Inhalt

VG Regensburg, Urteil v. 05.11.2025 – RN 11 K 23.1002
Titel:

Kürzung von Förderungen wegen Cross-Compliance-Verstößen

Normenketten:
RL 2008/120/EG Art. 4, Anhang I, Kapitel I, Nr. 4, 7
RL 98/58/EG Art. 4, Anhang, Nr. 4
VO (EU) Nr. 1306/2013 Art. 91
VO (EU) Nr. 640/2014 Art. 38, Art. 39
TierSchNutztV § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 26
MOG § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1 S. 1
BayVwVfG Art. 48, Art. 49a Abs. 1, Abs. 2
TierSchG § 15 Abs. 2, § 16a
Leitsätze:
1. Für Mehrfachanträge aus dem Jahr 2022 bleibt die VO (EU) Nr. 1306/2013 auch nach Inkrafttreten der VO (EU) Nr. 2021/2116 anwendbar. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Beurteilungskompetenz des Amtstierarztes bei tierschutzrechtlichen Feststellungen hat auch im Bereich der Sanktionierung tierschutzrechtlicher Verstöße im Rahmen der landwirtschaftlichen Subventionen Bedeutung. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
3. Hinsichtlich der „ausreichenden Menge“ des Beschäftigungsmaterials ist auf das Merkblatt zur Beurteilung und Berechnung von Beschäftigungsplätzen gem. § 26 TierSchNutztV „Beschäftigungsmaterialien für Schweine“ des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit zu verweisen, das als antizipiertes Sachverständigengutachten zu berücksichtigen ist. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
4. Bei der Bewertungsmatrix zu Grundanforderungen an die Betriebsführung handelt es sich um eine in einer Bund-Länder-Abstimmung beschlossene interne Arbeitsanweisung zur europarechtskonformen Anwendung der Vorgaben aus Art. 38 VO (EU) Nr. 640/2014, die eine möglichst gleichförmige Ausübung des den Mitgliedstaaten dort eingeräumten Ermessensspielraums hinsichtlich der Beurteilung eines Verstoßes als „schwer“, „mittel“ oder „leicht“ im Bundesgebiet gewährleisten soll. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
5. Da die VO (EU) Nr. 809/2014 in ihrem Art. 7 Abs. 1 die zwingende Rückforderung zu Unrecht ausgezahlter Förderung vorschreibt, hat die Behörde bei dem Widerruf  keine Ermessensentscheidung im Sinne von Zweckmäßigkeitserwägungen zu treffen. (Rn. 77) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Zuwendungen, Cross-Compliance, Kürzung von Subventionen, Beschäftigungsmaterial, Wasserversorgung, Direktzahlungsbescheid, Cross-Compliance-Verstoß, Rückforderungsbescheid, Ausgleichszulage, Subvention, Greeningprämie, Umverteilungsprämie, Verwaltungssanktion, Vor-Ort-Kontrolle, Grundanforderungen an Betriebsführung, Tierschutz, Bewertungsmatrix
Fundstelle:
BeckRS 2025, 33299

Tenor

I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III.Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.  

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen die Kürzung von Förderungen wegen ihm vorgeworfener Cross-Compliance (CC)-Verstöße.
2
Mit Mehrfachantrag vom 14.05.2021 beantragte der Kläger die Basisprämie durch Aktivierung der Zahlungsansprüche und Zahlung für dem Klima- und Umweltschutz förderliche Landbewirtschaftungsmethoden (Greeningprämie), die Umverteilungsprämie für aktivierte Zahlungsansprüche und die Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten in Bezug auf das Jahr 2021. Durch Anklicken einer Checkbox versicherte der Kläger, von den Verpflichtungen und Hinweisen Kenntnis genommen zu haben, die in den Broschüren „Umsetzung der EU-Agrarreform in Deutschland Ausgabe 2015“ (einschließlich der aktuellen Ergänzungen und Änderungen, am AELF und im Internet erhältlich) und „Cross Compliance 2021“, im Merkblatt zum Mehrfachantrag, in den Merkblättern zu den beantragten Einzelmaßnahmen sowie in der Anleitung zum Ausfüllen des Flächen- und Nutzungsnachweises genannt sind. Weiterhin versicherte der Kläger, diese Verpflichtungen einzuhalten bzw. die Fördervoraussetzungen zu erfüllen. Der Kläger bestätigte, dass seine in diesem Antrag und den Anlagen enthaltenen Angaben richtig und vollständig seien.
3
Mit Bescheid des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) … vom 29.11.2021 wurde dem Kläger die Ausgleichszulage in Höhe von 79,75 €, mit weiterem Bescheid des AELF … vom 10.12.2021 Zuwendungen in Höhe von insgesamt 46.867,59 € gewährt.
4
Am 30.11.2021 fand auf dem Betrieb des Klägers eine Vor-Ort-Kontrolle (VOK) durch das Landratsamt …, Veterinäramt, statt. Hierbei stellte das Kontrollpersonal folgende Verstöße gegen Cross Compliance (CC)-Vorschriften fest:
1. Tierschutz Haltung Schweine – Beschäftigungsmaterial Für 956 Schweine stand nur Beschäftigungsmaterial aus Plastik oder gar kein Beschäftigungsmaterial zur Verfügung. Auch die Anzahl der Beschäftigungsplätze und die Beschaffenheit des Beschäftigungsmaterials waren nicht ausreichend.
Dieser Verstoß wurde als fahrlässiger mittlerer Verstoß mit einem Sanktionssatz von 3% bewertet. Es handelte sich um einen Erstverstoß.
2. Tierschutz Haltung Schweine – Wasserversorgung ausreichend Bei 379 Schweinen wurde festgestellt, dass die Tränkenippel pro Mastbucht nicht in ausreichender Zahl vorhanden waren.
Dieser Verstoß wurde als fahrlässiger leichter Verstoß mit einem Sanktionssatz von 1% bewertet. Es handelte sich um einen Erstverstoß.
3. Tierschutz Haltung Nutztiere – Maßnahmen kranke/verletzte Tiere Für vier erkrankte und/oder verletzte Schweine waren nicht die erforderlichen Maßnahmen, insbesondere die Absonderung in für diese Tiere geeignete Haltungseinrichtungen, ergriffen worden.
Dieser Verstoß wurde als fahrlässiger mittlerer Verstoß mit einem Sanktionssatz von 3% bewertet. Es handelte sich um einen Erstverstoß.
5
Mit Schreiben des AELF … vom 20.06.2022 und 04.07.2022 wurde der Kläger zu beabsichtigten teilweisen Rückforderungen der Ausgleichszulage und der Direktzahlungen angehört. Eine Äußerung seitens des Klägers erfolgte nicht.
6
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 18.07.2022 (* …*) nahm das AELF … den Bewilligungsbescheid vom 10.12.2021 insoweit zurück, als dieser einen Zuwendungsbetrag von 45.461,57 € übersteige. Der zu viel ausbezahlte Betrag in Höhe von 1.406,02 € sei zu erstatten (Nr. 1). Die Höhe der Zinsforderung werde in einem gesonderten Bescheid festgesetzt, sofern der Rückforderungsbetrag nicht bis zum Zahlungsziel eingegangen sei. Falls dies zutreffend sei, werde der Rückforderungsbetrag für den Zeitraum zwischen dem Zahlungsziel bis zur Rückzahlung mit 5% über dem Basiszinssatz der Bundesbank jährlich verzinst (Nr. 2). Der Kläger trage die Kosten für diesen Bescheid. Für den Bescheid werde eine Gebühr in Höhe von 30,00 € und Auslagen in Höhe von 3,45 € festgesetzt (Nr. 3).
