtet ist, den Abschussplan für Schalenwild notfalls unter Heranziehung anderer Jagdscheininhaber zu erfüllen (vgl. hierzu auch die Gründe Nr. IV der Anlage zum streitgegenständlichen Bescheid vom 1.4.2021, der ausdrücklich auf diese Bestimmung und § 16 Abs. 1 AVBayJG verweist). Auch der bayerische Gesetzgeber hat sich also zu dem bereits oben genannten „Grundpfeiler“ des Reviersystems bekannt.
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Auch Art. 13 Abs. 1 Satz 1 BayJG ist nicht in dem Sinne zu verstehen, dass damit vom Reviersystem abgesehen worden wäre. Nach dieser Bestimmung können die Revierinhaber von zusammenhängenden Jagdrevieren, die einen bestimmten Lebensraum für das Wild umfassen, eine Hegegemeinschaft bilden, um eine ausgewogene Hege der vorkommenden Wildarten und eine einheitliche großräumige Abschussregelung zu ermöglichen. Diese Bestimmung ist aber nicht in dem Sinne zu verstehen, dass sie als Rechtsgrundlage für einen gemeinsamen Abschussplan dienen könnte. Zum einem wären dann innerhalb eines Gesetzes zwei diametrale Regelungen getroffen worden, was nicht im Sinne des Gesetzgebers sein dürfte und im Übrigen auch nicht einer „guten Gesetzgebung“ genügt. Zum anderen ist die Formulierung „um eine einheitliche Abschussregelung zu ermöglichen“, die erst aufgrund des Berichtes des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft zum Entwurf eines Bayerischen Jagdgesetzes im Art. 13 BayJG aufgenommen wurde (LT-DRs. 8/7708 S. 1), im Zusammenhang mit § 13 Abs. 2 Nr. 3 BayJG zu sehen. Danach zählt zu den Aufgaben einer Hegegemeinschaft u.a. die Abstimmung der Abschussplanvorschläge aufeinander. Geht also Absatz 2 Nr. 3 BayJG von Einzelabschussplänen innerhalb der Hegegemeinschaft aus, kann Absatz 1 nur in dem Sinne verstanden werden, dass mit der angesprochenen einheitlichen großräumigen Abschussregelung letztlich nur die Abschusskoordination auf der Ebene der Hegegemeinschaft gemeint ist, die beispielsweise auch darin bestehen kann, ggf. interne Ausgleichsmöglichkeiten bei der Abschusserfüllung anzustreben oder auch auf besondere Reviergegebenheiten einzugehen.
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Zusammenfassend ist damit zu den vorstehenden Gliederungspunkten 2.1 bis 2.3 festzuhalten, dass nach der gegenwärtigen Rechtslage in Bayern auch innerhalb der Hegegemeinschaft nur Einzelabschusspläne, aufgestellt vom Revierinhaber, vorgesehen sind.
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Der Senat folgt damit ausdrücklich nicht der Kommentarliteratur (Metzger in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Stand April 2025, § 21 BJagdG Rn. 4; ders. in Lorz/Metzger, Jagdrecht, Fischereirecht, 5. Aufl. 2023, § 21 BJagdG Rn. 4; Frank, Das Jagdrecht in Bayern, Stand Juni 2022, § 21 BJagdG/Art. 32 BayJG/§§ 13-17 AV-BayJG, S. 243), wonach die Festlegung eines Gesamtabschusses weder gegen den Sinn und Zweck des Gesetzes, noch gegen den Wortlaut des § 21 Abs. 2 BJagdG, noch gegen Art. 32 BayJG verstoßen soll. Das Wortlautargument verfängt offensichtlich nicht (s.o.). Damit sind aber die Grenzen zulässiger Auslegung überschritten, weil die Grenze jeder Auslegung der Wortlaut eines Normtextes ist. Letztlich geht es den Kommentatoren um eine pragmatische Anwendung des § 21 BJagdG bzw. des Art. 32 BayJG. Das ist aber vor dem Hintergrund des Art. 20 Abs. 3 GG (Gewaltenteilung, Rechtssicherheit) nicht zulässig. Der Senat verkennt nicht, dass ein gemeinsamer Abschussplan bis zur Ebene der Hegegemeinschaft letztlich ein probates Mittel sein dürfte, bei nicht standorttreuem Wild eine Abschussplanung zu koordinieren. Eine Entscheidung hierfür ist aber allein dem Landesgesetzgeber vorbehalten (s.o.).
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2.4 Der Pool-Abschussplan ist damit von § 21 BJagdG, Art. 32 BayJG nicht gedeckt und in der Folge rechtswidrig. Gleichzeitig ist aufgrund des unzutreffenden Verständnisses des § 21 BJagdG der Gebietsumgriff zu weit gewählt, nämlich die Poolreviere in ihrer Gesamtheit erfassend und nicht das Einzelrevier. Dies wiederum führt zwingend dazu, dass die Abwägung von Anfang an fehlerbehaftet war. Der Beklagte hat sowohl im erstinstanzlichen Verfahren als auch im Berufungsverfahren (siehe z.B. Schriftsatz vom 30.1.2025, Bl. 3) betont, dass bei einer Abwägung auf Revierebene eine höherer Abschuss hätte festgesetzt werden müssen. Das zeigt deutlich, dass die Wahl des Umgriffs unmittelbar die Abschusszahl beeinflusste, was zur nachträglichen Feststellung der Unwirksamkeit des Abschussplanes (§ 2 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UmwRG) führt.
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Der streitgegenständliche Abschussplan war damit aufzuheben und der Berufung stattzugeben. Ob der Abschussplan noch an weiteren, insbesondere Ermittlungs- und Abwägungsfehlern leidet, konnte mangels Entscheidungserheblichkeit offen bleiben.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Da die Beigeladene keinen Antrag gestellt hat, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO). Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
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4. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 63 Abs. 2 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.
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5. Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.