Titel:
Nutzungsausfallentschädigung, Fahrzeugverwertung, Schadensminderungspflicht, Ersatzfahrzeug, Vorhaltekosten, Berufungsbegründung, Nutzungsausfall
Normenketten:
ZPO § 287 I
ZPO § 287 II
BGB § 249 II 1
BGB § 251
Leitsätze:
1. Der Nutzungsausfallschaden ist nicht begrenzt auf den Sachwert des Fahrzeugs.
2. Auch bei einem längeren Zeitraum des Nutzungsausfalls ist es nicht gerechtfertigt, die Nutzungsausfallentschädigung auf die sog. Vorhaltekosten in Abweichung von der anerkannten Schätzgrundlage bezüglich Nutzungsausfallentschädigungen bei privaten Kraftfahrzeugen (z.B. Tabellen nach Sanden/Danner/Küppersbusch bzw. „SchwackeListe Nutzungsausfallentschädigung“) zu beschränken.
Schlagworte:
Nutzungsausfallentschädigung, Fahrzeugverwertung, Schadensminderungspflicht, Ersatzfahrzeug, Vorhaltekosten, Berufungsbegründung, Nutzungsausfall
Vorinstanz:
LG München I, Urteil vom 19.02.2025 – 41 O 17842/23
Fundstellen:
BeckRS 2025, 33487
FDRVG 2025, 033487
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts München I vom 19.02.2025, Az. 41 O 17842/23, abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 16.887,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26.04.2024 zu bezahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
1
Die Parteien streiten um den Ersatz eines Nutzungsausfallschadens für einen privat genutzten Pkw für den Zeitraum vom 08.06.2020 bis zum 18.07.2022.
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Der Kläger war Eigentümer eines ausschließlich privat genutzten Pkw BMW 118, Baujahr 2007. Wegen akuten Geldbedarfs suchte der Kläger am 14.10.2019 die Beklagte, ein staatlich zugelassenes Pfandleihhaus, in deren Räumen in München auf und unterzeichnete dort einen Kauf- und Mietvertrag über seinen Pkw (damalige Fahrleistung von 178.439 km). Er erhielt von der Beklagten 1.500 € in bar und mietete den Pkw auf sechs Monate befristet zu einem monatlichen Mietzins in Höhe von 286,30 € zurück. Nach Ablauf der Mietzeit sollte der Pkw nach den vertraglichen Regelungen im Rahmen einer öffentlichen Versteigerung verwertet werden. Nach Ablauf der befristeten Mietzeit von 6 Monaten zahlte der Kläger weiterhin den vereinbarten Mietzins. Am 08.06.2020 stellte die Beklagte das Fahrzeug sicher und teilte dies dem Kläger per SMS mit. Das Fahrzeug wurde bei einer öffentlichen Versteigerung durch die Beklagte erworben und am 16.06.2020 für 2.100,00 € an einen Dritten veräußert, übergeben und übereignet.
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In dem Verfahren 11 O 12372/20, LG München I, forderte der Kläger vom Beklagten die Herausgabe des Fahrzeugs, hilfsweise die Bezahlung des Wertersatzes von 5.000,00 € und die Rückzahlung der geleisteten Mietzinsen zuzüglich Prozesszinsen. Das LG München I urteilte – mit der Feststellung, dass der zugrunde liegende Kauf- und Mietvertrag wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB nichtig sei – unter Abweisung der Klage im Übrigen, zwischenzeitlich nach Urteil des OLG München vom 27.06.2022, 3 U 7657/21, rechtskräftig:
„Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für den Verlust des Fahrzeugs BMW 118 Diesel, Fahrgestellnummer …06, amtl. Kennz. M-… einen Betrag in Höhe von 5.000,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 10.11.2020 zu zahlen.“
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Der Kläger ist der Auffassung, dass ihm Nutzungsausfall bis zu dem Zeitpunkt der Bezahlung des Wertersatzes von 5.000,00 € durch die Beklagte am 18.07.2022, also für 624 Tage, in Höhe von 38,00 €/Tag, also insgesamt ein Anspruch in Höhe von 23.712,00 € zustehe, auf den er sich den bereits im Verfahren Az. 45 O 11171/22, LG München I, rechtskräftig ausgeurteilten Betrag von 6.825,00 € anrechnen lässt, so dass hiervon nur noch ein Betrag von 16.887,00 € offen sei.