7
Mit weiterem streitgegenständlichem Bescheid vom 18.07.2022 (* …*) änderte das AELF … den Bescheid vom 29.11.2021 über die Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten insofern, dass die für das Jahr 2021 gewährte Ausgleichszulage um 2,39 € gekürzt werde (Nr. 1). Die Höhe der Zinsforderung werde in einem gesonderten Bescheid festgesetzt, sofern der Rückforderungsbetrag nicht bis zum Zahlungsziel eingegangen sei. Falls dies zutreffend sei, werde der Rückforderungsbetrag für den Zeitraum zwischen dem Zahlungsziel bis zur Rückzahlung mit 3% über dem Basiszinssatz der Bundesbank jährlich verzinst (Nr. 2). Dieser Bescheid ergehe kostenfrei (Nr. 3).
8
Der gegen die o. g. Bescheide eingelegte Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid der Staatlichen Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (FüAk) vom 09.05.2023, zugestellt am 11.05.2023, zurückgewiesen. Auf die Begründung des Widerspruchsbescheids wird Bezug genommen.
9
Mit Schreiben vom 06.06.2023 ließ der Kläger hiergegen Klage erheben. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, dass die behaupteten CC-Verstöße nicht vorlägen. Beschäftigungsmaterial sei jedenfalls vorhanden gewesen und habe den Vorgaben des § 26 Abs. 1 Nr. 1 TierSchNutztV in tatsächlicher Hinsicht entsprochen. Zudem sei auch nicht ersichtlich, was ausreichendes Beschäftigungsmaterial hätte sein sollen. Ausweislich Bemerkung F sei die Wasserversorgung sichergestellt gewesen. Die Zahl der Tränkenippel und -becken sei für eine ausreichende Versorgung geeignet gewesen. Ein Tränkbecken sei für 24 Tiere ausreichend. Es finde darüber hinaus eine Flüssigfütterung der Tiere statt. Nach Beendigung der Fütterung bekämen die Tiere über den Trog zusätzlich Wasser. Alle Tiere seien in tatsächlicher Hinsicht entsprechend ihrem Bedarf mit Futter und Wasser in ausreichender Menge und Qualität versorgt worden. Geeignete Maßnahmen für kranke bzw. verletzte Tiere seien in Absprache mit der behandelnden Tierärztin erfolgt. Die kranken oder verletzten Tiere seien, soweit erforderlich, unverzüglich behandelt worden. Eine Absonderung in andere Haltungseinrichtungen sei nicht notwendig gewesen. Jedenfalls aber hätten keine solch schweren Verstöße vorgelegen, die eine Kürzung von 3% für das Jahr 2021 rechtfertigen würden. Allenfalls würde eine Kürzung von 1% in der Einzel- als auch in der gesamten Bewertung gerechtfertigt sein. Ein Gesamtkürzungssatz im Jahr 2021 von 1% würde im Wege einer einvernehmlichen Erledigung auf Akzeptanz des Klägers stoßen können.
10
Der Kläger lässt beantragen,
I. Die beiden Bescheide vom 18.07.2022 des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten …, Az. … (und …*) …, in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Staatl. Führungsakademie vom 09.05.2023, Az. …, werden aufgehoben.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.
11
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
12
Zur Begründung wird im Wesentlichen auf die Ausführungen in den Ausgangsbescheiden und im Widerspruchsbescheid verwiesen. Dass die vom Veterinäramt des Landratsamts … auf dem Betrieb des Klägers am 30.11.2021 festgestellten Verstöße tatsächlich vorlägen, werde durch die Dokumentation der VOK, welche auch zahlreiche Lichtbilder enthalte, belegt.
13
Den Tieren habe kein ausreichendes und geeignetes Beschäftigungsmaterial zur Verfügung gestanden. Die Anforderungen an das Beschäftigungsmaterial gem. § 26 Abs. 1 Nr. 1 der TierSchNutztV seien nicht erfüllt worden. Die Anforderung „in ausreichender Menge“ sei nicht erfüllt worden, weil in den Boxen nur eine Kette mit einem Stück Holz oder einem Kunststoffteil vorgefunden worden sei. Die erforderliche Mindestmenge von Beschäftigungsmaterial (12 Schweine pro Beschäftigungsmöglichkeit; vgl. hierzu Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) – Merkblatt zur Beurteilung und Berechnung von Beschäftigungsplätzen, Seite 6, Hinweise zu den erforderlichen Mindestmengen) sei schon nicht erfüllt gewesen, da mehr Schweine pro Box, größtenteils 14 bis 17 Tiere (vgl. Seiten 3 bis 6 sowie Lichtbilder, z. B. Seiten 15, 17 und 20, der Kontrolldokumentation), gehalten worden seien. Somit habe auch nicht jedes Tier jederzeit Zugang zu Beschäftigungsmaterial gehabt. Die Anforderung „erkundbar bzw. untersuchbar“ sei nicht erfüllt worden, weil das Schwein das Beschäftigungsmaterial möglichst bewühlen oder zumindest „hebeln“ können sollen müsse. Hierzu müsse das Beschäftigungsmaterial für das Schwein in natürlicher Körperhaltung erreichbar sein (z. B. durch bodennahes Angebot oder Angebot auf einer Platte/Trog auf dem Boden). Die vorgefundenen Ketten mit Holzstück bzw. Kunststoffteilen hätten sich nicht bodennah, sondern in Schulterhöhe der Schweine bzw. teilweise auch darüber befunden. Die seit dem 01.08.2021 geltende Anforderung „organisch und faserreich“ sei nicht erfüllt worden. Der Gesetzgeber sehe hierbei insbesondere Stroh, Heu, Sägemehl oder eine Mischung dieser Materialien als geeignet an (§ 26 Abs. 1 Satz 2 TierSchNutztV). Das vom Kläger angebotene Material habe diese Voraussetzungen nicht erfüllt.
14
Die Wasserversorgung sei für die Anzahl der in den Boxen gehaltenen Schweine nicht ausreichend gewesen. Pro Box sei nur eine Tränke vorhanden gewesen. Da ein Mastschwein je nach Lebendmasse zwischen drei und elf Liter Wasser pro Tag benötige, sei für diese Tiere ein Tier-Tränke-Verhältnis von wenigstens 12 zu 1, also eine Tränke für zwölf Tiere, besser ein Verhältnis von 8-10 zu 1 anzusetzen. Nachdem in den meisten Boxen bis zu 17 Tiere gehalten worden seien, sei dieses Verhältnis nicht eingehalten gewesen. Damit sei nicht sichergestellt gewesen, dass jedes Schwein jederzeit Zugang zu Wasser in ausreichender Menge gehabt habe.
