Titel:
Grundsicherungsleistungen Krankenversicherung, Fahrtkosten und Medikamente
Leitsätze:
1. Zum Streitgegenstand bei einem sog. Höhenstreit.
2. Zur Klärung des Versicherungsstatus der Kranken- und Pflegeversicherung ist die Kranken- und Pflegekasse zuständig; eine Klärung erfolgt nicht im Rahmen eines Verfahrens, das auf Grundsicherungsleistungen nach §§ 19 Abs. 2, 41 ff SGB XII gerichtet ist.
3. Zur Umdeutung in eine Fortsetzungsfeststellungsklage.
4. Die Übernahme von Fahrtkosten zum Arztbesuch und von Kosten für die in Apotheken gekaufte Medikamente richtet sich primär nach dem SGB V.
5. Nichtverordnungsfähige Arzneimittel sind regelmäßig aus dem allgemeinen Regelsatz zu bestreiten.
Schlagworte:
Apothekenkosten, Fahrtkosten, Krankenversicherung, Medikamente, Pflegeversicherung, Stromkosten
Vorinstanz:
SG München, Gerichtsbescheid vom 10.10.2024 – S 53 SO 217/24
Rechtsmittelinstanz:
BSG, Beschluss vom 06.10.2025 – B 8 SO 42/25 BH
Fundstelle:
BeckRS 2025, 34057
Tenor
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 10. Oktober 2024 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Der Kläger und Berufungskläger begehrt die Gewährung höherer Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XII) von der Beklagten und Berufungsbeklagten.
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Der 1957 geborene Kläger bezieht eine Altersrente von der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd (DRV) i.H.v. monatlich 492,51 €. Er bewohnt eine ca. 38 qm große 1-Zimmer-Wohnung, für die er bis 31.05.2023 eine monatliche Grundmiete von 220,55 € zzgl. Vorauszahlungen auf die Heiz- und Betriebskosten von 140,00 € bezahlen musste. Hinsichtlich seiner Kranken- und Pflegeversicherung steht er mit der mhplus Betriebskrankenversicherung im Rechtsstreit. Bis Dezember 2022 erhielt er Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Jobcenter München.
3
Der Kläger beantragte erstmals mit Schreiben vom 14.01.2023 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung bei der Beklagten, welche diese mit Bescheid vom 09.02.2023 für die Zeit vom 01.01.2023 bis 31.12.2023 i.H.v. monatlich 500,54 € bewilligte.
4
Zur Begründung seines hiergegen eingelegten Widerspruchs brachte der Kläger vor, sein Renteneintritt habe zum 01.01.2023 stattgefunden. Gezahlt worden sei die Rente erst Ende Januar 2023. Unterkunftskosten sowie Stromabschlag habe er aber bereits Anfang des Monats zahlen müssen. Geld habe er auch für seinen Lebensunterhalt benötigt. Somit sei er bis zur ersten Rentenzahlung mittellos gewesen. Das Jobcenter habe ihm keine Leistungen bewilligt. Erst am 21.02.2023 seien ihm 179,98 € auf seinem Konto gutgeschrieben worden. Hiervon habe er die restliche Januarmiete überwiesen. Auch die Februarmiete sei nicht (rechtzeitig) überwiesen worden.
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Mit Bescheid vom 17.07.2023 änderte die Beklagte die Leistungshöhe ab August 2023 wegen einer Rentenerhöhung zum 01.07.2023 und einer Mieterhöhung zum 01.06.2023 und setzte die Grundsicherung für die Zeit vom 01.08. bis 31.12.2023 auf monatlich 412,46 € fest. Die Miete werde direkt an den Vermieter überwiesen.
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Der Kläger legte dem Beklagten eine Kopie eines seiner Schreiben an die Stadtwerke München GmbH (SWM) vor, datiert auf den 12.12.2023, mit dem er Widerspruch gegen die Jahresabrechnung der Stromkosten einlegte. Die Nachzahlung von 193,36 € könne er nicht zahlen.
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Mit Änderungsbescheid vom 19.12.2023 bewilligte die Beklagte dem Kläger im Dezember 2023 höhere Leistungen (i.H.v. 743,49 €) aufgrund einer Betriebskostennachforderung für 2022 i.H.v. 331,03 € (Schreiben des Vermieters vom 30.11.2023, fällig zum 21.12.2023). Ab 01.01.2024 betrug die monatliche Kaltmiete 237,97 € und die Vorauszahlungen auf die Heiz- und Betriebskosten 195,00 €. Dies wurde umgesetzt im weiteren Änderungsbescheid vom 19.12.2023 für den Zeitraum Januar 2024 bis Dezember 2024.
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Die Regierung von Oberbayern wies den Widerspruch gegen den Bescheid der Beklagten vom 09.02.2023 mit Widerspruchsbescheid vom 29.04.2024 zurück. Die Beklagte habe zu Recht mit Bescheid vom 09.02.2023 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für die Zeit ab 01.01.2023 bewilligt.
9
Hiergegen hat der Kläger bei der Regierung von Oberbayern `Einspruch´ eingelegt und auch das Bestehen von Stromschulden geschildert. Diesen hat der Kläger mit Schreiben vom 21.05.2024 im Zusammenhang mit den beim Sozialgericht München (SG) anhängigen Verfahren mit den Az. S 17 KR 1097/23 und S 17 KR 391/24 ER auch an das SG übermittelt, das das Vorbringen als Klage gewertet hat (Klageeingang: 24.05.2024). Die Klage hat der Kläger damit begründet, dass ihn das Jobcenter nicht darauf hingewiesen habe, rechtzeitig einen Antrag auf Leistungen der Grundsicherung zu stellen. Er habe einen Weiterbewilligungsantrag am 21.11.2022 beim Jobcenter gestellt. Hierin habe er auch darum gebeten, dass seine Unterkunftskosten für Januar 2023 bis zur ersten Rentenzahlung, die nicht zum Monatsanfang erfolgt sei, übernommen werden. Er habe damit auch ein Darlehen gewollt. Offenbar sei der Antrag nicht weitergeleitet worden. Er sei ab Januar 2023 zahlungsunfähig gewesen. Er habe die Miete mit zweimaliger Ratenzahlung begleichen müssen und daher die erhöhte Stromzahlung von 193,36 € (zzgl. Mahnkosten von 1,50 €) nicht bezahlen können. Nun drohe ihm die Stromsperre. Auch Taxikosten zu Ärzten könne er sich nicht leisten. Mit Schreiben vom 20.06.2024 hat der Kläger zu einem Verfahren mit dem Az. S 53 SO 261/23 (Untätigkeitsklage) darauf hingewiesen, dass er die sofortige Rückzahlung der Januarmiete 2023 von der Beklagten i.H.v. 360,55 € begehre. Mit weiterem Schreiben hat der Kläger der Beklagten mitgeteilt, dass er kein Darlehen für die rückständige Stromnachzahlung beantragen könne.
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Die Beklagte hat mit Bescheid vom 08.08.2024 in Abänderung des Bewilligungsbescheides vom 19.12.2023 die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für den Bewilligungszeitraum 01.06.2024 bis 31.12.2024 teilweise aufgehoben und die Grundsicherungsleistungen für Juni 2024 i.H.v. 5.398,48 € und vom 01.07.2024 bis 31.12.2024 i.H.v. monatlich 803,26 € festgesetzt. Dabei hat sie einen Nachzahlbetrag von Januar 2023 bis Juni 2024 i.H.v. 4.867,02 € berücksichtigt, der direkt an die Krankenkasse überwiesen worden ist. Ab Juli 2024 würden die Beiträge direkt an die Kranken- und Pflegekasse überwiesen. Der Kläger hat hiergegen Widerspruch eingelegt und sich gegen die Kostenübernahme einer freiwilligen Krankenversicherung gewandt. Er habe seine Krankenversicherung zum 05.07.2024 gekündigt und eine Pflichtversicherung in der Krankenversicherung der Rentner beantragt. Die mhplus BKK hat zunächst eine Beendigung der freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung zum 31.10.2024 mitgeteilt.
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Mit Bescheid vom 06.09.2024 hat die Beklagte den Antrag vom 17.06.2024 auf Übernahme der geschuldeten Energiekosten in Höhe von 194,86 € genehmigt. Die Genehmigung erfolge durch eine direkte Überweisung der Energieschulden an das Energieversorgungsunternehmen.
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Die Beklagte hat mit Schreiben vom 20.09.2024 angegeben, dass die Unterkunftskosten für den Monat Januar 2023 in Höhe von 360,55 € am 16.09.2024 zur Auszahlung an den Kläger angewiesen worden seien. Die Direktzahlung der Unterkunftskosten an den Vermieter des Klägers seien ab Oktober 2024 eingestellt worden. Ab diesem Zeitpunkt müsse der Kläger seine Mietkosten selbst an seinen Vermieter überweisen. Auch die Stromschulden des Klägers seien mittlerweile als Beihilfe übernommen worden.
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Der Kläger hat seine Klage aufrecht erhalten. Die Krankenkasse habe seit Juli 2024 keinerlei Leistungen mehr erbracht, weder für Krankenfahrten noch für Medikamente wie Insulin. Er müsse alle Kosten selbst tragen. Er hat verschiedene Rechnungen von Apotheken, insgesamt über 244,02 €, vom 05.09.2024 übermittelt.
14
Das SG hat mit Beschluss vom 10.10.2024 einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) abgelehnt. Mit Beschluss vom 20.12.2024 hat der Senat auf die Beschwerde den Beschluss des SG vom 10.10.2024 aufgehoben und dem Kläger nachträglich für das Verfahren vor dem SG ab Antragstellung vom 03.09.2024 PKH bewilligt (L 8 SO 274/24 B PKH).
15
Ferner hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 10.10.2024 auch die Klage abgewiesen, da diese unzulässig sei. Soweit der Kläger für Januar 2023 die Gewährung von zusätzlichen Kosten der Unterkunft und Heizung i.H.v. 360,55 € begehre, fehle es an dem Rechtsschutzbedürfnis. Da die Beklagte dem Kläger die Unterkunftskosten für den Monat Januar 2023 in Höhe von 360,55 € am 16.09.2024 überwiesen habe, sei dem Begehren des Klägers insofern entsprochen worden. Einen rechtlichen Vorteil könne er mit der Klage diesbezüglich nicht mehr erlangen.
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Die Übernahme von Stromschulden des Klägers sei nicht streitgegenständlich. Der streitgegenständliche Bescheid vom 09.02.2023 treffe diesbezüglich keine Entscheidung. Auch die Beiträge zur Krankenversicherung ab Juli 2024 seien nicht streitgegenständlich, da der streitgegenständliche Bescheid nur das Jahr 2023 betreffe. Eine Klageänderung sei nicht sachdienlich (§ 99 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG). Ergänzend hat das SG schließlich darauf hingewiesen, dass auch die Kosten für Krankenfahrten nicht Streitgegenstand des Verfahrens seien.
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Der Kläger hat am 07.11.2024 Berufung gegen den Gerichtsbescheid zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt; zugleich hat er Beschwerde gegen die Ablehnung von PKH eingelegt; Zur Begründung seiner Berufung hat der Kläger ausgeführt, er stehe schutzlos gegenüber der Entscheidung der Richterin des SG. Offensichtlich stehe er unter keiner Rechtsordnung. Er beantrage eine Berufungsverhandlung.
18
Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hat zur Begründung auf die Ausführungen des Gerichtsbescheides verwiesen. Ergänzend hat sie auf gerichtliche Nachfrage die Ansicht vertreten, dass die Klage auch im Hinblick auf der Übernahme der Stromkosten unzulässig sei. Zum einen träfen die streitgegenständlichen Bescheide hierzu keine Entscheidung, zum anderen würden die Stromkosten bereits durch den Bescheid vom 06.09.2024 als Beihilfen übernommen. Es bestünde daher kein Rechtsschutzbedürfnis.
19
Der Kläger sei auch nicht im Hinblick auf die Übernahme der Kosten der Krankenversicherung ab Juli 2024 beschwert. Streitig sei zum einen der Zeitraum vom 01.01. bis 31.12.2023; eine Klageänderung sei nicht sachdienlich und es bestehe kein Einverständnis damit. Im Übrigen würden die Beiträge ab Juli 2024 mit Änderungsbescheid vom 08.08.2024 bereits übernommen.
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Auch die Kosten für Krankenfahrten/Rechnungen von Apotheken seien nicht Gegenstand des streitgegenständlichen Bescheids und des streitgegenständlichen Zeitraums. Eine Klageänderung sei auch diesbezüglich nicht sachdienlich und einer solchen werde zudem widersprochen. Ferner sei für die Übernahme entsprechender Kosten keine Anspruchsgrundlage im SGB XII ersichtlich. Nach Kenntnis der Beklagten sei betreffend der Fahrtkosten mit einem Taxi zu ambulanten Behandlungen ein Hauptsacheverfahren gegen die mhplus BKK beim SG München unter dem Az. S 17 KR 565/24 anhängig.
21
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 03.03.2025 auf „seinen Schriftsatz vom 25.02.2025“ verwiesen, mit dem er sich gegen einen Beschluss vom 17.02.2025 in dem Krankenversicherungsverfahren L 5 KR 6/25 B ER gewandt habe. Es werde mit seinem Leben gespielt. Er hat das Verhalten der Krankenkasse und des Sozialreferats beanstandet. Der Kläger hat sich ferner gegen eine Beschränkung der Klage bzw. Berufung gewandt. Er sei seit über zwei Jahren ohne ärztliche Versorgung. Er beantrage eine einstweilige Verfügung „wie im Verfahren L 5 KR 6/25 B ER“. Im Schreiben vom 21.03.2025 hat er nach gerichtlichem Hinweis vom 14.03.2025 sein Vorbringen hierzu näher konkretisiert; er hat vor allem die Fahrtkosten mit dem Taxi für aktuelle Krankenfahrten (z.B. für den 10.04.2025) begehrt.
22
Mit einer „Klage per Eilverfahren“ zum LSG hat der Kläger Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für März 2025 begehrt, da ihm in jenem Monat keine Grundsicherung gewährt worden sei. Der Senat hat das Verfahren als Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes an das SG abgegeben, das den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz mit Beschluss vom 09.04.2025 abgelehnt hat. Hiergegen ist die Beschwerde beim LSG anhängig gemacht (L 8 SO 61/25 B ER).
23
Die Untätigkeitsklage des Klägers, mit der er eine Entscheidung über seinen Widerspruch vom 10.03.2023 begehrte, hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 29.07.2024 abgewiesen (S 53 SO 261/23). Die Berufung hat der Senat mit Urteil vom 04.12.2024 zurückgewiesen (L 8 SO 222/24).
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Der Rechtsstreit ist wegen eines am 09.04.2025 eingegangenen Ablehnungsgesuchs des Klägers gegen die Richter des 8. Senats in der Sitzung vom 10.04.2025 vertagt worden. Das Gesuch ist mit Beschluss vom 06.05.2025 abgelehnt worden (L 8 SO 86/25 AB).
25
Auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 08.05.2025 wird hingewiesen.
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 10.10.2024 aufzuheben und den Bescheid vom 09.02.2023 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 17.07.2023 und 19.12.2023 dahingehend abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm
- für Januar 2023 zusätzliche Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 360,55 € zu gewähren, hilfsweise ein Darlehen für die Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 360,55 € für Januar 2023, ferner
- die offenen Stromkosten in Höhe von 194,86 € und
- die Kosten der Krankenversicherung ab Juli 2024 zu übernehmen und
- die Auslagen für Krankenfahrten sowie Rechnungen der Apotheken in Höhe von 244,02 € zu erstatten.
27
Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 15.11.2024,
die Berufung zurückzuweisen.
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Im Übrigen wird auf den Inhalt der Akte der Beklagten, der Gerichtsakte des SG (S 17 KR 565/24) und des LSG sowie der Klage- und Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
29
Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG). Insbesondere wurde sie form- und fristgerecht erhoben.
30
Der Senat konnte in Abwesenheit der Beklagten entscheiden, da diese ordnungsgemäß geladen war und in der Ladung auf die Möglichkeit der Entscheidung auch im Falle des Ausbleibens hingewiesen wurde (§§ 110, 126, 132 SGG).
31
Im Hinblick auf den klägerischen Antrag im Berufungsverfahren wird auch die notwendige Berufungssumme von 750,00 € nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG erreicht. Der Kläger begehrt insgesamt 799,43 €; dabei sind nicht nur die Kosten der Unterkunft und Heizung im Januar 2023 in Höhe von 360,55 €, auf die sich der streitgegenständliche Widerspruchsbescheid vom 29.04.2024 bezog, sondern auch die ferner mit der Klage geltend gemachten Stromkosten i.H.v. 194,86 € und Auslagen für Krankenfahrten i.H.v. 244,02 € zu berücksichtigen. Ferner ist das klägerische Begehr zusätzlich auf die Übernahme der Kosten der Krankenversicherungsbeiträge ab Juli 2024 gerichtet.
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Die Berufung ist jedoch unbegründet, da die Klage wegen Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig ist.
33
Das SG konnte gemäß § 105 SGG durch Gerichtsbescheid entscheiden. Die vom Kläger begehrte mündliche Verhandlung ist im Berufungsverfahren sichergestellt.
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Der Kläger begehrt, den Bescheid vom 09.02.2023 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 17.07.2023 und 19.12.2023 und in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.04.2024 dahingehend abzuändern, dass ihm von der Beklagten für Januar 2023 zusätzliche Kosten der Unterkunft und Heizung i.H.v. 360,55 €, hilfsweise ein Darlehen für die Kosten der Unterkunft und Heizung i.H.v. 360,55 € für Januar 2023, und die Stromschulden i.H.v. 194,86 € gewährt sowie Geld für Krankenfahrten und Rechnungen der Apotheken i.H.v. 244,02 € erstattet werden. Er bezieht gemäß Bescheid der Beklagten vom 09.02.2023 für die Zeit vom 01.01.2023 bis 31.12.2023 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des SGB XII i.H.v. monatlich 500,54 €. Dieser Bescheid ist in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.04.2024 und der Änderungsbescheide Streitgegenstand des Klageverfahrens bzw. des inzwischen anhängigen Berufungsverfahrens. Dabei ist Streitgegenstand auch der Bescheid vom 08.08.2024, der den Bewilligungsbescheid vom 19.12.2023 teilweise aufgehoben bzw. geändert hat; der Bescheid wurde gemäß § 86 bzw. § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens.
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Gemäß Bescheid vom 09.02.2023 ist die Leistungsgewährung auf die Zeit von Januar bis Dezember 2023 begrenzt. Allerdings hat das SG auch zutreffend antragsgemäß u.a. den o.g. Abänderungsbescheid vom 19.12.2023 mit in seine Entscheidung einbezogen, der die Leistungsgewährung für das Jahr 2024 betrifft. Das klägerische Begehren ist dahingehend auszulegen, dass er für diese beiden streitigen Zeiträume höhere Leistungen der Grundsicherung unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt begehrt. Es handelt sich um einen sog. Höhenstreit, bei dem Grund und Höhe des Leistungsanspruchs in vollem Umfang zu überprüfen sind (stRspr.: BSGE 108, 123 ff – juris Rn. 13 mit Verweis auf BSGE 95, 8 ff, Rn. 6; BSGE 95, 191 ff, Rn. 13). Zulässige Klageart ist hierfür die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1 und 4, 56 SGG).
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Nicht streitgegenständlich sind jedoch aufgrund der zeitlichen Begrenzung auf die Jahre 2023 und 2024 Grundsicherungsleistungen für 2025, insbesondere auch nicht eine Grundsicherung für März 2025 oder die Übernahme von Fahrtkosten mit dem Taxi zu Krankenbehandlungen, wie sie der Kläger zuletzt begehrt. Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens sind, worauf der Senat mit Schreiben vom 14.03.2025 hingewiesen hat, Leistungen für die Jahre 2023 und 2024. Nur auf diesen Zeitraum können sich geltend gemachte Ansprüche des Klägers beziehen.
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Im Ergebnis zu Recht hat das SG entschieden, dass die Klage unzulässig ist. Es fehlt als Prozessvoraussetzung das notwendige Rechtsschutzbedürfnis. Die Gerichte haben die Aufgabe, den Bürgern und der Verwaltung zu ihrem Recht zu verhelfen, soweit das notwendig ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl., Vor § 51 Rn. 16). Hieran fehlt es vorliegend vollumfänglich. Der Kläger hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung nochmals zum Ausdruck gebracht, dass es ihm vor allem um Leistungen der Krankenversicherung geht, insbesondere um die Versorgung mit Medikamenten und die Fahrten mit dem Taxi zu Ärzten. Er hat erklärt, vor allem eine andere Krankenversicherung als eine freiwillige Versicherung zu wollen sowie pflegeversichert zu sein. Zur Klärung des Versicherungsstatus der Kranken- und Pflegeversicherung ist jedoch die Kranken- und Pflegekasse, nicht jedoch die Beklagte im Rahmen eines Verfahrens zuständig, das auf Grundsicherungsleistungen nach §§ 19 Abs. 2, 41 ff SGB XII gerichtet ist.
38
Ferner bestreitet der Kläger nicht, Grundsicherungsleistungen einschließlich der Kosten der Unterkunft für Januar 2023 erhalten zu haben; er rügt lediglich, dass diese erst gegen Ende Februar 2023 überwiesen wurden. Dennoch beantragte er aber ausdrücklich weiterhin, die Beklagte zu verurteilen, ihm für Januar 2023 zusätzliche Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 360,55 € zu gewähren, hilfsweise ein Darlehen für die Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 360,55 € für Januar 2023. Die Beklagte hat dem Kläger am 16.09.2024 aber bereits die Unterkunftskosten für den Monat Januar 2023 in Höhe von 360,55 € überwiesen und damit dem Begehren des Klägers entsprochen.
39
Eine Umdeutung des Klageantrags in einen Fortsetzungsfeststellungsantrag nach § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG scheidet ebenfalls aus. Hat sich demnach ein Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Zum einen ist nämlich der Bescheid vom 09.02.2023, mit dem dem Kläger die Grundsicherungsleistung für das Jahr 2023 bewilligt wurde, nicht rechtswidrig. Der Kläger beanstandet nur die verzögerte Auszahlung. Zum anderen ist ein besonderes Interesse des Klägers an der Feststellung, insbesondere wegen einer Wiederholungsgefahr, nicht erkennbar, zumal der Kläger selbst erst am 14.01.2023 den Antrag auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung bei der Beklagten gestellt hat und die finanzielle Situation für den Kläger im Januar 2023 auf die einmalige Umstellung von SGB II-Leistungen auf SGB XII-Leistungen mit Rentenbeginn im Januar zurückzuführen ist.
40
Die Stromkosten in Höhe von 194,86 € hat die Beklagte bereits durch den Bescheid vom 06.09.2024 als Beihilfen übernommen. Dort wurde gemäß dem Antrag des Klägers vom 17.06.2024 die Übernahme der geschuldeten Energiekosten in dieser Höhe gemäß § 36 Abs. 1 SGB XII genehmigt. Die Beklagte hat damit auch hier dem Begehren des Klägers in vollem Umfang entsprochen; die Stromschulden wurden unmittelbar an das Energieversorgungsunternehmen überwiesen.
41
Auch der Klageantrag auf Übernahme der Kosten der Krankenversicherung ab Juli 2024 ist wegen fehlendem Rechtsschutzbedürfnis unzulässig. Mit Bescheid vom 08.08.2024 hob die Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 19.12.2023 für den Bewilligungszeitraum 01.06.2024 bis 31.12.2024 teilweise auf. Sie setzte die Grundsicherungsleistungen für Juni 2024 i.H.v. 5.398,48 € und vom 01.07.2024 bis 31.12.2024 i.H.v. monatlich 803,26 € fest und berücksichtigte dabei einen Nachzahlbetrag von Januar 2023 bis Juni 2024 i.H.v. 4.867,02 €, der direkt an die Krankenkasse überwiesen worden ist. Ab 01.07.2024 überwies die Beklagte die Beiträge monatlich direkt an die Kranken- und Pflegekasse. Auch damit ist dem klägerischen Begehr, das im Rahmen der SGB XII-Gewährung nur auf Übernahme der tatsächlich angefallenen oder anzufallenden Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung gerichtet sein kann, vollumfänglich entsprochen. Dass der Kläger einen Wechsel in die Krankenversicherung der Rentner anstrebt, ist in einem Verfahren des Klägers gegen seine Krankenkasse zu prüfen.
42
Die Übernahme von Fahrtkosten zum Arztbesuch (§ 60 SGB V) und von Kosten für in Apotheken gekaufte Medikamente im Jahr 2024 richtet sich primär nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch und nicht nach dem gegenüber der Beklagten geltenden SGB XII. Im Übrigen wird, wie oben dargelegt, auf das beim SG anhängige Verfahren gegen die mhplus BKK unter dem Az. S 17 KR 565/24 verwiesen.
43
Ergänzend, vor allem soweit vom Kläger keine verschreibungspflichtigen Medikamente erworben wurden, wird auf Folgendes hingewiesen: Durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003 (GKV-Modernisierungsgesetz, BGBl. I S. 219) wurden apothekenpflichtige, nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung seit dem 01.01.2004 ausgeschlossen (zur Begründung: BT-Drucks. 15/1525 S. 86 f). Hierdurch ist eine Gleichstellung von gesetzlich krankenversicherten Hilfeempfängern mit Versicherten ohne Sozialhilfebezug erfolgt (s.a. LSG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 13.03.2009, L 1 SO 2/07 – juris Rn. 37; Bayer. LSG, Beschluss vom 14.04.2020, L 18 SO 153/18 NZB – juris Rn. 35). Dies hat zur Folge, dass nicht-verordnungsfähige Arzneimittel regelmäßig aus dem allgemeinen Regelsatz bestritten werden müssen (Bayer. LSG, Beschluss vom 14.04.2020, a.a.O.). Auch insoweit besteht somit kein Anspruch auf Erstattung von verauslagten Apothekenkosten des Klägers gegen die Beklagte. Einen Anspruch auf Erstattung von Taxikosten für Arztbesuche sieht das SGB XII ebenfalls nicht vor.
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Die Berufung ist daher zurückzuweisen.
45
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.