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Die Beklagte trat dem angesichts des Alters des Fahrzeugs und der langen Ausfallzeit entgegen.
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Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass dem Kläger über den im Verfahren 45 O 11171/22 ausgeurteilten Betrag kein weiterer Zahlungsanspruch gegen die Beklagte zustehe. Dem Kläger stehe dem Grunde nach zwar Ersatz für die Vorenthaltung des Fahrzeugs zu, der Zeitraum sei jedoch auf 455 Tage im Zeitraum vom 08.06.2020 bis 08.09.2021 beschränkt. Dem Kläger sei bereits am 07.12.2020 die Verwertung des Fahrzeugs mitgeteilt worden, weshalb dieser nicht mehr mit einer Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs hätte rechnen können. Dies habe jedenfalls ab dem Gerichtstermin vom 08.09.2021 in dem Parallelverfahren sicher festgestanden. Der Kläger, der zunächst nicht zur Finanzierung eines Ersatzfahrzeugs in der Lage gewesen sei, hätte aber den Gehaltsvorschuss seines Arbeitgebers gemäß Darlehensvertrag vom 26.07.2021 für die Anschaffung eines Ersatzfahrzeuges verwenden können, nachdem er diesen Betrag nicht mehr – wie ursprünglich geplant – für Reparaturkosten eines dienstlich genutzten Pkws benötigt habe. Ab September 2021 bestehe daher die Vermutung des fehlenden Nutzungswillens des Klägers. Die entgangenen Nutzungsvorteile seien in dem vorliegenden Fall nur anhand der sogenannten Vorhaltekosten (gebrauchsunabhängige Gemeinkosten) mit 15 € pro Tag zu bemessen, weshalb kein über die Vorverurteilung (6.825,00 € = 455 x 15 €) hinausgehender Betrag bestehe.
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Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufungsbegründung (künftig abgekürzt: „BB“), mit welcher er seinen erstinstanzlichen Zahlungsanspruch weiterverfolgt. Er wendet sich gegen die Kürzung des Nutzungsausfallschadens durch das Erstgericht. Der gewährte Zeitraum für die Nutzungsausfallentschädigung sei vom Erstgericht zu Unrecht verkürzt worden. Auch die Tagessatzhöhe sei zu gering bemessen worden. Das Erstgericht habe die Beschränkung des Nutzungsausfalls auf die Vorhaltekosten wegen langer Dauer des Entzuges und des Fahrzeugalters nicht tragfähig nach den Vorgaben des BGH begründet. Dem Ausgangsgericht sei noch insoweit zuzustimmen, dass sich die Bemessung des Nutzungsausfallschadens nicht nach der Miethöhe eines vergleichbaren Fahrzeugs richte und insoweit einer Schätzung nach § 287 ZPO zugänglich sei. Die um ein Vielfaches hinsichtlich des Tabellentageswertes von 38,00 € nach Sanden/Danner/Küppersbusch vorgenommenen Abzüge wegen des Alters des Fahrzeugs etc. ließen sich aber nicht mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BGH vereinbaren und erschienen willkürlich. Auch das OLG Thüringen (Urteil vom 10.01.2024, Az. 2 U 368/23 = K 27) habe eine weitere Herabstufung auf die sog. Vorhaltekosten als nicht sachgerecht angesehen.
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Dazu verweist der Kläger auf weitere obergerichtliche Entscheidungen (OLG Köln, Beschluss vom 01.07.2024, Az.: 4 U 97/23 (= K 26) – NZB vom BGH mit Beschluss vom 03.06.2025 zurückgewiesen; OLG München, Beschluss vom 19.07.2024, Az. 27 U 251/23 e = K 25), die seine Rechtsauffassung bestätigen. Auch die Beschränkung des Nutzungszeitraums auf einen Zeitraum von nur 455 Tagen sei nicht haltbar. Das Erstgericht unterstelle unter Verletzung der Datenschutzrechte des Klägers durch Einführung von persönlichen Daten aus dem PKHVerfahren aufgrund eines Erhalts eines Arbeitgeberdarlehens am 26.07.2021, dass der Kläger hieraus in der Lage gewesen wäre, sich ein Ersatzfahrzeug anzuschaffen, und unterschlage dabei, dass es sich lediglich um einen Betrag von 2.500,00 € gehandelt habe, der Wiederbeschaffungswert des streitgegenständlichen Fahrzeugs bei mindestens 5.000,00 € gelegen habe. Damit verkenne das Erstgericht, dass ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug mit diesem Betrag ersichtlich nie habe angeschafft werden können. Zudem habe es sich lediglich um einen Vorschuss auf das Gehalt des Klägers gehandelt, somit nur um einen Teil des laufenden Einkommens, das auch vorher schon nicht dafür ausgereicht hätte, dass sich der Kläger ein Ersatzfahrzeug hätte verschaffen können, wovon das Erstgericht ja auch selbst ausgegangen sei.
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Der Kläger beantragt daher zuletzt (Bl. 9 OLG eAkte):
Auf die Berufung wird das Urteil des LG München I vom 26.03.2025, Aktenzeichen 41 O 17842/23, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag zu zahlen in Höhe von 16.887,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit.
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Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung des Klägers.
Sie verteidigt das Ersturteil.
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Ergänzend wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
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Die zulässige Berufung ist vollumfänglich begründet, da dem Kläger im begehrten Umfang die Nutzungsausfallentschädigung zusteht. Das Erstgericht hat zu Unrecht einen Nutzungswillen des Beklagten hinsichtlich des Fahrzeugs verneint, die Dauer der zu zahlenden Nutzungsausfallentschädigung zu kurz bemessen (auf 455 Tage beschränkt) und die Höhe der zu zahlenden Nutzungsentschädigung zu gering festgesetzt (auf die bloßen Vorhaltekosten beschränkt). Dies hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
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Dem Nutzungsausfall liegt der Gedanke zu Grunde, dass der auf einen Mietwagen verzichtende, vorsichtige und sparsame Nutzer eines Fahrzeugs nicht schlechter gestellt werden soll, als derjenige, der ein Fahrzeug anmietet (vgl. BGH NJW 1983, 444).
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Nutzungsausfall soll demjenigen Geschädigten zustehen, der ohne das schädigende Ereignis zur Nutzung des Fahrzeugs willens und fähig gewesen ist. Seine Grenze findet der Ersatzanspruch am Merkmal der Erforderlichkeit nach § 249 II 1 BGB sowie an der Verhältnismäßigkeitsschranke des § 251 II BGB (vgl. BGH, NJW 2008, 915). Der Geschädigte muss auf die Nutzung des Fahrzeugs angewiesen und der Ausfall der Nutzung muss für ihn fühlbar geworden sein (vgl. BGH BeckRS 1985, 30397678; OLG Dresden NJW-RR 2021, 98). Die allgemeine Anerkennung der Gebrauchsmöglichkeit eines Fahrzeugs als Vermögensgut führt jedoch nicht dazu, dass jedwede Nutzungsbeeinträchtigung als Schaden im Rahmen des § 249 II 1 BGB auszugleichen wäre. Auch für den Nutzungsausfallschaden gelten die schadensrechtlichen Grundsätze der subjektiven Schadensbetrachtung, des Wirtschaftlichkeitsgebots und des Bereicherungsverbots (BGH NJW 2009, 1663).