15
Für vier kranke bzw. verletzte Tiere seien die gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 TierSchNutztV geforderten Maßnahmen, insbesondere deren unverzügliche Absonderung in geeignete Haltungseinrichtungen mit trockener und weicher Einstreu oder Unterlage, nicht ergriffen worden. Diese Tiere seien weiter in den Gruppenboxen auf lediglich hartem Spaltenboden untergebracht gewesen. Gemäß Kontrollbericht zum Tierschutz Haltung Nutztiere vom Tag der VOK seien zwei Schweine mit abgefressenem Schwanz in Gruppenhaltung, ein Kümmerer in Seitenlage in Gruppenhaltung und ein Mastschwein mit einer Umfangsvermehrung am Ellenbogengelenk festgestellt worden. Vor allem für den Kümmerer und das Mastschwein sei die Unterbringung auf weichem Untergrund zwingend notwendig gewesen, um Schmerzen für die Tiere zu vermeiden. Auch die beiden Tiere mit den abgefressenen Schwänzen würden unverzüglich von deren Gruppen abzusondern gewesen sein, um gegebenenfalls weiteren Kannibalismus, welcher seine Ursache im Übrigen auch in fehlendem Beschäftigungsmaterial haben könne, durch die anderen Schweine an diesen beiden Tieren zu verhindern.
16
Die Klägerseite erkläre lediglich pauschal und oberflächlich, dass die Verstöße nicht vorgelegen hätten. Eine tatsächliche Begründung, warum die Feststellungen des Veterinäramtes falsch sein sollten, erfolge nicht. Auch die verhängten Sanktionssätze von 1% und 3% und somit der Gesamtkürzungssatz von 3% seien nicht zu beanstanden. Die Kontrollbehörde habe entweder den gemäß den Bewertungsregelungen geltenden Regelsanktionssatz verhängt oder von dem ihr zustehenden Ermessen Gebrauch gemacht.
17
Im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der vorgelegten Behördenakte und auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

18
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die beiden Bescheide des AELF … vom 18.07.2022 jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheids der FüAk vom 09.05.2023 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, §§ 79 Abs. 1 Nr. 1, 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
19
Das Gericht nimmt zunächst Bezug auf die streitgegenständlichen Bescheide und den Widerspruchsbescheid (§ 117 Abs. 5 VwGO). Ergänzend hierzu wird Folgendes ausgeführt:
A.
20
Der Änderungs- und Rückforderungsbescheid vom 18.07.2022 hinsichtlich Direktzahlungen gemäß Titel III der VO (EU) Nr. 1307/2013 (Az. …*) ist rechtmäßig.
21
I. Rechtsgrundlage für die Teilrücknahme des zugunsten des Klägers ergangenen Bescheids über die Gewährung von Direktzahlungen für das Jahr 2021 vom 10.12.2021 in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids ist § 10 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen und der Direktzahlungen (Marktorganisationsgesetz – MOG) i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. g, Nr. 2 MOG i. V. m. Art. 7 Abs. 1 VO (EU) Nr. 809/2014.
22
Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG sind rechtswidrige begünstigende Bescheide in den Fällen der §§ 6, 8 und 9b, jeweils auch in Verbindung mit den §§ 9c und 9d, auch nachdem sie unanfechtbar geworden sind, zurückzunehmen; § 48 Absatz 2 bis 4 und § 49a Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) sind anzuwenden.
23
Art. 7 Abs. 1 VO (EU) 809/2014 regelt, dass bei zu Unrecht gezahlten Beträgen der Begünstigte zur Rückzahlung der betreffenden Beträge zuzüglich etwaiger Zinsen verpflichtet ist. Nach § 10 Abs. 3 MOG werden zu erstattende Beträge (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 MOG, § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG) durch Bescheid festgesetzt.
24
II. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG liegen vor.
25
1. Vorliegend wurden flächenbezogene Beihilfen nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. g, Nr. 2 MOG gewährt (vgl. VG Düsseldorf, U. v. 18.03.2019 – 28 K 16977/17 – BeckRS 2019, 26245 Rn. 16; NdsOVG, B. v. 05.12.2023 – 10 LC 13/23). Deren Rückforderung unterfällt damit dem Anwendungsbereich des § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG.
26
2. Der Bescheid vom 10.12.2021 war ein (teilweise) rechtswidriger begünstigender Bescheid im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG, da dem Kläger infolge am 30.11.2021 festgestellter und bei Erlass des Bescheids vom 10.12.2021 noch unberücksichtigter Cross-Compliance-Verstößen die gewährten Zuwendungen nicht in der mit Bescheid vom 10.12.2021 bewilligten Höhe, sondern – unter Zugrundelegung der tatsächlichen Verwaltungspraxis des Beklagten im Umgang mit Cross-Compliance-Verstößen wie den vorliegenden – nur mit einer Kürzung in Höhe von 3% zustanden.
27
a) Die Gewährung der streitgegenständlichen Zuwendungen ist an die Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen (sog. „Cross-Compliance“) geknüpft. Dies ergibt sich aus Art. 91 Abs. 1 i. V. m. Art. 92 VO (EU) Nr. 1306/2013, wonach gegen einen Begünstigten von Direktzahlungen gemäß der VO (EU) Nr. 1307/2013 – ein solcher „Begünstigter“ ist der Kläger – bei Nichterfüllung der Cross-Compliance-Vorschriften gemäß Art. 93 VO (EU) Nr. 1306/2013 eine Verwaltungssanktion verhängt wird. Die Kürzungsmöglichkeit bei der Erstattung von Mitteln aus der Haushaltsdisziplin ergibt sich aus Art. 5 VO (EU) Nr. 1307/2013, wonach die VO (EU) Nr. 1306/2013 (und somit auch die Sanktionierung von Cross-Compliance-Verstößen) für die in der vorliegenden Verordnung vorgesehenen Regelungen, mithin auch für die Haushaltsdisziplin gemäß Art. 8 VO (EU) Nr. 1307/2013, gilt.
28
Die Cross-Compliance-Vorschriften sind im Einzelnen in Anhang II der VO (EU) Nr. 1306/2013 aufgeführt und umfassen die Grundanforderungen an die Betriebsführung (GAB) und die Standards für die Erhaltung von Flächen in gutem landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand (GLÖZ). Nach Art. 99 Abs. 1 VO (EU) Nr. 1306/2013 ist zur Anwendung der Verwaltungssanktion eine Kürzung oder Streichung des Gesamtbetrags der in Art. 92 VO (EU) Nr. 1306/2013 genannten Zahlungen vorgesehen für die Beihilfeanträge, die der betroffene Begünstigte in dem Kalenderjahr, in dem der Verstoß festgestellt wurde, eingereicht hat.
29
Die VO (EU) Nr. 1306/2013 bleibt auch nach Inkrafttreten der VO (EU) Nr. 2021/2116 anwendbar. Zwar wurde nach Art. 104 Abs. 1 UAbs. 1 VO (EU) Nr. 2021/2116 die VO (EU) Nr. 1306/2013 mit Wirkung vom 01.01.2023 aufgehoben, die Art. 91 ff. VO (EU) Nr. 1306/2013 gelten aber gemäß Art. 104 Abs. 1 UAbs. 2 Buchst. a) Nr. i) VO (EU) Nr. 2021/2116 weiter hinsichtlich der Ausgaben und Zahlungen für Stützungsregelungen im Rahmen der VO (EU) Nr. 1307/2013 in Bezug auf das Kalenderjahr 2022 und davor. Für Mehrfachanträge aus dem Jahr 2022 bleibt damit weiterhin die VO (EU) Nr. 1306/2013 anwendbar (vgl. VG Würzburg, U. v. 24.03.2025 – W 8 K 23.1753; NdsOVG, B. v. 05.12.2023 – 10 LC 13/23 – juris Rn. 44; VG Braunschweig, U. v. 03.12.2024 – 8 A 472/24 – juris Rn. 25 m.w.N.). Ebenso ist die VO (EU) Nr. 1307/2013 weiter anwendbar, obwohl sie mit Wirkung vom 01.01.2023 aufgehoben wurde, da sie weiterhin für Beihilfeanträge gilt, die sich – wie vorliegend – auf vor dem 01.01.2023 beginnende Antragsjahre beziehen (Art. 154 Abs. 2 VO (EU) Nr. 2021/2115).
30
b) Der Beklagte hat im Zusammenhang mit der Vor-Ort-Kontrolle (im Folgenden: VOK) beim Kläger am 30.11.2021 in rechtmäßiger Weise drei Cross-Compliance-Verstöße in Bezug auf die Grundanforderungen an die Betriebsführung (GAB), alle im Bereich Tierschutz (zweimal GAB 12, einmal GAB 13; vgl. Art. 93 Abs. 1 i. V. m. GAB 12 und 13 des Anhangs II der VO (EU) Nr. 1306/2013), festgestellt und diese einzeln und in der Summe zutreffend bewertet.
31
In Bezug auf das Vorliegen von Cross-Compliance-Verstößen trifft die Behörde die materielle Beweislast (vgl. VG Ansbach, U. v. 17.11.2023 – AN 14 K 21.01078; OVG NRW, B. v. 15.09.2022 – 12 A 2169/20 – juris). Hierbei ist die nach ständiger Rechtsprechung in § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Tierschutzgesetz (TierSchG) zum Ausdruck kommende vorrangige Beurteilungskompetenz des Amtstierarztes bei tierschutzrechtlichen Feststellungen zu berücksichtigen, die auf seiner in § 15 Abs. 2 TierSchG vorgesehenen Stellung als am Verfahren beteiligter Sachverständiger beruht (vgl. u. a. BayVGH, B. v. 12.06.2015 – 9 ZB 11.1711 – BeckRS 2015, 48465 Rn. 10). Diese Beurteilungskompetenz hat auch im Bereich der Sanktionierung tierschutzrechtlicher Verstöße im Rahmen der landwirtschaftlichen Subventionen Bedeutung, da der Vorwurf eines Verstoßes gegen tierschutzrechtliche Cross-Compliance-Regelungen häufig aufgrund von Feststellungen im Rahmen von veterinärrechtlichen Kontrollen erhoben wird (vgl. Schulze/Schulte im Busch in: Düsing/Martinez, 2. Auflage 2022, VO (EU) Nr. 640/2014, Art. 39 Rn. 44). Die besondere Beurteilungskompetenz kommt aber nur dem beamteten Tierarzt, also dem Amtstierarzt, zu. Die tatsächlichen Verhältnisse müssen im Kontrollbericht ausreichend beschrieben und die auf dieser Grundlage getroffenen veterinärmedizinischen Feststellungen schlüssig dargelegt werden (vgl. Schulze/Schulte im Busch a. a. O.).
32
aa) Der Beklagte hat zutreffend im nicht ordnungsgemäßen Beschäftigungsmaterial für Schweine einen Verstoß gegen Art. 93 Abs. 1 Buchst. c) i. V. m. GAB 12 des Anhangs II der VO (EU) Nr. 1306/2013 i. V. m. Art. 4 i. V. m. Anhang I, Kapitel 1, Nr. 4 der RL 2008/120/EG i. V. m. § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Verordnung zum Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere und anderer zur Erzeugung tierischer Produkte gehaltener Tiere bei ihrer Haltung (Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung – TierSchNutztV) festgestellt und eine Bewertung des Verstoßes als mittleren Verstoß mit einem Kürzungssatz von 3% vorgenommen.
33
(1) Das Gericht ist durch die vorgelegte Dokumentation der VOK vom 30.11.2021 (insbesondere Kontrollbericht, Bl. 39 der Behördenakte sowie vorgelegtes Bildmaterial) davon überzeugt, dass 956 Schweinen kein ausreichendes Beschäftigungsmaterial zur Verfügung stand.
34
Nach GAB 12 des Anhangs II der VO (EU) Nr. 1306/2013 i. V. m. Art. 4 i. V. m. Anhang I, Kapitel I, Nr. 4 der RL 2008/120/EG müssen Schweine ständigen Zugang zu ausreichenden Mengen an Materialien haben, die sie untersuchen und bewegen können, wie z. B. Stroh, Heu, Holz, Sägemehl, Pilzkompost, Torf oder eine Mischung dieser Materialien, durch die die Gesundheit der Tiere nicht gefährdet werden kann. § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TierSchNutztV bestimmt in der seit 01.08.2021 (und damit auch zum Zeitpunkt der VOK am 30.11.2021) geltenden Fassung, dass derjenige, der Schweine hält, sicherzustellen hat, dass jedes Schwein jederzeit Zugang zu gesundheitlich unbedenklichem und in ausreichender Menge vorhandenem organischen und faserreichen Beschäftigungsmaterial hat, das das Schwein untersuchen und bewegen kann (Buchst. a) und vom Schwein veränderbar ist und damit dem Erkundungsverhalten dient (Buchst. b). Nach § 26 Abs. 1 Satz 2 TierSchNutztV kann als Beschäftigungsmaterial im Sinne von Satz 1 Nummer 1 insbesondere Stroh, Heu, Sägemehl oder eine Mischung dieser Materialien dienen.
35
Aus dem Kontrollbericht geht hervor, dass bei 956 Schweinen ein Verstoß bezüglich des Beschäftigungsmaterials („S32“) vorgelegen hat. In der Bemerkung B im Kontrollbericht ist ferner erwähnt, dass den betroffenen Mastschweinen des Betriebs nur Beschäftigungsmaterial aus Plastik (teilweise nur noch Reste oder gar nichts) angeboten werde. Die Anzahl der Beschäftigungsplätze und Beschaffenheit des Beschäftigungsmaterials seien nicht ausreichend. Die vorgelegten Lichtbilder sowie die Ausführungen der bei der VOK anwesenden Veterinäroberrätin Dr. B* … in der mündlichen Verhandlung bestätigen zur Überzeugung des Gerichts diese Feststellungen. Auf den Bildern ist zu sehen, dass sich in den Boxen, in denen sich die Schweine aufhielten, nur an einer Kette hängende, dünne, teilweise abgefressene Gummiteile bzw. an einer Kette hängende Holzscheite befanden. Nach den Angaben der Veterinäroberrätin befanden sich diese in einer Höhe von 56 cm, wobei für Tiere dieser Größe (Ferkel) eine Anbringung in Höhe von 23 cm ordnungsgemäß sein würde.
