Inhalt

VG Bayreuth, Beschluss v. 02.10.2025 – B 8 E 25.1027
Titel:

Fachliche Eignung eines Ausbilders bei einem zulassungspflichtigen Handwerk, Anspruch auf befristete Ausbildungserlaubnis, Ermessensreduktion auf Null, Regelungsverfügung, Selbstwiderlegung der Dringlichkeit

Normenketten:
HwO § 22b Abs. 5
VwGO § 123 Abs. 1 S. 2
Leitsätze:
1. Wurde bereits zwei Mal eine befristete Erlaubnis zur Ausbildung von Lehrlingen nach § 22b Abs. 5 HwO unter der nicht erfüllten Auflage erteilt, einen Nachweis über die fachliche Eignung zu erbringen, kann ein Antrag auf eine weitere derartige Erlaubnis jedenfalls dann ermessensfehlerfrei abgelehnt werden, wenn nachvollziehbare Gründe für die Nichterfüllung der Auflage nicht glaubhaft gemacht wurden.
2. Wartet der (potenzielle) Ausbilder schuldhaft bis kurz vor Beginn des Ausbildungsjahres mit einem Antrag an die Behörde auf Erteilung einer befristeten Ausbildungserlaubnis nach § 22b Abs. 5 HwO zu, kann ein Anordnungsgrund nach dem Grundsatz der Selbstwiderlegung der Dringlichkeit zu verneinen sein.
Schlagworte:
Fachliche Eignung eines Ausbilders bei einem zulassungspflichtigen Handwerk, Anspruch auf befristete Ausbildungserlaubnis, Ermessensreduktion auf Null, Regelungsverfügung, Selbstwiderlegung der Dringlichkeit
Fundstelle:
BeckRS 2025, 33214

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die vorläufige Feststellung seiner fachlichen Eignung zum Ausbilden von Lehrlingen/Auszubildenden bzw. die vorläufige Zuerkennung der fachlichen Eignung nach § 22b Abs. 5 HwO.
2
Der Antragsteller übt das zulassungspflichtige Handwerk Maler und Lackierer aus.
3
Dem Antragsteller wurde bereits mit Bescheid vom 25.07.2023 und 26.11.2024 widerruflich und befristet (zuletzt bis 31.12.2024) die fachliche Eignung zur Ausbildung im Ausbildungsberuf Maler und Lackierer zuerkannt. Die Bescheide waren jeweils mit der Auflage verbunden, dass der Antragsteller eine Ausbildereignungsprüfung (AdA-Prüfung) ablegt. Der Antragsteller hat sich nach Aktenlage zwei Mal zu einer AdA-Prüfung angemeldet, ist jedoch unentschuldigt ferngeblieben, sodass die Prüfungen als nicht bestanden bewertet wurden. Die Kosten für die Prüfungen in Höhe von 2.020,00 EUR wurden durch den Antragsteller nicht beglichen.
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Mit Wirkung zum 31.12.2024 wurde der Antragsteller schließlich in seiner Eigenschaft als Ausbilder aus der Handwerksrolle gelöscht.
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Mit per E-Mail versandtem Antrag vom 29.08.2025 beantragte der Antragsteller erneut die Zuerkennung der fachlichen Eignung zum Ausbilden von Lehrlingen/Auszubildenden beschränkt auf einen Auszubildenden. Der Antragsteller führt in einem Anschreiben zum Antrag u.a. aus, dass er nicht über die Meisterqualifikation verfüge. Er beantrage eine Einzelfallprüfung und die Anerkennung seiner fachlichen Eignung auf Grundlage seiner beruflichen Qualifikationen, seiner langjährigen Erfahrung sowie seiner bereits vorliegenden Ausnahmebewilligung nach § 8 HwO. Für die Einzelheiten wird auf das Anschreiben Bezug genommen (Bl. 11-13 der Behördenakte).