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Richtigerweise ist der subjektive Nutzungswille an vorhandenen und privat genutzten Fahrzeugen ohne weiteres zu unterstellen, sofern keine gegenteiligen Anhaltspunkte bestehen. Soweit das Erstgericht die fehlende Nutzungsabsicht damit begründen will, dass der Beklagte einen Vorschuss seines Arbeitgebers nicht zur Anschaffung eines Pkws benutzt habe, überzeugt diese Argumentation nicht. Denn dem Kläger war es aufgrund seiner desolaten finanziellen Lage nicht in der Lage, ein Ersatzfahrzeug zu beschaffen. Zudem stellte der Vorschuss des Arbeitgebers des Klägers in Höhe von 1.500 € lediglich eine Vorauszahlung auf den Lohn des Klägers dar, den dieser zum Bestreiten seines sonstigen Unterhalts benötigte. Für eine andere Art der Mittelverwendung bestand kein ausreichender Spielraum.
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Der Umstand, dass der Kläger im Gerichtstermin vom 08.09.2021 wusste, dass die Beklagte zur Herausgabe des Pkws wegen dessen Verkaufs im Rahmen einer öffentlichen Versteigerung nicht mehr imstande ist, entlastet die Beklagte nicht und beschränkt den Zeitraum der Nutzungsentschädigung nicht auf diesen Zeitpunkt. Denn die Beklagte war zur Herausgabe des Fahrzeugs verpflichtet und durfte das Fahrzeug nicht in einer öffentlichen Versteigerung verwerten. Würde man die Kenntnis der Unmöglichkeit der Herausgabe für eine Begrenzung des Nutzungsausfallschadens genügen lassen, würde die Beklagte am Ende von ihrem rechtswidrigen Verhalten profitieren, ohne dass der Kläger durch diese Erkenntniserlangung bereits in der Lage gewesen wäre, sich ein Ersatzfahrzeug zu beschaffen, da ihm die notwendigen Mittel hierfür nicht zur Verfügung standen. Erst mit der Zahlung der Nutzungsausfallentschädigung war der Kläger in der Lage, ein Ersatzfahrzeug anzumieten.
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Auch die Beschränkung auf die sog. Vorhaltekosten in Abweichung von der anerkannten Schätzgrundlage bezüglich Nutzungsausfallentschädigungen bei privaten Kraftfahrzeugen nach Sanden/Danner/Küppersbusch überzeugt trotz des zuzubilligenden Ermessens des Erstgerichts hinsichtlich der Schadensschätzung nach § 287 Abs. 1 und 2 ZPO nicht. Vielmehr ist in Übereinstimmung mit der Berufung von einem angemessenen Tagessatz für die Nutzungsentschädigung von 38 € auszugehen.
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In Bezug auf Kraftfahrzeuge ist in der Rechtsprechung seit Jahrzehnten anerkannt, dass der Geschädigte auch dann Wertersatz für entgangenen Gebrauchsvorteil nach § 251 BGB verlangen kann, wenn er insoweit keine Aufwendungen gemacht, insbesondere kein Ersatzfahrzeug gemietet hat; denn die Gebrauchsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs stellt gemäß Verkehrsauffassung ein vermögenswertes Gut dar und ist als geldwerter Vorteil anzusehen, so dass sich bei vorübergehender Entziehung ein Vermögensschaden ergeben könne (Grundsatzentscheidung in BGHZ 40, 345 = NJW 1964, 542 (543)). Durch die Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen (BGHZ 98, 212 = NJW 1987, 50) wurde die Möglichkeit einer abstrakten Nutzungsausfallentschädigung bestätigt. Die insoweit durch die Rechtsprechung entwickelten Grundsätze dürften mittlerweile zum Gewohnheitsrecht erstarkt sein (OLG Naumburg NJW 2008, 2511 (2512); Grüneberg/Grüneberg § 249 BGB Rn. 40; Freymann/Rüßmann Rn. 214; Hentschel/König/König, 48. Aufl. 2025, StVG § 12 Rn. 120). Von einer Alltagsnutzung als Transportmittel und damit von einem ersatzfähigen Gebrauchsentzug ist vorliegend auszugehen (zB BGH NJW 2018, 1393 (1394)). Das Fahrzeug diente dem Kläger nicht nur zu Freizeitzwecken, sondern er war auch aus beruflichen Gründen auf dessen private Nutzung angewiesen. Die Nutzungsentbehrung ist für den Kläger im gesamten geltend gemachten Zeitraum eingetreten. Die Begrenzung des erstattungsfähigen Zeitraums bis zum Zeitpunkt einer zumutbaren Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs kommt hier nicht in Betracht, da die Geldmittel des Klägers hierfür zu keinem Zeitpunkt ausgereicht haben. Kann der Geschädigte mangels finanzieller Leistungsfähigkeit die Restitution nicht betreiben, so hat er auch bei fiktiver Schadensberechnung für die Zeit bis zur Auszahlung der geschuldeten Ersatzleistung grundsätzlich Anspruch auf Ausgleich eines tatsächlich erlittenen Nutzungsausfalls; darin liegt keine unzulässige Vermischung von fiktiver und abstrakter Schadensberechnung (Hentschel/König/König, 48. Aufl. 2025, StVG § 12 Rn. 125-129).
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Entgegen der Begründung des Erstgerichts kann ein fehlender Nutzungswille des Klägers nicht begründet werden. Vielmehr war der Kläger gezwungen, mit der Anschaffung eines Ersatzfahrzeuges zuzuwarten. Schon aus diesem Grund scheidet ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht des Klägers gemäß § 254 Abs. 2 S. 1 2. Alt. BGB aus. Der Kläger wäre im geltend gemachten Zeitraum auch nicht aus persönlichen Gründen an der Nutzungsmöglichkeit des Pkws gehindert gewesen. Zudem lag ein fühlbarer Nutzungsausfall vor.
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Die Bemessung der Entschädigung für Nutzungsausfall bemisst sich nach dem Nutzungswert und unterliegt in erster Linie tatrichterlicher Würdigung nach § 287 ZPO (BGH NJW 2005, 277; NJW 2005, 1044; NJW 1971, 1692). Sie darf den Geschädigten weder bereichern noch einem Ausgleich immateriellen Schadens gleichkommen (BGH NJW 1971, 1692). Im Hinblick auf die Marktentwicklung hatte der BGH seine frühere Rspr. modifiziert, wonach die Höhe der Entschädigung etwa den Vorhaltekosten mit einem maßvollen Zuschlag entsprechen müsse (BGH NJW 1971, 1692; NJW 1987, 50 (GrZS)). Auf dieser Basis bemaßen die durch die Praxis mit Billigung des BGH (BGH NJW 2005, 277; NJW 2005, 1044) zugrunde gelegten Tabellen von Sanden/Danner/Küppersbusch die Höhe der Nutzungsausfallentschädigung mit 35- 40% der üblichen Miete bzw. mit 200 -400% der Vorhaltekosten. Wegen des Wandels der Rechtsprechung zum Unfallersatztarif schied der Gradmesser Mietwagenkosten als Berechnungsbasis aus; seit 1.1.2009 bestimmt die nunmehr maßgebliche, halbjährlich aktualisierte und nach Fahrzeuggruppen aufgegliederte „Schwacke-Liste Nutzungsausfallentschädigung“ (auch „EurotaxSchwacke“) den Nutzungswert auf das 3,5-Fache der Vorhaltekosten (Freymann/Rüßmann Rn. 227; Grüneberg/Grüneberg § 249 BGB Rn. 43). Eine Bindung der Tatgerichte an die Tabellensätze im Rahmen ihre Schätzungsermessens (§ 287 ZPO) existiert dabei (naturgemäß) nicht (BGH NJW 2005, 1044).
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Das etwa zweieinhalbfache der üblichen Vorhaltekosten hält auch der Senat in Übereinstimmung mit der Berufung für angemessen. Die klägerische Ermittlung der Höhe der Nutzungsausfallentschädigung nach der Tabelle von Sanden/Danner/Küppersbusch ist nicht zu beanstanden. Das vorgenannte Tabellenwerk ist für den insoweit besonders freigestellten Tatrichter als Schätzgrundlage gemäß § 287 ZPO anerkannt (vgl. Johannes W. Flume in BeckOK BGB, a.a.O., Rn. 165 zu § 249). Dem Alter und dadurch bedingten Gebrauchszustand des Fahrzeugs wurde durch eine Herabstufung in den Fahrzeugklassen Rechnung getragen (vgl. LG; Bl. 63). Eine weitere Herabstufung der Nutzungsentschädigung bzw. deren Begrenzung auf die Vorhaltekosten des zum Zeitpunkt des Nutzungsentzugs am 08.06.2020 ca. 13 Jahre und zum Ende des geltend gemachten Entschädigungszeitraums am 18.07.2022 ca. 15 Jahre alten Fahrzeugs war ebenso wenig zwingend angezeigt wie eine Herabsetzung / Begrenzung aufgrund der – wie hier – ungewöhnlich langen Dauer des Nutzungsausfalls. Auch insoweit ist dem Tatrichter ein weites Ermessen eingeräumt.
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Eine Beschränkung der Nutzungsausfallentschädigung auf den Fahrzeugwert kommt ebenfalls nicht in Betracht, da die Nutzungsausfallentschädigung nicht den Verlust der Sache an sich, sondern den (fortdauernden) Verlust der Nutzungsmöglichkeit der Sache kompensieren soll. Mit Rücksicht auf diese unterschiedlichen Zielrichtungen ist nicht ersichtlich, weshalb die Höhe der Nutzungsausfallentschädigung auf den Sachwert des Fahrzeugs beschränkt sein sollte. Aus denselben Gründen liegt auch ein Verstoß gegen das schadensrechtliche Bereicherungsverbot nicht vor. Die Klägerin „verdient“ durch die zu gewährende Nutzungsausfallentschädigung nichts, da hierdurch der fortdauernde Verlust der Nutzungsmöglichkeit des Kraftfahrzeugs ausgeglichen wird. Auch eine Begrenzung der Nutzungsausfallentschädigung aus Gesichtspunkten von Treu und Glauben (§ 242 BGB) kommt nicht in Betracht. Die Beklagte, welche im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Vertragsschluss sittenwidrig handelte und in jedenfalls grob fahrlässiger Unkenntnis der Nichtigkeit des Vertragswerks der Klägerin ihr Fahrzeug zunächst entzog und dieses dann weiterveräußerte ist insoweit nicht schutzbedürftig. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin gegen ihre Schadensminderungspflicht (§ 254 BGB) verstoßen hat, sind weder dargetan, noch ersichtlich. lm Rahmen der Schadenminderungspflicht ist ein Geschädigter für eine zügige Reparatur seines Fahrzeugs oder eine Ersatzbeschaffung verantwortlich, damit die Ausfallzeit auf ein Mindestmaß beschränkt werden kann. Wenn dem Geschädigten die finanziellen Mittel fehlen, um eine Ersatzbeschaffung zu tätigen, muss er dies dem Schädiger frühzeitig anzeigen und darlegen, um ihn vor einem besonders hohen Schaden zu warnen (§ 254 Abs. 2 S. 1 BGB). Hier war der Beklagten die desolate wirtschaftliche Situation des Klägers bekannt, so dass hierauf nicht eigens hingewiesen werden musste. Dass das Fahrzeug hingegen so alt und womöglich mängelbehaftet ist, dass sein Nutzungswert mit dem eines neueren Fahrzeugs überhaupt nicht vergleichbar ist (BGH NJW 2005, 277) und somit eine Entschädigung nur etwa in Höhe der Vorhaltekosten zu gewähren wäre, ist nicht ausreichend dargetan.
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Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 291 BGB.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
26
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind durch höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt. Insbesondere wird eine Begrenzung der Nutzungsausfallentschädigung auf die bloßen Vorhaltekosten bzw. auf den Fahrzeugwert von den Oberlandesgerichten einhellig abgelehnt.