36
Es war damit weder sichergestellt, dass Beschäftigungsmaterial „in ausreichender Menge“ vorhanden, noch, dass dieses „organisch oder faserreich“ oder untersuch-, beweg- bzw. veränderbar war (vgl. hierzu auch Hirt/Maisack/Moritz/Felde, Tierschutzgesetz, 4. Auflage 2023, TierSchNutztV, § 26 Rn. 1b). Hinsichtlich der „ausreichenden Menge“ des Beschäftigungsmaterials ist auf das (im Internet frei zugängliche; https://www.lgl.bayern.de/downloads/tiergesundheit/doc/lgl_broschuerebeschaeftigungschweine.pdf; zuletzt abgerufen am Entscheidungstag) Merkblatt zur Beurteilung und Berechnung von Beschäftigungsplätzen gemäß § 26 Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) „Beschäftigungsmaterialien für Schweine“ des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) zu verweisen, das u. a. auf Seite 6 ausführt, dass maximal 12 Tiere pro Beschäftigungsplatz vorzusehen sind. Die Empfehlungen zur Umsetzung der Mindeststandards des LGL können als antizipierte Sachverständigengutachten berücksichtigt werden (vgl. VG Hannover, Gb. v. 03.03.2010 – 11 A 726/09 – juris Rn. 21). Sie werden zur Konkretisierung der normativen Vorgaben ergänzend herangezogen (vgl. NdsOVG, B. v. 17.01.2018 – 11 ME 448/17 – juris Rn. 18; VG Würzburg; U. v. 24.03.2025 – W 8 K 23.1753). Da in den meisten der Boxen, wie sich aus der Dokumentation der VOK ergibt, mehr als zwölf Tiere gehalten wurden, war das Beschäftigungsmaterial nicht in ausreichender Menge im Sinne der rechtlichen Vorgaben vorhanden. Hinsichtlich der Beschaffenheit des Materials sind feste, in einer Höhe von 56 cm an einer Kette hängende Holzscheite, wie sie beim Kläger vorgefunden wurden, jedenfalls nicht „bewühlbar“ und wegen ihrer starren Struktur auch nicht veränderbar. Ferner sind die vorhandenen Gummiteile nicht „organisch oder faserreich“. Das Gericht schließt sich ergänzend den Ausführungen des Beklagten im Schriftsatz vom 18.10.2023, Ziffer 2.1, an und nimmt hierauf Bezug. Soweit die Klagepartei aufwirft, es sei nicht ersichtlich, was ausreichendes Beschäftigungsmaterial hätte sein sollen, ergibt sich dies bereits aus der (beispielhaften) Aufzählung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TierSchNutztV. Im Übrigen würden „Spielketten“ auch nicht den Vorgaben der TierSchNutztV entsprechen (Metzger in: Lorz/Metzger, Tierschutzgesetz, 7. Auflage 2019, TierSchNutztV, § 26 Rn. 3). Des Weiteren ist auch der aufgetretene Kannibalismus unter den Tieren (s. u.) als Anzeichen dafür zu sehen, dass ausreichendes Beschäftigungsmaterial nicht vorhanden war.
37
Der Kläger hat dies nicht substantiiert in Zweifel gezogen, sondern lediglich behauptet, Beschäftigungsmaterial sei ausreichend vorhanden gewesen. Insoweit konnte auch der von Klägerseite gestellte Beweisantrag abgelehnt werden, da er schon nicht hinreichend substantiiert und mithin auf Ausforschung gerichtet war (BVerwG, B. v. 16.09.2020 – 5 PB 22.19 – juris Rn. 21; NdsOVG; B. v. 01.08.2022 – 10 LA 23/22 – juris Rn. 26; Dawin/Panzer in: Schoch/Schneider, 47. EL Februar 2025, VwGO, § 86 Rn. 92 ff.). Mit der Aussage, Beschäftigungsmaterial sei ausreichend vorhanden gewesen, wurde ohne nähere Substantiierung lediglich das Gegenteil des bei der VOK Festgestellten behauptet. Des Weiteren handelte es sich bei der Frage, ob eine Höhe von 56 cm über Boden geeignet und ausreichend ist, um eine nicht dem Beweis zugängliche Rechtsfrage. Zuletzt sind die von Klägerseite angebotenen Beweismittel ungeeignet. Zum einen kann ein nachträglich hinzugezogener Sachverständiger die tatsächlichen Verhältnisse bei der VOK vom 30.11.2021 nicht (besser) beurteilen, zum anderen war nach den ausdrücklichen Angaben des Klägers Frau Dr. H* … bei der VOK nicht anwesend. Sie kann daher die tatsächlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der VOK ebenfalls nicht beurteilen. Ob sich darüber hinaus in allen Buchten Holzteile bzw. Holzscheite befanden, ist nicht relevant. Denn selbst, wenn dies der Fall gewesen wäre, wäre dies jedenfalls kein ordnungsgemäßes Beschäftigungsmaterial im Sinne von § 26 Abs. 1 Satz 1 TierSchNutztV gewesen (s. o.).
38
(2) Die Bewertung des Verstoßes als mittlerer, fahrlässiger Verstoß mit einem Kürzungssatz von 3% ist nicht zu beanstanden.
39
(aa) Art. 99 Abs. 1 UAbs. 2 VO (EU) Nr. 1306/2013 gibt vor, dass bei der Berechnung der Sanktionen Schwere, Ausmaß, Dauer und wiederholtes Auftreten der Verstöße sowie die Kriterien nach den Absätzen 2, 3 und 4 zu berücksichtigen sind. Bei einem fahrlässigen Erstverstoß beträgt die Kürzung höchstens 5% (Art. 99 Abs. 2 UAbs. 1 VO (EU) Nr. 1306/2013).
40
Näheres ist in Art. 38, 39 VO (EU) Nr. 640/2014 geregelt. Demnach sind fahrlässige Verstöße in der Regel mit 3% zu bewerten; die Behörde kann allerdings im Einzelfall beschließen, den genannten Prozentsatz auf 1% zu verringern, auf 5% zu erhöhen oder aber keine Kürzung vorzunehmen (Art. 39 Abs. 1 VO (EU) Nr. 640/2014). Es handelt sich um einen Fall des sogenannten intendierten Ermessens, das zusätzliche Erwägungen nur dann erforderlich macht, wenn besondere Umstände vorliegen, die ein Abweichen vom Regelfall gebieten.
41
(bb) Die Bewertung als mittlerer Verstoß und damit ein Kürzungssatz von 3% war durch die seitens des Beklagten angewendete und im gerichtlichen Verfahren vorgelegte Bewertungsmatrix zu Grundanforderungen an die Betriebsführung Nrn. 11, 12 und 13 des Anhangs II der VO (EU) Nr. 1306/2013 als Regeleinstufung vorgegeben.
42
Bei der Bewertungsmatrix handelt es sich um eine in einer Bund-Länder-Abstimmung beschlossene interne Arbeitsanweisung zur europarechtskonformen Anwendung der Vorgaben aus Art. 38 VO (EU) Nr. 640/2014, die eine möglichst gleichförmige Ausübung des den Mitgliedstaaten dort eingeräumten Ermessensspielraums hinsichtlich der Beurteilung eines Verstoßes als „schwer“, „mittel“ oder „leicht“ im Bundesgebiet gewährleisten soll. Sie hält sich in dem vom Unionsrecht vorgegebenen Rahmen und ist daher nicht zu beanstanden (vgl. BayVGH, B. v. 09.03.2021 – 6 ZB 21.137 – BeckRS 2021, 4233 Rn. 32).