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Mit Schreiben vom 05.09.2025 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsgegner mit, dass der Antrag abgelehnt werde. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass nach § 22 HwO nur ausbilden darf, wer die erforderliche persönliche und fachliche Eignung besitzt. Diese setze sich wie folgt zusammen:
7
Persönliche Eignung nach § 22 Abs. 1 HwO: Hierzu zähle insbesondere, dass der Ausbilder rechtlich befugt sei, Jugendliche zu beschäftigen und keine wiederholten oder schwerwiegenden Verstöße gegen das Berufsausbildungsgesetz oder die Handwerksordnung vorliegen.
8
Fachliche Eignung nach § 22b HwO: Diese umfasse die beruflichen sowie berufs- und arbeitspädagogischen Kenntnisse, die für die Vermittlung der Ausbildungsinhalte notwendig seien. Die fachliche Eignung sei insbesondere gegeben, wenn eine Meisterprüfung im betreffenden Handwerk oder eine gleichwertige Qualifikation vorliege.
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Gem. § 24 Abs. 2 HwO sei die zuständige Behörde verpflichtet, das Einstellen und Ausbilden in Fällen zu untersagen, in denen die persönliche oder fachliche Eignung nicht oder nicht mehr vorläge. Der Antragsteller sei bereits im Besitz einer beschränkten und befristeten Zuerkennung zum Ausbilden von Lehrlingen, die ihm am 25.07.2024 erteilt und am 26.11.2024 letztmalig bis zum 31.12.2024 verlängert worden sei. Der Antragsteller sei den Aufforderungen nicht nachgekommen. Er sei zu zwei Prüfungen, zu denen er angemeldet gewesen sei, unentschuldigt nicht erschienen. Beide Prüfungen seien als nicht bestanden gewertet worden. Aufgrund dessen sei er zum 31.12.2024 als Ausbilder in der Handwerksrolle gelöscht worden. Auch seien bisher keine Kosten für die beiden Kurse und Prüfungen beglichen worden (insgesamt 2.020,00 EUR). Ihm sei ausreichend Zeit gegeben worden, diesen Mangel zu beseitigen und die Ausbildereignungsprüfung abzulegen. Nachdem er dies mehrfach nicht getan habe, sei der Antrag abzulehnen. Sollte ein rechtsmittelfähiger Bescheid (Kosten 150,00 EUR) gewünscht sein, werde um Rückmeldung bis zum 15.09.2025 gebeten. Sollte keine Rückmeldung erfolgen, so werde die Angelegenheit als erledigt erachtet und das Verfahren eingestellt.
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Das Schreiben der Antragsgegnerin wurde dem Antragsteller nochmals per E-Mail vom 12.09.2025 übermittelt.
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Mit E-Mail vom gleichen Tag legte der Antragsteller „Widerspruch“ gegen die Ablehnung des Antrags vom 05.09.2025 ein. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass bei nachweislich vorhandener Berufserfahrung und Leitungskompetenz die Ausbildungseignung nicht allein am formalen Nachweis scheitern dürfe. Er verfüge über eine dauerhafte Ausnahmebewilligung nach § 8 HwO, die seine Qualifikation bereits rechtswirksam bestätige. Dies sei zwingend in die Entscheidung einzubeziehen. Seine langjährige Tätigkeit als Betriebsinhaber und Betriebsleiter (2005-2025) mit durchgehender Personalverantwortung stelle fachliche und pädagogische Eignung im Sinne von § 22b HwO dar. Eine gegenteilige Bewertung wäre ermessensfehlerhaft. Er habe sich außerdem verbindlich zur AEVO-Prüfung im November 2025 bei der IHK … angemeldet. Zusätzlich absolviere ein weiterer Geselle seines Betriebs parallel den AEVO-Nachweis. Damit sei gewährleistet, dass in Kürze zwei geprüfte Ausbilder zur Verfügung stünden. Die offenen Gebühren werde er begleichen. Er beantrage, den ablehnenden Bescheid aufzuheben und die fachliche Eignung zum Ausbilden erneut zuzuerkennen, hilfsweise in Form einer befristeten oder widerruflichen Ausnahmebewilligung nach § 22b Abs. 5 HwO. Er bitte um Zustellung eines rechtsmittelfähigen Bescheids.
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Mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 16.09.2025 wurde der Antragsteller informiert, dass keine neuen, entscheidungserheblichen Tatsachen vorgebracht worden seien. Der Antrag sei weiterhin abzulehnen. Es wurde für die Erstellung des Bescheids ein Gebührenvorschuss in Höhe von 150,00 EUR angefordert.
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Mit Schriftsatz vom 22.09.2025, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am gleichen Tag, wurde seitens des Antragstellers (wörtlich) beantragt,
Antrag auf einstweilige Anordnung (§ 80 Abs. 5 VwGO):
Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger bis zur Entscheidung über die Hauptsache die Ausbildung von Lehrlingen zu gestatten.
Hilfsweise: Gewährung einer befristeten oder widerruflichen Bewilligung gem. § 22b Abs. 5 HwO.
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Zur Begründung wurde ausgeführt, dass eine schnelle gerichtliche Entscheidung erforderlich sei, um irreversible Nachteile für den Betrieb und die Ausbildung von Lehrlingen zu verhindern. Daneben wurde u.a. ausgeführt, dass der Antragsteller krankheitsbedingt an den beiden Prüfungen nicht habe teilnehmen können. Es werde besonders darauf hingewiesen, dass letztes Jahr ein Ausbildungsberater der HWK … die alte Firma besucht, sich alle Unterlagen und Abläufe angesehen und die Ausbildungsbedingungen für gut befunden habe. An diesem Vorbereitungsgespräch hätten außerdem zwei Mitarbeiter des Betriebs, darunter der Gesellschafter und ein Geselle, teilgenommen, wie von der Handwerkskammer als Auflage vorgeschrieben. Dies untermauere die fachliche, organisatorische und pädagogische Eignung des Antragstellers und stärke die Glaubhaftmachung für die einstweilige Anordnung.
15
Die Antragsgegnerin lehne den Antrag pauschal ab und gebe an, dass keine neuen Informationen vorliegen. Diese Haltung zeige, dass die Handwerkskammer ihrer Pflicht zur Einzelfallprüfung nach § 22b Abs. 5 HwO und § 30 Abs. 5 BBiG nicht erfülle. Dadurch entstünden erhebliche Verzögerungen, die den Ausbildungsbetrieb blockierten und die Notwendigkeit der einstweiligen Anordnung weiter unterstrichen.
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Mit Schriftsatz vom 29.09.2025 beantragte die Antragsgegnerin:
Der Antrag wird abgewiesen.
17
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO im Hinblick auf das Antragsbegehren unzulässig und unstatthaft sei. Im Übrigen sei der Antrag auch unbegründet.
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Es bestehe kein Grund für eine Eilentscheidung, da keine Gefahr bestehe, dass die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt werden könnte. Vielmehr wäre durch eine weitere Gestattung der Ausbildungserfolg der beschäftigten Auszubildenden in höchstem Maße gefährdet.
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Auch vom Antragsteller angeführte Gesellen könnten die Voraussetzungen des § 22b Abs. 2 Nr. 1 sowie Nr. 2 a-c HwO selbst nach bestandener Ausbildereignungsprüfung nicht erfüllen, da sie nicht die geforderte Qualifikation besitzen würden.
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Der Antragsteller sei zwar im Besitz einer Ausbildungsberechtigung nach § 7b HwO, er habe aber keine Prüfung nach § 22b Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b HwO abgelegt. Er besitze hiernach nicht die für die Ausbildung erforderliche fachliche Eignung zur Ausbildung. Die gesetzlich geforderten Nachweise seien bisher nicht erbracht worden. lm Übrigen wäre die Antragsgegnerin für die Erteilung formell auch nicht zuständig.
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Auch bei der widerruflichen Zuerkennung der Eignung i.S.v. § 22b Abs. 5 HwO seien an das fachliche Wissen die gleichen Anforderungen zu stellen wie bei einem Handwerker, der sich der Meisterprüfung mit Erfolg unterziehen wolle (Teil lV). Genau deswegen seien in den bisher zwei zeitlich befristeten Zuerkennungen der fachlichen Eignung vom 25.07.2023 und 26.11.2024 die Auflagen erteilt worden, bis zum Ende der Befristungen eine Ausbildereignungsprüfung (AdA-Prüfung) abzulegen. In beiden Fällen sei der Antragsteller unentschuldigt weder zu einem Vorbereitungslehrgang noch zu den anberaumten Prüfungsterminen erschienen. lm Übrigen seien für die belegten Kurse und Prüfungen die entstandenen Kosten (2.020,00 EUR) nicht erstattet worden und müssten derzeit zwangsweise beigetrieben werden. Zur Ausbildereignungsprüfung (AEVO) in … bei der IHK für … sei der Antragsteller lediglich angemeldet. Diesbezüglich bestünden von Seiten der Antragsgegnerin Zweifel, ob dieser Termin wahrgenommen und abgeschlossen werde. Der Gesetzgeber habe bei der Entscheidung über derartige Anträge der Behörde einen Entscheidungsspielraum eingeräumt. Eine weitere dritte widerrufliche Zuerkennung aufgrund der Verstöße gegen die erteilten Auflagen der bisherigen Bescheide könne nicht mehr erfolgen. Die Ablehnung im Bescheid vom 05.09.2025 sei rechtmäßig erfolgt.
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Da insoweit der Ausbildungserfolg der bereits beschäftigten Auszubildenden wegen der fehlenden fachlichen Eignung in höchstem Maße gefährdet sei, sei nach einer Abwägung das hohe Gut der Ausbildung dem individuellen Interesse des Antragstellers vorzuziehen. Bei dieser Interessenabwägung sei auch zu berücksichtigen, dass die Klage in der Hauptsache offensichtlich unbegründet sei.
23
Für die Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen.
II.
24
Der Antrag bleibt in der Sache sowohl im Hauptwie auch im Hilfsantrag ohne Erfolg und war daher abzulehnen.
25
1. Die Anträge des Antragstellers bedürfen zunächst der Auslegung. Das Gericht darf zwar nach §§ 88, 122 Abs. 1 VwGO über das Klage- bzw. Antragsbegehren nicht hinausgehen, es ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.
26
Hinsichtlich der im Stufenverhältnis stehenden beiden Eilanträge versteht die Kammer den Hauptantrag im Interesse des Antragstellers so, dass er persönlich die vorläufige Feststellung durch die Antragsgegnerin begehrt, abseits der Voraussetzungen des § 22b Abs. 5 HwO bereits kraft Gesetzes die fachliche Eignung nach § 22b Abs. 2 bis 4 Handwerksordnung – HwO zur Ausbildung (§ 22 Abs. 1 S. 2 HwO) zu besitzen (vgl. zum Erlass derartiger Verwaltungsakte bei § 30 Abs. 6 Berufsbildungsgesetz – BBiG – VG Minden, U.v. 7.5.2014 – 3 K 2930/13 – juris Rn. 19). Diese Auslegung ergibt sich zum einen daraus, dass der Antragsteller in der Hauptsache zwischen der „Anerkennung“ seiner Ausbildungseignung nach § 22b HwO im dortigen Hauptantrag und der Ausnahmebewilligung nach § 22b Abs. 5 HwO differenziert. Auch aus dem „Widerspruch“ vom 12.09.2025 geht Selbiges hervor. Insoweit ist Raum für die Anwendung von § 123 Abs. 1 VwGO in Form der Regelungsverfügung (vgl. VG Schwerin, B.v. 7.3.2014 – 7 B 847/13 – juris Rn. 18).
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Mit dem Hilfsantrag begehrt der Antragsteller schließlich ausdrücklich die Gewährung einer befristeten oder widerruflichen Bewilligung gem. § 22b Abs. 5 HwO, um den Lehrling ausbilden zu können. Auch insoweit ist § 123 Abs. 1 VwGO in Form der Regelungsverfügung statthaft.
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2. Der so verstandene Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO ist nach summarischer Prüfung im Hauptantrag allerdings in Ermangelung einer Antragsbefugnis unzulässig, im ansonsten zulässigen Hilfsantrag unbegründet.
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a. Der Hauptantrag ist unzulässig, da der Antragsteller nicht nach § 42 Abs. 2 VwGO analog antragsbefugt ist. Die Antragsbefugnis ist zu verneinen, wenn auf der Grundlage des Tatsachenvorbringens des Antragstellers offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise die von ihm behaupteten Rechtspositionen bestehen oder ihm zustehen oder – ihr Bestehen und Zustehen unterstellt – unter keinem Gesichtspunkt verletzt sein können.
30
Der Antragsteller erfüllt bereits nach eigenem Vorbringen nicht die Voraussetzungen des § 22b Abs. 1 bis 3 HwO, insbesondere nicht die des § 22b Abs. 2 HwO. In einem – wie vorliegend nach Nr. 10 Anlage A der HwO – zulassungspflichtigen Handwerk besitzt hiernach die fachliche Eignung, wer in dem zulassungspflichtigen Handwerk, in dem ausgebildet werden soll, oder in einem mit diesem verwandten Handwerk eine der Buchstaben a bis c erfüllt und in jedem dieser Fälle kumulativ den Teil IV der Meisterprüfung oder eine gleichwertige andere Prüfung, insbesondere eine Ausbildereignungsprüfung auf der Grundlage einer nach § 30 Abs. 5 BBiG erlassenen Rechtsverordnung, bestanden hat. Der Antragsteller hat – jedenfalls im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung – noch nicht Teil IV der Meisterprüfung oder eine gleichwertige Prüfung bestanden. Ein Anspruch auf vorläufige Feststellung seiner fachlichen Eignung durch die Antragsgegnerin ist daher bereits von vornherein ausgeschlossen.
31
b. Hinsichtlich des zur Entscheidung anfallenden Hilfsantrags ist ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht worden (§ 123 Abs. 3 VwGO, §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung – ZPO).
32
Die Begründetheit des Antrags nach § 123 Abs. 1 VwGO setzt neben dem Vorliegen eines Anordnungsgrundes voraus, dass ein Antragsteller das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. seine materielle Anspruchsberechtigung, glaubhaft macht, § 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO. Auch insoweit ist das grundsätzliche Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache zu beachten, d.h., das Gericht kann dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung entsprechend regelmäßig nur vorläufige Entscheidungen treffen und einem Antragsteller noch nicht in vollem Umfang das gewähren, was er nur in einem Hauptsacheverfahren erstreiten könnte. Im Hinblick auf die Garantie effektiven Rechtsschutzes durch Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz – GG gilt dieses Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache jedoch nicht, wenn ein hoher Wahrscheinlichkeitsgrad für einen Erfolg in der Hauptsache spricht, der Antragsteller dort also schon aufgrund der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes anzustellenden, bloß summarischen Prüfung des Sachverhalts erkennbar Erfolg haben würde (vgl. etwa BVerfG, B.v. 30.4.2009 – 2 BvR 338/08 – juris Rn. 3; BVerfG, B.v. 25.10.1988 – 2 BvR 745/88 – juris Rn. 17; BVerwG, B.v. 26.11.2013 – 6 VR 3.13 – juris Rn. 5, 7; BVerwG, B.v. 10.2.2011 – 7 VR 6.11 – juris Rn. 6; OVG Berlin-Bbg, B.v. 22.1.2024 – OVG 6 S 60/23 – juris Rn. 16; NdsOVG, B.v. 14.2.2024 – 14 ME 128/23 – juris Rn. 39).
33
Der Antragsteller hat unter Berücksichtigung obiger Ausführungen keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Der Antragsteller hat nach summarischer Prüfung nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit einen gebundenen Anspruch auf Zuerkennung der fachlichen Eignung nach § 22b Abs. 5 HwO.
Im Einzelnen:
34
§ 22b Abs. 5 HwO und nicht § 30 Abs. 6 BBiG ist vorliegend als taugliche Anspruchsgrundlage aufgrund von § 3 Abs. 3 BBiG anwendbar.
35
Die nach Landesrecht zuständige Behörde (vgl. § 13 Abs. 1 der Verordnung zur Umsetzung des Berufsbildungsgesetzes, des Berufsqualifikationsfeststellungsgesetzes und der Handwerksordnung – BBiGHwOV, Art. 3 Abs. 1 Buchst. b des Gesetzes zur Ausführung des Berufsbildungsgesetzes und des Berufsqualifikationsfeststellungsgesetzes – AGBBiG), kann hiernach Personen, die die Voraussetzungen des § 22b Abs. 2 bis 4 HwO nicht erfüllen, die fachliche Eignung nach Anhören der Handwerkskammer widerruflich zuerkennen. Die Zuerkennung der fachlichen Eignung nach § 22b Abs. 5 HwO ist ein Verwaltungsakt, der im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde steht (Detterbeck, HwO, 3. Aufl. 2016, § 22b Rn. 5; vgl. zu § 30 Abs. 6 BBiG VG Schwerin, B.v. 7.3.2014 – 7 B 847/13 – juris Rn. 20; Hergenröder in: Benecke/Hergenröder, BBiG, 2. Aufl. 2021, § 30 Rn. 26; Taubert in Taubert, BBiG, 3. Aufl. 2021, § 30 Rn. 43).
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Vorliegend ist angesichts des Verhaltens des Antragstellers nicht anzunehmen, dass das Entschließungs- und Auswahlermessen der Antragsgegnerin auf Null reduziert ist, sodass nur die Gewährung einer Zuerkennung nach § 22b Abs. 5 HwO rechtmäßig wäre. Die Antragsgegnerin hat im Ausgangspunkt zutreffend darauf abgestellt, dass auch § 22b Abs. 5 HwO keine im Vergleich zu § 22b Abs. 1 bis 4 HwO im Übrigen geringeren Anforderungen an die fachliche Eignung des Ausbilders stellt (Lang in BeckOK HwO, 29. Ed. 1.6.2025, § 22b HwO Rn. 20). Zweck des § 22b Abs. 5 HwO ist es lediglich, in Härtefällen eine Formerleichterung zu bewirken (Lang in BeckOK HwO, 29. Ed. 1.6.2025, § 22b HwO Rn. 20; Urbanek in Schwanneke, HwO, 47. Lfg. 2023, § 22b HwO Rn. 48). Nach der Entwurfsbegründung der Vorschrift kann deshalb die Zuerkennung gegebenenfalls davon abhängig gemacht werden, dass ein etwa erforderlicher Nachweis innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu erbringen ist (BT-Drs. 15/3980, S. 49; vgl. zu § 30 Abs. 6 BBiG VG Schwerin, B.v. 7.3.2014 – 7 B 847/13 – juris Rn. 20; Taubert in Taubert, BBiG, 3. Aufl. 2021, § 30 Rn. 43; Hergenröder in Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 11. Aufl. 2024, § 30 BBiG Rn. 9). Zur Beibringung eines Nachweises der fachlichen Eignung wurde dem Antragsteller bereits zwei Mal eine befristete Zuerkennung nach § 22b Abs. 5 HwO mit entsprechender Auflage bewilligt. Es kann angesichts der Bestandskraft bzw. der zwischenzeitlich eingetretenen Erledigung der Zuerkennungsbescheide offenbleiben, ob diese Kombination von Nebenbestimmungen mit § 22b Abs. 5 HwO vereinbar waren, wofür aber viel spricht (vgl. zum Streitstand Lang in BeckOK HwO, 29. Ed. 1.6.2025, § 22b HwO Rn. 20 m.w.N.). Jedenfalls wirft das Verhalten des Antragstellers, zu den angemeldeten Prüfungen unentschuldigt nicht zu erscheinen ohne den Grund gegenüber der Antragsgegnerin offenzulegen und damit die Prüfung auch nicht zu bestehen, Zweifel an seiner fachlichen Eignung auf. Dass der Antragsteller an den Prüfungsterminen verhindert war, ist weder gegenüber der Antragsgegnerin noch gegenüber dem Gericht glaubhaft gemacht worden. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller bereits mit der zweimaligen befristeten Zuerkennung nach § 22b Abs. 5 HwO hinreichend die Möglichkeit eröffnet, seine fachliche Eignung nachzuweisen.
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Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist die bereits zwei Mal erfolgte, befristete Zuerkennung nach § 22b Abs. 5 HwO vorliegend nicht im Sinne eines Zugeständnisses der Antragsgegnerin hinsichtlich seiner fachlichen Eignung zu werten. Das ergibt sich bereits daraus, dass die Antragsgegnerin – wie in der Gesetzesbegründung vorgesehen – durch die in der Auflage vorgesehene Beibringung des Nachweises die fachliche Eignung erst sicherstellen wollte.
38
Das weitere Vorbringen des Antragstellers zu seiner eigenen fachlichen Eignung begründet – soweit es überhaupt glaubhaft gemacht wurde – keine Ermessensreduktion auf Null. Da es um die höchstpersönliche fachliche Eignung des Antragstellers geht, ist vor allem die Ausbildungsbefugnis seiner Gesellen ohne Belang, die jedenfalls derzeit auch noch nicht gegeben ist.
39
b. Daneben wurde ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht, § 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO. Die Anordnung ist nicht nötig, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern und erscheint auch nicht aus anderen Gründen als nötig, § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO.
40
Der Antragsteller hat die Eilbedürftigkeit vorliegend selbst verschuldet, sodass sie ihm nach dem allgemeinen Grundsatz der Selbstwiderlegung nicht zum Vorteil gereichen kann. Ein Anordnungsgrund entfällt nach diesem Grundsatz unter anderem, wenn das Drohen von Nachteilen auf eigenen Versäumnissen oder Fehleinschätzungen beruht oder der Antragsteller bewusst auf eigenes Risiko gehandelt hat (VG Berlin, B.v. 9.8.2022 – VG 5 L 661/22 – juris Rn. 29 m.w.N.). So liegt der Fall hier: Der Antragsteller hat bis zum 31.12.2024 auf Grundlage des § 22b Abs. 5 HwO zumindest einen Lehrling ausgebildet. Ihm war demnach bewusst, dass er aus oben genannten Gründen nicht selbst bereits kraft Gesetz ausbilden darf. Mit einem Antrag an die Behörde für das aktuelle Ausbildungsjahr hat der Antragsteller bis Ende August 2025 zugewartet und damit den abzuwendenden Nachteil, einen Lehrling im jetzigen Ausbildungsjahr nicht ausbilden zu dürfen, vorwerfbar selbst geschaffen. Es ist dem Antragsteller eingedenk dessen zumutbar, auf die Hauptsacheentscheidung verwiesen zu werden.
41
Im Übrigen hat der Antragsteller zwar behauptet, nicht aber glaubhaft gemacht, dass er die Ausbildungsstelle im aktuellen Ausbildungsjahr hinreichend sicher besetzen können wird, sodass auch aus diesem Grund ein Anordnungsgrund zu verneinen ist.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziffer 1.5 S. 2. In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, die die Entscheidung in der Sache ganz oder zum Teil vorwegnehmen, kann der Streitwert bis zur Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts angehoben werden. Hiervon macht die Kammer Gebrauch, da jedenfalls der zur Entscheidung angefallene Hilfsantrag auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet war.