Titel:
„zina“-Straftaten im Iran, uneheliches Kind, Ehebruch, keine unbegrenzte territoriale Anwendbarkeit iranischen Strafrechts
Normenkette:
AsylG § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Leitsatz:
Es besteht nicht die beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass der iranische Staat zina-Straftaten, deren Tatbestand im Ausland „verwirklicht“ wurde, rechtlich bestraft und/oder tatsächlich verfolgt. Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass aus einer unehelichen Beziehung ein Kind hervorgegangen ist oder hierin nach Maßstab des iranischen Rechts ein Ehebruch anzunehmen wäre.
Schlagworte:
„zina“-Straftaten im Iran, uneheliches Kind, Ehebruch, keine unbegrenzte territoriale Anwendbarkeit iranischen Strafrechts
Fundstelle:
BeckRS 2025, 33230
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt … wird abgelehnt.
Gründe
1
Die Antragstellerin wehrt sich mit einem Aussetzungsantrag gegen die Ablehnung ihres zulässigen Asylzweitantrags als offensichtlich unbegründet.
2
Die Antragstellerin, iranische Staatsangehörige, der Volksgruppe der Shahzavan zugehörig sowie nach eigenen Angaben mit christlicher Religionszugehörigkeit, hat bereits erfolglos in einem Mitgliedstaat der EU, in Kroatien, einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
3
Am 21.11.2019 stellte die Ausländerin danach persönlich bei der Außenstelle … in der Bundesrepublik Deutschland einen Asylantrag.
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Mit dem Asylantrag wurde gemäß § 13 Abs. 2 Asylgesetz (AsylG) sowohl die Zuerkennung internationalen Schutzes (Flüchtlingseigenschaft und subsidiärer Schutz) im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG, als auch die Anerkennung als Asylberechtigte gemäß Art. 16a Abs. 1 Grundgesetz (GG) beantragt.
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Mit Schreiben vom 13.10.2021 teilte die Republik Kroatien dem Bundesamt mit, dass das Verfahren zur Prüfung eines Antrages auf internationalen Schutz in Kroatien erfolglos abgeschlossen wurde.
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Die kroatischen Behörden teilten dem Bundesamt am 13.10.2021 mit, dass die Antragstellerin am 24.11.2017 einen Asylantrag stellte, welcher abgelehnt wurde. Gegen die Ablehnung klagte sie vor Gericht. Die Klage gegen den ablehnenden Bescheid wurde vom Gericht abgewiesen und die Rechtskraft der Entscheidung trat am 04.12.2018 ein. Am 11.12.2018 stellte die Antragstellerin im Mitgliedstaat einen Folgeantrag, welcher ebenfalls abgelehnt wurde. Die Klage gegen den ablehnenden Bescheid wurde abgewiesen und die Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung trat am 03.06.2019 ein. Das Asylverfahren der Antragstellerin war somit in Kroatien erfolglos abgeschlossen.
7
Als Grund für ihre Ausreise aus dem Iran gab die Antragstellerin laut den kroatischen Behörden an, sie sei wegen ihrer Konversion zum christlichen Glauben verfolgt gewesen. Bei einer Rückkehr würde man sie zum Tode verurteilen. Die kroatischen Behörden legten dem Antwortschreiben das Anhörungsprotokoll vom …11.2017 bei.
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Die Antragstellerin gab demnach dort an, die letzten 3 Monate vor ihrer Ausreise aus dem Iran in … gelebt zu haben. Zuvor habe sie mit ihrem Mann zusammen 2 Jahre in … (Provinz …*) gelebt. Davor habe sie bei ihren Eltern in … gelebt. Ihr Mann habe in … jemanden kennengelernt, der später sein Freund geworden sei. Nachdem dieser Freund und dessen Frau Vertrauen zur Antragstellerin und ihrem Mann gefasst hätten, seien letztere in die Wohnung der Freunde eingeladen worden. An einer Wand habe ein Kreuz gehangen, was im Iran nicht üblich sei. Diese Freunde hätten dann mit ihnen über Jesus und das Christentum geredet und es habe der Antragstellerin und ihrem Mann gefallen und sie seien vom Christentum überzeugt gewesen. Sie hätten sich dann beim nächsten Mal in einem Haus getroffen. Dort seien 12 Personen anwesend gewesen, von denen einige bereits Christen gewesen seien und einige andere, wie auch sie selbst, hätten sich mit der Religion vertraut machen wollen. Sie und ihr Mann hätten dann den Beschluss gefasst, zum Christentum zu konvertieren. Sie hätten sich dann ein bis zwei Mal pro Woche getroffen. Als sie zum letzten Mal dort gewesen seien, seien einige Personen in Zivil auf sie zugegangen, hätten ihnen irgendwelche Karten gezeigt und sie aufgefordert, in ein Auto zu steigen. Sie vermute, dass es sich um Leute von der Staatssicherheit handeln würde. Sie seien zu einer Polizeistation gebracht und verhört worden. Man habe ihnen gesagt, dass dort christliche Iraner hingehen würden und man diese beobachten würde. Sie seien sehr verängstigt gewesen und hätten gesagt, sie wüssten von nichts. Man habe sie dann 4 Tage dort festgehalten. Sie hätten vor ihrer Entlassung eine Erklärung unterschreiben müssen, dass sie dort lediglich als Gäste gewesen seien. Wenn man sie dort erneut antreffen sollte, würde ihnen die Todesstrafe drohen. Die Gruppe habe daraufhin den Treffpunkt gewechselt und sie seien auch weiterhin in die Hauskirche gegangen. Beim letzten Treffen habe die Antragstellerin ihre Handtasche mit Handy und persönlichen Dokumenten dort vergessen. Als sie die Tasche habe holen wollen, habe sie Agenten bemerkt, die in die Hauskirche eingedrungen seien und alle Personen rausgeholt hätten. Da auch ihre Geburtsurkunde in der Handtasche gewesen sei, hätte man sie über die staatliche Nummer ausfindig machen können. Sie seien dann noch eine Woche in … geblieben und dann nach … gegangen. Dort hätten sie sich in einer Wohnung versteckt gehalten und seien dann nach 3 Monaten in die Türkei gereist.
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Andere Gründe für ihre Ausreise nannte die Antragstellerin nicht. Bei einer Rückkehr erwarte sie die Todesstrafe.
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Der Antragstellerin wurde Gelegenheit gegeben, Gründe für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens in Deutschland und Gründe, die einer Rückkehr in das Herkunftsland entgegenstehen, geltend zu machen.
11
Die Begründung des Zweitantrages erfolgte zunächst im Rahmen ihrer informatorischen Anhörung beim Bundesamt am …09.2021.
12
Die Antragstellerin gab an, sie sei bis zu ihrer Ausreise aus dem Iran in … aufhältig gewesen. Sie habe dort mit ihrem Mann zur Miete gelebt. Auf Nachfrage gab die Antragstellerin an, die gleichen Asylgründe vorzutragen, wie bereits in Kroatien.
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Asylbegründend gab sie sodann an, dass ihr Stiefbruder sie vergewaltigt und sie ihn deshalb mit dem Messer niedergestochen habe. Sie sei dann vor Gericht gekommen und verhört worden. Der Richter habe ihr jedoch nicht geglaubt, dass sie in Notwehr gehandelt habe und habe ihr versuchten Mord vorgeworfen. Sie habe sich dann einen Anwalt genommen. Dies alles sei 2010 gewesen. Sie habe dann noch mehrere Vorladungen bekommen. Sie habe sich jedoch bei ihrer Tante versteckt. Das Gericht habe ihr gesagt, dass man einen Haftbefehl ausstellen würde, wenn sie nicht erscheinen würde. 2014 habe sie dann ihren jetzigen Mann kennengelernt, ihn geheiratet und sei zu ihm gezogen. Ihr Mann habe sie dann irgendwann angerufen und ihr gesagt, sie solle das Geld zusammensuchen und zu ihm kommen. Aus dem Iran seien sie wegen der Probleme ihres Mannes ausgereist und es habe aber auch noch den Haftbefehl gegen sie gegeben.
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Auf Nachfrage erklärte sie, sie habe die Vergewaltigung sowie die Probleme ihres Mannes bezüglich der Konversion und auch ihre eigene Konversion in ihrem Asylverfahren in Kroatien vorgetragen. Dokumente bezüglich ihres Verfahrens im Iran, wegen des versuchten Mordes, habe sie nicht dabei.
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Auf Nachfrage erklärte sie, sie sei in Kroatien getauft worden und immer noch Mitglied in der christlichen Gemeinde in Kroatien. Gott habe ihr innere Ruhe gegeben. In Deutschland sei sie ein paar Mal zum Beten in der Kirche gewesen. Sie gehe aber nicht jeden Sonntag hin, da ihr Mann die ganze Woche arbeite und sie am Sonntag gemeinsam Zeit miteinander verbringen wollten. Außerdem sei Gott auch bei ihnen zuhause. Auf die Frage, was ihr am christlichen Glauben wichtig sei, erklärte sie, sie sei keine Christin, sie sei wie Jesus. Wie Jesus zu sein, bedeute für sie anderen zu helfen, nicht zu lügen und gut zu ihren Mitmenschen zu sein. In einer Gemeinde sei sie derzeit nicht, aber sie verstehe sich mit den Gemeindemitgliedern sehr gut. Sie gehe in die Kirche nur zum Beten. Auf die Frage in welche Gemeinde oder in welche Kirche sie denn gehen erklärte sie, sie kenne den Namen nicht, es sei dort, wo sie wohne.
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Auf die Frage, ob sich durch ihre Konversion in Kroatien an ihrem Glauben und ihrem Leben etwas verändert habe, erklärte sie, sie selbst habe sich verändert. Sie könne sich nun mit ihren Problemen abfinden, das sei für sie das größte Geschenk Gottes an sie. Als sie in Kroatien angekommen sei, sei sie depressiv gewesen. Sie habe auch versucht, sich das Leben zu nehmen. Mit Gottes Hilfe und ihrem Glauben sei sie sehr stark geworden. In Kroatien habe sie angefangen, die Bibel zu lesen und sei jede Woche zur Kirche gegangen.
17
Auf die Frage, was ihr am christlichen Glauben wichtig sei, gab sie an, das Wichtigste sei die Rettung. Wenn man gesündigt habe, vergebe Gott die Sünden und rettet einen. Als Moslem habe sie Angst vor Himmel und Hölle gehabt, jetzt nicht mehr.
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In Deutschland sei sie trotz aller Schwierigkeiten glücklich, sie gehe zum Sprachkurs und habe guten Kontakt zu ihren Nachbarn.
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Auf die Frage, wie sich ihr Glaube in Deutschland weiterentwickelt habe, erklärte sie, sie müsse nicht regelmäßig in die Kirche gehen, da sie überall mit Gott reden könne. In Kroatien habe sie viel gelernt, da ihr Pastor Iraner gewesen sei, aber hier in Deutschland könne sich ihr Glaube nicht weiterentwickeln, da es keine persische Gemeinde in ihrer Nähe gebe.
20
Ihr Mann (Az.: …*) gab in seiner Anhörung am …01.2018 in … an, dass er zusammen mit seinen Eltern und der Antragstellerin bis zu ihrer Ausreise in … im Haus seiner Eltern gelebt habe. Er habe in … einen Freund namens … gehabt, der kein guter Mensch gewesen sei. Besagter … habe mit Drogen gehandelt und illegale Dinge getan. … sei mehrere Monate weg gewesen und als er wieder da gewesen sei, sei er ein ganz anderer Mensch gewesen. Er sei sehr höflich und sehr „nächstenlieb“ geworden. Er habe ihm dann erzählt, dass er Christ geworden sei. Die Antragstellerin habe sich dann auch für das Christentum interessiert und sei mehrere Mal in einer Hauskirche dabei gewesen. Bei einem Termin habe er es jedoch wegen seiner Arbeit nicht geschafft, dort zu sein. An diesem Tage habe die Polizei die Hauskirche durchsucht und ein paar Leute verhaftet. Ihn habe daraufhin jemand von einer Telefonzelle aus angerufen und ihm davon berichtet. Er sei dann sofort von seiner Arbeit weggegangen und habe sich 3-4 Stunden versteckt. Er habe einen Freund gebeten, die dortige Lage zu überprüfen. Dieser sei nach ca. 30-45 Min. wiedergekommen und habe bestätigt, dass die Polizei dort gewesen sei. Er habe dann sein Telefon ausgemacht und das Telefon seines Freundes … benutzt. Er habe dann ein paar Tage bei … geschlafen und ihn gebeten, ein neues Handy und eine neue SIM zu besorgen. Damit habe er einen engen Freund angerufen und dieser habe ihm einen Schleuser besorgt. Er sei anschließend zusammen mit der Antragstellerin ausgereist. Er habe mit dem Handy von … die Schwester der Antragstellerin angerufen und sie gebeten zu seiner Frau zu gehen, um ihr Bescheid zu geben, dass er bei … sei und sie abholen werde.
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Es wurde ein Attest aus Kroatien vom 04.01.2019 vorgelegt, wonach die Antragstellerin „in den letzten 2 Monaten“ über Stress, Angstzustände, Schlaflosigkeit und Depression geklagt habe. Sie habe gesagt, sie habe Angst vor dem „Rausschmiss“ aus der Asylunterunterkunft und habe einen Psychiater aufgesucht.
22
Im Rahmen ihrer Anhörung in Deutschland gab sie keine krankheitsbedingten Probleme an.
23
Die Antragstellerin befand sich aufgrund der drohenden Abschiebung nach Kroatien im Rahmen des Dublin Verfahrens im Kirchenasyl. Dem Bundesamt liegt das Härtefalldossier des … Pfarramts … vom …03.2020 vor.
24
In ihrer Befragung im Rahmen der Erstellung des Dossiers gab sie an, im Iran keinen persönlichen Kontakt zum Christentum gehabt zu haben. Sie sei erst in Zagreb durch eine Zimmernachbarin auf das Christentum aufmerksam geworden.
25
Im Dossier werden ihre sprachlichen Fähigkeiten trotz ihrer geringen Schulbildung hervorgehoben. So soll sie bereits in Kroatien so viel Englisch gelernt haben, dass eine Unterhaltung problemlos möglich sei. Weiterhin seien ihre Fortschritte beim Erlernen der deutschen Sprache, ohne einen regulären Deutschkurs zu besuchen, beachtlich. Ihre Kenntnisse zum Christentum seien beeindruckend.
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Im Schreiben des … Pfarramt … v. …03.2020 wird als Grund für das gewährte Kirchenasyl der Schutz vor Trennung von ihrem Ehemann wegen der angedrohten Abschiebung nach Kroatien genannt.
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Das Bundesamt lehnte den Asylantrag der Antragstellerin mit Bescheid vom 16.02.2022 als unzulässigen Zweitantrag ab. Die hiergegen erhobene Klage beim Verwaltungsgericht Bayreuth (Az.: B 8 K 23.30560) führte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom …05.2025 dazu, dass das Verwaltungsgericht das Verfahren mit Beschluss vom 10.07.2025 nach einer Abhilfeentscheidung des Antragsgegners einstellte, nachdem die Antragstellerin erstmals in der mündlichen Verhandlung ihre Furcht vor der Bestrafung wegen Ehebruchs kundgetan hat.
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Im Rahmen der informatorischen Anhörung am …08.2025 sowie deren Fortsetzung am …09.2025 wurde der Antragstellerin Gelegenheit gegeben, ihre neuen Asylgründe vorzutragen.
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Die Antragstellerin äußerte die Befürchtung, bei Rückkehr in ihr Herkunftsland drohe ihr wegen einer nichtehelichen Beziehung und wegen eines hieraus resultierenden außerehelichen Kindes die Steinigung.
30
Zu ihrem persönlichen familiären Werdegang gab die Antragstellerin an, ihr Vater sei verstorben, als sie noch nicht einmal sechs Jahre alt gewesen sei. Sie habe zwei leibliche Geschwister, nämlichen einen Bruder und eine Schwester.
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Die Mutter sei bereits zuvor schon einmal verheiratet gewesen. Aus der ersten Ehe der Mutter resultierten zwei Halbschwestern. Auch der Vater sei vorher bereits schon einmal verheiratet gewesen. Aus dessen ersten Ehe stammten sechs Halbschwestern sowie zwei Halbbrüder.
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Im Alter von vierzehn Jahren sei die Antragstellerin zwangsverheiratet worden. Bis dahin sei ihr Verhältnis zu ihrer Mutter intakt, danach aber gestört gewesen. Auch sei die Kindheit der Antragstellerin bis dahin normal verlaufen. Ihre Mutter sei vor etwa sieben oder acht Monaten verstorben. Bis dahin habe man miteinander telefoniert und sich über Alltägliches unterhalten.
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Auf Vorhalt, dass im Dossier der Kirche im Rahmen des Kirchenasyls gestanden habe, dass sie nach dem Tod des Vaters mit Arbeiten begonnen haben solle – u.a. in einer Schokoladenfabrik, in einer Textilfabrik und als Putzfrau – und auf konkrete Nachfrage, ob dies so zu verstehen sei, dass die Antragstellerin diese Tätigkeiten ausgeübt habe, nachdem sie sechs Jahre alt gewesen sei, gab diese an, erst nach ihrer Scheidung gearbeitet zu haben.
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Auf weiteren Vorhalt, dass im Kirchendossier stehe, die Antragstellerin habe nach dem Tod des Vaters arbeiten müssen, um den Lebensunterhalt der Familie sicherzustellen, und konkrete Nachfrage, was richtig sei, gab die Antragstellerin an, es handele sich um einen Fehler. Richtig sei, dass die Mutter habe arbeiten müssen. Es müsse sich um ein Missverständnis handeln. Während des Kirchenasyls habe sie nicht richtig Deutsch sprechen können. Auf Nachfrage, ob davon auszugehen sei, dass die Vertreter der …kirche … in dem von ihnen gefertigten Dossier falsche Angaben gemacht hätten, gab die Antragstellerin an, damals nicht einmal „Hallo“ habe sagen können.
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Auf erneuten Vorhalt, dass das Kirchendossier ausgesprochen umfangreich und detailliert in seinen Ausführungen sei, und auf konkrete Nachfrage, wie sie diesen Detailreichtum des Dossiers erklären könne, wenn sie sich sprachlich nicht habe verständlich machen können, gab die Antragstellerin an, es könne sein, dass der Dolmetscher sie falsch verstanden oder sie falsch übersetzt habe. Es sei ein Iraner dabei gewesen, dessen Deutsch nicht gut gewesen sei. Auf Nachfrage, wie sie die Deutschkenntnisse des Dolmetschers habe beurteilen können, gab die Antragstellerin an, den Dolmetscher aktuell in … zu treffen. Jetzt könne sie dessen Deutschkenntnisse beurteilen.
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Auf weiteren Vorhalt, dass im Kirchendossier auch die Rede davon sei, dass ihre Mutter die Antragstellerin misshandelt und gedemütigt haben soll, und auf konkrete Nachfrage, wie dies zu ihrer Darstellung einer normalen Kindheit passe, erklärte die Antragstellerin, im Iran sei das ganz normal. Auf Nachfrage, warum mit dem Kirchendossier ein ganz anderer Eindruck erweckt werde, gab die Antragstellerin an, sich das nur so erklären zu können, dass es in Europa nicht normal sei, dass Kinder geschlagen werden würden.
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Nach drei Jahren, als die Antragstellerin siebzehn Jahre alt gewesen sei, sei ihre Ehe geschieden worden. Man sei zwei Jahre lang verlobt gewesen. Die Antragstellerin habe tatsächlich nur etwa einen Monat bei ihrem Ehemann gelebt. Gegen den Widerstand der eigenen Familie habe die Antragstellerin die Scheidung veranlasst. Eine Tante und ein Onkel väterlicherseits hätten sie dabei im Scheidungsverfahren unterstützt. Sie hätten die Antragstellerin bei Gericht begleitet und hätten als Zeugen der Zwangsheirat, die als Scheidungsgrund fungiert habe, gedient.
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Nach der Scheidung sei die Antragstellerin zu ihrer Mutter zurückgekehrt und habe als Frisörin gearbeitet.
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Im Jahr 2010 habe ein Halbbruder versucht, die Antragstellerin zu vergewaltigen. Die Antragstellerin habe sich mit einem Messer gewehrt, wobei der Halbbruder verletzt worden sei. Welche Verletzung sie ihm zugefügt habe, wisse sie nicht. Auch später habe sie nichts über die Verletzungen des Halbbruders erfahren. Seit diesem Zeitpunkt ermittele die iranische Justiz gegen die Antragstellerin wegen versuchten Mordes. Eine gerichtsmedizinische Untersuchung sei abgelehnt worden, weil zwei Ehemänner ihrer Schwestern Richter seien. Weitere zwei Ehemänner seien Mullahs. Alle hätten Macht. Auf Nachfrage, was genau sie über die von ihr bereits geschilderten Haftbefehle wisse, gab die Antragstellerin an, nicht zu wissen, was herausgekommen sei. Bei Erlass des Haftbefehls habe sie sich bei ihrer Tante aufgehalten.
40
Auf Vorhalt, dass weder das Kirchendossier, noch der Vortrag der Antragstellerin im Asylverfahren in Kroatien Hinweise auf die versuchte Vergewaltigung, ihre Notwehrhandlung und das anschließend gegen sie eingeleitete Strafverfahren enthalte, gab diese an, es sei ihr damals nicht gut gegangen. Ihr Mann habe sie in Kroatien allein gelassen, um nach Deutschland zu reisen. Im Kirchenasyl habe sie auch nicht darüber reden können, denn es sei ihr auch dort psychisch nicht gut gegangen.
41
Auf weiteren Vorhalt, beim Bundesamt in ihrer ersten Anhörung bestätigt zu haben, in Kroatien die versuchte Vergewaltigung geschildert zu haben, wohingegen sich hierüber im kroatischen Anhörungsprotokoll sich aber nichts darüber finde und die Antragstellerin an anderer Stelle angegeben habe, ihr Ehemann habe ihr geraten, das Geschehen nicht zu schildern, gab diese an, die Widersprüche damit erklären zu können, dass sie in Kroatien das bestätigt habe, was ihr ihr Mann gesagt habe. Auf erneute Rückfrage hin erklärte die Antragstellerin dann, vielleicht Angst gehabt zu haben, weswegen sie sich so geäußert habe.
42
Auf Nachfrage, welchen Verlauf das Strafverfahren zwischen 2010 und dem Zeitpunkt der Ausreise aus dem Iran im Jahr 2017 genommen habe, gab die Antragstellerin an, sich bei der Tante aufgehalten zu haben. Sie habe nichts Besonderes gemacht. Heimlich sei sie in den Frisörsalon gegangen, bis sie ihren Mann kennengelernt habe. Auf erneute Nachfrage hin gab die Antragstellerin an, vom Gericht verurteilt worden zu sein. Danach habe die Antragstellerin Vorladungen und einen Haftbefehl erhalten.
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Auf Vorhalt, zuvor geschildert zu haben, dass der der verletzte Halbbruder mächtige Richter und Mullahs in seiner Familie habe und konkret gefragt, wie die Antragstellerin vor diesem Hintergrund erklären könne, bis zu Ihrer Ausreise im Jahr 2017 unbehelligt geblieben zu sein, gab diese an, keine Ahnung zu haben. Auf Nachfrage, wie es ihrer Meinung nach sein könne, dass die Sicherheitsbehörden in ihrem Fall sieben Jahre lang untätig geblieben seien, gab die Antragstellerin an, der Einwand sei richtig. In der Zeit habe sie sich bei ihrem Mann aufgehalten und sei selten vor die Tür gegangen. Nichts sei auf ihren Namen gelaufen. Niemand habe ihre neue Adresse gekannt.
44
Im Mai 2016 habe sie religiös ihren aktuell in Deutschland lebenden Mann geheiratet. Bei der Heirat seien der Onkel, die Tante und deren Sohn anwesend gewesen.
45
Auf Vorhalt, trotz Aufforderung dem Bundesamt noch keine Unterlagen vorgelegt zu haben, die das Gerichtsverfahren bestätigen würden, gab die Antragstellerin an, zu niemanden im Iran Kontakt zu haben. Auf Nachfrage, warum sie nicht den von ihr beauftragten Rechtsanwalt kontaktiert habe, um ihr entsprechende Unterlagen zukommen zu lassen, erklärte die Antragstellerin, der Rechtsanwalt habe ihr lediglich eine Kopie der Geburtsurkunde zuschicken können. Auf nochmalige Nachfrage hin, gab die Antragstellerin an, keine Antwort zu haben. Der Rechtsanwalt habe Geld genommen und sie dann nicht mehr kontaktiert.
46
Ihre Ausreise sei über den Imam-Khomeini-Flughafen in Teheran erfolgt. Bei der Ausreise habe es keine Probleme gegeben. Alles sei reibungslos verlaufen, denn wegen ihrer Straftat sei kein Ausreiseverbot verhängt worden. Meistens werde das bei politisch Aktiven erteilt. Auf Nachfrage, wie die Antragstellerin erklären könne, angesichts eines Haftbefehls gegen des Vorwurfs des versuchten Mordes legal am Flughafen ausgereist zu sein, gab diese an, niemand sei gestorben. Ihr Urteil wäre keine Hinrichtung, sondern eine langjährige Haftstrafe. Deswegen bekomme man kein Ausreiseverbot. Das wisse sie, weil sie ja ganz normal habe ausreisen können. Auf Nachfrage, ob sie sich als gesuchte Straftäterin keine Gedanken um ihre Ausreise gemacht habe, gab die Antragstellerin an, schon Angst gehabt zu haben. Sie habe sich aber zuvor bei einer Organisation, deren Namen sie nicht mehr kenne, erkundigt. Dort habe man ihr bestätigt, dass es kein Ausreiseverbot gebe.
47
Zu ihren im Iran lebenden Geschwistern bzw. Halbgeschwistern im Iran unterhalte die Antragstellerin keine Kontakte. Ihr leiblicher, etwa sieben Jahre älterer leiblicher Bruder (* …*) habe sich quasi ständig wegen der Teilnahme an Schlägereien in Haft befunden. Als Kinder habe man Kontakt gehabt. Nach der Zwangsheirat habe die Antragstellerin eigene Probleme gehabt. Das Verhältnis zu Onkel und Tante bezeichnete die Antragstellerin als vertrauensvoll. Die Tante sei bei Problemen stets für sie da gewesen. Auch finanzielle Unterstützung habe die Antragstellerin so erhalten. Die Tante sei über 80 Jahre alt.
48
Im Rahmen der Fortsetzung der informatorischen Anhörung am …09.2025 gab die Antragstellerin an:
49
Schon bei Rückkehr würde die Antragstellerin durch die iranischen Behörden befragt werden. Diese würden die Familie von … Vater informieren und man würde ihr das Kind wegnehmen. … käme dann zur Familie seines Vaters, die ihn töten würde. Man mache die Antragstellerin für die Inhaftierung von … Vater verantwortlich. … hätte jedenfalls im Iran keine Rechte. Er würde nicht einmal eine Identitäts- oder Geburtsurkunde bekommen. Ob derzeit schon ein Strafverfahren anhängig sei, wisse die Antragstellerin nicht.
50
Die Tante von …, die in Österreich lebe, habe die Antragstellerin bereits bedroht. Sie habe zu ihr im April 2024 gesagt, dass sie kommen und das Kind umbringen würde, wenn … Vater zu einer Haftstrafe verurteilt werden würde. Seitdem habe die Antragstellerin nichts mehr von der Familie von … Vater gesehen und gehört.
51
Nach der Beziehung zu ihrem religiös angeheiraten Mann befragt gab die Antragstellerin an, die religiöse Ehe sei bislang nicht geschieden. Trotz des Umstandes, dass ihr Mann sie in Kroatien sitzengelassen habe, sei die Beziehung in Deutschland fortgesetzt worden. Wenn ihr vorgehalten werde, die Beziehung als „glücklich“ gegenüber dem Bundesamt geschildert zu haben, so sage sie jetzt, die Beziehung sei „gut“ gewesen. Allerdings habe ihr Mann sie mit einer anderen Frau betrogen, weswegen die Antragstellerin die Beziehung beendet habe. Trotzdem sei ihr Mann die einzige Person, die sie kenne und um Hilfe bitten könne. Diesen habe sie nach dem Mordversuch an … und dem anschließenden Krankenhausaufenthalt als einzige Person kontaktieren können. Offiziell sei der Familienstand im Iran „geschieden“. Mit der religiösen Heirat hätte aber keine strafrechtliche Verfolgung im Iran gedroht.
52
Die Antragstellerin sei in den Sozialen Medien aktiv. Zu Freunden bzw. Followern zählten Freunde, die sie in Kroatien oder in Deutschland kennengelernt habe. Deutsche, Türken und auch Russen zählten dazu. Auch eine Cousine mit Namen … sei mit dabei. Es handelt sich um die Tochter der Tante, bei der die Antragstellerin vor der Ausreise gewohnt habe. Außerdem sei sie in den Sozialen Medien mit ihrer Schwester …, und ihrem Bruder … verbunden.
53
Auf Vorhalt, zuvor angegeben zu haben, keine Kontakte in den Iran zu haben und zum Bruder keinen Kontakt gehabt zu haben, weil der ständig im Gefängnis sei, erklärte die Antragstellerin, in Wahrheit richtig geantwortet zu haben. Bei Gericht habe sie gesagt, ab und zu zur Schwester Kontakt gehabt zu haben. Kontakt habe vor allem nach dem Tod der Mutter bestanden. Es gebe keine tiefe Beziehung untereinander.
54
Sprachlich könne sich die Antragstellerin in Deutschland verständigen, indem sie z.B. Sachen bei Rechtsanwälten und Behörden selbst erledigen könne. Einen Sprachkurs habe sie nicht absolviert. Freunde und Bekannte hätten ihr geholfen.
55
Das rechtliche Gehör zum Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde der Antragstellerin zuletzt im Rahmen der informatorischen Anhörung am …09.2025 gewährt. Die Antragstellerin gab an, sich gemeinsam mit ihrem Sohn in Deutschland aufzuhalten.
56
Mit Bescheid vom 30.09.2025, der Antragstellerin frühestens am 08.10.2025 zugestellt, wurden der Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, der Antrag auf Asylanerkennung und der Antrag auf subsidiären Schutz jeweils als offensichtlich unbegründet abgelehnt (Ziffern 1 bis 3). Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Ziffer 4). Die Antragstellerin wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen. Sollte die Antragstellerin die Ausreisefrist nicht einhalten, werde sie in den Iran abgeschoben. Die Antragstellerin könne auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den sie einreisen dürfe oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet sei. Die Vollziehung der Abschiebungsandrohung und der Lauf der Ausreisefrist wurden bis zum Ablauf der einwöchigen Klagefrist und, im Falle einer fristgerechten Stellung eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage, bis zur Bekanntgabe der Ablehnung des Eilantrags durch das Verwaltungsgericht ausgesetzt (Ziffer 5). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes angeordnet und auf 36 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 6). Für die Einzelheiten der behördlichen Begründung wird auf den Bescheid Bezug genommen.
57
Mit Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 13.10.2025, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am gleichen Tag, wurde gegen den Bescheid Klage erhoben und zusätzlich beantragt,
- 1.
-
die aufschiebende Wirkung der Klage vom heutigen Tage gegen die Abschiebungsandrohung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 30.09.2025 anzuordnen
- 2.
-
der Antragstellerin auch für das Verfahren gem. § 80 Abs. 5 VwGO Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Herrn RA …, …, zu bewilligen.
58
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Androhung einer Abschiebung der Antragstellerin ungeachtet vom Ausgang des Asylverfahrens wegen Verstoßes gegen Art. 1 und 2 GG sowie Art. 3 EMRK unzulässig sei, da diese zumindest zu Gefahren für Leib, Leben und Freiheit der Antragstellerin führen würde. Es wurde auf das Vorbringen der Antragstellerin im Rahmen des Vorverfahrens Bezug genommen. Zumindest der Antrag auf Gewährung des Eilrechtsschutzes sei begründet. Daneben verweist der Prozessbevollmächtigte auf eine Entscheidung des VG Würzburg (B.v. 5.6.2024 – W 8 S 24.30857). Die Entscheidung der Antragsgegnerin erfülle die dort hinsichtlich § 30 Abs. 1 Nr. 8 AsylG aufgestellten Voraussetzungen nicht, die vorliegend übertragbar seien.
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Mit Schriftsatz vom 16.10.2025 beantragte die Antragsgegnerin, den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abzulehnen.
60
Zur Begründung wurde auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
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Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen.
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Die Entscheidung ergeht durch den Einzelrichter, § 76 Abs. 4 S. 1 AsylG
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1. Der Antrag, mit dem das Begehren verfolgt wird, die kraft Gesetzes gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. §§ 75 Abs. 1 S. 1, 36 Abs. 3, 30 Abs. 1 Nr. 8 AsylG entfallene aufschiebende Wirkung der in der Hauptsache erhobenen Klage gemäß § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO hinsichtlich Ziffer 5 des angefochtenen Bescheides vom 30.09.2025 anzuordnen, ist zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben, aber in der Sache unbegründet.
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Die Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 1 VwGO liegen nicht vor. Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag im Rahmen einer eigenen Ermessensentscheidung die aufschiebende Wirkung der Klage ganz oder teilweise anordnen, wenn das persönliche Interesse des Antragstellers an der beantragten Aussetzung der Vollziehung das sich aus § 75 AsylG ergebende öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsandrohung überwiegt.
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Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens ist gemäß § 36 Abs. 3 S. 1 AsylG die unter Setzung einer Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) ausgesprochene Abschiebungsandrohung. Die mit dieser Verwaltungsentscheidung intendierte umgehende Beendigung des Aufenthalts des Asylbewerbers im Bundesgebiet stützt sich auf die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet und ist deren Folge. Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes daher auch die Einschätzung des Bundesamtes, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder des subsidiären Schutzes offensichtlich nicht besteht, zum Gegenstand seiner Prüfung zu machen (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166). Gemäß Art. 16a Abs. 4 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) und § 36 Abs. 4 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet bzw. die Vollziehung nur ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Der Begriff der „ernstlichen Zweifel“ i. S. v. § 36 Abs. 4 S. 1 AsylG entspricht dabei dem übereinstimmenden Begriff in Art. 16a Abs. 4 S. 1 GG. Die Vollziehung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme darf danach nur dann ausgesetzt werden, wenn erhebliche Gründe dafürsprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Überprüfung im Hauptsacheverfahren wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris Rn. 99).
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Der von Antragstellerseite unter Verweis auf das VG Würzburg (B.v. 5.6.2024 – W 8 S 24.30857) postulierte Prüfungsmaßstab („eindeutig aussichtslos“) und den vermeintlich erhöhten Begründungsmaßstab teilt der erkennende Einzelrichter ausdrücklich nicht (s. auch Heusch in BeckOK AuslR, 45. Ed. 1.7.2025, § 30 AsylG Rn. 45).
67
Bisher waren Asylanträge als offensichtlich unbegründet anzusehen, bei denen die Voraussetzungen für eine Zuerkennung von Asyl oder internationalen Schutzes offensichtlich nicht vorlagen (§ 30 Abs. 1 AsylG a.F. bis 26.02.2024), was insbesondere anzunehmen war, wenn sich der Ausländer nach den Umständen des Einzelfalles offensichtlich im Bundesgebiet nur aus wirtschaftlichen Gründen aufhält oder, um einer allgemeinen Notsituation zu entgehen (§ 30 Abs. 2 AsylG). In § 30 Abs. 3 AsylG waren weitere Fallgruppen aufgeführt, in denen ein unbegründeter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen war; in § 30 Abs. 4 AsylG war dieses auf die Fallgruppe schwerwiegender Gründe, insbesondere Gefahren erweitert worden, ebenso nach § 30 Abs. 5 AsylG auf die Fallgruppe, dass eigentlich kein Asylantrag im Sinne von § 13 Abs. 1 AsylG vorliegt. Nach dem seit dem 27.02.2024 geltenden Recht sind unbegründete Asylanträge nur noch in den in § 30 Abs. 1 AsylG n.F. aufgeführten Fällen, so in Nr. 1 bis Nr. 9, als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wobei auch dieses nicht für unbegleitete Minderjährige Anwendung findet (§ 30 Abs. 2 AsylG n.F.). Durch die Neufassung von § 30 AsylG in Umsetzung der RL 2013/32/EU (RL 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes, ABl. L 180 vom 29.06.2013, S. 60) (Asylverfahrensrichtlinie) werden die Möglichkeiten des Unionsrechts für eine Entscheidung als offensichtlich unbegründet ausgeschöpft, sodass eine entsprechende Entscheidung auch zu erlassen ist, wenn ein Folgeverfahren durchgeführt wird und dieses zwar zulässig aber unbegründet ist. Gleichzeitig wird die Regelung an die Vorgaben der RL 2013/32/EU angepasst (vgl. Ausführungen in dem BT-Drs. 20/9463, S. 21). Diese Regelung gilt nach § 87 Abs. 2 Nr. 6 AsylG für alle Asylanträge, die – wie hier – nach dem 27.02.2024 als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden sind.
68
Soweit der vom Prozessbevollmächtigten zitierte Beschluss des VG Würzburg auf das VG Hamburg (B.v. 11.4.2024 – 10 AE 1473/24 – juris Rn. 15) Bezug nimmt, das wiederum auf eine Senatsentscheidung des BVerfG (U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris Rn. 89 f.) verweist, vermag der Einzelrichter den hieraus gezogenen Schluss nicht zu ziehen. Die Konstellationen sind nicht vergleichbar, da das mit Folge- und Zweitanträgen einhergehende Verzögerungspotenzial mit Missbrauchsgefahr in die dortige Abwägung des Senats zwischen Asylrecht mit einhergehendem vorläufigen Bleiberecht und Vollziehbarkeit der sofortigen Ausreisepflicht nicht eingestellt wurde, zumal der Senat dort gerade die Gestaltungsmöglichkeiten des Gesetzgebers hervorhebt („Des weiteren ermächtigt die Verfassung ihn, auch solche Fallgestaltungen wie offensichtlich unbegründete Fälle zu behandeln, in denen den Individualinteressen des Asylsuchenden Belange des Staates gegenüberstehen, die es in gleichem Maße wie in den anderen Fallgruppen rechtfertigen, das vorläufige Bleiberecht schon vor einer bestandskräftigen Entscheidung über den Asylantrag zu beenden.“).
69
Ausgehend von diesen Grundsätzen fällt die vorzunehmende Interessenabwägung hier zulasten der Antragstellerin aus.
70
Vorliegend bestehen im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 S. 1 AsylG) keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung.
71
a. Die Antragstellerin hat nach obigem Maßstab keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, § 3 Abs. 1 AsylG.
72
aa. Der Antragstellerin droht bei einer Rückkehr in den Iran zunächst nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung wegen der von ihr geltend gemachten Konversion zum Christentum, mithin wegen ihrer Religion.
73
Es kann offenbleiben, ob der von der Antragstellerin vorgebrachte Grund der Konversion zum Christentum trotz seiner Ungeeignetheit als Wiederaufnahmegrund (aaa.) von der Antragsgegnerin nach der Bejahung eines anderen Wiederaufnahmegrunds hätte geprüft werden müssen (bbb.), da dieser Vortrag selbst im Falle einer umfassenden Pflicht zur Prüfung der Antragstellerin nicht zum Erfolg verhilft (ccc.).
74
aaa. Das Vorbringen der Antragstellerin zur christlichen Konversion war kein tauglicher Wiederaufnahmegrund nach § 71a Abs. 2 S. 1 AsylG i.V.m. § 51 Abs. 1 AsylG. Zur Begründung wird auf die Ausführungen im Bescheid und den Beschluss des erkennenden Einzelrichters vom 10.07.2025 Bezug genommen.
75
bbb. Es kann offenbleiben, ob sich die Sachprüfung des Bundesamts nach einem teilweise zulässigen Zweitantrag auf sämtliche vom Antragsteller vorgebrachten Gründe beziehen muss (vgl. in diesem Sinne VGH BW, U.v. 29.10.2019 – A 11 S 1203/19 – juris Rn. 22 m.w.N. zum Streitstand hinsichtlich eines Folgeantrags nach § 71 AsylG).
76
ccc. Jedenfalls liegen die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft hinsichtlich dieses Vortrags bei der Antragstellerin nicht vor.
77
Das OVG Münster hat jüngst umfassend ausgeführt, was sich der Einzelrichter zu eigen macht:
„(1) Der Verfolgungsgrund „Religion“ wird in § 3b Abs. 1 Nr. 2 AsylG näher umschrieben und umfasst – nahezu wörtlich übereinstimmend mit Art. 10 Abs. 1 lit. b RL 2011/95/EU – insbesondere theistische, nichttheistische oder atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten und öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder in Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind. Vom Schutzbereich der in § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 3b Abs. 1 Nr. 2 AsylG geregelten Religionsfreiheit ist demnach nicht nur die Freiheit des Schutzsuchenden umfasst, seinen Glauben im privaten Rahmen zu praktizieren (forum internum), sondern auch seine Freiheit, diesen Glauben öffentlich zu leben (forum externum).
Vgl. EuGH, Urteil vom 5.9.2012 – C 71/11 und C-99/11 –, NVwZ 2012, 1612 = juris Rn. 62, 71; BVerwG, Urteil vom 20.2.2013 – 10 C 23.12 –, BVerwGE 146, 67 = juris Rn. 24.
78
Allerdings stellt nicht jeder Eingriff in die so verstandene Religionsfreiheit als eines der Fundamente einer demokratischen Gesellschaft und demnach grundlegendes Menschenrecht eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a Abs. 1 AsylG dar. Die Beurteilung, wann eine Verletzung der Religionsfreiheit die erforderliche Schwere aufweist, um einem der in § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG, Art. 15 Abs. 2 EMRK genannten Fälle gleichgesetzt werden zu können, hängt in Fällen, in denen nicht schon die bloße Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft als solche die Gefahr einer Verfolgung begründet, von objektiven wie auch subjektiven Gesichtspunkten ab. In einem ersten Schritt ist in objektiver Hinsicht festzustellen, welche Maßnahmen und Sanktionen gegenüber dem Betroffenen im Herkunftsstaat voraussichtlich ergriffen werden, wenn er eine bestimmte Glaubenspraxis dort ausübt, und wie gravierend diese sind. Die erforderliche Schwere in objektiver Hinsicht kann insbesondere erreicht sein, wenn dem Betroffenen etwa durch die Teilnahme an religiösen Riten in der Öffentlichkeit die Gefahr droht, an Leib, Leben oder Freiheit verletzt, strafrechtlich verfolgt oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Bei strafbewehrten Verboten kommt es maßgeblich auf die tatsächliche Strafverfolgungspraxis im Herkunftsland des Ausländers an; denn ein Verbot, das erkennbar nicht durchgesetzt wird, begründet keine erhebliche Verfolgungsgefahr. Indes kann bereits der unter dem Druck der Verfolgungsgefahr erzwungene Verzicht auf die Glaubensbetätigung im Herkunftsland die Qualität einer Verfolgung erreichen. In subjektiver Hinsicht ist sodann maßgebend, wie der einzelne Gläubige seinen Glauben lebt und ob die verfolgungsträchtige Glaubensbetätigung für ihn persönlich nach seinem Glaubensverständnis für die Wahrung seiner religiösen Identität unverzichtbar ist. Es kommt dabei auf die Bedeutung der religiösen Praxis des einzelnen Gläubigen an, auch wenn die Befolgung einer solchen religiösen Praxis nicht von zentraler Bedeutung für die betreffende Glaubensgemeinschaft ist.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 20.2.2013 – 10 C 23.12 –, BVerwGE 146, 67 = juris Rn. 28, und Beschluss vom 25.8.2015 – 1 B 40.15 –, NVwZ 2015, 1678 = juris Rn. 11 m. w. N.; OVG NRW, Urteil vom 7.11.2012 -13 A 1999/07.A –, NVwZ-RR 2013, 575 = juris Rn. 31, 35 unter Bezugnahme auf EuGH, Urteil vom 5.9.2012 – C-71/11 und C-99/11 –, NVwZ 2012, 1612 = juris Rn. 67 ff.
79
Beide Prüfungsschritte unterliegen der eigenständigen tatrichterlichen Würdigung der Gerichte (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Auch bei der Prüfung der inneren Tatsache, ob der Schutzsuchende die unterdrückte religiöse Betätigung seines Glaubens für sich selbst als verpflichtend zur Wahrung seiner religiösen Identität empfindet, sind die Gerichte nicht auf eine Plausibilitätsprüfung der hinreichend substantiiert dargelegten Umstände beschränkt, sondern haben das Regelbeweismaß der vollen Überzeugung des Gerichts (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) zugrunde zu legen.
Vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 3.4.2020 – 2 BvR 1838/15 –, NVwZ 2020, 950 = juris Rn. 34; BVerwG, Beschluss vom 25.8.2015 – 1 B 40.15 –, NVwZ 2015, 1678 = juris Rn. 13 m. w. N.
80
Eine Bindung an die Beurteilung des zuständigen Amtsträgers einer christlichen Kirche, der Taufe des betroffenen Asylbewerbers liege eine ernsthafte und nachhaltige Glaubensentscheidung zugrunde, besteht dabei nicht.
Vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 3.4.2020 – 2 BvR 1838/15 –, NVwZ 2020, 950 = juris Rn. 29 f., 34; BVerwG, Beschluss vom 25.8.2015 – 1 B 40.15 –, NVwZ 2015, 1678 = juris Rn. 11; Sächs. OVG, Urteil vom 24.5.2022 – 2 A 577/19.A –, juris Rn. 33 m. w. N.
81
Bei der gebotenen Überprüfung der religiösen Identität als innerer Tatsache kann nur im Wege des Rückschlusses von äußeren Anhaltspunkten auf die innere Einstellung des Betroffenen geschlossen werden. Erforderlich ist letztlich eine Gesamtwürdigung der religiösen Persönlichkeit des Betroffenen anhand einer Vielzahl von möglichen Gesichtspunkten, wie etwa die religiöse Vorprägung des Betroffenen und seiner Familie, eine Glaubensbetätigung bereits im Herkunftsland, der äußere Anstoß für den Konversionsprozess sowie dessen Dauer oder Intensität, die inneren Beweggründe für die Abwendung vom bisherigen Glauben, die Vorbereitung auf die Konversion und deren Vollzug, die Information und Reaktion des familiären und sozialen Umfeldes, das Wissen über die neue Religion und die Konversionskirche, die Bedeutung und Auswirkungen des neuen Glaubens für beziehungsweise auf das eigene Leben sowie Art und Umfang der Betätigung des neuen Glaubens wie zum Beispiel die Teilnahme an Gottesdiensten, an Gebeten und am kirchlichen Leben.
Vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 3.4.2020 – 2 BvR 1838/15 –, NVwZ 2020, 950 = juris Rn. 33, 35; Berlit/Dörig/Storey, Glaubhaftigkeitsprüfung bei Asylklagen aufgrund religiöser Konversion oder Homosexualität: Ein Ansatz von Praktikern (Teil 1), ZAR 2016, S. 281 (284 ff.).
82
(2) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Kläger keinen aus § 3 Abs. 1 AsylG folgenden Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft infolge seiner Konversion zum Christentum.
83
(a) Der Senat hält nach Auswertung der aktuellen Erkenntnislage an seiner Einschätzung fest, wonach zum Christentum konvertierte (ehemalige) Muslime im Iran (nur) dann mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit schutzrelevante Konsequenzen zu befürchten haben, wenn sie ihren Glauben aktiv und nach außen erkennbar ausleben. Im Gegensatz dazu sind bei unerkannt bleibender Konversion zum Christentum und bei anonymem bzw. jedenfalls unauffälligem und insbesondere nicht mit Missionierung verbundenem Ausleben der Religion schutzrelevante Konsequenzen nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen. Insbesondere der bloß formale Glaubenswechsel im Wege der Taufe begründet für sich genommen keine beachtliche Gefahr von Verfolgungshandlungen.
Vgl. zur bisherigen Beurteilung Senatsurteile vom 7.6.2021 – 6 A 2115/19.A –, juris Rn. 72 ff., vom 21.6.2021 – 6 A 2114/19.A –, juris, vom 6.9.2021 – 6 A 139/19.A –, juris Rn. 60 ff., vom 22.4.2024m – 6 A 242/21.A –, juris Rn. 93 ff., und vom 3.6.2024 – 6 A 3287/21.A –, juris Rn. 78 ff.; ferner Nds. OVG, Urteil vom 26.1.2024 – 8 LB 88/22 –, Asylmagazin 2024, 184 = juris Rn. 55 und Bay. VGH, Urteil vom 6.8.2024 – 14 B 23.30024 –, juris Rn. 81 ff., jeweils m. w. N.
84
Diese Einschätzung der derzeitigen Situation im Iran beruht auf den folgenden Erkenntnissen:
85
Die iranische Verfassung ist rechtlicher Ausgangspunkt der Rahmenbedingungen für die Ausübung von und den Umgang mit Religion im Iran. Danach ist der Islam schiitischer Prägung offizielle Staatsreligion. Die Verfassung schreibt vor, dass alle Gesetze und Vorschriften auf „islamischen Kriterien“ und einer offiziellen Auslegung der Scharia beruhen müssen.
Vgl. Auswärtiges Amt (AA), Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, Stand 28.5.2025 vom 19.3.2025, S. 12; Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BfA), Länderinformation der Staatendokumentation Iran vom 17.7.2025, Abschnitt Religionsfreiheit, Allgemeiner Teil, S. 94.
86
Allerdings dürfen Angehörige der in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten „Buchreligionen“ Christentum, Judentum und Zoroastrismus ihren Glauben in ihren jeweiligen Gemeinden relativ frei ausüben, genießen in Fragen des Ehe- und Familienrechts verfassungsrechtliche Autonomie sowie gewisse rechtlich garantierte (politische) Minderheitenrechte, auch wenn sie in verschiedener Hinsicht faktisch und rechtlich diskriminiert werden. Als Christen in diesem Sinne anerkennt das iranische Regime jedoch nur Mitglieder der historisch im Iran ansässigen christlichen Kirchen, die vorwiegend ethnische Gruppierungen abbilden (die armenische, assyrische und chaldäische Kirche) sowie ausschließlich solche Staatsbürger, die schon vor der islamischen Revolution im Jahr 1979 nachweislich Christen waren.
Vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, Stand 28.5.2025 vom 19.3.2025, S. 14; BfA, Länderinformation der Staatendokumentation Iran vom 17.7.2025, Abschnitt Religionsfreiheit, Allgemeiner Teil sowie Unterabschnitt Christen (anerkannte Religionsgemeinschaften), S. 94, 99; Australian Government, Department of Foreign Affairs and Trade (DFAT), Country Information Report Iran, 24.7.2023, S. 18 und 20; Königreich der Niederlande, Ministerie van Buitenlandse Zaken, Algemeen ambtsbericht Iran, September 2023, S. 77 (maschinelle Übersetzung mittels deepl.com); Article 18, CSW, Open Doors, Middle East Concern: The Tip of the Iceberg – 2025 annual report vom 1.1.2025, S. 2.
87
Insbesondere zum Christentum konvertierte Muslime sind nicht in dieser (beschränkten) Weise anerkannt. Das iranische Regime, das seine Legitimität von der islamischen Revolution von 1979 ableitet, begreift die Konversion und das Bekenntnis zum Christentum durch (ehemalige) Muslime vielmehr als Akt des Protests, der Fundamentalopposition und des Bruchs mit der Islamischen Republik, die in Art. 2 der Verfassung als religiös-politisches Gebilde formuliert wird und als solches auf das aktive Glaubensbekenntnis der mehrheitlich muslimischen Bevölkerung als Schlüsselelement bei der fortgesetzten Verwirklichung der islamischen Revolution setzt und angewiesen ist.
Vgl. Bundesamt, Länderreport Iran: Konversion und Evangelikalismus aus der Sicht der staatlichen Verfolger, Stand: 5/2022, S. 12 ff.; BfA, Länderinformation der Staatendokumentation Iran vom 17.7.2025, Abschnitt Religionsfreiheit, Allgemeiner Teil und Unterabschnitt Christen (anerkannte Religionsgemeinschaften), S. 95, 99.
88
Die Konversion zum Christentum ist damit aus der Sicht der Machthaber automatisch ein politischer Akt; sie stellt sich als Bedrohung der nationalen Sicherheit des Staates dar und macht die Betreffenden zum – zu bekämpfenden – Regimegegner.
Vgl. Bundesamt, Länderreport Iran: Konversion und Evangelikalismus aus der Sicht der staatlichen Verfolger, Stand: 5/2022, S. 13; Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH), Iran: Gefährdung von Konvertierten, 23.11.2023, S. 7.
89
Zum Christentum konvertierte Muslime, die ihren Glauben ausleben, sind vor diesem Hintergrund im Iran in verschiedener Weise von Verfolgung bedroht.
90
Es ist bereits möglich und kommt vor, dass die Konversion zum Christentum strafrechtlich verfolgt wird. Zwar wird sie als solche durch das iranische Strafgesetzbuch nicht erfasst,
vgl. Bundesamt, Länderreport Iran: Konversion und Evangelikalismus aus der Sicht der staatlichen Verfolger, Stand: 5/2022, S. 48; Königreich der Niederlande, Ministerie van Buitenlandse Zaken, Algemeen ambtsbericht Iran, September 2023, S. 83 (maschinelle Übersetzung mittels deepl.com),
die Konversion kann allerdings zunächst den islamrechtlichen Tatbestand der Apostasie (Abfall vom Islam, persisch 'ertedad') erfüllen und insoweit eine Verurteilung durch staatliche Gerichte zur Folge haben. Dies basiert darauf, dass bei Angelegenheiten, welche nicht im kodifizierten Gesetz geregelt sind, nach Art. 167 der iranischen Verfassung islamisch-religiöses Recht Anwendung findet. Gemäß der insoweit maßgeblichen Meinung der Rechtsgelehrten im Iran kann Apostasie mit der Todesstrafe (Männer) bzw. einer lebenslangen Haftstrafe (Frauen) bestraft werden. Ein solches Vorgehen ist jedoch sehr selten. Die Todesstrafe wurde in einem Fall im Jahr 1990 vollzogen; es gibt Berichte, wonach im Mai 2023 zwei Männer wegen Blasphemie-Vorwürfen hingerichtet wurden.
Vgl. AA, Auskunft an das OVG Schl.-H. vom 14.6.2023, S. 10 Frage 26, und Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, Stand 19.3.2025 vom 28.5.2025, S. 13; European Union Agency for Asylum (EUAA), Iran – Country Focus, Juni 2024, S. 85 ff.; BfA, Länderinformation der Staatendokumentation Iran vom 17.7.2025, Abschnitt Religionsfreiheit, Unterabschnitt Apostasie und Konversion – Rechtliche Rahmenbedingungen, S. 101; Bundesamt, Länderreport Iran: Konversion und Evangelikalismus aus der Sicht der staatlichen Verfolger, Stand: 5/2022, S. 48 f.; Tellenbach, Grundzüge des iranischen Strafgesetzbuchs von 2013, in: Konrad-Adenauer-Stiftung, Iran Reader 2017, S. 79.
91
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe berichtet allerdings davon, dass im Januar 2023 ein Mann, der an einer Demonstration teilgenommen habe, bei der ein Koran verbrannt worden sei, aufgrund mehrerer Artikel des Strafgesetzbuchs, aber auch aufgrund von Apostasie zum Tode verurteilt worden sei.
SFH, Iran: Gefährdung von Konvertierten, 23.11.2023, S. 8 f. m. w. N. und S. 15.
92
In aller Regel erfolgt eine Strafverfolgung bei Konversion indessen unter Heranziehung anderer Straftatbestände. Häufig werden dabei Art. 498 (Gründung oder Leitung einer illegalen Organisation), Art. 499 (Mitgliedschaft in einer illegalen Organisation) und Art. 500 (Propaganda gegen die Islamische Republik) sowie Art. 513 (Beleidigung heiliger islamischer Werte) und Art. 610 IStGB (Versammlung und Verschwörung zur Unterminierung der Landessicherheit) zur Anwendung gebracht, wobei die Handhabung willkürlich und uneinheitlich ist.
Vgl. AA, Auskunft an das OVG Schl.-H. vom 14.6.2023, S. 10 Frage 26, und Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, Stand 19.3.2025 vom 28.5.2025, S. 13; Bundesamt, Länderreport Iran: Konversion und Evangelikalismus aus der Sicht der staatlichen Verfolger, Stand: 5/2022, S. 50 f.; BfA, Länderinformation der Staatendokumentation Iran vom 17.7.2025, Abschnitt Religionsfreiheit, Unterabschnitt Apostasie und Konversion – Rechtliche Rahmenbedingungen, S. 101 f.; SFH, Iran: Gefährdung von Konvertierten, 23.11.2023, S. 9 f. m. w. N.; Landinfo, Verhaftung und Strafverfolgung von christlichen Konvertiten – ein Update, 20.6.2022, S. 21 f.
93
Im Zuge einer Novelle dieser Vorschriften im Jahr 2021 wurden die Tatbestände der Art. 499 und 500 des IStGB verschärft. Dabei zielt die Ergänzung des Art. 500 des IStGB um den Begriff „Sekte“ als staatsschädigende Gruppe insbesondere auf die als schädlich für die nationale Sicherheit angesehenen christlichen Hauskirchen.
Vgl. Bundesamt, Länderreport Iran: Konversion und Evangelikalismus aus der Sicht der staatlichen Verfolger, Stand: 5/2022, S. 51 f.; Landinfo, Verhaftung und Strafverfolgung von christlichen Konvertiten – ein Update, 20.6.2022, S. 10 f.; SFH, Iran: Gefährdung von Konvertierten, 23.11.2023, S. 12 m. w. N.
94
Der Umstand, dass die 28. Zweigstelle des Obersten Gerichtshofs des Iran in einem am 24.11.2021 veröffentlichten Richterspruch zu dem Ergebnis gekommen ist, die Ausübung christlicher Mission in und die Gründung von Hauskirchen erfüllten die Straftatbestände der Art. 498, 499 des IStGB nicht
- vgl. Article 18, Iran's Supreme Court rules converts did not act against national security, 25.11.2021, S. 2; Bundesamt, Länderreport Iran: Konversion und Evangelikalismus aus der Sicht der staatlichen Verfolger, Stand: 5/2022, S. 57 f. –, ändert die Bewertung nicht maßgeblich. Dieser Entscheidung kommt mangels Bindungswirkung für die erstinstanzlichen Gerichte keine Präzedenzwirkung zu und sie hat nicht zur Beendigung der Verhaftung konvertierter Christen im Zusammenhang mit Hauskirchen geführt. Christen, insbesondere Evangelikale und andere Konvertiten aus dem Islam, sind nach Erkenntnissen des BfA vielmehr weiterhin unverhältnismäßig vielen Verhaftungen und Inhaftierungen ausgesetzt.
Vgl. BfA, Länderinformation der Staatendokumentation Iran vom 17.7.2025, Abschnitt Religionsfreiheit, Unterabschnitt Apostasie und Konversion – Rechtliche Rahmenbedingungen – und – Behandlung von Konvertiten, S. 102 f.; ferner United States Commission on International Religious Freedom (USCIRF), Annual Report 2023, S. 27.
95
Unabhängig von strafrechtlichen Sanktionen kann die Konversion zu Überwachung, Verhaftung oder anderweitiger Schikanierung führen, wenn der Übertritt zum christlichen Glauben nach außen erkennbar wird. Dies gilt insbesondere für die Missionierung, die Unterweisung von Personen im Glauben und die Verbreitung von Informationen über das Christentum. Auch in Hauskirchen – insbesondere solchen, die missionieren oder nach neuen Mitgliedern suchen – werden weiterhin Razzien durchgeführt, die mit willkürlichen Verhaftungen verbunden sein können.
Vgl. Article 18, At least 10 still detained as numbers of arrests and affected cities rise, 10.8.2023; BfA, Länderinformation der Staatendokumentation Iran vom 17.7.2025, Abschnitt Religionsfreiheit, Unterabschnitt Apostasie und Konversion – Behandlung von Konvertiten – Hauskirchen, S. 99 f., 104 f.; USCIRF, Annual Report 2023, S. 26.
96
Die iranischen Sicherheitsdienste identifizieren Hauskirchen durch die Überwachung von christlichen Satelliten-TV-Kanälen, sozialen Medien, beschlagnahmte Telefone und Hinweise von Nachbarn. Nach der Entdeckung werden diese Kirchen meist weiter beobachtet und die Bewegungen der Mitglieder sowie ihre Online-Aktivitäten analysiert. Auch wenn bei kleineren Hauskirchen mit maximal zehn Mitgliedern die Überwachung erschwert ist, gehen Experten davon aus, dass die Sicherheitsdienste über viele Hauskirchen informiert sind, aber nicht die Ressourcen haben, um gegen alle vorzugehen.
Landinfo: Iran – Myndighetsreaksjoner mot kristne konvertitter vom 20.10.2023, S. 8 (maschinelle Übersetzung mittels deepl.com).
97
Dabei hängt es maßgeblich von der Rolle des Einzelnen innerhalb der Hauskirche ab, ob er mit Strafverfolgung oder sonstigen Sanktionen zu rechnen hat. Die Behörden gehen hauptsächlich gegen Pastoren und Konvertiten vor, die Hauskirchen leiten, organisieren oder dort als Gastgeber fungieren, während das Risiko für nicht in solche Aktivitäten involvierte Gemeindemitglieder geringer ausfällt, wenngleich Repressionen auch gegen diese nicht ausgeschlossen sind.
Vgl. DFAT, Country Information Report Iran, 24.7.2023, S. 20 f.; BfA, Länderinformation der Staatendokumentation Iran vom 17.7.2025, Abschnitt Religionsfreiheit, Unterabschnitt Apostasie und Konversion – Behandlung von Konvertiten – Hauskirchen, S. 104 f.; Bundesamt, Länderreport Iran: Konversion und Evangelikalismus aus der Sicht der staatlichen Verfolger, Stand: 5/2022, S. 42 f.; Königreich der Niederlande, Ministerie van Buitenlandse Zaken, Algemeen ambtsbericht Iran, September 2023, S. 82 f. (maschinelle Übersetzung mittels deepl.com); Landinfo, Verhaftung und Strafverfolgung von christlichen Konvertiten – ein Update, 20.6.2022, S. 32 f., 34, sowie Iran – Myndighetsreaksjoner mot kristne konvertitter vom 20.10.2023, S. 17 (maschinelle Übersetzung mittels deepl.com).; SFH, Iran: Gefährdung von Konvertierten, 23.11.2023, S. 18 m. w. N.
98
Im gemeinsamen Jahresbericht für das Jahr 2024 der Nichtregierungsorganisationen Article 18, Open Doors, Middle Eastern Concern sowie Christian Solidarity Worldwide heißt es, dass Konvertiten weiterhin im Fokus der iranischen Strafverfolgungsbehörden stünden. Im Jahr 2024 wurden danach mindestens 139 Christen aufgrund ihres Glaubens verhaftet. Ende des Jahres befanden sich noch mindestens 18 Christen im Gefängnis. Zudem wurden 96 Christen zu insgesamt 263 Jahren Haft, 37 Jahren interner Verbannung und Geldstrafen von fast 800.000 US-Dollar verurteilt. Neuerdings werden dem Jahresbericht zufolge finanzielle Transaktionen von Christen und ihren Anwälten durch die Islamischen Revolutionsgarden (IRGC) verstärkt überwacht. Viele Christen sollen aufgrund angeblicher finanzieller Unterstützung aus dem Ausland unter dem geänderten Art. 500 IStGB zu hohen Haftstrafen verurteilt worden sein. Neben harten Strafen kam es auch vermehrt zu Konfiszierungen von Eigentum.
99
Article 18, CSW, Open Doors, Middle East Concern: The Tip of the Iceberg – 2025 annual report vom 1.1.2025, S. 3, mit eingehender Darstellung von Einzelfällen im Jahr 2025 ab S. 5.; zu weiteren Einzelfällen etwa EUAA: Situation of returnees from Western countries who converted from Islam to Christianity, including those who have a family with a Christian spouse and children; treatment by the state, vom 9.8.2024, S. 4 f.
100
In Reaktion auf die israelischen Luftangriffe ab dem 13.6.2025 hat Iran seine inneren Sicherheitsmaßnahmen verschärft und Massenverhaftungen, Hinrichtungen und Militäreinsätze durchgeführt, insbesondere in der unruhigen mehrheitlich sunnitischen Kurdenregion. Ende Juni 2025 wurde berichtet, dass die iranischen Behörden gegen Hunderte von Personen vorgehen, die verdächtigt werden, Spione oder Agenten zu sein. Es wird auch davon berichtet, dass ethnische und religiöse Minderheiten überproportional vom Durchgreifen der Sicherheitsbehörden seit Beginn der israelischen Luftangriffe betroffen sind, wobei namentlich Verhaftungen von Baha'i und einiger führender Mitglieder der jüdischen Gemeinde in Iran erfolgt sind.
BfA, Länderinformation der Staatendokumentation Iran vom 17.7.2025, Abschnitt Religionsfreiheit, Allgemeiner Teil, S. 95.
101
Der Senat hält jedoch in Auswertung der aktuellen Erkenntnislage weiterhin an seiner Rechtsprechung fest, nach der die geschilderten negativen Konsequenzen nur beachtlich wahrscheinlich sind, wenn zum Christentum konvertierte (ehemalige) Muslime ihren Glauben aktiv und nach außen erkennbar ausleben. Dem Regime geht es vordringlich darum, die (weitere) Ausbreitung religiöser Alternativen zum (schiitischen) Islam zu verhindern. Denn durch diese droht die Islamische Republik langfristig ihre in der Verfassung postulierte und über das religiöse Bekenntnis garantierte gesellschaftliche Verankerung zu verlieren, was ihre Existenz, die Legitimität des Regimes und damit – aus dessen Sicht – die nationale Sicherheit bedroht.
Vgl. BfA, Länderinformation der Staatendokumentation Iran vom 17.7.2025, Abschnitt Religionsfreiheit, Unterabschnitt Apostasie und Konversion – Behandlung von Konvertiten, S. 102 ff.; Bundesamt, Länderreport Iran: Konversion und Evangelikalismus aus der Sicht der staatlichen Verfolger, Stand: 5/2022, S. 13; SFH, Iran: Gefährdung von Konvertierten, 23.11.2023, S. 7, 19 und 27.
102
Insofern wird das Verfolgungsinteresse des Regimes bei einer nach außen erkennbaren Abwendung vom (schiitischen) Islam etwa durch Missionierung, Gemeindeleitung und Gottesdienstbesuch angesprochen
- vgl. etwa BfA, Länderinformation der Staatendokumentation Iran vom 17.7.2025, Abschnitt Religionsfreiheit, Unterabschnitt Apostasie und Konversion – Behandlung von Konvertiten – Hauskirchen, S. 105 f.; Landinfo, Verhaftung und Strafverfolgung von christlichen Konvertiten – ein Update, 20.6.2022, S. 21 f.; SFH, Iran: Gefährdung von Konvertierten, 23.11.2023, S. 7 und 27; ebenso Nds. OVG, Urteil vom 26.1.2024 – 8 LB 88/22 –, Asylmagazin 2024, 184 = juris Rn. 57 f. – und fürchtet und verfolgt das Regime besonders Religionen wie das evangelikale Christentum, welches die aktive Ausübung des christlichen Glaubens z. B. im Rahmen von Hauskirchen und missionarischen Aktivitäten einfordert.
Vgl. Bundesamt, Länderreport Iran: Konversion und Evangelikalismus aus der Sicht der staatlichen Verfolger, Stand: 5/2022, S. 13 und 36 f.; SFH, Iran: Gefährdung von Konvertierten, 23.11.2023, S. 19.
103
Die Rückkehr von Konvertiten nach Iran führt nach Einschätzung des BfA nicht zwingend zu einer Festnahme oder Inhaftierung. Wenn ein Konvertit den Behörden auch zuvor nicht bekannt war, dann wird eine Rückkehr als weitgehend problemlos eingeschätzt. Auch konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, seien für die Behörden nicht von Interesse. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt gewesen sei, oder seine Konversion öffentlich gemacht habe, könne er sich womöglich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit etwa freimütig über seine Konversion in sozialen Medien berichte, bestehe die Möglichkeit, dass die Behörden auf ihn aufmerksam würden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Für die weitere Entwicklung wird als maßgeblich angesehen, was der Konvertit den Behörden erzähle; entscheidend seien dann die vom iranischen Regime befürchteten nach außen hin gerichteten möglichen Aktivitäten des Konvertiten. Es könne auch zu Problemen führen, wenn jemand in sozialen Medien von Vorteilen des Christentums im Vergleich zum Islam spreche. Die Bekanntgabe der Konversion in sozialen Medien und das Einstellen entsprechender Fotografien führe für sich betrachtet aber zumeist nicht zu verfolgungsrelevanten Handlungen, könne indes Anlass für eine Beobachtung bzw. Auswertung der Aktivitäten sein. Wenn die jeweilige Person vor Verlassen des Iran keine Verbindungen zum Christentum gehabt hätte, bestehe aller Wahrscheinlichkeit nach keine Verfolgungsgefahr.
104
BfA, Länderinformation der Staatendokumentation Iran vom 17.7.2025, Abschnitt Religionsfreiheit, Unterabschnitt Apostasie und Konversion – Behandlung von Konvertiten – Behandlung von Konvertiten nach der Rückkehr, S. 106.
105
Schließlich gibt es – wie nach dem soeben Ausgeführten zu erwarten – nach wie vor keine hinreichenden Erkenntnisse dafür, dass bereits der bloß formale Glaubenswechsel im Wege der Taufe für sich genommen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgungsgefahr begründet.
106
Ebenso Bay. VGH, Urteil vom 6.8.2024 – 14 B 23.30024 –, juris Rn. 81, 95 f.; Nds. OVG, Urteil vom 26.1.2024 – 8 LB 88/22 –, Asylmagazin 2024, 184 = juris Rn. 60; OVG Schl.-H., Urteil vom 12.12.2023 – 2 LB 9/22 –, juris Rn. 75 ff.
107
Teilweise wird allerdings – freilich ohne weitere Erläuterung – eine dokumentierte Taufe als verboten, für die Behörden alarmierend und problematisch angesehen,
vgl. – referierend – BfA, Länderinformation der Staatendokumentation Iran vom 17.7.2025, Abschnitt Religionsfreiheit, Unterabschnitt Apostasie und Konversion – Behandlung von Konvertiten – Taufe –, S. 106 unter Wiedergabe der Berichte von Open Doors,
von anderen Quellen wird sie hingegen als bedeutungslos eingeschätzt,
vgl. – auch insoweit referierend – BfA, Länderinformation der Staatendokumentation Iran vom 17.7.2025, S. 106 unter Hinweis auf Amnesty International.
108
Geht man vor dem Hintergrund der oben umfassend dargestellten Erkenntnislage hinsichtlich der Gefährdung christlicher Konvertiten generell davon aus, dass eine Verfolgungsgefahr nur besteht, wenn der jeweilige Konvertit nach außen erkennbar als Christ lebt und seine Abwendung vom Islam durch Aktivitäten wie Missionierung, Gemeindeleitung und/oder Gottesdienstbesuch zeigt, können keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Gefährdung lediglich in Anknüpfung an die formale Taufe bestehen, wenn keine weiteren gefahrerhöhenden Umstände hinzutreten.
109
Etwas Anderes folgt auch nicht aus Berichten, wonach die Christin Laleh Saati nach ihrer Taufe im Ausland mit Gefängnis bestraft wurde. Danach war sie am 13.2.2024 im Haus ihres Vaters festgenommen und ins Evin-Gefängnis in Teheran gebracht worden, wo sie drei Wochen lang verhört worden sein soll. Saati hatte während eines Aufenthaltes in Malaysia dem Islam den Rücken gekehrt und sich taufen lassen. Seit 2017 lebt sie wieder im Iran. Am 25.3.2024 soll die Konvertitin von der 26. Abteilung des Revolutionsgerichts in Teheran zu einer zweijährigen Gefängnisstrafe offiziell wegen Gefährdung der nationalen Sicherheit und Verbindungen zu einer „zionistisch-christlichen Organisation“ verurteilt worden sein. Zudem habe sie ein Ausreiseverbot für zwei Jahre nach Haftentlassung enthalten.
Idea, Iran: Frau nach Taufe im Ausland mit Gefängnis bestraft, vom 1.2.2025; Article 18, CSW, Open Doors, Middle East Concern: The Tip of the Iceberg – 2025 annual report vom 1.1.2025, S. 7.
110
Aus den Berichten geht – ebenso wenig wie aus vergleichbaren Berichten zu Einzelfällen – indes nicht hervor, dass die Verurteilung allein angesichts eines formalen Glaubenswechsels erfolgte.
111
Nach alledem ist an der Rechtsprechung des Senats und anderer Gerichte festzuhalten, wonach zum Christentum konvertierten ehemaligen Muslimen bei einer Rückkehr in den Iran (allein) im Falle eines ernst gemeinten, der inneren Überzeugung folgenden Glaubenswechsels eine rechtserhebliche Verfolgung droht. Denn nur in diesem Fall ist davon auszugehen, dass sie auch nach einer Rückkehr in den Iran entsprechend ihren Glaubensvorstellungen leben und sich dadurch – nach den Umständen des Einzelfalls – einer Verfolgung durch staatliche oder dem Staat zurechenbare Akteure aussetzen, respektive unter dem Druck der Verfolgungsgefahr auf die Glaubensbetätigung im Herkunftsland erzwungenermaßen verzichten.
Vgl. etwa EGMR, Urteil vom 19.12.2017 – Bsw. 60342/16 –, NLMR 6/2017-EGMR, S. 1; OVG NRW, Urteile vom 7.6.2021 – 6 A 2115/19.A –, juris Rn. 84 f., vom 22.4.2024 – 6 A 242/21.A –, juris Rn. 93 ff., und vom 3.6.2024 – 6 A 3287/21.A –, juris Rn. 78 ff.; Bay. VGH, Urteil vom 6.8.2024 – 14 B 23.30024 –, juris Rn. 81 ff.; Nds. OVG, Urteil vom 26.1.2024 – 8 LB 88/22 –, Asylmagazin 2024, 184 = juris Rn. 55 ff.; Sächs. OVG, Urteil vom 24.5.2022 – 2 A 577/19.A –, juris Rn. 45; OVG S.-A., Urteil vom 14.7.2022 – 3 L 9/20 –, juris Rn. 39; OVG Schl.-H., Urteil vom 12.12.2023 – 2 LB 9/22 –, juris Rn. 84 ff., jeweils m. w. N.“ OVG NW, U.v. 23.7.2025 – 6 A 2473/21.A – juris Rn. 76 ff.
112
Hinsichtlich des bisherigen Vorbringens der Antragstellerin zur Konversion ist von rein asyltaktischen Erwägungen auszugehen. Der Einzelrichter verweist insoweit auf seinen Einstellungsbeschluss vom 10.07.2025, der im Bescheid ausschnittsweise zitiert wird. Dass die Antragstellerin identitätsgeprägte Christin wäre, wurde für den erkennenden Einzelrichter weder in der mündlichen Verhandlung vom …05.2025 hinsichtlich des vorangegangenen Gerichtsverfahrens (behördlicherseits aufgehobene Unzulässigkeitsentscheidung) ersichtlich, noch wurde es durch späteres Vorbringen hinreichend substantiiert dargelegt. Die Antragstellerin erwähnt lediglich, dass sie die Kirche in … besuche. Näheres bleibt vollkommen im Dunkeln.
113
bb. Auch das von der Antragstellerin geschilderte Vorfluchtgeschehen vermag der Antragstellerin nicht zum Erfolg gereichen, da es, wie der erkennende Einzelrichter bereits im Rahmen seines Einstellungsbeschlusses vom 10.07.2025 dargelegt hat, aufgrund erheblicher Widersprüchlichkeiten unglaubhaft ist. Der Einzelrichter verweist im Übrigen gem. § 77 Abs. 3 AsylG auf die Bescheidsbegründung, der er sich vollumfänglich anschließt und die die Unglaubhaftigkeit der Aussagen hinreichend darlegt. Auch insoweit kann deshalb offenbleiben, ob das Bundesamt dieses Vorbringen umfassend in der Sache hätte prüfen müssen.
114
cc. Auch das neuerliche Vorbringen der Antragstellerin, das zu einer behördlichen Aufhebung der Unzulässigkeitsentscheidung geführt hat, führt nicht einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu einer Verfolgung der Antragstellerin im Iran. Im Einzelnen:
115
aaa. Der Einzelrichter schließt sich zunächst insoweit den überzeugenden Ausführungen im Bescheid an, als dort die Zugehörigkeit der Antragstellerin zu einer sozialen Gruppe im Sinne des § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG sowohl unter dem Anknüpfungspunkt des Frauseins als solches als auch der differenzierenden Merkmale der Frau – solchen, die eine außereheliche Beziehung führen, ein außereheliches Kind zur Welt bringen, die Ehebruch begehen oder „verwestlichten Frauen“ – geprüft und das Vorliegen der Voraussetzungen verneint wird (§ 77 Abs. 3 AsylG).
116
Der Einzelrichter schließt sich der Einschätzung des Bundesamts an, dass der Antragstellerin nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit allein deshalb eine Verfolgung im Iran droht, weil sie zusammen mit dem Kindsvater, der nicht ihr (Zeit-)Ehemann ist, ihren Sohn … in Deutschland gezeugt hat. Es kann dabei offenbleiben, ob – wie das Bundesamt annimmt – das Verhalten der Antragstellerin „lediglich“ als sog. „Weiße Ehe“ (außerehelicher Geschlechtsverkehr) angesehen würde. Das Bundesamt geht entsprechend der Aussagen der Antragstellerin davon aus, dass sie formal geschieden und ansonsten nur religiös auf Zeit verheiratet ist (S. 19 des Bescheids; zweifelhaft s. UK Home Office, Country Policy and Information Note, Iran: ‘Zina’ (sex outside of marriage and adultery), Version 4.0, Stand: Juli 2022, Ziffer 6.2.1, wonach es auf die religiöse Ehe ankomme).
117
Grundsätzlich ist nach islamischen Recht jeder Geschlechtsverkehr zwischen Personen strafbar, die nicht miteinander verheiratet sind (Art. 221 iranisches StGB). Für Personen, die einen Ehebruch begehen, ist grundsätzlich die Steinigungsstrafe zu verhängen, wenn sie in dauernder Ehe verheiratet sind (Art. 225 i.V.m. 226 iranisches StGB). Beides fällt unter den Begriff des „Zina“ (UK Home Office, Country Policy and Information Note, Iran: ‘Zina’ (sex outside of marriage and adultery), Version 4.0, Stand: Juli 2022, Ziffer 3.2.4).
118
Es liegen Erkenntnisse vor, dass seitens des iranischen Staats kein Verfolgungsinteresse besteht, wenn derartige Handlungen im Ausland vorgenommen wurden. Nach der Aussage des iranischen Außenministeriums werden derartige Handlungen, die im Ausland begangen worden sind, nicht durch die iranische Justiz verfolgt: „Sexual congress that is illegal under Iranian law, but was committed abroad cannot be prosecuted in an Iranian court.“ (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 25. Januar 2021, GZ 508-516.80/55036 m.w.N.; VG Düsseldorf, U.v. 25.2.2021 – 5 K 2006/19.A – juris Rn. 17). Dies deckt sich mit der Regelung des territorialen Anwendungsbereichs des iranischen Strafgesetzbuches (Art. 3 iranisches Strafgesetzbuch; s. UK Home Office, Country Policy and Information Note, Iran: ‘Zina’ (sex outside of marriage and adultery), Version 4.0, Stand: Juli 2022, Ziffer 3.1.3). Das betrifft nicht nur den außerehelichen Geschlechtsverkehr, sondern auch den Ehebruchtatbestand. Nach Maßgabe dessen ist eine strafrechtliche Verfolgung der Antragstellerin wegen außerehelichen bzw. unehelichen Geschlechtsverkehrs mit dem Vater des Kindes in Deutschland bei einer Rückkehr in den Iran nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten.
119
Daneben kommt eine Anwendung des Ehebruchtatbestands nach Art. 225, 226 des iranischen StGB auf die Antragstellerin tatbestandlich bereits nicht in Betracht. Voraussetzung wäre nämlich, dass die Antragstellerin in einer dauernden Ehe verheiratet ist (Art. 225 i.V.m. 226 iranisches StGB; vgl. VG Frankfurt, U.v. 3.9.2020 – 3 K 1414/19.F.A – juris Rn. 25; UK Home Office, Country Policy and Information Note, Iran: ‘Zina’ (sex outside of marriage and adultery), Version 4.0, Stand: Juli 2022, Ziffer 3.2.4). Vorliegend ist die Antragstellerin jedoch nur auf Zeit mit ihrem getrenntlebenden Ehemann verheiratet und nicht auf Dauer (sog. Mutʿa- bzw. Sigheh-Ehe).
120
Unabhängig davon ist nach den vorliegenden Erkenntnissen festzustellen, dass Fälle von Ehebruch, die im Iran durchaus weit verbreitet sind, aufgrund der hohen Beweisanforderungen selten vor Gericht kommen (UK Home Office, Country Policy and Information Note, Iran: ‘Zina’ (sex outside of marriage and adultery), Version 4.0, Stand: Juli 2022, Ziffer 2.4.3, 4.1.4 m.w.N.). Die im Bescheid auf S. 19 (m.w.N.) genannten Beweisanforderungen entsprechen der Erkenntnismittellage (vgl. UK Home Office, Country Policy and Information Note, Iran: ‘Zina’ (sex outside of marriage and adultery,) Version 4.0, Stand: Juli 2022, Ziffer 3.2.8, 4.1.5; VG Aachen, U.v. 8.7.2025 – 10 K 1784/22.A – juris Rn. 71 f. m.w.N.). Es ist unwahrscheinlich, dass dieser Beweis im Fall der Antragstellerin erbracht werden könnte. Soweit der Beweis durch Geständnis zu führen ist, ist es der Antragstellerin zumutbar, ein solches nicht abzugeben (VG Frankfurt, U.v. 3.9.2020 – 3 K 1414/19.F.A – juris Rn. 25). Auch soweit im Einzelfall von diesen strengen Anforderungen abgewichen werden könnte („Wissen des Richters“, vgl. UK Home Office, Country Policy and Information Note, Iran: ‘Zina’ (sex outside of marriage and adultery), Version 4.0, Stand: Juli 2022, Ziffer 3.2.9), begründet dies keine beachtliche Wahrscheinlichkeit der Verfolgung. Der Richter muss nämlich nach Art. 211 iranisches Strafgesetzbuch im Urteil darlegen, worauf dieses Wissen beruht (vgl. VG Frankfurt, U.v. 3.9.2020 – 3 K 1414/19.F.A – juris Rn. 25). Es bedarf daher auch hier entsprechender Beweismittel (UK Home Office, Country Policy and Information Note, Iran: ‘Zina’ (sex outside of marriage and adultery), Version 4.0, Stand: Juli 2022, Ziffer 3.2.9; VG Frankfurt, U.v. 3.9.2020 – 3 K 1414/19.F.A – juris Rn. 25). Dass es derartige Beweismittel gibt, ist nicht ersichtlich.
121
Im Übrigen sind die Straftatbestände des außereheblichen Geschlechtsverkehrs bzw. Ehebruchs nicht an das Geschlecht angeknüpft, sodass eine Anknüpfung an asylrechtlich relevante Merkmale ohnehin nicht gegeben wäre (vgl. VG Aachen, U.v. 8.7.2025 – 10 K 1784/22.A – juris Rn. 65 m.w.N.).
122
bbb. Wie das Bundesamt zurecht annimmt, besteht keine beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass ihr bei einer Rückkehr in den Iran ihr Sohn weggenommen wird. Dies stützt der Einzelrichter auf die folgenden Erwägungen:
123
Nach den dem Gericht zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln steht der Mutter die tatsächliche Personensorge zunächst auch für nichtehelicher Kinder bis zum siebten Lebensjahr zu (UK Home Office, Country Policy and Information Note, Iran: ‘Zina’ (sex outside of marriage and adultery), Version 4.0, Stand: Juli 2022, Ziffer 6.3.6; Rahbari, Marriage, Parentage and Child Registration in Iran: Legal Status of Childres of Unmarried Parents), Social Sciences 11: 120, 2022, S. 5). Insoweit wird rechtlich nicht zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern unterschieden (Rahbari, Marriage, Parentage and Child Registration in Iran: Legal Status of Childres of Unmarried Parents, Social Sciences 11: 120, 2022, S. 5). Aus den Erkenntnismitteln ergibt sich, dass den Kindsvater bestimmte Pflichten treffen, etwa Unterhaltspflichten (Yassari, in: Henrich/Dutta/Ebert/Bergmann, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Bericht zum Land Iran, Stand: 01.05.2023, S. 89; Yassari, in: Yassari/Möller/Najm, Filiation and the Protection of Parentless Children – Towards a Social Definition of the Family in Muslim Jurisdictions, 2019, S. 67, 81; vgl. Rahbari, Marriage, Parentage and Child Registration in Iran: Legal Status of Childres of Unmarried Parents, Social Sciences 11: 120, 2022, S. 5). Angesichts dessen ist für den Einzelrichter nicht beachtlich wahrscheinlich, dass der Kindsvater oder dessen Familie unter rechtlichen Gesichtspunkten den Sohn der Antragstellerin wegnehmen dürften.
124
Daneben befindet sich der Kindsvater u.a. wegen versuchten Mordes an seinem Sohn derzeit in Strafhaft. Er ist mit rechtskräftigen Urteil des Landgerichts … vom 05.02.2025 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Jahren und 9 Monaten verurteilt worden. Er selbst kann bereits während der Zeit seines Gefängnisaufenthalts daher auch faktisch die tatsächliche Personensorge nicht übernehmen. Ob er angesichts der Feststellungen im strafgerichtlichen Urteil (Bl. 142 ff. der Gerichtsakte B 8 K 23.30560) hinsichtlich der zulasten seines Sohnes begangenen Gewalthandlungen ein ernsthaftes Interesse am Kind hat, ist zudem mindestens zweifelhaft (vgl. VG Hamburg, U.v. 7.7.2021 – 10 A 2109/19 – juris Rn. 47).
125
Auch wenn der Kindsvater oder seine Familie ein Interesse an dem Kind zeigen sollten, kann sowohl die Vermögenssorge wie auch die tatsächliche Personensorge entzogen werden, was bei einem versuchten Mord an dem Kind der Antragstellerin durchaus naheliegt (vgl. Yassari, in: Henrich/Dutta/Ebert/Bergmann, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Bericht zum Land Iran, Stand: 01.05.2023, S. 92 ff.). Hierauf wäre die Antragstellerin zumutbarerweise zu verwiesen.
126
ccc. Daneben ist auch der Umstand des mehrjährigen Auslandsaufenthalts oder der Asylantragstellung nicht hinreichend für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Das OVG Münster führt hierzu aus, was sich der Einzelrichter zu eigen macht:
„Es ist auch nicht anzunehmen, dass dem Kläger bereits wegen seines mehrjährigen Auslandsaufenthalts oder seiner Asylantragstellung in Deutschland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit im Rückkehrfall Verfolgung droht. Allein der Umstand, dass sich eine Person in Deutschland (länger) aufgehalten und ggf. einen Asylantrag gestellt hat, löst bei Rückkehr in den Iran nach wie vor nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit staatliche Repressionen aus.
Vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, Stand 19.3.2025 vom 28.5.2025, S. 27; AA, Auskunft an das OVG Schl.-H. vom 14.6.2023, S. 3 Fragen 6 und 7 sowie 9 bis 11; BfA, Länderinformation der Staatendokumentation Iran vom 17.7.2025, Abschnitt Rückkehr, S. 176 ff.; DFAT, Country Information Report Iran vom 24.7.2023, S. 39 f.; ebenso aus der Rspr.: Bay. VGH, Urteil vom 6.8.2024 – 14 B 23.30024 –, juris Rn. 141 ff.; Nds. OVG, Urteil vom 26.1.2024 – 8 LB 88/22 –, Asylmagazin 2024, 184 = juris Rn. 79; OVG Schl.-H., Urteil vom 12.12.2023 – 2 LB 9/22 –, juris Rn. 60 ff.
127
Im Allgemeinen schenken die Behörden abgelehnten Asylsuchenden im Falle ihrer Rückkehr in den Iran wenig Aufmerksamkeit; ihre Handlungen werden nicht routinemäßig untersucht.
Vgl. BfA, Länderinformation der Staatendokumentation Iran vom 17.7.2025, Abschnitt Rückkehr, S. 177; DFAT, Country Information Report Iran vom 24.7.2023, S. 39 f.
128
Diese Einschätzung wird auch durch die Angaben dreier in einem Themenpapier der Schweizerischen Flüchtlingshilfe wiedergegebenen Quellen aus dem Iran nicht durchgreifend in Frage gestellt.
Vgl. SFH, Iran: Konsequenzen regierungskritischer Aktivitäten im Ausland bei der Rückkehr, 26.11.2023, S. 8.
129
So gibt es laut der ersten Quelle – „Kontaktperson J“ – zwar Berichte über abgelehnte Asylsuchende, die bei ihrer Rückkehr zu den von ihnen geltend gemachten Asylgründen befragt worden sind und von denen einige erst nach Tagen oder Wochen freigelassen worden und im Visier der Behörden gelandet sind. Dass im Anschluss an die Befragung nur einige der Befragten festgehalten wurden und in das Visier der Behörden geraten sind, zeigt bereits, dass dafür nicht das im Ausland gestellte Asylgesuch, sondern das Ergebnis der Befragung maßgeblich gewesen sein muss. Auch nach den Angaben einer weiteren der zitierten Quellen ist der Asylantrag nur der Anlass für die Befragung der zurückkehrenden Person. Denn das Ziel der Befragung sei es, in Erfahrung zu bringen, ob der Rückkehrer „sich politisch oder religiös betätigt hat“, also die typischen Anknüpfungspunkte für eine Verfolgung durch das iranische Regime bestehen. Nichts anderes folgt schließlich aus den Angaben der letzten der zitierten Quellen. Diese berichtet davon, dass für Rückkehrende, wenn sie im Ausland ein Asylgesuch gestellt haben und die iranischen Behörden davon Kenntnis haben, ein erheblich erhöhtes Risiko besteht, in Schwierigkeiten zu geraten. Hier bleibt schon unklar, was die Quelle unter Schwierigkeiten versteht. Losgelöst von diesen inhaltlichen Erwägungen ist die Anzahl der zitierten Quellen – jedenfalls ohne nähere Informationen dazu, um wen es sich handelt und woher er seine Informationen bezieht – aber ohnehin zu gering, um aus ihren Angaben allgemeine Rückschlüsse zur Behandlung von Rückkehrern bei der Einreise in den Iran ziehen zu können. Dementsprechend nimmt die Schweizer Flüchtlingshilfe die Quellen auch lediglich zum Beleg dafür, dass ein abgelehntes Asylgesuch vermutlich zu Befragungen führen kann.
130
Keine andere Bewertung rechtfertigt ferner die Stellungnahme von Amnesty International (AI), wonach iranische Staatsangehörige, die außerhalb des Iran Zuflucht gesucht haben und zwangsweise zurückgeführt werden, von den iranischen Behörden „potentiell“ als regierungskritisch betrachtet werden.
Vgl. AI, Stellungnahme für das OVG Schl.-H. vom 20.4.2023, S. 5.
131
Vielmehr passt diese Einschätzung ohne weiteres zu den bereits wiedergegebenen Angaben der Quellen der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, dass Asylverfahren im Ausland zwar Anlass für Befragungen sein können, eine etwaige Verfolgung jedoch nicht an die Asylantragstellung, sondern an das Ergebnis der Befragung anknüpft.
132
Auch sonst sind weitergehende Erkenntnisse dafür, dass die iranischen Behörden aus der Asylantragstellung im (westlichen) Ausland eine regimefeindliche Gesinnung herleiten, nicht ersichtlich. Allein aus dem Fehlen von Referenzfällen lassen sich im Übrigen keine für eine Verfolgung von Rückkehrern beachtlichen Rückschlüsse ableiten.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19.5.2021 – 6 A 3129/19.A –, juris Rn. 15 und Bay. VGH, Urteil vom 6.8.2024 – 14 B 23.30024 –, juris Rn. 142.
133
Zu keiner anderen Bewertung führt es, wenn ein zurückkehrender Asylsuchender aus Deutschland seinen Asylantrag mit seiner Konversion zum christlichen Glauben begründet, diesen aber nicht aus ernst gemeinter innerer Überzeugung, sondern aus asyltaktischen Gründen allein formal angenommen hat. Der Asylsuchende hat dann keinen Anlass, den Behörden bei einer etwaigen Befragung im Rahmen der Einreise in den Iran von seiner Formalkonversion zu berichten und in aller Regel schon deshalb keine Verfolgung zu befürchten. Selbst wenn die Behörden dennoch von der Formalkonversion erfahren, ist davon auszugehen, dass den Betroffenen nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung droht, weil sich die Behörden im Regelfall mit einer Erklärung zufriedengeben, keine christlichen Aktivitäten auszuüben.
Vgl. Nds. OVG, Urteil vom 26.1.2024 – 8 LB 88/22 –, Asylmagazin 2024, 184 = juris Rn. 61 unter Berufung auf Upper Tribunal, PS (Iran) v. Home Secretary [2020], UKUT 00046 (IAC) Rn. 95 ff.
134
Das Verlangen nach einer solchen Erklärung – die abzugeben von einer nur aus asyltaktischen Gründen konvertierten Person zu erwarten und ihr ohne weiteres zumutbar ist –, entspricht auch sonst der Praxis der iranischen Behörden beim ersten Kontakt mit weniger relevanten Zielen wie etwa „gewöhnlichen“ Mitgliedern von Hauskirchen,
vgl. Landinfo, Verhaftung und Strafverfolgung von christlichen Konvertiten – ein Update, 20.6.2022, S. 33; ferner die von SFH, Iran: Gefährdung von Konvertierten, 23.11.2023, S. 28 wiedergegebene Aussage einer „Iran-Expertin“, wonach im Ausland (allerdings: identitätsprägend) konvertierte Rückkehrer sich in einer ähnlichen Situation wie im Iran konvertierte Christen befinden und u. a. gezwungen werden könnten, eine Erklärung zu unterschreiben, in der sie sich verpflichten, ihre religiösen Aktivitäten nicht fortzusetzen.“ OVG NW, U.v. 23.7.2025 – 6 A 2473/21.A – juris Rn. 160 ff.
135
ddd. Auch im Falle einer Rückkehr denkbare Befragungen durch Sicherheitsbehörden begründen zuletzt keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Das OVG Münster führt hierzu aus, was sich der Einzelrichter zu eigen macht:
„Befragungen bei der Rückkehr in den Iran nach einem längeren Auslandsaufenthalt, die mit erhöhter Wahrscheinlichkeit durchgeführt werden,
- vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, Stand 19.3.2025 vom 28.5.2025, S. 27; SFH, Iran: Konsequenzen regierungskritischer Aktivitäten im Ausland bei der Rückkehr, 26.11.2023, S. 6 – stellen für sich genommen ohne das Hinzutreten besonderer Umstände ebenfalls keine relevanten, einen Schutzstatus begründende Handlungen im Sinne von § 3a AsylG dar.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19.5.2021 – 6 A 3129/19.A –, juris Rn. 15 und Urteil vom 22.4.2024 – 6 A 242/21.A –, juris Rn. 168 sowie Bay. VGH, Urteil vom 6.8.2024 – 14 B 23.30024 –, juris Rn. 147.
136
Seit der Niederschlagung der Proteste nach dem Tod von Jina Mahsa Amini werden rückkehrende Reisende verstärkt von den Sicherheitsdiensten überprüft. Iranische Nachrichtendienste beobachten Aktivitäten von Personen auch außerhalb Iran, so zum Beispiel Äußerungen in sozialen Medien oder Teilnahme an Protesten im Ausland. Diese Personen werden dann bei einer Einreise nach Iran eingehenden Durchsuchungen und Verhören unterzogen. Dies gilt sowohl für Schrifterzeugnisse im Gepäck als auch für elektronische Kommunikationsmittel wie Mobiltelefone, Notebooks oder Tablets, deren ausgelesene Daten als Vorwand für strafrechtliche Vorwürfe genutzt werden. Es sind Fälle von hohen Haftstrafen bekannt, die auf einer solchen Grundlage erfolgten. Selbst Personen, die in der Vergangenheit ohne Probleme ein- und ausreisen konnten, können willkürlich aufgrund zeitlich weit zurückliegender oder neuer Tatvorwürfe festgenommen werden. Lange Haftstrafen unter harten Bedingungen und Folter sind möglich, bei schwerwiegenderen Vorwürfen auch die Verhängung von Körperstrafen oder der Todesstrafe.
Vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, Stand 19.3.2025 vom 28.5.2025, S. 27.
137
Es gibt indes keine Erkenntnisse, dass derartige Befragungen für sich betrachtet regelmäßig von Handlungen von Verfolgungsintensität begleitet werden.
Vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, Stand 19.3.2025 vom 28.5.2025, S. 27.
138
Insbesondere sind bisher keine Fälle bekannt, in denen Zurückgeführte im Rahmen der Befragung bei Rückkehr psychisch oder physisch gefoltert worden sind.
Vgl. BfA, Länderinformation der Staatendokumentation Iran vom 17.7.2025, Abschnitt Rückkehr, S. 178; AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, Stand 19.3.2025 vom 28.5.2025, S. 27.“ OVG NW, U.v. 23.7.2025 – 6 A 2473/21.A – juris Rn. 176 ff.
139
b. Ein Anspruch aus Asylanerkennung nach Art. 16a Abs. 1 GG ist insoweit nicht zu berücksichtigen, als die Antragstellerseite diesen mit der Hauptsache nicht geltend macht. Jedenfalls würde Art. 16a Abs. 2 S. 1 GG entgegenstehen.
140
c. Die Antragstellerin hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG. Es wird auf die zutreffenden Ausführungen im Bescheid (§ 77 Abs. 3 AsylG) und die obigen Ausführungen Bezug genommen.
141
d. Der Asylantrag der Antragstellerin musste vorliegend nach § 30 Abs. 1 Nr. 8 AsylG als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden. Unionsrechtliche Grundlage für ein solches Vorgehen der Mitgliedstaaten ist, wie eingangs bereits dargelegt, Art. 32 Abs. 2 i. V. m. Art. 31 Abs. 8 lit. f RL 2013/32/EU (Asylverfahrensrichtlinie). Ein unbegründeter Asylantrag ist nach § 30 Abs. 1 Nr. 8 AsylG als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn der Ausländer einen Folgeantrag (§ 71 Abs. 1 AsylG) oder einen Zweitantrag (§ 71a Abs. 1 AsylG) gestellt hat und ein weiteres Asylverfahren durchgeführt wurde. Weitere Voraussetzungen sind dem Gesetz nicht zu entnehmen. Es handelt sich vorliegend um einen unbegründeten Zweitantrag in diesem Sinne, da die Antragstellerin vor Asylantragstellung in Deutschland bereits in Kroatien erfolglos ein Asylverfahren durchlaufen hat und dort vor Gericht auch unterlegen ist.
142
e. Auch an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Bundesamtes bezüglich der Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 S. 1 AufenthG nicht vorliegen, bestehen keine Zweifel. Auf die Gründe des Bescheids hierzu wird Bezug genommen (§ 77 Abs. 3 AsylG), wobei anzumerken ist, dass sich keine entscheidungserheblichen Unterschiede aus dem aktuellsten Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran (Stand: 19.03.2025) ergeben.
143
f. Die Voraussetzungen für den Erlass der auf §§ 34 Abs. 1 S. 1, 36 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG beruhenden Abschiebungsandrohung in Ziffer 5 des angegriffenen Bescheides liegen vor. Auch insoweit wird seitens des Einzelrichters auf die zutreffenden Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid verwiesen.
144
Zweifel an der Abschiebungsandrohung bestehen im Übrigen nicht, insbesondere nicht hinsichtlich § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 AsylG: Der Abschiebung stehen weder das Kindeswohl noch familiäre Bindungen entgegen, da der Asylantrag des Kindes der Antragstellerin bestandskräftig abgelehnt wurde. Mit einer Trennung des Familienverbunds ist jedenfalls aufgrund der vollziehbaren Ausreisepflicht nicht zu rechnen (vgl. VG Leipzig, U.v. 5.4.2024 – 7 K 1328/22.A – juris Rn. 24; Hailbronner in: Hailbronner, Ausländerrecht, § 34 AsylG Rn. 6). Eine schützenswerte familiäre Verbindung zum Kindsvater oder ihrem Ehemann wurde nicht geltend gemacht.
145
2. Die Kostenentscheidung folgt § 83b AsylG, § 154 Abs. 1 VwGO.
146
3. Da die Rechtsverfolgung aus den dargelegten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, war der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unabhängig davon, ob bei der Antragstellerin die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe vorliegen, abzulehnen (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO).
147
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).