43
Nach dieser Bewertungsmatrix ist ein Verstoß gegen o. g. Vorgaben („S32“) nach Spalte A entweder als „leicht“ oder als „mittel“ einzustufen, je nachdem, in welcher Häufigkeit (bezogen auf den Tiergesamtbestand) der Verstoß vorliegt. Da nach der Dokumentation der VOK insgesamt 1.734 Mastschweine kontrolliert wurden und bei 956 kein geeignetes Beschäftigungsmaterial vorhanden war, entspricht dies einer Häufigkeit von rund 55% und damit der Häufigkeit III, die nach der Matrix eine Bewertung als „mittel“ nach sich zieht (vgl. „3x3-Felder Tafel“).
44
(cc) Eine Abweichung von der in der Bewertungsmatrix vorgegebenen Regeleinstufung ist zur Sicherstellung einer gleichmäßigen Behandlung und zur Vermeidung von Willkür nur bei atypischen Einzelfällen angezeigt (vgl. BayVGH, B. v. 09.03.2021 – 6 ZB 21.137 – Rn. 32; VG Würzburg, U. v. 17.04.2023 – W 8 K 22.1361 – juris Rn. 104 ff. m.w.N.).
45
Für einen solch atypischen Sonderfall wurde vorliegend weder etwas substantiiert vorgetragen, noch sind Anhaltspunkte hierfür ersichtlich. Der konkrete Sachverhalt weist keine außergewöhnlichen Umstände auf, die von solchem Gewicht sind, dass sie eine von der im Regelfall vorgesehenen Rechtsfolge abweichende Behandlung gebieten. Denn die vom Beklagten vorgenommene Kürzung wegen eines Tierschutzverstoßes ist keine atypische Besonderheit, die eine abweichende Behandlung gebietet, sondern gängige Praxis. Es liegt kein atypischer Ausnahmefall vor, sondern eine Fallgestaltung, die häufiger vorkommt und nach der Ausgestaltung der – europarechtlich gesteuerten – Förderpraxis gerade mit einer Verwaltungssanktion verbunden mit einer Kürzung der begehrten Förderung in Höhe von 3% bedacht wird (vgl. auch schon VG Würzburg, U. v. 06.03.2023 – W 8 K 22.1257 – juris Rn. 128 f.).
46
bb) Ob darüber hinaus Verstöße hinsichtlich der Wasserversorgung bzw. der verletzten/kranken Tiere vorlagen, ist daher grundsätzlich nicht mehr entscheidungserheblich, da bereits unter alleiniger Zugrundelegung des unter aa) genannten Verstoßes eine Kürzung der Zuwendungen in Höhe von 3% gerechtfertigt gewesen wäre.
47
cc) Das Gericht geht unabhängig davon davon aus, dass der Beklagte zutreffend in der nicht ordnungsgemäßen Versorgung von Tieren mit Wasser einen Verstoß gegen Art. 93 Abs. 1 Buchst. c) i. V. m. GAB 12 des Anhangs II der VO (EU) Nr. 1306/2013 i. V. m. Art. 4 i. V. m. Anhang I, Kapitel 1, Nr. 7 der RL 2008/120/EG i. V. m. § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TierSchNutztV festgestellt und eine Bewertung des Verstoßes als leichten Verstoß mit einem Kürzungssatz von 1% vorgenommen hat.
48
(1) Das Gericht ist durch die vorgelegte Dokumentation der VOK vom 30.11.2021 (Kontrollbericht, Bl. 39 der Behördenakte sowie vorgelegtes Bildmaterial), die durch den Vortrag des Beklagten in der mündlichen Verhandlung ergänzt wurde, vom Vorliegen dieses Verstoßes überzeugt.
49
Nach GAB 12 des Anhangs II der VO (EU) Nr. 1306/2013 i. V. m. Art. 4 i. V. m. Anhang I, Kapitel 1, Nr. 7 der RL 2008/120/EG müssen alle mehr als zwei Wochen alten Schweine ständig Zugang zu ausreichend Frischwasser haben. § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TierSchNutztV bestimmt, dass derjenige, der Schweine hält, sicherzustellen hat, dass jedes Schwein jederzeit Zugang zu Wasser in ausreichender Menge und Qualität hat; bei einer Haltung in Gruppen sind räumlich getrennt von der Futterstelle zusätzliche Tränken in ausreichender Anzahl vorzuhalten. Dabei gilt grundsätzlich, dass sich jedes anwesende Schwein jederzeit satt trinken können muss (vgl. Hirt/Maisack/Moritz/Felde, Tierschutzgesetz, 4. Auflage 2023, TierSchNutztV, § 26 Rn. 2). Hierfür ist – wie der Beklagte in der mündlichen Verhandlung nochmals erläutert hat – ein Tier-Tränke-Verhältnis von 12 zu 1 oder besser 8-10 zu 1 anzusetzen (vgl. Checkliste „Tränkwasser für Mastschweine“ der Bayerischen Landesanstalt für Landeswirtschaft, Seite 82, abrufbar unter https://www.lfl.bayern.de/mam/cms07/publikationen/daten/informationen/futterwerttabelle_ schwein_lfl-information.pdf, abgerufen am Entscheidungstag, welche als antizipiertes Sachverständigengutachten berücksichtigt und herangezogen werden kann, s. o.). Des Weiteren muss das den Schweinen zur Verfügung stehende Wasser Trinkwasserqualität haben (vgl. Hirt/Maisack/Moritz/Felde a. a. O.).
50
Aus dem Kontrollbericht (Bl. 39 der Behördenakte) geht hervor, dass bei 379 Schweinen ein Verstoß bezüglich der Wasserversorgung („S52“) vorgelegen hat. Es seien Tränkenippel nicht in ausreichender Zahl vorhanden gewesen, da der Kläger in den meisten Boxen bis zu 17 Tiere gehalten habe. Zweifel an diesen Feststellungen hat das Gericht nicht, insbesondere hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar erläutert, wie die Anzahl von 379 zustande gekommen ist.
51
Der Kläger hat diese Feststellungen auch nicht substantiiert in Zweifel gezogen, sondern lediglich behauptet, eine ausreichende Wasserversorgung sei sichergestellt gewesen. Er gab an, es finde eine Flüssigfütterung der Tiere statt. Nach Beendigung der Fütterung bekämen die Tiere über den Trog zusätzlich Wasser. Es sei gewährleistet, dass jedem Tier Zugang zu einer ausreichenden Menge Wasser gewährt werde.
52
Der diesbezügliche Beweisantrag des Klägers konnte abgelehnt werden, da es sich bei der Frage der ausreichenden Wasserversorgung bzw. dem Zugang zu einer „ausreichenden“ Menge an Wasser um nicht dem Beweis zugängliche Rechtsfragen handelt. Ferner schreibt § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 2 TierSchNutztV zusätzliche Tränken getrennt von der Futterstelle vor. Die Auffüllung der Tröge nach der Fütterung mit Wasser ist keine Trennung i. S. d. Norm. Hinsichtlich der Flüssigfütterung ist darüber hinaus zum einen schon nicht dargelegt worden, dass den Tieren dabei Wasser in Trinkwasserqualität (s. o.) zur Verfügung gestellt würde, zum anderen war nach den vom Kläger nicht bestrittenen Angaben der Beklagten die Flüssigfütterungsanlage am Tag der VOK defekt, sodass jedenfalls an diesem Tag keine zusätzliche Wasserversorgung über eine etwaige Flüssigfütterung gewährleistet war. Sofern die Tiere zusätzlich über einen Trog Wasser bekämen, erscheint ferner mehr als zweifelhaft, dass hierbei die Qualität des Wassers als Trinkwasser gewährleistet werden kann, da Tröge in der Regel nicht vor Verunreinigungen geschützt sind und Tiere dort auch hineinkoten können (vgl. Hirt/Maisack/Moritz/Felde a. a. O.). Im Übrigen wird zur Geeignetheit der angebotenen Beweismittel auf die Ausführungen in Bezug auf das Beschäftigungsmaterial verwiesen.
53
(2) Die Bewertung des Verstoßes als leichter, fahrlässiger Verstoß mit einem Kürzungssatz von 1% ist nicht zu beanstanden.
54
(aa) Grundsätzlich wäre – entsprechend den obigen Ausführungen – bzgl. dieses Verstoßes die Bewertung als schwer durch die angewandte Bewertungsmatrix vorgegeben. Ein Verstoß bzgl. „S52“ ist demnach als mittlerer oder schwerer Verstoß zu werten. Da ausweislich der Dokumentation der VOK insgesamt 1.734 Mastschweine kontrolliert wurden und bei 379 keine ausreichende Wasserversorgung sichergestellt war, entspricht dies einer Häufigkeit von rund 21,9% und damit der Häufigkeit II, die nach der Matrix grundsätzlich eine Bewertung als „schwer“ nach sich zieht.
55
(bb) Ausweislich des Kontrollberichts wurde die Bewertung des Verstoßes jedoch, da die Wasserversorgung der Schweine in allen kontrollierten Buchten grundsätzlich sichergestellt gewesen sei und die Feststellung ausschließlich auf der zu geringen Zahl an Tränkenippeln basiere, von „schwer“ auf „leicht“ reduziert. Insoweit wurde hier Ermessen zugunsten des Klägers ausgeübt und damit dem Umstand, dass die Wasserversorgung grundsätzlich gewährleistet war, Rechnung getragen. Dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
56
dd) Der Beklagte hat zuletzt zutreffend in der nicht ausreichenden Behandlung verletzter Tiere einen Verstoß gegen Art. 93 Abs. 1 Buchst. c) i. V. m. GAB 13 des Anhangs II der VO (EU) Nr. 1306/2013 i. V. m. Art. 4 i. V. m. Anhang, Nr. 4 der RL 98/58/EG i. V. m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 TierSchNutztV festgestellt und eine Bewertung des Verstoßes als mittleren Verstoß mit einem Kürzungssatz von 3% vorgenommen.
57
(1) Das Gericht ist durch die vorgelegte Dokumentation der Vor-Ort-Kontrolle vom 30.11.2021 (Kontrollbericht; Bl. 41 der Behördenakte sowie vorgelegtes Bildmaterial), die durch den Vortrag des Beklagten in der mündlichen Verhandlung ergänzt wurde, vom Vorliegen dieses Verstoßes überzeugt.
58
Nach GAB 13 des Anhangs II der VO (EU) Nr. 1306/2013 i. V. m. Art. 4 i. V. m. Anhang, Nr. 4 der RL 98/58/EG muss ein Tier unverzüglich ordnungsgemäß versorgt werden, wenn es Anzeichen einer Krankheit oder Verletzung aufweist. Spricht ein Tier auf diese Maßnahme nicht an, so ist so rasch wie möglich ein Tierarzt hinzuzuziehen. Erforderlichenfalls sind die kranken oder verletzten Tiere gesondert in angemessenen Unterkünften unterzubringen und gegebenenfalls mit trockener und angenehmer Einstreu zu versehen. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 TierSchNutztV bestimmt, dass derjenige, der Nutztiere hält, sicherzustellen hat, dass, soweit erforderlich, unverzüglich Maßnahmen für die Behandlung, Absonderung in geeignete Haltungseinrichtungen mit trockener und weicher Einstreu oder Unterlage oder die Tötung kranker oder verletzter Tiere ergriffen werden sowie ein Tierarzt hinzugezogen wird.
59
Aus dem Kontrollbericht (Bl. 41 der Behördenakte) geht hervor, dass bei vier Schweinen ein Verstoß bezüglich „A05“ vorgelegen hat. Bei vier kranken/verletzten Schweinen seien keine geeigneten Maßnahmen, wie das Verbringen in eine geeignete Haltungseinrichtung, ergriffen worden. Betroffen gewesen seien zwei Schweine in Gruppenhaltung mit abgefressenem Schwanz, ein Kümmerer in Gruppenhaltung in Seitenlage und ein Schwein mit einer Lahmheit. Beanstandet worden sei, wie der Beklagte in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, dass die Tiere nicht separiert worden seien. Diese Feststellungen werden zur Überzeugung des Gerichts durch die Fotodokumentation belegt. Auf den vorgelegten, bei der VOK angefertigten Bildern ist zu sehen, dass die betroffenen Tiere weiter mit anderen Schweinen und nicht separat gehalten werden. Nach den Angaben der Veterinäroberrätin Dr. B* … in der mündlichen Verhandlung sei die Separierung der Tiere aus tierärztlicher Sicht erforderlich gewesen. Jedenfalls im Hinblick auf den offensichtlichen Kannibalismus unter den Schweinen ist dies für das Gericht schlüssig und nachvollziehbar, da dieser durch eine Separierung der betroffenen Tiere unterbunden und die Gefahr weiterer bzw. die Verschlimmerung von Verletzungen eingedämmt werden kann.
60
Der Kläger hat dies nicht substantiiert in Zweifel gezogen, sondern lediglich behauptet, geeignete Maßnahmen seien in Absprache mit der behandelnden Tierärztin erfolgt. Die veranlassten und betroffenen Maßnahmen seien geeignet gewesen. Eine Absonderung in eine andere Haltungseinrichtung sei nicht erforderlich gewesen.
61
Welche konkreten Maßnahmen ergriffen worden seien, konnte der Kläger nicht darlegen. Er gab an, die Tierärztin sei ein bis zwei Tage vor der VOK vor Ort gewesen und habe die Tiere behandelt. Wie, wisse er nicht. Am Abend nach der VOK sei sie bestimmt da gewesen, belegen konnte der Kläger dies jedoch nicht. Warum eine Absonderung in andere Haltungseinrichtungen nicht notwendig gewesen sei, wurde ebenfalls nicht begründet. Der diesbezügliche Beweisantrag des Klägers erweist sich insoweit bereits als unsubstantiiert, da auch in diesem Fall lediglich das Gegenteil zum Festgestellten behauptet wurde und er daher der Ausforschung des Sachverhalts dient (vgl. VG Würzburg, U. v. 03.08.2020 – W 8 K 19.1448 – juris Rn. 68).
62
(2) Die Bewertung des Verstoßes als mittlerer, fahrlässiger Verstoß mit einem Kürzungssatz von 3% ist nicht zu beanstanden.
63
Entsprechend den obigen Ausführungen war auch bzgl. dieses Verstoßes die Bewertung als mittlerer Verstoß und damit ein Kürzungssatz von 3% durch die seitens des Beklagten angewendete und im gerichtlichen Verfahren vorgelegte Bewertungsmatrix zu Grundanforderungen an die Betriebsführung Nrn. 11, 12 und 13 des Anhangs II der VO (EU) Nr. 1306/2013 als Regeleinstufung vorgegeben. Nach dieser Bewertungsmatrix ist ein Verstoß gegen o. g. Vorgaben („A05“) nach Spalte B stets – unabhängig von der Anzahl der betroffenen Tiere – als „mittel“ einzustufen. Eine Abweichung von der in der Bewertungsmatrix vorgegebenen Regeleinstufung ist vorliegend nicht angezeigt (s. o.).
64
ee) Der Beklagte hat in rechtmäßiger Weise die erläuterten GAB-Verstöße mit einem Gesamtkürzungssatz von 3% geahndet.
65
Nach Art. 73 Abs. 2 VO Nr. (EU) 809/2014 gelten, wenn mehr als ein Verstoß in Bezug auf verschiedene Rechtsakte oder Standards desselben Bereichs der Cross-Compliance festgestellt wurden, diese Fälle zum Zweck der Festsetzung der Kürzung gemäß Art. 39 Abs. 1 und Art. 40 VO (EU) Nr. 640/2014 als ein einziger Verstoß. Die drei festgestellten Verstöße gehören allesamt dem Bereich „Tierschutz“ (vgl. Anhang II der VO (EU) Nr. 1306/2013) an und sind damit mit nur einer Kürzung zu belegen.
66
Art. 39 Abs. 1 VO (EU) Nr. 640/2014 sieht bei Fahrlässigkeit – wie vorliegend – eine Regelkürzung von 3% vor. Eine solche ist hier erfolgt. Auch bei einer Gesamtbetrachtung der Verstöße liegt kein atypischer Fall vor, der es rechtfertigen könnte, sogar unter der bereits für zwei der Verstöße vorgegebenen 3%-Sanktion zu bleiben.
67
III. Ermessen steht der Behörde bei der Rücknahme nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 10 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 MOG nicht zu. Es handelt sich um eine gebundene Entscheidung. Die Rücknahme erfolgte auch fristgemäß nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 MOG, § 48 Abs. 4 VwVfG. Die Festsetzung der Erstattung folgt aus § 10 Abs. 3 MOG.
68
IV. Die Gebührenfestsetzung in Nr. 3 des Bescheids ist nicht zu beanstanden, obwohl in der Begründung des Bescheids unter II. 5. von Art. 3 Abs. 1 Nr. 6 des Kostengesetzes (KG) die Rede ist (sachliche Kostenfreiheit). Insoweit liegt lediglich eine inhaltlich falsche Begründung vor, die die Gebührenfestsetzung als solche jedoch nicht rechtswidrig macht.
69
Nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 6 KG ist das Verfahren über Anträge u. a. auf Beihilfen kostenfrei. Damit ist jedoch das Verfahren bzw. die erste Entscheidung über einen gestellten Antrag gemeint, nicht jedoch auch ein etwaiges Rückforderungsverfahren. Dies ergibt sich aus der Lfd. Nr. 1.I.9/ Tarifstelle 1 der Anlage zur Verordnung über den Erlass des Kostenverzeichnisses zum Kostengesetz (Kostenverzeichnis – KVz), nach der bei Aufhebung eines Zuwendungs- oder Subventionsbescheids, gegebenenfalls einschließlich Rückforderung der Beträge, eine Gebühr von 15 bis 2.500 € erhoben wird. Der Normgeber hat damit zu erkennen gegeben, dass er das Rückforderungsverfahren nicht mehr von der sachlichen Kostenfreiheit erfasst sieht. Die vorliegend erhobene Gebühr bewegt sich am unteren Rand des Gebührenrahmens und ist daher nicht zu beanstanden.
B.
70
Der Änderungs- und Rückforderungsbescheid vom 18.07.2022 hinsichtlich der Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten (Az. …*) ist rechtmäßig.
71
I. Rechtsgrundlage für die Änderung des zugunsten des Klägers ergangenen Bescheids über die Gewährung der Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten für das Jahr 2021 vom 29.11.2021 in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids ist Art. 49 Abs. 2a Satz 1 Nr. 2 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) i. V. m. Art. 7 Abs. 1 der VO (EU) Nr. 809/2014.
72
II. Die Voraussetzungen des Art. 49 Abs. 2a Satz 1 Nr. 2 BayVwVfG liegen vor.
73
Demnach kann ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zweckes gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden, wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat.
74
1. Bei dem Bewilligungsbescheid vom 29.11.2021 handelte es sich einen rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt, weil die VOK am 30.11.2021 stattfand und damit einen Tag nach Bescheidserlass (vgl. VG Ansbach, U. v. 11.08.2020 – AN 14 K 16.01508 – Rn. 55).
75
2. Mit dem Verwaltungsakt war eine Auflage verbunden, die der Kläger nicht erfüllt hat. Nach Nr. 2 der Nebenbestimmungen des Bescheids über die Gewährung der Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten im Jahr 2021 vom 29.11.2021 sind die Cross-Compliance-Vorschriften gemäß Art. 91 i. V. m. Anhang II der VO (EU) Nr. 1306/2013 während des gesamten Kalenderjahres bei allen landwirtschaftlichen Tätigkeiten und auf allen landwirtschaftlichen Flächen des Betriebs einzuhalten (vgl. Nr. 11 des Merkblatts zum Mehrfachantrag).
76
Diese Auflage hat der Kläger nicht eingehalten, da er im Jahr 2021 gegen Cross-Compliance-Vorschriften verstoßen hat. Hierzu wird auf die Ausführungen unter A. II. 2. b) verwiesen.
77
3. Die genannte Befugnisnorm räumt zwar grundsätzlich ein Ermessen („kann“) ein, das von der entscheidenden Behörde pflichtgemäß auszuüben ist (Art. 40 BayVwVfG), doch beruht die Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten, die aus Mitteln der Europäischen Union kofinanziert wird, auch und im Wesentlichen auf Gemeinschaftsrecht. Dies hat zur Folge, dass bei der Rücknahme von entsprechenden zuwendungsgewährenden Verwaltungsakten, wie hier, neben dem nationalen Recht auch Gemeinschaftsrecht zur Anwendung kommt. Da die insoweit einschlägige VO (EU) Nr. 809/2014 in ihrem Art. 7 Abs. 1 die zwingende Rückforderung zu Unrecht ausgezahlter Förderung vorschreibt, hatte das AELF keine Ermessensentscheidung im Sinne von Zweckmäßigkeitserwägungen zu treffen, wohl aber den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Bereits angesichts der relativ geringen Höhe des Kürzungsbetrags von 2,39 € verbietet sich die Annahme eines Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (vgl. VG Augsburg, U. v. 21.07.2016 – Au 3 K 15.1770, BeckRS 2016, 52725).
78
4. Auch im Übrigen sind hinsichtlich des Rückforderungsbescheids die Ausgleichszulage betreffend keine Fehler, die die Rechtmäßigkeit infrage stellen würden, vorgetragen worden oder sonst ersichtlich.
C.
79
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Da die Klägerseite die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, bedarf es keiner Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren, vgl. § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO.
80
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO).