Inhalt

VG Regensburg, Beschluss v. 05.12.2025 – RO 5 S 25.2594
Titel:

Widerruf der ärztlichen Approbation, strafrechtliche Verurteilung, Ausstellen von unrichtigen Gesundheitszeugnissen, Anordnung des Sofortvollzugs, vorläufiges faktisches Berufsverbot, konkrete Gefahr für wichtige Gemeinschaftsgüter durch eine weitere Berufstätigkeit schon vor Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens, schwere und irreparable berufliche Nachteile.

Normenketten:
BÄO § 5 Abs. 2 S. 1 BÄO i.V.m. § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
VwGO § 80 Abs. 5
GG Art. 12 Abs. 1
GG Art. 19 Abs. 4
StGB § 70
Schlagworte:
Widerruf der ärztlichen Approbation, strafrechtliche Verurteilung, Ausstellen von unrichtigen Gesundheitszeugnissen, Anordnung des Sofortvollzugs, vorläufiges faktisches Berufsverbot, konkrete Gefahr für wichtige Gemeinschaftsgüter durch eine weitere Berufstätigkeit schon vor Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens, schwere und irreparable berufliche Nachteile.
Fundstelle:
BeckRS 2025, 34277

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 1.10.2025 wird hinsichtlich der Nrn. 1, 2, 5 und 6 wiederhergestellt und hinsichtlich der Nr. 4 angeordnet.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 25.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit des Widerrufs ihrer ärztlichen Approbation.
2
Der Antragstellerin ist mit Wirkung vom … …2005 von der Regierung von Oberbayern die Approbation als Ärztin erteilt worden.
3
Mit Urteil des Amtsgerichts A. vom 21.7.2023, Az. …, ist die Antragstellerin wegen des Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse in 13 tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 10 Monaten verurteilt worden. Außerdem wurde gegen sie gemäß § 70 StGB ein dreijähriges Berufsverbot verhängt, das sich nach den Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts A. aus Gründen der Verhältnismäßigkeit auf die „Ausstellung ärztlicher Zeugnisse/ärztlicher Atteste über eine Befreiung/Freistellung von einer staatlich angeordneten Impfpflicht und/oder einer staatlich angeordneten Pflicht zum Tragen einer Schutzmaske“ beschränkt. Das Urteil ist auf ihre Berufung hin durch das Urteil des Landgerichts B. vom 25.9.2024, Az. …, im Rechtsfolgenausspruch dahingehend abgeändert worden, dass sie zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 1 Monat verurteilt wurde. Die Vollstreckung dieser Gesamtfreiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Im Übrigen verblieb es bei den Rechtsfolgen aus dem Urteil des Amtsgerichts A. Dem Urteil lag zugrunde, dass die Antragstellerin in den Jahren 2019 und 2020 für eine Vielzahl von Patienten ohne weiterführende Untersuchungen floskelhaft begründete Atteste über die zeitlich unbeschränkte „Freistellung von der Impfpflicht“ bzw. „Freistellung von der Pflicht zum Tragen einer Schutzmaske“ ausgestellt habe, obwohl sie genau gewusst habe, dass eine dauerhafte medizinische Kontraindikation gegen jede Art von Impfstoff fachlich ausgeschlossen sei bzw. die Freistellung medizinisch nicht indiziert gewesen sei. Ihr sei dabei bewusst gewesen, dass die Atteste zur Vorlage bei Ämtern bzw. Schulen verwendet werden sollten.
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Mit Schreiben vom 17.4.2025 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass er von der strafrechtlichen Verurteilung der Antragstellerin Kenntnis erlangt habe. In Anbetracht des vorliegenden Sachverhaltes habe der Antragsgegner Zweifel an der Zuverlässigkeit und Würdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes, sodass ein Verfahren auf Widerruf ihrer Approbation eingeleitet worden sei. Es werde der Antragstellerin Gelegenheit gegeben, hierzu bis 16.5.2025 Stellung zu nehmen.
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Mit Schreiben vom 13.5.2025 äußerte sich die Antragstellerin dahingehend, dass ausnahmslos alle Patienten, deren Atteste vom Gericht als „unrichtig“ tituliert worden seien, von der Antragstellerin sorgfältig untersucht worden seien. In jedem Fall habe eine Einzelfallentscheidung vorgelegen, die aufgrund einer ausführlichen Risiko-Nutzen-Bewertung gefällt worden und fachlich-medizinisch vollständig vertretbar sei. Die Beschwerden, Symptomatiken und/oder (Vor-)Erkrankungen der Patienten seien der Antragstellerin glaubhaft dargestellt worden, teils mittels Einzeluntersuchungen überprüft, mit einer Unterschrift der Patienten bezeugt und, sofern vorhanden, mit bestehenden ärztlichen Dokumenten belegt worden. Im Falle der vom Strafgericht beanstandeten Impfbefreiungen hätten jeweils multiple Faktoren vorgelegen, die eine risikofreie Verabreichung von Impfstoffen ausgeschlossen und den Rückschluss zugelassen hätten, dass es sich um eine dauerhafte Kontraindikation gehandelt habe. Während des Gerichtsverfahrens seien leider die medizinisch-inhaltlichen Zusammenhänge von den Richtern nur oberflächlich und einseitig betrachtet, gewürdigt und gewertet worden. Eine neutrale Herangehensweise an dieses Thema und eine intensivere Befragung bzw. eine wissenschaftliche Diskussion der Gutachter untereinander sei aktiv unterbunden worden. Kein Impfstoff sei – wie jedes Medikament – ohne Risiko zu verabreichen und bringe daher Risiken mit sich. Neben immunologischen Faktoren könnten dabei auch viele Begleit- und Trägerstoffe von Impfungen in toxikologischer Hinsicht bedenklich sein. Wissenschaftliche Studien würden darüber hinaus belegen, dass Impfstoffe unmittelbar oder im späteren Lebensverlauf u.a. mit Erkrankungen wie z.B. Autoimmunerkrankungen, Autismus (speziell im Fall von Masern), Allergien und atopischer Dermatitis assoziiert seien. Der vom Strafgericht bestellte Gutachter und langjährig der Impfkommission STIKO angehörige Prof. ... habe vor Gericht sowohl mündlich als auch schriftlich in seinem Gutachten bestätigt, dass das Risiko, zum damaligen Zeitpunkt einen Impfschaden durch die Masernimpfung zu erleiden, um mindestens den Faktor sieben höher gelegen habe als die Wahrscheinlichkeit, eine Maserninfektion und daraus folgende schwere Komplikationen mit ggf. Todesfolge zu erleiden. Auch die jüngsten Erfahrungen mit der Coronaimpfung und deren z.T. erheblichen gesundheitlichen Auswirkungen für Geimpfte, u.a. das Post-Vac-Syndrom, würden deutlich aufzeigen, dass die Entscheidung zur Impfung gut und mit größter Sorgfalt abgewogen werden müsse. Dem Argument, die Atteste seien „floskelhaft“ begründet, werde entgegengehalten, dass es zum damaligen Zeitpunkt keine gesetzlichen Vorgaben hinsichtlich Form und Inhalt der Atteste zur Befreiung von der Impfpflicht gegeben habe. Um die Privatsphäre und die persönlichen medizinischen Daten des Patienten zu schützen, seien von der Antragstellerin keine medizinisch vertraulichen patientenbezogenen Informationen in den Text des Attests mit aufgenommen worden. Gleiches gelte für die Ausstellung zur Befreiung von der Maskenpflicht. Auch hier hätten in jedem Fall eine gründliche Anamnese, teils zusätzliche Untersuchungen und stets eine sorgfältige Abwägung der Einzelfallentscheidung stattgefunden. Jeder der Patienten habe der Antragstellerin dabei glaubhaft dargelegt und versichert, welche gesundheitsbeeinträchtigende, -schädigenden bzw. -gefährdenden Symptome und Auswirkungen das Tragen der Maske für ihn/sie gehabt habe. Hierzu hätten u.a. neben massiven Einschränkungen der Atmung und Atembeschwerden auch bestimmte Vorerkrankungen sowie z.T. für den Patienten nicht tragbare Begleitbeschwerden, wie z.B. schwere Panikattacken und Schwindel gezählt. Als zusätzliche Entscheidungsgrundlage habe die Antragstellerin die offiziellen Leit- und Richtlinien aus dem Arbeitsschutz für die Handhabung von FFP2- und OP-Masken herangezogen und habe sich in die aktuelle Studienlage eingelesen, um einen wissenschaftlichen und tragfähigen medizinischen Hintergrund für ihre ärztlichen Entscheidungen zu erlangen. Mehrere Studien hätten dabei die enorme Gesundheitsgefahr durch die Mund-Nasen-Bedeckung bewiesen. So hätten die Rückatmung von Kohlendioxid mit der damit einhergehenden Gefahr der Hyperkapnie, die nicht unrelevante Kontamination durch längeres Maskentragen sowie die verringerte Sauerstoffzufuhr und der erhöhte Atemwegswiderstand je nach Länge des Tragens allesamt bereits ohne bestehende Vorerkrankungen seitens des Patienten Auswirkungen auf die Gesundheit. Darüber hinaus habe ein von der Staatsanwaltschaft bestellter Sachverständiger während der Befragung zu den Attesten vor dem Amtsgericht bestätigt, dass es medizinisch vertretbar und möglich gewesen sei, in den genannten Fällen ein Attest zur Befreiung auszustellen. Zusammengefasst sei zu sagen, dass ihrem Handeln in Bezug auf die Ausstellung der genannten ärztlichen Zeugnisse zur Impf- und Maskenbefreiung jeweils fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse bzw. Forschungsergebnisse und sorgfältige medizinische Abwägungen zu Grunde gelegen hätten, auch wenn dies vor Gericht nicht entsprechend betrachtet, gewürdigt und gewertet worden sei. Dass alle Atteste in ihrem Wortlaut gleichlautend gewesen seien, wie es auch bei einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung oder Schulbefreiung für Kinder der Fall sei, lasse in keinem Fall den Rückschluss zu, dass es sich nicht um eine medizinisch gründlich abgewogene Einzelfallentscheidung gehandelt habe, welche durch eine entsprechende Anamnese und/oder Untersuchung zusammen mit einem ausführlichen ärztlichen Arzt-Patienten-Gespräch zu Stande gekommen sei und inhaltlich medizinisch vollauf vertreten werden könne. Eine Ärztin werde ihrem Beruf dann gerecht, wenn sie ihre Tätigkeit im fachlichen wie menschlichen Sinne sorgfältig nach bestem Wissen und Gewissen gemäß ihrem hippokratischen Eid und dem Genfer Gelöbnis ausübe. Hierbei stehe ihr ein – medizinisch vertretbarer – ärztlicher Ermessensspielraum zu. Die Ärztin sei dazu verpflichtet, sich fortwährend über neueste wissenschaftliche Erkenntnisse zur Thematik zu informieren und müsse diese in ihre ärztlichen Entscheidungen unabhängig von öffentlichen oder politischen Meinungen mit einfließen lassen. All diese ärztlichen Pflichten habe sie in ihrer gesamten, bereits fast zwei Jahrzehnte währenden beruflichen Laufbahn stets gewissenhaft wahrgenommen und sie sei sich absolut sicher, dass sie diesen auch in den vor Gericht beanstandeten Fällen nachgekommen sei. Im Übrigen verweise sie auf den knappen Auszug ihrer Studien- und Literaturquellen im Anhang.
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Mit Bescheid vom 1.10.2025 widerrief der Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin die Approbation als Ärztin (Ziffer 1). Die Antragstellerin wurde verpflichtet, das Original ihrer Approbationsurkunde und sämtliche in ihrem Besitz befindlichen Ablichtungen davon an den Antragsgegner zu übergeben oder zu übersenden (Ziffer 2). Die sofortige Vollziehung der Ziffern 1 und 2 wurde angeordnet (Ziffer 3). Für den Fall, dass die Antragstellerin der Verpflichtung unter Ziffer 2 des Bescheides nicht innerhalb von zwei Wochen nach dessen Vollziehbarkeit nachkomme, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000,00 Euro angedroht (Ziffer 4). Die Antragstellerin habe die Kosten des Verfahrens zu tragen (Ziffer 5). Für den Bescheid wurde eine Gebühr in Höhe von 300,00 Euro festgesetzt, Auslagen seien in Höhe von 7,19 Euro angefallen (Ziffer 6).
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Der Antragsgegner begründete den Bescheid vom 1.10.2025 im Wesentlichen damit, dass die Approbation gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Bundesärzteordnung (BÄO) zu widerrufen sei, weil sich die Antragstellerin eines Verhaltens schuldig gemacht habe, aus dem ihre Unwürdigkeit und Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs folgten. Das Verhalten der Antragstellerin, das der strafgerichtlichen Verurteilung zugrunde liege, stelle ein derart schwerwiegendes Fehlverhalten dar, welches das für die Ausübung des ärztlichen Berufes unabdingbare Ansehen und Vertrauen in den Berufsstand entfallen und eine weitere Berufsausübung untragbar erscheinen lasse. Es handele sich um ein schwerwiegendes Fehlverhalten, da gegen elementare Berufspflichten verstoßen worden sei. Sowohl die Impfbefreiungen als auch das Maskenbefreiungsattest hätten erhebliche Auswirkungen entfaltet und seien nicht nur für die Verwender, sondern auch für Dritte mit erheblichen Risiken verbunden gewesen. Die gesetzlichen Pflichten hätten der Eindämmung bzw. Verhinderung des Ausbruchs hoch ansteckender, lebensbedrohlicher Krankheiten gegolten, die mit zum Teil schweren Komplikationen hätten einhergehen können, was der Antragstellerin bewusst gewesen sei. Es seien einschlägige und vorherrschende Fachliteratur ignoriert und Studien zur Notwendigkeit einer Impfung und des Tragens eines Mund-Nasen-Schutzes unbeachtet gelassen und das Vertrauen der Verwender missbraucht und deren Ängste ausgenutzt worden, um mit Hilfe und auf Kosten derer die subjektiven und finanziellen Interessen der Antragstellerin durchzusetzen. Das Verhalten sei geeignet, das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Berufsstand der Ärzte nachhaltig zu erschüttern. Die Verfehlungen beträfen den Kern der ärztlichen Berufsausübung.
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Die Antragstellerin sei zudem unzuverlässig, da sie nicht die notwendige Gewähr dafür biete, dass sie den Beruf als Ärztin künftig den bestehenden Regelungen entsprechend ausüben werde. Ihr Verhalten lasse den Rückschluss auf eine fehlende charakterliche Zuverlässigkeit, ein fehlendes Verantwortungsbewusstsein und eine mangelnde moralische Integrität zu. Es zeige die Bereitschaft, das Vertrauen in den ärztlichen Beruf zur Verfolgung eigennütziger Ziele einzusetzen. Es wiege besonders schwer, dass die Antragstellerin dabei mit Gewinnerzielungsabsicht gehandelt habe. Die wiederholt begangenen Straftaten rechtfertigten die Annahme der berufsrechtlichen Unzuverlässigkeit auch im Hinblick auf die ärztliche Tätigkeit außerhalb des Verschreibens von Attesten. Das gezeigte Verhalten liefere Anhaltspunkte dafür, dass das ärztliche Handeln nicht konsequent an der Erhaltung bzw. der Wiederherstellung der Gesundheit der Patienten und auch der Gesundheit Dritter ausgerichtet sei. Eine Unrechtseinsicht oder eine Abkehr der Einstellung der Antragstellerin sei nicht zu erkennen.
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Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei notwendig. Angesichts der Schwere des der Antragstellerin zur Last gelegten Verhaltens habe der Schutz der Bevölkerung vor Gefahren, die daraus resultieren könnten, dass sie ihren Beruf als Ärztin weiter ausübe, Vorrang vor ihren persönlichen, wirtschaftlichen und beruflichen Belangen. Es werde nicht verkannt, dass die sofortige Vollziehung eine selbständige Belastung darstelle, in das Grundrecht auf Berufsfreiheit eingreife und erhebliche wirtschaftliche Nachteile mit sich bringe. Dem stehe jedoch das öffentliche Interesse, den Gesundheitsschutz der Bevölkerung sowie die Vertrauenswürdigkeit des Berufsstandes zu gewährleisten, gegenüber. Nur durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung könne sichergestellt werden, dass einzelne Patienten oder auch Dritte sowie das Vertrauen in die Ärzteschaft keinen Schaden nähmen. Es sei der Bevölkerung nicht zumutbar, eine Ärztin, deren Unzuverlässigkeit und Unwürdigkeit bejaht worden seien, weiter als Ärztin arbeiten zu lassen. Die konkrete Gefahr, die von ihrer ärztlichen Berufsausübung ausgehe, könne sofort und unmittelbar für eine nicht wieder gut zu machende Schädigung für Leben und Gesundheit von Patienten und/oder Dritten ausschlaggebend sein. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid verwiesen.
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Am 16.10.2025 übergab die Antragstellerin dem Antragsgegner ihre Approbationsurkunde.
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Mit Schriftsatz vom 23.10.2025, eingegangen bei Gericht am selben Tag, ließ die Antragstellerin Anfechtungsklage (RO 5 K 25.2527) gegen den Bescheid vom 1.10.2025 erheben. Mit Schriftsatz vom 3.11.2025 ließ die Antragstellerin zudem um vorläufigen Rechtsschutz ersuchen und beantragte, gegebenenfalls vorläufig im Wege der Zwischenverfügung zu entscheiden.
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Mit Beschluss vom 7.11.2025 stellte das Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 1.10.2025 hinsichtlich dessen Nr. 1 vorläufig bis zu einer Entscheidung über den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO wieder her.
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Zur Begründung ihres Antrags lässt die Antragstellerin im Wesentlichen vortragen, dass das Urteil des Landgerichts B. , auf das der Widerruf der Approbation gestützt sei, seit dem 3.10.2024, mithin seit mehr als einem Jahr rechtskräftig sei. Die vorgeworfenen Taten selbst würden sogar zwischen fünf und sechs Jahre zurückliegen. Das Verwaltungsverfahren zum Widerruf der ärztlichen Approbation sei allerdings erst ab April 2025 weiterbetrieben worden, wobei die Antragstellerin auf die Anhörung sofort reagiert habe. Erst am 1.10.2025 und damit fast ein Jahr nach Kenntniserlangung von der Rechtskraft des Urteils sei der streitgegenständliche Bescheid erlassen worden. Ganz offensichtlich habe der Antragsgegner bis dahin keine „besondere Dringlichkeit“ angenommen – im Übrigen auch nicht die fünf Jahre zuvor. Es sei daher nicht nachvollziehbar, weshalb mit der Vollziehung des Bescheids aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes nicht bis zu einer Entscheidung im Klageverfahren abgewartet werden könne, zumal der Antragsgegner selbst noch nicht einmal von einer unmittelbaren konkreten Gesundheitsgefährdung für die Patienten ausgehe, sondern lediglich eine abstrakte Gefahr eines Schadens für einzelne Patienten oder Dritte sowie das Vertrauen in die Ärzteschaft anführe. Nachdem schon das Landgericht B. lediglich ein auf die Ausstellung von Kontraindikations- und Maskenatteste begrenztes Berufsverbot ausgesprochen habe, seien weitere Eilmaßnahmen schlichtweg nicht erforderlich und damit unverhältnismäßig. Die Verurteilung der Antragstellerin habe einzig und allein auf der Ausstellung entsprechender Atteste und nicht etwa auf sonstigen berufsrechtlichen Verfehlungen beruht. Die Anordnung des Sofortvollzugs sei mit der angeblichen „Gefahr der Antragstellerin für die Allgemeinheit oder für Einzelne“ begründet worden. Diese Gefahr bestehe schon allein aufgrund des strafrechtlich angeordneten partiellen Berufsverbots für drei Jahre nicht. Davon abgesehen bestehe derzeit ohnehin keine Masernimpfpflicht sowie keine Impfpflicht gegen die Corona-Erkrankung. Eine Impfpflicht verbleibe lediglich für die betroffenen Personengruppen, die dem Masernschutzgesetz unterliegen würden. Auch insoweit sei jedoch das strafrechtliche partielle Berufsverbot wirksam, die Antragstellerin werde daher schon aus diesem Grund selbstverständlich keine entsprechenden Kontraindikationsatteste mehr ausstellen und habe dies seit der Anklage gegen sie ohnehin schon lange nicht mehr getan. Andere Verfehlungen würden der Ärztin auch vom Antragsgegner nicht vorgeworfen. Tatsächlich sei die Antragstellerin bereits seit dem Jahr 2006, mithin seit fast 20 Jahren ohne Fehl und Tadel ärztlich tätig. Es sei daher offensichtlich ermessensfehlerhaft und sogar rechtsmissbräuchlich, seitens des Antragsgegners ernsthaft zu behaupten, von der Antragstellerin gehe eine Gefahr aus. Für sehr fragwürdig werde die unverhältnismäßig hohe Strafe in Form einer Freiheitsstrafe durch die beiden Strafgerichte auch deshalb gesehen, weil der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber für beide Fälle (Maskenbefreiung und Masern-Impfbefreiung) eine sogenannte Kontraindikation rechtlich ausdrücklich vorgesehen habe. Ärzte, die dies jedoch tatsächlich umgesetzt hätten, seien teilweise hart, wie vorliegend sogar mit Freiheitsstrafen sanktioniert worden, was angesichts des Gebots der Rechtsstaatlichkeit und der Verhältnismäßigkeit nur schwer erträglich sei. Die Antragstellerin sei zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes und des Lebensunterhalts ihrer Kinder sowie zur Bestreitung der laufenden Kosten der Arztpraxis und damit zur Sicherung ihrer beruflichen und privaten Existenz auch zwingend auf die Ausübung ihres ärztlichen Berufs angewiesen. Die lediglich konstruierte, tatsächlich aber schlichtweg nicht bestehende Gefahr für ihre Patienten bestehe nicht, insbesondere nicht im Hinblick auf ihre normale ärztliche Berufsausübung. Daher sei nicht nur die Anordnung des Sofortvollzugs wegen angeblicher Dringlichkeit ermessensfehlerhaft, sondern auch der Widerruf der Approbation selbst. Seit Sommer sei die Antragstellerin allmählich im Stande, ihre eigene Privatpraxis wieder aufzubauen. Durch erworbene Zusatzqualifikationen hätten sich dabei erste stabile Erfolge und eine künftige Tragfähigkeit ihrer finanziellen Gesamtsituation abgezeichnet, die auch die alleinige finanzielle Versorgung der jüngsten Tochter beinhalte. Die Antragstellerin sei daher zwingend auf die schnellstmögliche Fortsetzung ihres weiteren Praxisaufbaus und der Einnahmen aus der Patientenversorgung angewiesen. Im Interesse der verfassungsrechtlich gebotenen Effektivität des Rechtsschutzes nach Art. 19. Abs. 4 GG und unter Berücksichtigung der Schwere des Eingriffs in die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG durch ein faktisches vorläufiges und sofortiges Berufsverbot, sei daher die aufschiebende Wirkung des Bescheids vom 1.10.2025 wiederherzustellen. Nur so könne die Schaffung vollendeter Tatsachen – insbesondere in Bezug auf den weiteren Verlust von Patienten sowie eine weitere Beeinträchtigung des Rufes durch Terminabsagen – verhindert werden. Denn dies könne zu irreversiblen Folgen für die Praxisentwicklung der Antragstellerin führen und damit die Gewährleistung eines wirksamen und einstweiligen Rechtsschutzes unmöglich machen.
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Die Antragstellerin lässt beantragen,
die aufschiebende Wirkung der am 23.10.2025 eingelegten Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 1.10.2025 über den Widerruf der Approbation als Ärztin (RO 5 K 25.2527) wiederherzustellen.
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Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
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Der Antragsgegner trägt im Wesentlichen vor, dass er auf rechtskräftige und vollständig geklärte Sachverhalte angewiesen sei, um anschließend in die approbationsrechtliche Prüfung einsteigen zu können. Hinzu komme, dass ein Eingreifen den schwersten Eingriff in die Berufsfreiheit des Betroffenen bedeute. Aus diesen Gründen sei das approbationsrechtliche Verfahren erst nach Erhalt des rechtskräftigen Urteils und nicht schon mit Kenntniserlangung des eingeleiteten Ermittlungsverfahrens eingeleitet worden. Die angeführten Verzögerungen seien Resultat einer ausführlichen Sachverhaltsaufklärung und -überprüfung inkl. eines Anhörungsverfahrens und vor dem Hintergrund der Tragweite der Entscheidung angemessen und auch keineswegs unüblich. Es liege aufgrund der festgestellten Unzuverlässigkeit und Unwürdigkeit der Antragstellerin zur Ausübung des ärztlichen Berufs im Interesse des stets sicherzustellenden Patientenschutzes, dass die ärztliche Tätigkeit der Antragstellerin eingestellt sei. Daher sei die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse angeordnet worden, da ein Zuwarten bis zu einer Entscheidung des Gerichts in der Klage nicht sachgerecht sei. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Widerrufs der Approbation vor Rechtskraft der Hauptsache sei als präventive Maßnahme zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter erforderlich. Die Antragstellerin sei im täglichen Austausch mit Menschen, welche sich ihr zur Behandlung anvertrauen würden. Nur durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung könne sichergestellt werden, dass durch sie einzelne Patienten oder auch Dritte sowie das Vertrauen in die Ärzteschaft keinen Schaden nähmen. Der Antragstellerin fehle nachweislich das Unrechtsbewusstsein für ihre Taten. Ein Einstellungswandel sei nicht zu erkennen. Sie sei davon überzeugt, die notwendige ärztliche Sorgfaltspflicht berücksichtigt zu haben. Für eine positive Prognose sei es aber zwingend nötig, dass sich die betroffene Ärztin mit ihren Taten auseinandersetze, um sich dadurch weiterzuentwickeln und sich künftig anders zu verhalten. Dass dem vorliegend nicht so sei, lege den Schluss nahe, dass sie weiterhin bei der Behandlung von Patienten ihre Kompetenzen überschreite, gegen medizinische Standards verstoße und ihre subjektiven Überzeugungen über die der gesamten Fachwelt stelle – auch im Hinblick auf ihre ärztliche Tätigkeit außerhalb des Verschreibens von Attesten. Aufgrund der Feststellungen im rechtskräftigen strafgerichtlichen Urteil sei es ihr zwar untersagt, ärztliche Zeugnisse/Atteste über eine Befreiung/Freistellung von einer staatlich angeordneten Impfpflicht und/oder einer staatlich angeordneten Pflicht zum Tragen einer Schutzmaske für drei Jahre auszustellen. Es dürfe aber nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Antragstellerin in großem Umfang auch Vorträge, kostenpflichtige Seminare und Impfberatungstermine abgehalten habe. Das bestehende Berufsverbot hindere sie nicht daran, dies weiter zu tun. Patienten, die der Aussage einer Ärztin vertrauen würden und sich nicht impfen ließen, würden konkret Gefahr laufen, an einer hoch ansteckenden/lebensbedrohlichen Krankheit, die mit zum Teil schweren Komplikationen einhergehen könne, zu erkranken. Auch Dritte, die sich – wie beispielsweise Säuglinge, Personen mit einer Immunschwäche oder ungeschützte schwangere Frauen – nicht impfen lassen könnten, würden in Gefahr gebracht. Die konkrete Gefahr weiterer Berufspflichtverletzungen gelte es daher unverzüglich zu vermeiden.
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Im Übrigen wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten im Eilverfahren sowie im Verfahren der Hauptsache (RO 5 K 25.2527) verwiesen.
II.
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Der Antrag hat Erfolg.
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1. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung einer Klage ganz oder teilweise anordnen, wenn ein Verwaltungsakt gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 3a VwGO kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist, bzw. wiederherstellen, wenn die Behörde den Sofortvollzug gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet hat.
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a) Der Antrag ist zulässig. Er ist insbesondere statthaft.
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Bezüglich der Nrn. 1 und 2 des streitgegenständlichen Bescheids hat der Antragsgegner den Sofortvollzug in Nr. 3 des Bescheids angeordnet. Im Hinblick auf die Androhung des Zwangsgelds in Nr. 4 des Bescheids ergibt sich die sofortige Vollziehbarkeit aus Art. 21a VwZVG. Der mit der Sachentscheidung verbundene Kostenausspruch in den Nrn. 5 und 6 des Bescheids teilt als Nebenentscheidung zur Sachentscheidung deren rechtliches Schicksal, weshalb sich die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs nach der Wirkung des Rechtsbehelfs gegen die Sachentscheidung richtet. Daher entfällt auch insoweit die aufschiebende Wirkung der Klage; er wird von dem gegen die Sachentscheidung gerichteten Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage umfasst (so BayVGH, B.v. 8.11.2013 – 22 CS 13.1186 – juris str.; vgl. zum Streitstand: Schoch in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht – VwGO, 46. EL August 2024, § 80 VwGO Rn. 140 ff.).
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b) Der Antrag ist darüber hinaus auch begründet.
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Es kann dahinstehen, ob die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung des Widerrufs in formeller Hinsicht den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügt; denn jedenfalls ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung in materieller Hinsicht nicht gerechtfertigt.
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(1) Grundsätzlich ist im Rahmen der Begründetheitsprüfung eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO eine eigenständige Interessenabwägung durch das Gericht vorzunehmen, im Rahmen derer zu ermitteln ist, ob das Suspensivinteresse des Antragstellers oder das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt. Dabei sind maßgeblich die bereits überschaubaren Erfolgsaussichten einer Klage im Hauptsacheverfahren zu berücksichtigen: Während dem Interesse an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer voraussichtlich unzulässigen oder unbegründeten Klage kein hohes Gewicht zukommt, ist die aufschiebende Wirkung im Regelfall anzuordnen, wenn der in der Hauptsache erhobene bzw. noch zu erhebende Rechtsbehelf bei summarischer Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein wird (vgl. nur BayVGH, B.v. 25.10.2021 – 20 CS 20.3147 – juris Rn. 2; B.v. 27.3.2019 – 8 CS 18.2398 – juris Rn. 25 m.w.N.). Sind die Erfolgsaussichten hingegen als offen anzusehen, ist die Entscheidung des Gerichts auf der Grundlage einer reinen Interessenabwägung zu treffen, wobei die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen an einer Herstellung des Suspensiveffekts den öffentlichen Interessen an einem Vollzug schon vor Bestandskraft des Verwaltungsakts gegenüberzustellen sind (vgl. Hoppe in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 93 m.w.N.).
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(2) Allerdings sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vorläufige Eingriffe in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit nur unter strengen Voraussetzungen zum Schutze wichtiger Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft. Allein die hohe Wahrscheinlichkeit, dass das Hauptsacheverfahren zum Nachteil des Betroffenen ausgehen wird, reicht in diesen Fällen nicht aus. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung setzt vielmehr voraus, dass überwiegende öffentliche Belange es rechtfertigen, den Rechtsschutzanspruch des Betroffenen gegen die Grundverfügung einstweilen zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, hängt von einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls und insbesondere davon ab, ob eine weitere Berufstätigkeit schon vor Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter befürchten lässt. Dabei ist auch die Entscheidung des Gesetzgebers zu berücksichtigen, dass einem Rechtsbehelf gegen den Widerruf der Approbation grundsätzlich aufschiebende Wirkung zukommt (§ 80 Abs. 1 VwGO). Die Anordnung des Sofortvollzugs kann daher nur ausnahmsweise durch kollidierende Verfassungsgüter wie die Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter gerechtfertigt sein.
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Des Weiteren gewährt das Verfahrensgrundrecht des Art. 19 Abs. 4 GG nicht nur das formelle Recht und die theoretische Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, sondern auch die Effektivität des Rechtsschutzes; der Grundrechtsträger hat einen Anspruch auf eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle. Der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG kommt daher nicht nur die Aufgabe zu, jeden Akt der Exekutive, der in Rechte des Grundrechtsträgers eingreift, vollständig der richterlichen Prüfung zu unterstellen, sondern auch irreparable Entscheidungen, wie sie durch die sofortige Vollziehung einer hoheitlichen Maßnahme eintreten können, soweit als möglich auszuschließen. Nur überwiegende öffentliche Belange können es rechtfertigen, den Rechtsschutzanspruch des Grundrechtsträgers einstweilen zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten. Dabei ist der Rechtsschutzanspruch umso stärker und darf umso weniger zurückstehen, je schwerwiegender die auferlegte Belastung ist und je mehr die Maßnahmen der Verwaltung Unabänderliches bewirken (vgl. dazu BVerfG, B.v. 23.11.2009 – 1 BvR 2709/09 – juris Rn. 6 – 7).
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(3) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe fehlt es der angegriffenen Entscheidung an einer verfassungsrechtlich haltbaren Feststellung einer konkreten Gefahr für wichtige Gemeinschaftsgüter durch eine weitere Berufstätigkeit der Antragstellerin schon vor Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens.
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Der Antragsgegner geht im streitgegenständlichen Bescheid vom 1.10.2025 davon aus, dass nur durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung sichergestellt werden könne, dass durch die Antragstellerin einzelne Patienten oder auch Dritte sowie das Vertrauen in die Ärzteschaft keinen Schaden nehmen. Weiter führt der Antragsgegner im Bescheid aus, dass dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung auch deshalb ausschlaggebende Bedeutung zukomme, weil die konkrete Gefahr, die von der ärztlichen Berufsausübung der Antragstellerin ausgehe, sofort und unmittelbar für eine nicht wieder gut zu machende Schädigung für Leben und Gesundheit von Patienten und/oder Dritten ausschlaggebend sein könnte. Dabei benennt der Antragsgegner allerdings nicht konkret, welches weitere Fehlverhalten der Antragstellerin, das zu einer Schädigung von Patienten oder Dritten führen soll, bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens erwartet bzw. befürchtet wird. Die Ausführungen des Antragsgegners im Bescheid erschöpfen sich in Bezug auf die Anordnung des Sofortvollzugs im Wesentlichen in der Feststellung, dass die Antragstellerin aus den im Bescheid dargelegten Gründen unzuverlässig und unwürdig sei, die Eignung zur Ausübung des ärztlichen Berufs damit fehle und das öffentliche Interesse an der Funktionsfähigkeit der ordnungsgemäßen Versorgung den sofortigen Vollzug des Approbationswiderrufs gebiete bzw. es der Bevölkerung nicht zumutbar sei, eine Ärztin, deren Unzuverlässigkeit und Unwürdigkeit bejaht wurde, weiter als Ärztin arbeiten zu lassen.
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Der Antragsgegner befasst sich dabei aber nicht näher mit der Frage, ob damit zu rechnen ist, dass sich die durch den Antragsgegner – sehr abstrakt – beschriebenen Gefahren mit hinreichender Wahrscheinlichkeit schon vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens realisieren werden. Insofern berücksichtigt der Antragsgegner nicht, dass für einen Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG, der faktisch ein vorläufiges Berufsverbot bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren bewirkt, für die Anordnung des Sofortvollzugs über die die Unzuverlässigkeit/Unwürdigkeit begründenden Tatsachen weitere konkrete Anhaltspunkte vorliegen müssen, die die Annahme begründen, dass in absehbarer Zeit, mithin noch vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens, weitere berufsrechtliche Verstöße der Antragstellerin zu erwarten sind, oder die die Unzuverlässigkeit/Unwürdigkeit begründenden Tatsachen schon für sich genommen die Annahme zulassen, dass noch vor dem Abschluss des Hauptsacheverfahrens weitere berufsrechtliche Verstöße der Antragstellerin zu erwarten sind, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu konkreten Gesundheitsgefahren der von ihr zu behandelnden Patienten führen werden.
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Soweit der Antragsgegner im Schriftsatz vom 5.11.2025 zur Begründung des Sofortvollzugs ergänzend vorträgt, dass der Antragstellerin nach wie vor das Unrechtsbewusstsein für ihre Taten fehle und dies den Schluss nahelege, dass die Antragstellerin weiterhin bei der Behandlung von Patienten ihre Kompetenzen überschreite, gegen medizinische Standards verstoße und ihre subjektiven Überzeugungen über die der gesamten Fachwelt stelle, auch im Hinblick auf ihre ärztliche Tätigkeit außerhalb des Verschreibens von Attesten, liegen der Kammer vor dem Hintergrund, dass seit der letzten der der Antragstellerin im Strafurteil zur Last gelegten Tat vom 17.9.2020 mittlerweile über fünf Jahre vergangen sind, weitere Verstöße gegen berufliche Pflichten nicht bekannt sind und es der Antragstellerin aufgrund des dreijährigen partiellen Berufsverbots nach § 70 StGB untersagt ist, ärztliche Zeugnisse/Atteste über Befreiungen von der Pflicht zum Nachweis einer Impfung und/oder einer staatlich angeordneten Pflicht zum Tragen einer Schutzmaske auszustellen und insofern gleichgelagerte Pflichtverstöße zumindest für diese Zeit nicht zu erwarten sind, derzeit keine ausreichenden Anhaltspunkte vor, die genügend Anlass zur Annahme geben, dass sich diese Gefahr mit hinreichender Wahrscheinlichkeit bereits bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens verwirklichen wird und ein faktisches vorläufiges Berufsverbot rechtfertigen würde. Inwiefern – wie vom Antragsgegner vorgetragen – eine etwaige nur beratende Tätigkeit der Antragstellerin oder die Durchführung entsprechender Seminare, ohne dass die Antragstellerin hierbei ärztliche Atteste bzw. Befreiungen von der Pflicht zum Nachweis einer Impfung ausstellen könnte, bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu einer konkreten und unmittelbaren Gesundheitsgefährdung ihrer Patienten oder Dritten, die sich womöglich nicht selbst impfen lassen können, führen soll, ist für die entscheidende Kammer nicht ersichtlich.
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Bezüglich der Anordnung des Sofortvollzugs berücksichtigt der Antragsgegner damit nicht in ausreichendem Maße, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung ausschließlich zum Schutz vor konkreten Gefährdungen während des laufenden Hauptsacheverfahrens zulässig ist und ein Sofortvollzug gerade nicht erforderlich ist und unterbleiben muss, wenn schon der Verfahrensdruck zu einer Verhaltensänderung jedenfalls für die Dauer des Hauptsacheverfahrens führt (BVerfG, B.v. 19.12.2007 – 1 BvR 2157/07 – juris Rn. 26). Getrennt hiervon ist zu beurteilen, inwieweit ein etwaiges Wohlverhalten der Antragstellerin, welches möglicherweise lediglich unter dem Eindruck des anhängigen Widerrufsverfahrens gezeigt wurde, Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des Approbationswiderrufs als solchen hat (vgl. BayVGH, U.v. 28.6.2017 – 21 B 16.2065 – juris Rn. 25).
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Soweit der Antragsgegner davon ausgeht, dass durch die fortgesetzte berufliche Tätigkeit der Antragstellerin das Vertrauen der Allgemeinheit in die Ärzteschaft und das Ansehen desselben auch schon während des laufenden Hauptsacheverfahrens beeinträchtigt werden, ist zu berücksichtigen, dass der mit der angegriffenen Entscheidung angestrebte Schutz des Vertrauens in die Ärzteschaft durch die - gesetzlich grundsätzlich vorgesehene – aufschiebende Wirkung der Klage nicht vereitelt, sondern nur aufgeschoben wird (vgl. BVerfG, B.v. 23.11.2009 – 1 BvR 2709/09 – juris Rn. 11). Dabei ist auch zu sehen, dass zwischen der der Antragstellerin im Strafurteil letzten zur Last gelegten Tat vom 17.9.2020 sowie der anschließenden medialen Berichterstattung über das Strafverfahren der Antragstellerin und dem mit Bescheid vom 1.10.2025 verfügten Widerruf der Approbation bereits ein erheblicher Zeitraum verstrichen ist. Angesichts der zeitlichen Distanz zu den maßgeblichen Ereignissen vermag die Kammer keine Anhaltspunkte dafür erkennen, dass gerade während der Dauer des anhängigen Klageverfahrens ein irreversibler Vertrauensverlust der Allgemeinheit in die Integrität der Ärzteschaft einzutreten droht.
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Andere als die dem Strafurteil zugrunde liegenden Tatsachen, aus denen sich bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens eine von der weiteren ärztlichen Berufsausübung der Antragstellerin ausgehende konkrete Gefahr für bedeutsame Gemeinschaftsgüter ableiten ließe, werden in der angefochtenen Entscheidung nicht benannt und sind für das Gericht ebenfalls nicht ersichtlich.
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Demgegenüber ist zu berücksichtigen, dass der Antragstellerin durch den Sofortvollzug des Approbationswiderrufs schwere und nahezu irreparable berufliche Nachteile entstehen würden. Sie könnte mit sofortiger Wirkung ihren Beruf als Ärztin nicht mehr ausüben. Infolgedessen müsste sie den weiteren Aufbau ihrer Praxis einstellen und würde dadurch ihren Patientenstamm verlieren. Diese schwerwiegenden Konsequenzen wären bei einem späteren Erfolg der Hauptsacheklage praktisch kaum noch rückgängig zu machen.
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Da die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Widerrufs der ärztlichen Approbation den Maßstäben nicht gerecht wird, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung an einen Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG stellt, der faktisch ein vorläufiges Berufsverbot bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren bewirkt, kann das Gericht im Ergebnis offenlassen, ob die Voraussetzungen für den Widerruf der ärztlichen Approbation gem. § 5 Abs. 2 Satz 1 BÄO i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO tatsächlich gegeben sind (vgl. BayVGH, B.v. 14.2.2022 – 11 CS 21.2961 – juris Rn. 12).
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Die vorzunehmende Güterabwägung fällt unter Berücksichtigung von Art. 12 GG zu Lasten des Antragsgegners aus.
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2. Dem Antrag war damit mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.
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3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2025, dort Ziffer 16.1. Dieser Streitwert ist nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren.