Inhalt

VG Bayreuth, Beschluss v. 02.12.2025 – B 7 S 25.32503
Titel:

Folgeantrag (Äthiopien), Gruppenverfolgung von Amharen (verneint), Verfolgung aufgrund exilpolitischer Tätigkeit (Öffentlichkeitsarbeit auf Social-Media) für die, Fano-Miliz und anderer Organisationen (hier: verneint), Interne Fluchtalternative: Addis, Abeba (bejaht), Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG in Bezug auf Äthiopien (verneint)

Normenketten:
AsylG § 3
AsylG § 3e
AsylG § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 3
AsylG § 4 Abs. 3
AufenthG § 60 Abs. 5 und 7
EMRK Art. 3
Schlagworte:
Folgeantrag (Äthiopien), Gruppenverfolgung von Amharen (verneint), Verfolgung aufgrund exilpolitischer Tätigkeit (Öffentlichkeitsarbeit auf Social-Media) für die, Fano-Miliz und anderer Organisationen (hier: verneint), Interne Fluchtalternative: Addis, Abeba (bejaht), Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG in Bezug auf Äthiopien (verneint)
Fundstelle:
BeckRS 2025, 33212

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich im Rahmen des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die nach Ablehnung seines Asylfolgeantrags vom …10.2025 drohende Abschiebung nach Äthiopien.
2
Der Antragsteller ist seinen eigenen Angaben zufolge äthiopischer Staatsangehöriger mit amharischer Volks- und muslimischer Religionszugehörigkeit.
3
Er reiste am …08.2016 erstmals ins Bundesgebiet ein und stellte am …09.2016 einen Asylantrag. Mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 24.10.2017 (Gz.: …) wurde das Asylverfahren des Antragstellers eingestellt (vgl. hierzu VG Bayreuth, U.v. 1.2.2018 – B 7 K 17.33398) und auf nach § 33 Abs. 5 Satz 1 und Satz 4 AsylG gestellten Wiederaufnahmeantrag vom …06.2018 hin unter dem Gz. … fortgeführt.
4
Die persönliche Anhörung des Antragstellers zu seinem Asylantrag fand beim Bundesamt am …07.2018 statt. Dort gab er im Wesentlichen an, in Äthiopien habe er sich bis zum Jahr 2009 im in Grenznähe zum Sudan liegenden Dorf A. … (Amhara-Region) aufgehalten. Im Jahre 2009 hätten Sicherheitsmänner seinen Laden beschlagnahmt und ihm seinen Kebele-Ausweis weggenommen. Man habe ihm seinerzeit vorgeworfen, er unterstütze seine Brüder. Diese hätten sich wegen Entzuges der von ihnen bearbeiteten Ländereien im Jahre 2008 dem bewaffneten Kampf von Banditen mit dem Namen Y. A. („Shifta“) angeschlossen gehabt. Da man ohne einen Kebele-Ausweis nichts machen könne, sei der Antragsteller seinerzeit in die Republik Sudan ausgereist. Im Sudan sei er für Ginbot 7 im Untergrund aktiv gewesen, er habe diese unterstützt, auch mit Geld. Im April 2014 sei er von dem Ort K. … im Sudan durch das äthiopische Regime nach Äthiopien entführt worden. In G. … sei er von April 2014 bis Dezember 2015 in dem Erziehungslager M. …B. … bzw. B. … interniert gewesen, bis dieses in Brand gesetzt worden sei und er und viele andere hätten fliehen können. Im Dezember 2015 sei er erneut in den Sudan ausgereist und habe sein Land seitdem letztmals verlassen. Auf die Frage, warum der Antragsteller in den Sudan gegangen sei statt zum Beispiel nach Addis Abeba, gab er an, dass er gegen das Regime sei. Er gehe nicht in die Hauptstadt und würde versuchen, dort Fuß zu fassen. Er habe aus dem Land ausreisen müssen. Auf Nachfrage zur Möglichkeit in Addis Abeba zu leben, erklärte er, man könne ohne einen Kebele-Ausweis nichts machen, man habe keine Rechte. Auf Nachfrage zur Beschaffung eines Kebele-Ausweises in Addis Abeba führte der Antragsteller aus, man brauche eine „Abmeldung“ von der alten Kebele. In der Bundesrepublik Deutschland sei der Antragsteller ein Mitglied der Ethiopien People Patriotic Frond Guard (EPPFG). Er habe an vier Veranstaltungen teilgenommen und Mitgliedsbeiträge eingezahlt. Er sei in Äthiopien drei Jahre zu Schule gegangen und habe dann einen Kiosk betrieben, woraus ihm monatlich in etwa bis zu 10.000,00 Birr netto verlieben sei.
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Zu seinen Verwandten befragt, führte der Antragsteller aus, sein Vater (...) sei gestorben, als der Antragsteller noch ein Kind gewesen sei. Der Antragsteller habe noch eine Mutter (...), die zwischen 65 und 70 Jahre alt sei. Diese lebe inzwischen andernorts, er wisse nicht wo, sie sei von Sicherheitsmännern belästigt worden. Außerdem habe er noch zwei ältere Brüder (…). Auf die Frage, ob noch weitere Verwandte im Heimatland leben würden, verwies der Antragsteller auf die vorgenannten Personen, weitere Verwandte würden im Heimatland nicht leben.
6
Mit Bescheid vom 21.08.2018 hob das Bundesamt den Bescheid vom 24.10.2017 auf (Ziffer 1). Die Flüchtlingseigenschaft wurde nicht zuerkannt (Ziffer 2). Der Antrag auf Asylanerkennung wurde abgelehnt (Ziffer 3). Der subsidiäre Schutzstatus wurde nicht zuerkannt (Ziffer 4). Es wurde die Feststellung getroffen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 5). In Ziffer 6 wurde die Abschiebung nach Äthiopien angedroht. Es wurde ein auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet (Ziffer 7). Die gegen den Bescheid erhobene Klage wurde mit aufgrund mündlicher Verhandlung vom 26.08.2020 gefällten Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 28.08.2020 (Az. B 7 K 18.31581) vollumfänglich und rechtskräftig abgewiesen.
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Ausweislich eines Datensatzes des Bundesverwaltungsamtes (vgl. Bl. 170 ff. d. Akte zum Folgeantrag, Gz. ….) befindet sich der Antragsteller seit …09.2025 am Flughafen M. … in Abschiebehaft.
8
Mit Schreiben vom …10.2025 stellte der Antragsteller aus der Abschiebehaft heraus den am …10.2025 beim Bundesamt eingegangenen und streitgegenständlichen Folgeantrag.
9
Zur Begründung des Folgeantrags wurde vom Antragsteller mit Schreiben vom …10.2025, eingegangen beim Bundesamt ebenfalls am …10.2025, im Wesentlichen ausgeführt, er sei politisch für die Belange der Amharen aktiv gewesen. Er habe in Kontakt mit Mitgliedern der Amhara-Organisationen gestanden und habe ihre politischen Nachrichten und Informationen verbreitet bzw. unterstützt. Seine Beteiligung habe sich auf politische Unterstützung, Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit beschränkt (z.B. Telefonate, Nachrichten und Social-Media-Kontakte). Wegen seiner ethnischen Zugehörigkeit und seines politischen Engagements sei er Ziel von schwerwiegender Verfolgung gewesen (Wortlaut: „wurde“). Seine Mutter sei vom Regime getötet worden. Er selbst sei mehrfach bedroht, schikaniert und körperlicher sowie physischer Gewalt ausgesetzt gewesen. Die gegen ihn gerichtete Gewalt habe Folgendes umfasst: Tötungen in seinem Umfeld, willkürliche Verhaftungen von Familienmitgliedern, Drohungen mit Folter, anhaltende Überwachung und Einschüchterung. Die Angriffe seien teilweise mit Bezug auf religiöse oder politische Vorwürfe gegen den Antragsteller erfolgt. Aufgrund der Morddrohungen, der Verhaftungen in seiner Familie sowie wegen der strukturellen Gewalt, die von staatlichen Kräften oder regimetreuen Gruppen ausgehe, habe der Antragsteller eine ernsthaft begründete Furcht um sein Leben und seine körperliche Unversehrtheit. Ihm sei wiederholt mit Verhaftung und Folter gedroht worden; wenn er in seinem Herkunftsland verbleibe, bestehe akute Gefahr unmittelbarer Ermordung oder schwerer Folter (Semikolon antragstellerseitig so gesetzt). Aus dem Ausland habe der Antragsteller versucht, die Angehörigen seiner Gemeinschaft zu unterstützen. Er habe unter anderem einen Telegram-Account eingerichtet und über soziale Medien mit Familienangehörigen und Organisationsmitgliedern kommuniziert. Er betone, dass seine Aktivitäten primär in der politischen Unterstützung und Informationsvermittlung gelegen hätten. Er versichere, dass die vorstehenden Angaben nach bestem Wissen und Gewissen der Wahrheit entsprechen würden. Als Anlagen und zu Untermauerung seiner Aussagen legte der Antragsteller mehrere Dokumente vor:
- Schreiben der „Amhara Freedom and Protection Organization (AFPO)“ vom 09.10.2025 mit dem Betreff „Testimonial Letter on Behalf of Mr. …“ und gezeichnet von „Col. F. …M. …“ vor (Bl. 6 f. d. Akte zum Folgeantrag),
- Undatiertes Schreiben der „Bete-Amhara Wollo Worldwide Association (BeAWWA)“ mit dem Betreff „…“ und gezeichnet von „M. … A.“ (Bl. 8 d. Akte zum Folgeantrag), und
- Schreiben des „Verein der Amhar in Deutschland e.V. (VAD bzw. AAG)“ vom 13.10.2025 mit dem Betreff „Dringender Appell auf Gewährung internationalen Schutzes für Herrn …“ und gezeichnet von „A. …H. …“ (Bl. 9 ff. d. Akte zum Folgeantrag).
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In der vom Bundesamt am …10.2025 durchgeführten Anhörung des Antragstellers zu seinem Folgeantrag gab dieser im Wesentlichen an, er habe aufgrund der politischen Situation sein Heimatland vor 14 Jahren verlassen. Seinen Kebele-Ausweis habe man ihm weggenommen. Seine letzte offizielle Anschrift in seinem Heimatland sei in der Amhara-Region gewesen, in einem kleinen Dorf namens A. … in der Nähe zur sudanesischen Grenze. Ab 2009 habe er im Sudan gelebt. In A. … habe er zusammen mit seiner Mutter gelebt, seine älteren Brüder seien schon außer Haus gewesen, diese hätten ihre eigenen Probleme gehabt. Im Sudan habe er alleine gelebt, er habe dort keine Familie gehabt. Gefragt nach seinen Eltern, gab der Antragsteller an, sein Vater sei bereits verstorben, seine Mutter wohne in der Amhara-Region. Er habe keinen direkten Kontakt zu ihr, jedoch erfahren, dass sie noch lebe. Auf Nachfrage erklärte der Antragsteller, dass einer seiner Brüder verstorben sei. Sein zweiter Bruder sei noch am Leben und unterstütze die Mutter. Eine eigene Familie habe der Antragsteller nicht, er sei schon einmal im Sudan verheiratet gewesen. Der Antragteller habe auch eine Schwester, die in der Afar-Region in Äthiopien lebe, es bestehe jedoch kein Kontakt zu ihr. Auch habe er einen Onkel väterlicherseits, zu dem er nach den letzten Konflikten den Kontakt verloren habe; dieser habe früher in G. … gelebt, dann sei dieser in den Sudan gegangen und sei zwischen dem Sudan und Äthiopien hin und her gependelt. Auf die Frage zur erwerblichen Beschäftigung gab der Antragsteller an, er habe in A. … einen Laden – eine Art Supermarkt – gehabt, im Sudan habe er sodann als Tagelöhner in der Landwirtschaft gearbeitet. In Deutschland habe er nicht gearbeitet, weil er hier keine Arbeitserlaubnis habe. Er habe auch mehrmals nach Sprachkursen gefragt, diese seien ihm aber aufgrund seines Alters verwehrt worden.
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Zu neuen Gründen und Beweismitteln im Zusammenhang mit seinem Folgeantrag befragt, wies der Antragsteller auf ein „Manifest der Fano“ hin. Daraufhin könnten ihm Fragen gestellt werden, da sich die Asylgründe des Antragstellers auf die Amharer beziehen würden. In diesem Zusammenhang begründe er seinen Asylfolgeantrag. Auf Nachfrage erklärte der Antragsteller, dass bei ihnen in der Region vor fünf Jahren ein Konflikt zwischen Fano und der Einheiten der Tigray begonnen habe. Als dieser Konflikt entflammt sei, habe er die ganze Zeit mit vielen Landsleuten zusammen die Fano-Einheiten unterstützt, weil sie für die Belange seines Volkes gekämpft hätten. Die Tigray-Einheiten hätten ihre Häuser in Brand gesetzt und viele Menschen getötet. Daher hätten sie sich wehren müssen. Zu dieser Zeit habe die Fano mit der föderalen Regierung kooperiert, um die Tigray-Einheiten zu bekämpfen. Jetzt seit zwei Jahren kämpfe die Fano gegen die föderale Regierung. Denn die Fano würden für die Rechte der Amharen kämpfen. Diese unterstütze der Antragsteller auch, solange er könne. Er würde diese nicht nur unterstützen, sondern beteilige sich auch im Ausland an der Organisierung von unterschiedlichen Kräften von Landsleuten, damit die Fano-Organisation unterstützt werde. Im Ausland habe er im Auftrag der Fano versucht, Leute zu mobilisieren, für sie in Medien zu werben, damit sie Unterstützung erhalten würde.
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Es gebe auch Videos auf dem Mobiltelefon des Antragstellers, welches seine Aktivitäten erkläre. Wegen seiner Aktivität hier im Ausland sage im Video ein Offizier mit dem Namen „F. …M. …“ etwas über den Antragsteller. Er sage, dass sich der Antragsteller wegen seiner Aktivitäten hier nicht in sein Heimatland begeben dürfe, sonst begebe er sich in Gefahr. Er habe von seiner Festnahme „hier“ erfahren. Das Protokoll zur Anhörung enthält an dieser Stelle folgenden Vermerk: Der Antragsteller spielt auf seinem Handy ein Video eines Fano-Offiziers ab, der den Namen des Antragstellers erwähnt und sagt, dass er die Fano unterstützt und bei Rückkehr in Gefahr wäre. Der Antragsteller würde von der föderalen Regierung gesucht. Bei Rückkehr würde er festgenommen und sein Leben wäre in Gefahr. Er bitte die deutsche Regierung, dem Antragsteller zu helfen, damit er nicht in Gefahr komme. Auf Nachfrage erklärte der Antragsteller, dass er dieses Video erhalten habe, als er „hierhergekommen“ sei, ihm sei dies per WhatsApp geschickt worden. Auf Nachfrage und unter Hinweis auf den WhatsApp-Verlauf des Antragstellers gab dieser an, dass ihm ein Freund aus Italien dieses Video am …09.2025 geschickt habe, weil er den Antragsteller unterstützen möchte. Unter Verweis auf den jeweiligen WhatsApp-Verlauf erklärte der Antragsteller, dass er das Schreiben der AFPO am …10.2025 von einer Person aus Äthiopien erhalten habe, die Informationen nach draußen gebe; das Schreiben der BeAWWA habe er am …10.2025 aus den USA erhalten und das Schreiben des VAD am …10.2025.
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Auf die Frage, woher die föderale Regierung Äthiopiens von den Tätigkeiten des Antragstellers wisse, führte er aus, dass er ständig Kontakt zu „diesen Leuten“ über Zoom, Instagram und WhatsApp habe. Sie würden Gespräche führen und jedes Mal Meetings haben. Ausweislich eines in der Akte befindlichen Vermerkes zeigte der Antragsteller ein Video eines Generals der Fano aus der Wollo-Region, mit dem er regelmäßig Kontakt habe.
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Nach den Inhalten der Gespräche befragt, gab der Antragsteller an, es gehe im Allgemeinen um die politische Situation in der Amhara-Region. Sie würden Anweisungen von dort empfangen, die sie an die Bevölkerung weitergeben würden. Sie würden dann versuchen, auch hier die internationalen Organisationen zu mobilisieren, damit ihrem Kampf Gehör und Verständnis verschafft werde. Auf Nachfrage, was mit „Anweisungen“, die der Antragsteller erhalte, gemeint sei, erklärte der Antragsteller, dass sich seine Landsleute dort für die Amharen einsetzen würden. Dieser Kampf solle auch in der ganzen Welt bekannt werden. Deshalb würden sie über Massenmedien versuchen, diesen Kampf publik zu machen. Die Einheiten der Regierung würde die Fano mit modernen Geräten bekämpfen, wie Drohnen. Dabei gebe es sehr viele Verletzte. Um diese zu versorgen, würden sie versuchen, Unterstützung zu bekommen. Was die föderale Regierung dort mache, sei menschenunwürdig. Es gebe Verletzte in Woldia (wohl gemeint: Weldiya). Diese seien zur medizinischen Behandlung in die Klinik gegangen. Die föderale Regierung habe die Verletzten aus der Klinik herausgeholt und exekutiert. Eine solche menschenverachtende Situation könne man nicht dulden. Deswegen müsse man versuchen, dies publik zu machen, um dafür zu sorgen, dass es gerechter zugehe. Sodann wurde der Antragsteller zu den Zielen der Fano befragt, wozu er ebenfalls ausführte.
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Auf die Frage, was seine persönliche Motivation dafür sei, die Fano von hier aus zu unterstützen, führte der Antragsteller seine Zugehörigkeit zur Ethnie der Amharen an. Wenn seine Ethnie vernichtet werde, könne er nicht die Augen davor verschließen. Die Amharen seien ca. 40 Millionen Menschen.
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Auf die Frage, was der Antragsteller konkret mache, um Fano und ihre Ziele zu unterstützen, gab der Antragsteller an, er folge hier im Ausland den Anweisungen, seine Landsleute zu mobilisieren, damit sie finanzielle Unterstützung leisten würden. Er müsse mit verschiedenen Leuten telefonieren und sie überzeugen, die Fano zu unterstützen. Darüber hinaus werbe der Antragsteller auch für Maßnahmen, wenn beispielsweise Demonstrationen organisiert würden. Zudem gebe er auch an Leute in der Diaspora Nachrichten weiter. Er versuche dann mit Leuten aus den Medien zu sprechen, damit diese Nachrichten veröffentlicht würden.
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Hierzu gibt der Antragsteller an, er habe Telegram, wo er auch viele Follower habe (Vermerk im Anhörungsprotokoll: Der Antragsteller zeigt auf seinem Handy eine Telegram-Gruppe mit 334 Mitgliedern und eine Facebook-Gruppe mit 34 Mitgliedern).
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Auf die Frage, ob der Antragsteller in einem anderen Landesteil Äthiopiens vor Verfolgung sicher wäre, erklärte er, dass er im Kampf der Fano schon seit mehreren Jahren bekannt sei. Wenn er nach Äthiopien zurückkehre, sei sein Leben in Gefahr, egal wohin er zurückkehre. Er habe sich schon seit vielen Jahren mit unterschiedlichen Namen für die Belange der Amharen eingesetzt und sei bekannt, z.B. sei er unter dem Namen „…“ auf TikTok schon länger bekannt. Man finde den Antragsteller unter dem Namen „…“. Er habe sich seit mehreren Jahren für die Wollo-Front eingesetzt. Er sei daher sehr bekannt. Viele Leute würden ihn unter diesem Namen kennen. Die Arbeit, die „sie“ machen würden, sei sehr breit gefächert.
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Gefragt danach, aus welchem Grund der Antragsteller erst jetzt in Abschiebehaft einen Folgeantrag stelle, gab er an, dass sein letztes Interview vor sechs oder sieben Jahren gewesen sei. Hiernach habe er viele Sachen gemacht und sich politisch betätigt, sodass er jetzt in Gefahr sei.
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Gefragt danach, ob der Antragsteller Beweise dafür habe, dass er wegen der Unterstützung von oder Sympathie mit Fano von der äthiopischen Regierung verfolgt werden würde, führte er aus, dass er keine Beweise habe, aber das Bundesamt dies so sehen müsse. Er sei, wie ausgeführt, bekannt. Er sei bei der Organisierung und der Unterstützung von Fano im Ausland bekannt. Der Antragsteller sei kein einfacher Unterstützer. Er habe hier im Ausland organisiert und bei der Mobilmachung mitgemacht. Er habe keine Belege, aber in der Diaspora gebe es auch Anhänger des Regimes. Von diesen Personen sei der Antragsteller schon einmal bedroht worden, als sie ihn gesehen hätten. Wenn auf TikTok um finanzielle Unterstützung für Fano geworben worden sei, habe es Leute gegeben, die mit einem anderen Namen reingekommen seien und auf TikTok in der Videokonferenz eine Pistole gezogen und gedroht hätten. Sodann wurde der Antragsteller zu den Modalitäten des Einsammelns von Geldern und der Transferierung an die Fano befragt, woraufhin er auf das Hawala-System hingewiesen hat und dass seine Hauptaufgabe sei, die Leute zu Geldspenden zu motivieren.
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Angesprochen auf die schriftlich eingereichte Folgeantragsbegründung vom …10.2025 und den dort genannten Umständen, dass die Mutter des Antragstellers vom Regime getötet worden sei, er selbst mehrfach bedroht, schikaniert und körperlicher sowie psychischer Gewalt ausgesetzt gewesen sei, und was der Antragsteller hierauf sage, erklärte er, dass seine Mutter nicht getötet worden sei. Davon habe er nichts erzählt. Was er geschrieben habe, sei auf Amharisch. Dieses Schreiben habe er zur Übersetzung an jemanden von draußen geschickt. Es sei ein Freund, der schon länger aus Äthiopien raus sei. Es könne sein, dass er den Tod seines Bruders mit dem seiner Mutter vertauscht habe. Sein Bruder sei von der föderalen Regierung getötet worden. Die Regierung sage immer, dass die Fano-Unterstützer im Ausland die Feinde Nr. 1 seien. Im Ausland, in der Diaspora, gebe es auch Personen, die die Regierung unterstützen würden. Der Antragsteller sei von solchen Personen um sein Leben bedroht und eingeschüchtert worden. Das hätten sie getan, während sie online gewesen seien. Sie hätten so getan, als wären sie Sympathisanten und seien in „ihre“ Gruppe gekommen. Daneben sei der Antragsteller in Äthiopien schon alleine aufgrund seiner amharischen Abstammung bedroht.
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Abschließend erklärte der Antragsteller, dass er keine schutzwürdigen Belange in Bezug auf eine Abschiebungsandrohung oder ein Einreise- und Aufenthaltsverbot habe. Auf Nachfrage erklärte der Antragsteller, dass er ausreichend Gelegenheit gehabt habe, die Gründe für seinen Asylantrag zu schildern und auch alle sonstigen Hindernisse darzulegen, die einer Rückkehr in sein Heimatland oder in einen anderen Staat entgegenstünden.
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Mit Bescheid vom 29.10.2025, gegen Empfangsbekenntnis zugestellt am 31.10.2025, lehnte das Bundesamt den Asylfolgeantrag als unzulässig ab (Ziffer 1). Daneben wurde der Antrag auf Abänderung des Bescheids vom 21.08.2018 bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG abgelehnt (Ziffer 2).
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Antrag sei unzulässig, da die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nicht vorliegen würden, vgl. § 71 i.V.m. § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG (wurde nachfolgend zum rechtlichen Entscheidungsmaßstab des Folgeantrags ausgeführt). Aufgrund der vorliegenden hinreichend gesicherten Herkunftslandinformationen und der Rechtsprechung zu diesem geltend gemachten Asylgrund, fehle es an der erheblichen Wahrscheinlichkeit, dass die neuen Elemente oder Erkenntnisse, hier die exilpolitische Betätigung für Fano, zu einer günstigeren Entscheidung beitragen würden.
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Aufgrund der neuen gesetzlichen Regelungen und Maßnahmen der Regierung unter Premierminister Abiy, vor allem der Entlassung aller politischen Gefangenen und der Rückkehr zahlreicher Oppositioneller aus dem Exil, sei es nicht mehr beachtlich wahrscheinlich, dass äthiopische Staatsangehörige aufgrund ihrer exilpolitischen Tätigkeit im Falle ihrer Rückkehr von flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgungsmaßnahmen bedroht seien. Diese Einschätzung bestätige auch das Auswärtige Amt, wenn es ausführe, dass eine Mitgliedschaft in einer in Deutschland exilpolitisch tätigen Organisation bei Rückkehr nach Äthiopien derzeit keine negativen Auswirkungen nach sich ziehe. Dementsprechend bestehe auch in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung Übereinstimmung, dass unabhängig vom Umfang der exilpolitischen Betätigung aufgrund der veränderten Verhältnisse in Äthiopien bei einer Rückkehr keine beachtliche Verfolgungsgefahr mehr bestehe. Zwar hätten die Reformbestrebungen des neuen Premierministers auch Rückschläge erlitten: So sei es in Äthiopien in den vergangenen Monaten mehrfach zu gewalttätigen ethnischen Konflikten mit zahlreichen Toten gekommen. Bei den staatlichen Reaktionen auf diese Ereignisse handele es sich aber nicht um gezielte Verfolgungsmaßnahmen gegen Oppositionelle wegen ihrer politischen Überzeugung, sondern um Vorfälle in der Umbruchsphase des Landes bzw. um Geschehnisse, die sich nicht als Ausdruck willentlicher und zielgerichteter staatlicher Rechtsverletzungen, sondern als Maßnahmen zur Ahndung kriminellen Unrechts oder als Abwehr allgemeiner Gefahrensituationen darstellen würden.
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Ebenso verhalte es sich bei der Betätigung des Antragstellers für Fano. Bei Fano handele es sich um eine ethno-nationalistische Jugendbewegung, die sich seit dem Jahr 2010 aus den Protesten gegen die damals noch von der Tigray Peoples Liberation Front (TPLF) dominierten Zentralregierung der Ethiopian People's Revolutionary Democratic Front (EPRDF) entwickelt habe und sich als Vertreter der ethnischen Amhara sehe, der zweitgrößten Bevölkerungsgruppe Äthiopiens. Im Tigray-Konflikt habe Fano als bewaffnete Miliz auf Seiten der Ethiopian National Defense Forces (ENDF) gekämpft. Dabei würden Fano schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen, von denen einige Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen könnten. Seit dem zwischen der äthiopischen Regierung und der TPLF im November 2022 geschlossenen Abkommen zur Einstellung der Feindseligkeiten (CoH), welches ohne Beteiligung der amharischen Regionalregierung bzw. amharischer Milizen erfolgt sei, habe sich das Verhältnis zwischen den ehemaligen Verbündeten, der äthiopischen Regierung und Fano, erheblich verschlechtert, da die Zugeständnisse an die TPLF als Bedrohung für die Sicherheit Amharas gesehen würden. Streitpunkt sei insoweit u.a. die Zukunft der im Zuge des Tigray-Konflikts von den amharischen Streitkräften besetzten Gebiete in Welkait, Tselemti, Humera und Tsegede im Westen der Region Tigray. Das von Premierminister Abiy angekündigte Referendum werde von Amhara abgelehnt. Hinzu komme die Anordnung der äthiopischen Regierung im April 2023, landesweit alle lokalen Milizen und Spezialeinheiten zu demobilisieren und in die staatlichen Streitkräfte zu integrieren. In Amhara sei dies als Angriff auf die regionale Autonomie wahrgenommen worden. Zwar hätten einige amharische Spezialeinheiten ihrer Eingliederung zugestimmt, etwa die Hälfte sollten sich jedoch Fano angeschlossen haben, die ihre Demobilisierung verweigert habe. Es sei zu ersten Unruhen in mehreren Städten gekommen. Die ENDF habe daraufhin eine Offensive gegen „extremistische“ Elemente gestartet. Seitdem komme es immer wieder zu Kämpfen zwischen Fano und der äthiopischen Armee. Im Zuge eines am 04.08.2023 verhängten Ausnahmezustandes solle es v.a. in Addis Abeba zu einer Verhaftungswelle ethnischer Amhara gekommen sein, die mit der angespannten Sicherheitslage in Verbindung gebracht worden sei.
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Vor diesem Hintergrund führe die Behauptung des Antragstellers, sich für Fano zu engagieren, nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu einer Verfolgung durch die äthiopischen Behörden.
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Im Übrigen spreche auch die aktuelle innenpolitische Entwicklung in Äthiopien gegen eine Verfolgungsgefahr des Antragstellers. Als Folge des vom amtierenden Premierminister Abiy Ahmed Ali seit seinem Amtsantritt im April 2018 eingeleiteten Reformprozesses habe sich die Situation für Oppositionelle in Äthiopien grundlegend geändert. Abiy habe ausdrücklich auf die besondere Bedeutung eines politischen Pluralismus für eine funktionierende Demokratie hingewiesen, er habe Tausende von Oppositionellen aus der Haft entlassen. Abiy habe damit eine Abkehr von der repressiven Politik seiner Vorgänger vollzogen und die Kriminalisierung von Regierungskritikern faktisch beendet. Zahlreiche Oppositionelle seien daraufhin nach Äthiopien zurückkehrt, so dass die Annahme begründet sei, dass oppositionelle Tätigkeiten in Äthiopien nicht (mehr) zu flüchtlingsrelevanten Verfolgungsmaßnahmen führen würden. Dies gelte auch unter Berücksichtigung der aktuellen Auseinandersetzungen zwischen Fano und den äthiopischen Sicherheitskräften. Bei diesen handele es sich in erster Linie um bewaffnete Übergriffe, auf die der äthiopische Staat im Rahmen der allgemeinen Gefahrenabwehr bzw. der Strafverfolgung reagiere. Es spreche aus den bisherigen Erkenntnismitteln nichts dafür, dass bei Personen, die ihre Sympathie mit Fano und deren Zielen bekunden würden, eine andere Bewertung geboten sei. Die Festnahmen von Amharen, von denen im Zusammenhang mit der Verhängung des Ausnahmezustands berichtet worden sei, sollten willkürlich erfolgt sein. Von einer Inhaftierung dieser Personen, weil sie ihre Sympathie mit Fano bekundet hätten, sei demnach nicht auszugehen. Gegen die Gefahr einer Verfolgung des Antragstellers spreche schließlich auch, dass Fano von der äthiopischen Regierung zumindest bislang nicht als Terrororganisation eingestuft worden sei. Der Asylfolgeantrag sei damit als unzulässig abzulehnen gewesen, da mangels eines Wiederaufnahmegrundes kein weiteres Verfahren durchzuführen gewesen sei.
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Die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG seien im vorliegenden Fall ebenfalls nicht gegeben. Habe das Bundesamt im ersten Asylverfahren unanfechtbar festgestellt, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG nicht bestehen würden, so sei im Rahmen einer erneuten Befassung mit § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG im Folgeantragsverfahren zunächst zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 51 VwVfG vorlägen (wurde weiter zum rechtlichen Maßstab ausgeführt). Der Wiederaufgreifensgrund der Sachlagenänderung nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG sei im vorliegenden Fall nicht gegeben. Gründe, die unabhängig von den Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG eine Abänderung der bisherigen Entscheidung zu § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG gemäß § 49 VwVfG rechtfertigen würden, lägen ebenfalls nicht vor.
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Bei Rückkehr nach Äthiopien könne im Allgemeinen von der Gewährleistung des Existenzminimums ausgegangen werden. In den vergangenen Jahren habe sich Äthiopien zu einer der am schnellsten wachsenden Ökonomien entwickelt (wurde weiter ausgeführt).
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Zu beachten sei auch, dass nach den allgemein bekannten familiären und gesellschaftlichen Strukturen in Äthiopien vom Vorhandensein gegenseitiger Hilfe durch Familie, Großfamilie, Clan oder andere sich unterstützende Netzwerke auszugehen sei. Gegenteilige Behauptungen würden grundsätzlich sowohl den zuvor dargelegten Erkenntnissen als auch der allgemeinen Lebenserfahrung widersprechen.
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Auch vor seiner Ausreise aus Äthiopien sei es dem Antragsteller gelungen, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Es sei nicht ersichtlich, warum dies nicht auch bei einer Rückkehr nach Äthiopien wieder der Fall sein sollte (wurde weiter zu Rückkehrhilfen ausgeführt). Seitens des Antragstellers seien keine Umstände vorgetragen worden, die zu einem vom Erstverfahrensbescheid differierenden Ergebnis bezüglich der Feststellung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG führen würden. Ferner seien solche Umstände dem Bundesamt auch nicht bekannt. Nach Erkenntnissen des Bundesamts sei der Antragsteller gesund und erwerbsfähig und könnte sich somit bei Rückkehr nach Äthiopien zumindest das Existenzminimum erwirtschaften.
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Einer erneuten Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung bedürfe es gemäß § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG nicht. Die erlassene Abschiebungsandrohung sei weiter gültig und vollziehbar.
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Mit Schreiben vom 04.11.2025, an das Verwaltungsgericht Bayreuth unvollständig vorab per Fax übermittelt am selben Tag und vollständig als Zweitschrift per Post eingegangen bei Gericht am 07.11.2025, hat der Antragsteller Klage erhoben (Az. B 7 K 25.32504) und zugleich einen Eilantrag „gemäß § 123 VwGO“ gestellt mit folgendem Inhalt:
I. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, die Mitteilung gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG einstweilen zurückzunehmen und der Ausländerbehörde mitzuteilen, dass ein Asylfolgeverfahren durchgeführt wird,
hilfsweise,
dass das Vorliegen von Abschiebungsverboten geprüft wird.
II. Sollte das Gericht der Auffassung sein, dass ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO das richtige Rechtsmittel sei, werde hilfsweise beantragt,
Die aufschiebende Wirkung dieser Klage wird angeordnet.
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Zur Begründung des Eilantrags und der Klage wird im Wesentlichen ausgeführt, dass das Bundesamt mit dem angefochtenen Bescheid die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens abgelehnt habe, ohne eine neue Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung zu erlassen. Hiergegen richte sich die Klage. Die Sachverhalte, die der damaligen Beurteilung durch das Gericht zugrunde gelegen hätten, hätten sich jedoch maßgebend geändert, vor allem in den letzten Monaten.
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Zur Begründung der nach Auffassung des Antragstellers geänderten Lage bezieht er sich u.a. auf den Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe (SFH) vom 11.07.2025: Äthiopien: Situation in Weldiya (Amhara), Behandlung mutmaßlicher Fano-Unterstützer (Anlage K 1), einen auf zdfheute.de veröffentlichten Bericht von Susann von Lojewski vom 26.04.2025: Menschenrechte in Äthiopien: Vom Nobelpreisträger zum Kriegstreiber (Anlage K 2) und der jeweils darin bezeichneten weiteren Quellen. Die Lage dort sei eskaliert.
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Aus den weiteren beigefügten Anlagen (diese stellen im Wesentlichen die bereits mit der schriftlichen Begründung des Folgeantrags vorgelegten Dokumente des VAD (Anlage K 3), BeAWWA (Anlage K 4) und der „AFPO“ (Anlage K 5) dar) führt der Antragsteller zu einer seiner Auffassung nach bestehenden exponierten Stellung seinerseits im Wesentlichen Folgendes aus:
- Aus der beigefügten „Anlage K 3“ (ausdrücklich vom Antragsteller so bezeichnet) ergebe sich, dass er selbst an politischen Aktivitäten der AFPO beteiligt gewesen sei. Seit seiner Ankunft in Deutschland habe er sich organisatorisch und strategisch als aktives Mitglied in der Amhara Diaspora engagiert. Er habe friedliche Demonstrationen gegen Menschenrechtsverletzungen in Äthiopien organisiert, Öffentlichkeitsarbeit und politische Aufklärung betrieben und Verbrechen gegen die Amhara-Bevölkerung dokumentiert. Seine Aktivitäten seien öffentlich dokumentiert und seien nachweislich von den äthiopischen Geheimdiensten registriert. Die Stellungnahme bestätige, dass rückkehrende Aktivisten in Äthiopien systematisch verfolgt und schwer bestraft werden würden.
- Anlage K 4 lasse sich entnehmen, dass der Antragsteller einer der führenden Unterstützer der BeAWWA sei und gewesen sei und dass im Falle einer Deportation nach Äthiopien sein Leben in unmittelbarer Gefahr wäre. Die Regierung fahre damit fort, Menschen, die für oppositionelle Aktivitäten bekannt seien, zu verfolgen. Der Unterzeichner des Schreibens, M. …A.., bestätige, dass der Antragsteller wegen seiner humanitären und politischen Arbeit sehr bekannt sei. Dem Antragsteller drohe eine unmenschliche Behandlung. Er werde entweder außergerichtlich hingerichtet oder in einem politisch motivierten Schauprozess mit der Todesstrafe bestraft. Dies sei bereits in zahlreichen anderen Fällen dokumentiert. Dies belege die Stellungnahme in Anlage K 4.
- Der Anlage K 5 lasse sich erstens entnehmen, dass die Situation in Äthiopien weiterhin sehr viel schlechter geworden sei und zweitens, dass der Antragsteller nach seiner Flucht wegen politischer Aktivitäten die Arbeit im Exil fortgesetzt habe. Der Regierung sei diese Tatsache vollständig bekannt.
38
Der Antragsteller sei seit 2016 im Bundesgebiet. Sein Asylantrag sei damals abgelehnt worden. Er sei vor sieben Jahren zuletzt angehört worden. In den sieben Jahren habe sein Heimatland Äthiopien einen blutigen Krieg erlebt. Zusätzlich zum Krieg begehe das aktuelle Regime Völkermord an den Amhara. Sie, das amharische Volk, würden gegen das System kämpfen, welches sie töte. Da der Antragsteller entlarvt worden sei, würde ihn die Völkermordtruppe, die sich in Äthiopien Mengistu nenne, verhaften, foltern und töten. An dieser Stelle verweist der Antragteller auf die Existenz eines Videos.
39
Zusammenfassend lasse sich sagen, dass der Antragsteller vielen als externer Koordinator und Mitglied des Organisationskomitees der „Amhara Fano Volksorganisation in Wollo Bet, Provinz Amhara“ bekannt sei.
40
Mit Schriftsatz vom 07.11.2025 beantragt das Bundesamt für die Antragsgegnerin, den Antrag nach § 80 Abs. 5 oder § 123 VwGO abzulehnen.
41
Zur Begründung bezieht sich das Bundesamt auf die angefochtene Entscheidung.
42
Mit Schriftsatz vom 14.11.2025 zeigte sich zur Vertretung des Antragstellers unter Vorlage einer auf den 13.11.2025 datierenden Vollmacht der hiesige, bevollmächtigte Rechtsanwalt an. Zudem wurden zwei Unterlagen eingereicht: Schreiben der Amhara Union in … vom …11.2025 (Betreff: Dringender Appell zum Schutz von Herrn ….) und ein Schreiben des Joint Council of Amhara Struggle (JCAS) vom …11.2025 (Betreff: Letter of Support for Mr. … Application for Permanent Residency in Germany). Auf deren Inhalte wird Bezug genommen.
43
Mit Schreiben vom 19.11.2025 teilte der Antragsteller selbst mit, er zeige an, dass er in den hiesigen Asylstreitigkeiten von Frau C. …H. …, …, …, … vertreten werde. Anbei sei eine auf Frau C. …H. … lautende Vollmacht. Frau H. … habe die Befähigung zum Richteramt und sei somit gemäß § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 VwGO vertretungsberechtigt. Die Tätigkeit stehe nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit. In der anliegenden auf den 02.10.2025 datierenden Vollmacht, welche maschinenschriftlich vorgedruckt ist, wurden im Feld „Bevollmächtigte/r“ handschriftlich die Namen B. …S. …, C. …H. … und A. …S. … eingetragen. Das danebenliegende Adressfeld lautete auf …, …, … Mit Schreiben vom 21.11.2025 wandte sich das Gericht zur Aufklärung der Vertretungssituation und mit Fristsetzung bis 01.12.2025 an den bevollmächtigten Rechtsanwalt. Es wurde um Glaubhaftmachung der Vertretungsberechtigung der ausdrücklich als Vertreterin benannten Frau C. …H. … gebeten. Zugleich wurde jeweils ein Abdruck an Frau S. …, Frau H. … und Frau S. … übersandt.
44
Mit Schriftsatz vom 27.11.2025 teilte der bevollmächtigte Rechtsanwalt zur Vertretungssituation mit, dass die Vertretung des Antragstellers ausschließlich durch den Rechtsanwalt erfolge. Weitere Vertreter gebe es nicht. Die entstandene Verwirrung und die dadurch verursachte Mehrarbeit des Gerichts bitte er zu entschuldigen. Diese beruhe maßgeblich auf einer fehlerhaften Kommunikation mit Frau H. … Mit dem Schriftsatz wurde ebenfalls noch ein Schreiben der Amhara Association in Seattle vom …11.2025 übersandt (Betreff: Urgent Request for Protection and Asylum for Mr. ….). Auf dessen Inhalt wird Bezug genommen. Eine Reaktion von Frau H. … oder einer anderweitigen Person auf das Schreiben des Gerichts vom 21.11.2025 erfolgte nicht.
45
Mit Schriftsatz vom 05.11.2025 hat der bevollmächtigte Rechtsanwalt nochmals Eilantrag und Klage beim Verwaltungsgericht Bayreuth erhoben (B 7 S 25.32519 und B 7 K 25.32520), worauf der Bevollmächtigte sodann von Seiten des Gerichts auf das Vorliegen eines sog. „Doppelantrags“ bzw. „-klage“ hingewiesen wurde. Hierauf wurden der dortige Antrag und die Klage jeweils mit Schriftsatz vom 14.11.2025 zurückgenommen und die Verfahren eingestellt.
46
Im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Bundesamtsakten Bezug genommen.
II.
47
1. Der Antrag des Antragstellers, eine Anordnung nach § 123 VwGO zu erlassen und hilfsweise die aufschiebende Wirkung dieser Klage anzuordnen, ist in dem Sinne zu verstehen, dass es sich bei den dem Wortlaut nach zwei Anträgen um in Wahrheit einen einzigen Antrag nach § 123 VwGO handelt.
48
Die Aufnahme der beiden Antragsarten im Wortlaut der Antragsschrift (in I. der Anträge formuliert nach § 123 VwGO, in II. der Anträge formuliert nach § 80 Abs. 5 VwGO) trägt bei sachgerechter Auslegung, vgl. §§ 122 i.V.m. 88 VwGO, lediglich dem Umstand Rechnung, dass es in Rechtsprechung und Literatur unterschiedliche Auffassungen zur statthaften Antragsart im Zusammenhang von Folgeanträgen gibt (vgl. VG Göttingen, B.v. 14.10.2025 – 3 B 768/25 – juris Rn. 20 ff. m.w.N.). Der sich der Disposition des Antragstellers entziehende Streit hierüber kann diesem nicht zum Nachteil gereichen.
49
Der beschließende Einzelrichter schließt sich der Auffassung an, dass auch nach der Neufassung des § 71 Abs. 5 Satz 3 AsylG nicht ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, sondern – aus Gründen einer praktischen und damit besseren Rechtsschutzintensität und unter Übertragung der sonstigen Besonderheiten (Antragsfrist, Entscheidungsmaßstab der ernstlichen Zweifel, vgl. § 71 Abs. 4 AsylG) – ein Antrag nach § 123 VwGO statthaft ist (vgl. ebenfalls und umfassend VG Göttingen, B.v. 14.10.2025 – 3 B 768/25 – juris Rn. 18 ff.; VG Karlsruhe, B.v. 3.11.2025 – A 13 K 10026/25 – juris Rn. 5; a.A. etwa VG Düsseldorf, B.v. 17.4.2024 – 4 L 784/24.A – juris).
50
Nach sachdienlicher Auslegung begehrt der Antragsteller daher in I. und II. seiner Anträge einzig, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der zuständigen Ausländerbehörde mitzuteilen, dass seine Abschiebung nach Äthiopien nicht vor rechtskräftiger Entscheidung über seine Klage (B 7 K 25.32504) gegen den Bescheid des Bundesamts vom 29.10.2025 erfolgen darf, dies im Hauptverhältnis gestützt auf die nach Auffassung der Klagepartei bestehende Rechtswidrigkeit der Unzulässigkeitsentscheidung, hilfsweise mit der Behauptung des Bestehens von Abschiebungsverboten.
51
2. Der so verstandene, zulässige – insbesondere mit Nachreichung der vollständigen Antragsschrift am 07.11.2025 betreffend die Klage gegen den am 31.10.2025 zugestellten Bescheid vom 29.10.2025 innerhalb der Wochenfrist formwirksam gestellte – Antrag (vgl. § 71 Abs. 4 Halbs. 1 i.V.m. § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG) hat in der Sache vollumfänglich keinen Erfolg.
52
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes treffen, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Die besondere Dringlichkeit (Anordnungsgrund) einer solchen Entscheidung sowie ein Anspruch auf die in der Hauptsache begehrte Entscheidung (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen (§§ 123 Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2, 294 ZPO).
53
Dem Antragsteller steht ein Anordnungsanspruch unter Zugrundelegung der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG, nicht zu. Nach § 71 Abs. 4 i.V.m. § 36 Abs. 4 AsylG müssen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen.
54
Zuvörderst wird vollumfänglich auf den streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen (vgl. § 77 Abs. 3 AsylG). Ergänzend ist das Folgende auszuführen:
55
a) Es bestehen hier keine ernstlichen Zweifel an der Unzulässigkeitsentscheidung (Ziffer 1 des in der Hauptsache angefochtenen Bescheids).
56
Nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn im Falle eines Folgeantrags nach § 71 AsylG ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist. Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags erneut einen Asylantrag (Folgeantrag), so ist nach § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG in der seit 27.02.2024 geltenden Fassung ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn neue Elemente oder Erkenntnisse zutage getreten oder vom Ausländer vorgebracht worden sind, die mit erheblicher Wahrscheinlichkeit zu einer für den Ausländer günstigeren Entscheidung beitragen, oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO gegeben sind und der Ausländer ohne eigenes Verschulden außerstande war, die Gründe für den Folgeantrag im früheren Asylverfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt.
57
Dabei ist im Rahmen der Auslegung von § 71 AsylG die Asylverfahrensrichtlinie zu berücksichtigen. Nach Art. 40 Abs. 2 und 3 der Asylverfahrensrichtlinie gehören zu den „neuen Elementen oder Erkenntnissen“, die „zutage getreten oder vom Antragsteller vorgebracht worden sind“ nicht nur solche, die nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens über den früheren Antrag auf internationalen Schutz eingetreten sind, sondern auch solche, die bereits vor Abschluss des Verfahrens existierten, aber vom Antragsteller nicht geltend gemacht wurden (vgl. EuGH, U.v. 9.9.2021 – C-18/20 – Rn. 44). Die Regelung des § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG, wonach der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande gewesen sein muss, den Grund für das Wiederaufgreifen bereits in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen, ist von Art. 40 Abs. 4 der Asylverfahrensrichtlinie gedeckt (vgl. EuGH, U.v. 9.9.2021 – C-18/20 – juris Rn. 51 f., 65 ff.). Dagegen ist die zeitliche Ausschlussfrist des § 51 Abs. 3 VwVfG von drei Monaten im Rahmen von Folgeanträgen nach § 71 AsylG wegen eines Verstoßes gegen Art. 40 Abs. 3 Satz 1 der Asylverfahrensrichtlinie nicht anzuwenden (vgl. EuGH, U.v. 9.9.2021 – C-18/20 – juris Rn. 45 ff., 61; VG Freiburg, U.v. 27.9.2021 – A 14 K 6699/18 – juris Rn. 52).
58
Unter Zugrundelegung dieser Voraussetzungen hat der Antragsteller keine solchen Umstände glaubhaft gemacht, die ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ablehnung seines Antrags auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens als unzulässig begründen. Die Voraussetzungen für die Durchführung eines Folgeverfahrens liegen nicht vor.
59
aa) Der Antragsteller hat auch unter Zugrundelegung seines durch die eingereichten Unterlagen unterfütterten, neuen Sach- und Rechtsvortrags keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 4 AsylG.
60
Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Nr. 2 oder 3 AufenthG oder das Bundesamt hat nach § 60 Abs. 8a oder 8b AufenthG von der Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG abgesehen.
61
Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28.07.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, wenn er sich (Nr. 1) aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Nr. 2) u.a. außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, (Buchst. a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will.
62
Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer bei einer hypothetischen Rückkehr die entsprechenden Gefahren auf Grund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 31/18 – juris Rn. 16 ff.). Dabei sind gewisse Prognoseunsicherheiten als unvermeidlich hinzunehmen und stehen einer Überzeugungsbildung nicht grundsätzlich entgegen, wenn eine weitere Sachaufklärung keinen Erfolg verspricht. Die Annahme einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit darf aber nicht unter Verzicht auf die Feststellung objektivierbarer Prognosetatsachen auf bloße Hypothesen und ungesicherte Annahmen gestützt werden (BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 31/18 – juris Rn. 22).
63
Nach § 3e Abs. 1 AsylG wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er (Nr. 1) in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und (Nr. 2) sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.
64
An diesen Grundsätzen gemessen hat der Antragsteller im Rahmen seines Folgeantrags und gemessen an der zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bestehenden Erkenntnislage in Hinblick auf Äthiopien als dessen Herkunftsland i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) AsylG zur Überzeugung des beschließenden Einzelrichters eine flüchtlingsrelevante Bedrohungssituation nicht glaubhaft gemacht.
65
Bei dem Antragsteller handelt es sich um einen äthiopischen Staatsangehörigen vom Volke der Amharen mit Bezug zur Amhara-Region (Dorf A. … in Grenznähe zum Sudan). Seinen Folgeantrag stützt der Antragsteller im Wesentlichen auf seine Volkszugehörigkeit und seine exilpolitische Betätigung im Rahmen von sich für die Belange der Amharen einsetzenden Organisationen und/oder der Fano-Miliz, die er durch eingereichte Unterlagen untermauert.
66
1) Eine Gruppenverfolgung der Ethnie der Amharen ist in Äthiopien nach derzeitiger Lage nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit festzustellen.
67
Auch wenn in Äthiopien seit der Einführung eines ethnischen Föderalismus und der damit verbundenen Abkehr von der Tradition einer starken Zentralisierung und Dominanz der amharischen Volksgruppe ethnische Konflikte schon seit einiger Zeit zugenommen haben (vgl. etwa Auswärtiges Amt vom 24.04.2020, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Äthiopien, S. 7 und 13), ist gegenwärtig weder ein gegen Amharen gerichtetes Verfolgungsprogramm der äthiopischen Regierung festzustellen noch lässt sich eine – ggf. regional oder örtlich begrenzte (vgl. Bergmann, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2022, Art. 16a GG Rn. 48) – Gruppenverfolgung aufgrund einer feststellbaren Verfolgungsdichte annehmen; bei einem Anteil der Amharen von ca. 27 Prozent an der Bevölkerung Äthiopiens (Auswärtiges Amt vom 19.07.2024, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Äthiopien, S. 12) bedürfte dies auch einer besonderen Begründung. Eine nach Hautfarbe, Herkunft oder Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe diskriminierende Gesetzgebung oder Verwaltungspraxis ist nicht feststellbar. Soweit es jedoch nicht verifizierbare Berichte gibt, dass kleinere indigene Gruppen in der Praxis diskriminiert würden (Auswärtiges Amt vom 19.07.2024, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Äthiopien, S. 11 f.), gehören die Amharen schon aufgrund ihrer zahlenmäßigen Stärke nicht dazu. Amharisch ist wohl nach wie vor Sprache der Bundesregierung; sie wird aber nicht mehr landesweit in den Schulen als erste Sprache unterrichtet, da Schulunterricht in der jeweiligen Regionalsprache stattfindet. Im März 2020 hat die äthiopische Regierung vier zusätzliche Arbeitssprachen (Afan Oromo, Afar, Somali und Tigrinya) zur Förderung der nationalen Einheit eingeführt (Auswärtiges Amt vom 19.07.2024, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Äthiopien, S. 11 f.).
68
Nicht übersehen wird der derzeit in der Amhara-Region stattfindende bewaffnete Konflikt zwischen der Fano-Miliz, einer ethno-nationalistischen Jugendbewegung, die sich seit dem Jahr 2010 aus den Protesten gegen die damals noch von der Tigray People's Liberation Front (TPLF) dominierenden Zentralregierung entwickelte und sich als Vertreterin der Amharen sieht, und den Streitkräften der äthiopischen Regierung (Ethiopian National Defense Forces – ENDF). Im sogenannten Tigray-Konflikt, der durch ein Friedensabkommen Ende 2022 formal beendet wurde, kämpften die Fano an der Seite der ENDF und anderer Kräfte aus der Amhara-Region. Die Fano waren auch maßgeblich an der ethnischen Säuberung von West- und Südtigray beteiligt. Der Ausschluss der amharischen Fano-Milizen von den Friedensverhandlungen zwischen Regierung und der TPLF hat die Beziehungen zwischen diesen Milizen und der Regierung verschärft. Der im April 2023 erfolgte Versuch der Regierung, die regionalen amharischen Spezialkräfte aufzulösen, hat dann endgültig zum Konflikt zwischen den Streitkräften der Bundesregierung und den Fano-Milizen geführt. Ein Großteil der regionalen amharischen Kräfte trat den Fano bei. Zwischen den Milizen und der ENDF kam es ab dann zu Zusammenstößen bzw. Scharmützeln in Amhara. Im August 2023 führten die Fano dann aber einen großangelegten Angriff, um die wichtigsten Städte der Region unter ihre Kontrolle zu bringen, was kurzzeitig auch gelungen ist. Als Reaktion darauf erklärte die äthiopische Regierung am 04.08.2023 den Ausnahmezustand in Amhara. Trotz der offiziellen Aufhebung des Ausnahmezustands im Juni 2024 bleibt die Sicherheitslage instabil. Der Ausnahmezustand führte zu Menschenrechtsverletzungen gegen die Bevölkerung, darunter außergerichtliche Hinrichtungen, Vergewaltigungen, Folter und willkürliche Inhaftierungen durch Regierungssicherheitskräfte. Quellen schätzen, dass es zwischen April 2023 und April 2025 in der Region Amhara mindestens 7.700 Todesopfer durch den Konflikt gegeben hat; dies entspricht 0,03 Prozent der geschätzten 23 Millionen Einwohner. Sowohl die Regierungstruppen als auch die Fano haben Menschenrechtsverletzungen begangen. Es kommt auch im Jahr 2025 zu bewaffneten Zusammenstößen – vor allem in ländlichen Gebieten. Dabei haben sich Kämpfe zwischen der Armee und den Fano-Milizen auf alle Gebiete der Region Amhara ausgeweitet. Die meisten Gefechte ereigneten sich in Nord-Shewa, Ost-Gojam, West-Gojam, Süd-Gondar, West-Gondar, Awi, der Oromo-Sonderzone und Nord-Wollo. Insgesamt wird der Konflikt in Amhara derzeit zum großen Teil im ländlichen Raum geführt – als Guerillakrieg mit sogenannten Hit-and-Run-Angriffen, Checkpoints an wichtigen Straßen und fallweisem Eindringen in größere Stadtgebiete. Die Fano sind in ländlichen Gebieten konzentriert und kontrollieren diese. Gemäß Fano kontrolliert die Gruppe rund 80 Prozent von Amhara, die Regierung hingegen die wichtigsten Städte und Straßen. Die Regierung hat hingegen im April 2025 angegeben, mehr als die Hälfte Amharas „befreit“ zu haben. Die Milizen blockieren jedenfalls die Hauptstraßen und lähmen das Land. Es kommt aber häufig auch zu Gefechten mit der Armee um die Kontrolle über Städte, sogar in Bahir Dar und Gondar. Dort führen die Milizen zudem Angriffe durch, die sich insbesondere gegen Politiker und Beamte richten. Erst im April 2025 haben die Fano ihre Angriffe auf Sicherheitskräfte verstärkt und es ist ihnen mehrmals gelungen, Städte in Amhara kurzzeitig einzunehmen. Auf Vorstöße in Städte reagieren die Sicherheitskräfte mit Gewalt – auch gegen Zivilisten. Bei Luftangriffen der äthiopischen Regierung auf die Fano-Milizen kommt es wiederholt zu Opfern unter Zivilisten (zum Ganzen Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Äthiopien, Gesamtaktualisierung am 05.09.2025, S. 9 ff.). Die Lage in der Amhara-Region bleibt weiterhin angespannt und ist von gegenseitigen – teils auch massiven – Angriffen und Anschuldigungen der Konfliktparteien gekennzeichnet (vgl. BAMF-Briefing Notes vom 27.10.2025).
69
Nach Bewertung der vorgenannten Lage durch den beschließenden Einzelrichter zielt die äthiopische Regierung damit nicht darauf ab, gegen die amharische Bevölkerungsgruppe als solche vorzugehen (vgl. ebenso VG Frankfurt a.M., U.v. 12.3.2025 – 5 K 4412/24.F.A – juris). Die Betroffenheit von Amharen ist vielmehr als Reflex des Konfliktes der Regierung mit den in der Amhara-Region und unter den Amharen ansässigen Fano-Milizen einzuordnen. Im Rahmen dieses Konflikts kommt es zwangsläufig auch zu Schadensereignisses, die auf Kosten der dort lebenden Bevölkerung gehen. Dieses Vorgehen ist rechtsstaatlich in höchstem Maße kritikwürdig (vgl. so ausdrücklich VG Frankfurt a.M., U.v. 12.3.2025 – 5 K 4412/24.F.A – juris).
70
Soweit vom Antragsteller in den von ihm vorgelegten Stellungnahmen von Ahmara-Verbänden sinngemäß behauptet wird, dass äthiopische Sicherheitskräfte systematisch gegen die amharische Bevölkerung vorgehen würde (vgl. die Stellungnahme des VAD vom …10.2025), muss zugleich erwähnt werden, dass sich die Fano-Milizen in zahlreiche, lose Gruppierungen unterteilen und diese eben hauptsächlich unter der amharischen Bevölkerung rekrutieren (vgl. SFH, Äthiopien: Lage in der Region Amhara, 08.09.2025, S. 9), was die mittelbare Betroffenheit der amharischen Bevölkerung – von einzelnen Exzessen abgesehen – ohne Weiteres erklärbar macht. Eine systematische Verfolgung der Amharen aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit ist damit nicht festzustellen (vgl. UK Home Office, Country Policy and Information Note, Ethiopia: Amhara and Amhara opposition groups, 24.06.2025, S. 6 und 10).
71
2) Auch auf den Nachfluchtgrund der exilpolitischen Betätigung kann sich der Antragsteller nicht mit Erfolg berufen. Zwar ermöglicht § 28 Abs. 1a AsylG die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auch dann, wenn die begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG auf Ereignisse beruht, die eingetreten sind, nachdem der Ausländer sein Herkunftsland verlassen hat. Nach Überzeugung des Einzelrichters ist es aber auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht beachtlich wahrscheinlich, dass dem Antragsteller bei einer Rückkehr nach Äthiopien eine Verfolgung wegen seiner exilpolitischen Betätigung in der Bundesrepublik Deutschland drohen würde.
72
2.1) Das Gericht ist bereits vor dem politischen Umbruch in Äthiopien im Jahr 2018 davon ausgegangen, dass nicht jede, wie auch immer geartete, Form der Betätigung für eine der zahlreichen exilpolitischen Gruppen in der äthiopischen exilpolitischen Szene im Ausland bei einer Rückkehr nach Äthiopien zu einer beachtlichen Verfolgungsgefahr führt. Vielmehr kommt bzw. kam es für die Feststellung des relevanten Gefährdungsgrades grundsätzlich darauf an, ob eine Organisation von den äthiopischen Stellen etwa als terroristisch eingestuft wird und in welcher Art und in welchem Umfang der oder die Betreffende sich im Einzelfall exilpolitisch tatsächlich und wahrnehmbar betätigt hat. Jedenfalls seit dem politischen Umbruch im Frühjahr 2018 kann auch nach der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht (mehr) angenommen werden, dass äthiopische Staatsangehörige aufgrund ihrer exilpolitischen Tätigkeit, etwa weil sie (einfaches) Mitglied einer exilpolitischen Organisation sind oder waren oder weil sie diese Organisation durch die Teilnahme an Demonstrationen oder Versammlungen unterstützt haben, im Fall ihrer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgungsmaßnahmen bedroht sind. Die Entwicklungen in Äthiopien sprechen sogar dafür, dass selbst solchen Äthiopiern, die sich in herausgehobener Art und Weise exilpolitisch in Deutschland engagieren, nicht mehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgungsgefahr droht, sondern dass dies allenfalls in besonders gelagerten Ausnahmefällen (noch) beachtlich wahrscheinlich erscheint. Auch wenn die Reformbewegungen inzwischen teilweise Rückschläge erlitten haben, ist aktuell jedenfalls nicht davon auszugehen, dass eine (einfache) Mitgliedschaft in einer in Deutschland exilpolitisch tätigen Organisation, die in Äthiopien nicht als Terrororganisation eingestuft ist, bzw. in einer ihr nahestehenden Organisation bei einer Rückkehr nach Äthiopien negative Auswirkungen bzw. staatliche Sanktionen nach sich zieht (vgl. VG Bayreuth, U.v. 25.7.2023 – B 7 K 23.30511 – juris Rn. 41 m.w.N.; VG Frankfurt a.M., U.v. 12.3.2025 – 5 K 4412/24.F.A – juris).
73
In die anzustrengende Einzelfallbetrachtung sind hier insbesondere folgende Risikofaktoren einzustellen: eine tatsächliche oder vermeintliche Unterstützung für Fano, familiäre Verbindungen zu Mitgliedern und/oder Anhängern von Fano, eine tatsächliche oder vermeintliche Zugehörigkeit zu unbewaffneten amharischen Oppositionsgruppen und öffentliche Kritik an der Regierung (vgl. SFH, Äthiopien: Lage in der Region Amhara, 08.09.2025, S. 9; UK Home Office, Country Policy and Information Note, Ethiopia: Amhara and Amhara opposition groups, 24.06.2025, S. 6 f.).
74
2.2) Gemessen hieran erweist sich das exilpolitische Engagement des Antragstellers als gering bzw. einfach, jedenfalls erreicht es unter Zugrundelegung und Würdigung der Umstände des Einzelfalles zur Überzeugung des beschließenden Einzelrichters nicht das Niveau, dass die beachtliche Wahrscheinlichkeit bestehen würde, dass der äthiopische Staat bei prognostizierter Rückkehr des Antragstellers nach Äthiopien ein Interesse an seiner Person haben würde.
75
Die vom Antragsteller vorgetragene exilpolitische Tätigkeit erschöpft sich in der Öffentlichkeitsarbeit für die Fano-Miliz und andere Organisationen, die die Interessen der Amharen vertreten. Hierfür nutze der Antragsteller diverse Social-Media-Plattformen (Facebook, Telegram und TikTok) und organisiere Online-Meetings (z.B. über Zoom) und Demonstrationen. Dies stellt für sich betrachtet ohne Weiteres einen in die Abwägung einzustellenden abstrakt, risikobehafteten Umstand dar. Jedoch ist nicht ersichtlich, dass der Antragsteller dort mit Klarnamen auftreten würde oder seine Profile ein (öffentlich einsehbares) Bild seiner Person oder sonstige offengelegte, personenbezogene Daten enthalten würden, sodass bereits deshalb eine Rückverfolgbarkeit auf die Person des Antragstellers fernliegt. Eine „offene Kampagne“ und „unverblümte Kritik“, welche ihm in der Stellungnahme der Amhara Union in …Deutschland e.V. vom …11.2025 attestiert wird, kann von Seiten des Einzelrichters nicht festgestellt werden.
76
Das erwähnte TikTok-Profil „…“ (Treffer unter „…“), dessen Inhaber der Antragsteller sei und unter dem der Antragsteller schon länger bekannt sei, enthält diverse Beiträge in Form von Videos, in denen verschiedenste – mangels Verhüllung durchaus aus identifizierbare – Personen Aussagen (auch) im Zusammenhang und unter Einblendung von Emblemen der Fano oder anderer amharischer Organisationen tätigen (vgl. Beitrag vom …01.2024). Soweit ersichtlich, trifft dies jedoch nicht auf den Antragsteller selbst zu. Das Profilbild enthält einen Schriftzug und kein Bild des Antragstellers. Der Account hat zwar um die 4.000 Follower (Stand: 02.12.2025), jedoch sind in die Betrachtung auch die Aufrufzahlen der jeweiligen Beiträge einzustellen. Letztere liegen bei den meisten Beiträgen zwischen etwa 100 bis 400, einzig der Beitrag vom …11.2024 ragt mit bisher 1.389 Aufrufen heraus (Stand: 02.12.2025). Unter Zugrundelegung der von Antragstellerseite hauptsächlich adressierten Zuschauerschaft, namentlich Amharen, von denen nach einer Schätzung aus dem Juli 2025 derzeit etwa 23 Millionen in Äthiopien leben (vgl. UK Home Office, Country Policy and Information Note, Ethiopia: Internal Relocation, 09.09.2025, S. 16), kann die erzielte Wirkung der Beiträge in der Öffentlichkeit, welche einen maßgeblichen Faktor in der obigen Bewertung darstellt, daher wohl als marginal betrachtet werden. Ähnlich sind die dem Gericht vorliegenden Hinweise der Betätigung des Antragstellers auf Facebook (Gruppe mit 34 Mitgliedern) und Telegram (Gruppe mit 334 Mitglieder) einzuordnen. Auffällig ist, dass der älteste Beitrag auf dem vorgenannten TikTok-Profil vom …2021 und der neueste vom …2024 stammt, d.h. seit nun über einem Jahr auf dem Profil nichts mehr veröffentlicht wurde, was eine Verwaisung des Profils nahelegt und den Grad des Verfolgungsinteresses erheblich abmildert.
77
Der ebenfalls als vom Antragsteller für sich reklamierte TikTok-Account „…“ (Treffer unter „…“) hat weder ein Profilbild noch Beiträge noch Follower (Stand: 30.11.2025). Ebenfalls hat der Nutzer etwaige sogenannte „Likes“ (gemeinhin als Bekundung von Sympathie mit einem Beitrag eines anderen Nutzers verstanden) als nicht für die Öffentlichkeit sichtbar eingestellt. Die mangelnde Relevanz der – wenn überhaupt vorhandenen – Betätigung versteht sich hier von selbst.
78
Soweit der Antragsteller auf die Frage, woher die äthiopische Regierung von seiner exilpolitischen Tätigkeit wisse, in der Anhörung beim Bundesamt antwortete, er habe ständig Kontakte zu „diesen“ Leuten über Zoom, Instagram und WhatsApp, wird hieraus die Kenntnis äthiopischer Sicherheitsbehörden von der Person des Antragstellers nicht schlüssig vorgetragen. Das Gericht geht davon aus, mit „diesen“ Leuten sind die Unterzeichner der eingereichten Stellungnahmen der Exilorganisationen gemeint (vgl. die Reihenfolge der Fragen und Antworten auf S. 5 der Niederschrift der Anhörung vom …10.2025). Wie hieraus eine Kenntnis des äthiopischen Sicherheitsapparats resultieren solle, wird nicht erkennbar. Der Antragsteller räumt selbst ein, keine Belege für seine Annahme zu haben (vgl. S. 7 der Niederschrift der Anhörung vom …10.2025). Soweit der Antragsteller in diesem Zusammenhang von einer Bedrohung während einer Live-Übertragung auf TikTok berichtet, so scheint dieser Vorfall vereinzelt gewesen zu sein, eine Zuordnung der Drohung zum Regime ist jedenfalls nicht zur Überzeugung des Einzelrichters dargetan.
79
Soweit es die mit dem Antrag und der Klage vorgelegten Stellungnahmen diverser Organisationen betrifft (Anlagen K 3 bis 5, Schreiben der Amhara Union in …Deutschland e.V. vom …11.2025, Schreiben des JCAS vom …11.2025 und Schreiben der Amhara Association in Seattle vom …11.2025), muss von vornherein festgestellt werden, dass diese im Wesentlichen rein appellativen Charakter haben und sich in allgemeinen Ausführungen zur und Bewertung der Lage von Amharen in Äthiopien erschöpfen. Überdies muss Folgendes festgestellt werden:
80
Die Authentizität des Schreibens der „AFPO“ vom …10.2025 ist bereits erschüttert. Auffällig ist die objektiv unzutreffende Verwendung des Organisationskürzels im Schreiben selbst und die im Übrigen erfolgte Verwendung der Abkürzung in (eigenen) Erklärungen des Antragstellers. Objektiv steht AFPO für die Amhara Fano People’s Organization (z.B. https://zehabesha.com/statement-on-current-developments-by-the-amhara-fano-peoples-organaization-afpo/, zuletzt abgerufen am 30.11.2025). In dem vorgelegten Schreiben vom …10.2025 steht AFPO stattdessen für „Amhara Freedom and Protection Organization“. Eine Auswertung der Erkenntnismittel auf diese Organisationsbezeichnung lautend, auch über das Internet, blieb unergiebig. Im Schreiben des VAD vom …10.2025 und der Antrags- und Klageschrift wird die Organisationsabkürzung AFPO wiederum für „Amhara National Organization“ verwendet; unter der letzteren Bezeichnung tritt jedoch nach Auswertung der Erkenntnismittel ebenfalls keine Organisation auf. Lediglich der seit Mai 2025 gegründete Zusammenschluss einiger aufständischer Gruppierungen trägt den Namen „Amhara Fano National Force – AFNF“ (vgl. SFH, Äthiopien: Lage in der Region Amhara, 08.09.2025, S. 6). Die Unterschiede in der Bezeichnung sind derart erheblich, dass ein Übersetzungs- bzw. Übertragungsfehler ausgeschlossen werden kann. Auffällig ist auch folgender Umstand: Das Schreiben der „AFPO“ vom …10.2025 hat der Antragsteller nicht nur seinem Antrag bzw. Klage beigefügt, sondern bereits beim Bundesamt vorgelegt (vgl. Bl. 6 d. Akte zum Folgeantragsverfahren, Gz. ….). Das beim Bundesamt vorgelegte Schreiben enthält mehrere Stempel, eine Unterschrift und weitere maschinenschriftliche Angaben zur Funktion des Unterzeichners. Weder Stempel, noch Unterschrift noch die weiteren gedruckten Zeilen sind in der Fassung, die bei Gericht eingereicht wurde, vorhanden. Das Schreiben wurde damit jedenfalls unstreitig im Laufe der Zeit abgeändert, was zusätzliches Anzeichen für dessen mangelnde Authentizität ist.
81
Der beschließende Einzelrichter ist nicht davon überzeugt, dass es sich bei den in der vorgelegten Stellungnahme des BeAWWA mitgeteilten – überdies wiederum pauschalierenden Charakter aufweisenden – Ereignissen den Antragsteller betreffend nicht um selbst Erlebtes handelt, was den Aussagegehalt dieses Schreibens von vornherein abschwächt. In dem Schreiben ist davon die Rede, dass Familienmitglieder des Antragstellers auf tragische Weise getötet worden seien („… tragic killing of his family members“). Dies stimmt nicht mit der Aussage des Antragstellers überein, die er in der Anhörung beim Bundesamt abgegeben hat. Dort wird vom Antragsteller erklärt, es sei (lediglich) ein Bruder von ihm gestorben, dieser sei von der Regierung getötet worden (vgl. S. 3 und 8 der Niederschrift der Anhörung vom …10.2025). Dieser Widerspruch betrifft auch kein Randereignis, sondern einen Umstand, der ein maßgebliches Element in der Fluchtgeschichte darstellen würde und eine versehentlich Falschbezeichnung aus diesem Grund nicht glaubhaft erklärbar sein dürfte. Dass es sich um einen Übersetzungsfehler handeln würde, liegt ebenfalls fern. Denn das Schreiben selbst ist auf Englisch verfasst, von einem Vertreter der in den USA ansässigen Organisation (vgl. https://eintaxid.com/company/920702691-bete-amhara-wollo-worldwide-association-org-inc/, zuletzt abgerufen am 30.11.2025). Ebenfalls auffällig und sich nicht in die Fluchtgeschichte des Antragstellers widerspruchsfrei einfügend ist, dass in der Stellungnahme folgende Aussage getroffen wird: „Mr. … has faced severe political persecution in Ethiopia due to his involvement in humanitarian and community initiatives that were opposed by the current government. As one of our key supporters, he played an essential role in organizing aid for displaced and marginalized communities in die Wollo-Amhara region“. Der Antragsteller hat nach eigener Aussage im Erstantragsverfahren Äthiopien infolge von dort erlittenen Repressalien endgültig Ende 2015 verlassen (vgl. S. 3 der Anhörung zum Erstantrag am …07.2018). Der Regierungswechsel in Äthiopien fand dagegen im Jahr 2018 statt. Nach eigenen Angaben hat der Antragsteller seit seiner Ankunft in Deutschland exilpolitische Tätigkeiten aufgenommen. Dass der Antragsteller in Äthiopien bereits aufgrund seiner exilpolitischen Tätigkeiten, die mit dem vorgenannten Schreiben dargestellt werden sollen, verfolgt wurde („…has faced…“), dies überdies durch die aktuelle Regierung, ist in zeitlicher Hinsicht aufgrund des seither außerhalb von Äthiopien bestehenden Aufenthalts des Antragstellers ausgeschlossen.
82
Soweit es das Schreiben des JCAS vom …11.2025 betrifft und darin berichtet wird, der Antragsteller und seine Familie hätten persönlich unter der systematischen Verfolgung der Amharen in Äthiopien gelitten und – im Anschluss daran – der Antragsteller habe Erfahrungen aus erster Hand über u.a. Luftangriffe geteilt („He has shared firsthand accounts of aerial bombardments…“), so spiegelt sich dieser – sicherlich schicksalsträchtige und damit erwähnenswerte – Umstand an keiner Stelle in seiner dargelegten Fluchtgeschichte wider. Dies wird vom beschließenden Einzelrichter als Schilderung von nicht selbst Erlebtem gewertet.
83
In der Stellungnahme des VAD vom …10.2025 wird dem Antragsteller ein „Engagement in der Fano-Bewegung/Amhara National Organization (AFPO)“ und eine „Führungsrolle in der Diaspora“ bescheinigt. Hieran schließt sich die Behauptung an, dass die Aktivitäten des Antragstellers nachweislich von äthiopischen Geheimdiensten registriert worden seien. Konkreter wird das Schreiben nicht. Dass eine nachgewiesene Registrierung vorhanden sei, ist auch fernliegend, sonst hätte der Antragsteller selbst in seiner Anhörung beim Bundesamt auf die entsprechende Frage zu Beweisen/Belegen solche angegeben bzw. zumindest konkret auf die entsprechende Passage im zu dieser Zeit bereits vorhandenen und dem Antragsteller schon übersandten Schreiben hingewiesen; jedoch wurde die entsprechende Frage zum Vorhandensein von Beweisen bzw. Belegen vom Antragsteller ausdrücklich verneint (vgl. vgl. S. 7 der Niederschrift der Anhörung vom …10.2025).
84
Soweit die Familienmitglieder des Antragstellers in den Blick zu nehmen sind, trägt der Antragsteller nicht vor, dass diese bei Fano selbst aktiv (gewesen) seien. Die beiden Brüder des Antragstellers waren vom Antragsteller als sonstige Aufständische („shifta“) betitelt worden (vgl. S. 4 der Anhörung zum Erstantrag vom …07.2018). Dass sich in Bezug hierauf in der Zwischenzeit etwas geändert hätte (Unterstützung der Fano durch die Brüder) liegt fern. Dies wäre dann auch kein unerhebliches Randereignis mehr, dessen unterlassene Erwähnung objektiv nachvollziehbar mit einem Versehen in der Darlegung der Folgeantragsbegründung erklärt werden könnte.
85
Nach alledem ist der beschließende Einzelrichter im Rahmen der Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles nicht davon überzeugt, dass in Bezug auf die Person des Antragstellers eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit besteht.
86
3) Überdies – selbständig tragend – hat der Antragsteller eine interne Fluchtalternative (siehe die nachfolgenden Ausführungen zum subsidiären Schutz), vgl. § 3e Abs. 1 AsylG.
87
bb) Aufgrund der zu Recht erfolgten Versagung des Flüchtlingsschutzes ist der Antragsteller erst recht nicht asylberechtigt i.S.v. Art. 16a GG, der im Vergleich zum Flüchtlingsschutz nochmals gesteigerte Anforderungen aufstellt.
88
cc) Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG.
89
Es sind keine Gründe ersichtlich, dass ihm bei Einreise nach Äthiopien ein ernsthafter Schaden – die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AsylG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AsylG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG) – droht. Insoweit kann auf die Ausführungen zu § 3 AsylG in vollem Umfang verwiesen werden. Eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung wegen der schlechten humanitären Situation im Herkunftsland begründet nur dann einen Anspruch auf subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG, wenn sie zielgerichtet von einem Akteur im Sinne des § 4 Abs. 3 i.V.m § 3 c AsylG ausgeht (BVerwG, B.v. 13.2.2019 – 1 B 2/19 – juris Rn. 13). Dies ist vorliegend nicht der Fall.
90
Zwar ist zuzugeben, dass es in zahlreichen Gebieten in Äthiopien zu gewaltsamen Protesten und bewaffneten Auseinandersetzungen kommt (etwa Auswärtiges Amt vom 02.12.2025, Äthiopien: Reise- und Sicherheitshinweise – Teilreisewarnung). Das Gericht verkennt auch nicht, dass das Auswärtige Amt in seiner tagesaktuellen Teilreisewarnung vom 02.12.2025, die zwar inhaltlich nicht vorrangig an Rückkehrer nach Äthiopien gerichtet sein mag, indes doch ein Bild über die allgemeine Lage dort bietet, generell vor Reisen in die Regionen Amhara, Benishangul-Gumuz, Gambela, Oromia, Somali, die westliche Zone in Tigray, die South West Ethiopian People’s Region, den Regionalstaat South Ethiopia und die Region Sidama sowie das Grenzgebiet zu Eritrea (ca. 10 km) warnt und dort unter anderem zu Kampfhandlungen in der Region Amhara ausführt. Ein landesweiter Konflikt in Äthiopien ist damit nicht ersichtlich.
91
Ob die Auseinandersetzungen in den vorgenannten Regionen, speziell in der Amhara-Region, einen Konflikt im o.g. Sinne darstellen und ob in diesem Fall auch die weitere Voraussetzung einer „ernsthaften individuellen Bedrohung“ erreicht ist (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG), kann dahinstehen (vgl. ausdrücklich offengelassen VG Regensburg, U.v. 3.9.2025 – RN 12 K 25.32399 – juris; unklar VG Frankfurt a.M., U.v. 12.3.2025 – 5 K 4412/24.F.A – juris). Denn dem amharischen Antragsteller steht mit der Landeshauptstadt Addis Abeba, dem Zielort der Abschiebung, ein Ort internen Schutzes zu Verfügung (vgl. § 4 Abs. 3 Satz 1 und 2 AsylG i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylG). Mit Blick auf diese Stadt ist nicht festzustellen, dass Personen wie der Antragsteller im Falle ihrer Einreise allein durch ihre Anwesenheit Gefahr laufen, einer individuellen Bedrohung ihres Lebens oder ihrer Unversehrtheit ausgesetzt zu sein.
92
Gefechte in Addis Abeba sind nach Einschätzung des Gerichts nicht beachtlich wahrscheinlich. Das Auswärtige Amt nimmt in seiner tagesaktuellen Reisewarnung die Hauptstadt Addis Abeba ausdrücklich als betroffenes Gebiet aus (Auswärtiges Amt vom 28.11.2025, a.a.O.). Die Einreise in die äthiopische Hauptstadt auf dem Luftweg ist möglich. Es bestehen Direktflugverbindungen mit Ethiopian Airlines von und nach Frankfurt am Main, der Addis Abeba International Airport (Bole Airport) ist geöffnet.
93
Eine Verfolgung droht dem Antragsteller in Addis Abeba ebenfalls nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit. Soweit es Berichte aus dem Jahr 2023/2024 betrifft, nach denen die äthiopische Regierung in der Hauptstadt speziell Häuser von Amharen durchsucht habe und diese Personen kürzere oder längere Zeiträume arrestiert gewesen wären, so geschah dies nach Informationen der Regierung, deren Tragfähigkeit von einigen Stellen angezweifelt wird, zur Aufdeckung von Personen, die bewaffnete Gruppierungen unterstützen oder mit diesen sympathisieren, insbesondere der Fano-Miliz. In diesem Zusammenhang wurde auch von Vertreibungen i.S.v. zwangsweisen Umsiedelungen von in Addis Abeba lebenden Amharen in Außenbereiche der Stadt berichtet (vgl. UK Home Office, Country Policy and Information Note, Ethiopia: Amhara and Amhara opposition groups, 24.06.2025, S. 48 f.). Nach Ansicht des Einzelrichters sind diese Ereignisse im Zusammenhang mit dem seinerzeit zeitgleich über die Amhara-Region verhängten Ausnahmezustand zu betrachten und dem – zweifelsohne rigorosen und rechtsstaatlich zu kritisierenden – Vorgehen der Regierung geschuldet, wie diese mit sicherheitspolizeilichen Mitteln auf Konfliktlagen reagiert. Weitere im zeitlichen Nachgang und im Zusammenhang mit Amharen in Addis Abeba wesentliche Vorfälle können nicht festgestellt werden. In die Bewertung der Lage in der Landeshauptstadt ist ebenfalls einzustellen, dass diese – nach aktuellen Schätzungen – eine Population von etwa 3,6 bis 5 Millionen Einwohner aufweist, über 42 Prozent hierbei Binnenvertriebene sind und die Volksgruppe der Amharen mit etwa 47 Prozent den höchsten Anteil der dortigen Population ausmacht, gefolgt von Oromo (19 Prozent) und weiteren Ethnien (vgl. UK Home Office, Country Policy and Information Note, Ethiopia: Internal Relocation, 09.09.2025, S. 11 f. und 79). Dieses Zahlenmaterial belegt bereits, dass Addis Abeba als Rückzugsort für (Binnen-)Flüchtlinge, auch und gerade für Amharen, in Betracht kommt und tatsächlich genutzt wird.
94
Es steht nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass der Antragsteller als aus dem Ausland rückkehrender und abgelehnter Asylbewerber unmittelbar oder alsbald nach seiner Abschiebung und Ankunft am Addis Abeba Bole International Airport Opfer staatlicher Überwachungs- und Sanktionsmaßnahmen wird. Über Auftreten und Art und Umfang dieser Maßnahmen gibt es nur wenig belastbare Informationen. Nach einer Quelle sei das Ausmaß der Überwachung durch die äthiopischen Sicherheitsbehörden unterschiedlich. Abgelehnte Asylbewerber seien in der Regel nicht von direktem Interesse, es sei denn, sie stünden im Verdacht, Verbindungen zur Opposition zu haben. In solchen Fällen seien die Personen bei ihrer Ankunft in der Regel nicht inhaftiert worden, es sei denn, es handele sich um bekannte Persönlichkeiten. Später könnten sie jedoch mit informellen Nachverfolgungsmaßnahmen konfrontiert werden, darunter Befragungen zu ihrer Identität, ihrem Wohnsitz und ihren Familienmitgliedern, die häufig von uniformierten Polizisten durchgeführt worden seien (vgl. UK Home Office, Country Policy and Information Note, Ethiopia: Internal Relocation, 09.09.2025, S. 70 f.). Bei dem nicht an exponierter Stelle exilpolitisch tätigen, amharischen Antragsteller ist daher eine Überwachung bzw. Sanktionierung nicht beachtlich wahrscheinlich.
95
Dem Antragsteller ist es auch möglich und zumutbar, sich in Addis Abeba niederzulassen. Er ist jung, gesund und erwerbsfähig und hat durch seine Fluchtgeschichte bewiesen, dass er durchsetzungsstark ist. Es wird ihm daher auch angesichts seiner geringen Schulbildung möglich sein, durch eigene Erwerbsarbeit ein Auskommen für sich alleine zu erwirtschaften, das die Verelendung verhindert. Für anfängliche Schwierigkeiten stehen dem Antragsteller Rückkehrhilfen zur Verfügung. Außerdem hat die EU in Zusammenarbeit mit den äthiopischen Behörden am Addis Abeba Bole International Airport eine Anlaufstelle für aus dem Ausland rückkehrende Äthiopier, auch für insoweit rückkehrende Geflüchtete, eingerichtet, die erste und grundlegende integrative Leistungen bietet bzw. vermittelt (vgl. EEAS – Delegation of the European Union to Ethiopia, Pressemitteilung vom 30.01.2025, https://www.eeas.europa.eu/delegations/ethiopia/supporting-reintegration-returnees-and-displaced-populations_en?s=98, zuletzt abgerufen am 30.11.2025). Im Übrigen wird ergänzend auf die Ausführungen zur Rückkehrprognose zum Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG Bezug genommen.
96
In Hinblick auf die Beschaffung eines Kebele-Ausweises, der vorrangig in der Heimat-Kebele zu beantragen ist, die im Falle des Antragstellers in der Amhara-Region liegt, ist der Antragsteller – sollte er aufgrund der volatilen Lage in der Region nicht selbst kurzzeitig dorthin reisen wollen – darauf zu verweisen, jemanden in der Region Ansässigen für die Geschäftsbesorgung zu bevollmächtigen und sich den Ausweis sodann zusenden zu lassen. Augenscheinlich unterhält der Antragsteller nach wie vor noch Kontakte in die Amhara-Region, was daraus ersichtlich wird, dass er über den Zustand seiner sich in der Region aufhaltenden Familienmitglieder im Bilde ist. Überdies hat sich der Antragsteller in zumutbarer Weise um eine Wiederaufnahme des Kontakts zu seinen dort lebenden bzw. arbeitenden Familienmitgliedern zu bemühen (Mutter, Bruder und Onkel). Ein Kontaktversuch ist auch nicht von vornherein aussichtslos. Daneben ist der Antragsteller bei realitätsnaher Betrachtung nicht notwendigerweise auf einen Kebele-Ausweis angewiesen, sondern könnte sich auch um die Beschaffung einer Addis Abeba City-ID bemühen, welche in der Praxis auch gegen Schmiergeld (etwa 10.000 bis 20.000 Birr, umgerechnet zwischen 56 und 112 EUR) zu erhalten sind, was aktuelle Berichte bestätigen (UK Home Office, Report of a Fact-Finding Mission, Ethiopia: Situation of Tigrayans, Dezember 2024, S. 16 f. und 40). Ohnehin sind der Kebele-Ausweis und die Addis Abeba City-ID nicht unabdingbare Voraussetzung zur Aufnahme jeglicher Form von Arbeit, die Anmietung von Wohnraum oder die Inanspruchnahme von grundlegenden Leistungen des dortigen Gesundheitssystems (vgl. UK Home Office, Report of a Fact-Finding Mission, Ethiopia: Situation of Tigrayans, Dezember 2024, S. 25 und 31).
97
Nach alledem ist nicht ernsthaft zu befürchten, dass der Antragsteller im Schutze der Anonymität der Großstadt Addis Abeba und unter Zugrundelegung seines individuellen Fluchtprofils (siehe obige Ausführungen zur Betätigung auf Social-Media) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung oder eines sonstigen eine subsidiäre Schutzberechtigung rechtfertigenden Umstandes ausgesetzt wäre.
98
b) Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf Feststellung von Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG. Die unter Ziffer 2 des in der Hauptsache angegriffenen Bescheids erfolgte diesbezügliche Abänderung des Bescheids vom 21.08.2018 ist daher nicht zu beanstanden.
99
aa) Dem Antragsteller steht kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG zu.
100
1) Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der EMRK ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
101
Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 5 AufenthG auf Grund der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten liegt nicht stets schon dann vor, wenn dem abzuschiebenden Ausländer in seinem Heimatstaat nicht alle Rechte der Konvention gewährleistet sind (BVerwG, B.v. 8.2.1999 – 1 B 2/99 – juris Rn. 12). Die Abschiebung eines Ausländers in einen Staat, der nicht Mitglied des Europarates und Unterzeichner der Europäischen Menschenrechtskonvention ist, ist aber sowohl dann unzulässig, wenn dem Ausländer dort eine unmenschliche oder erniedrigende Strafe oder Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK droht, als auch dann, wenn andere als in Art. 3 EMRK verbürgte, von allen Vertragsstaaten als grundlegend anerkannte Menschenrechtsgarantien in ihrem Kern bedroht sind. Das ist allerdings nur in krassen Fällen anzunehmen, wenn nämlich die drohenden Beeinträchtigungen von ihrer Schwere her dem vergleichbar sind, was wegen menschenunwürdiger Behandlung zu einem Abschiebungsverbot nach Art. 3 EMRK führt (BVerwG, U.v. 7.12.2004 – 1 C 14/04 – juris Rn. 17). Auch schlechte humanitäre Verhältnisse im Herkunftsland können im Ausnahmefall ein Abschiebungsverbot wegen einer unmenschlichen oder erniedrigender Behandlung begründen. Dies setzt voraus, dass im Zielstaat der Abschiebung das für eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung erforderliche Mindestmaß an Schwere erreicht wird (BayVGH, B.v. 14.3.2022 – 24 ZB 21.30317 – juris Rn. 8). Der Gerichtshof der Europäischen Union stellt in seiner Rechtsprechung (EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-297/17 u.a., Ibrahim – JZ 2019, 999, Rn. 89 ff., und C-163/17, Jawo, InfAuslR 201 9, 236, Rn. 90 ff.) unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR, U.v. 21.1.2011, 30696/09, M.S.S. / Belgien und Griechenland, NVwZ 2011, 413, Rn. 252 ff.) darauf ab, ob sich die betroffene Person unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befindet, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere, sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (vgl. BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 45/18 – juris, Rn. 12; OVG Hamburg, U.v. 18.12.2019 – 1 Bf 132/17.A – juris Rn. 39) Erforderlich ist auch hier eine beachtliche Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 45/18 – juris Rn. 28).
102
Maßstab für die im Rahmen der Prüfung nationalen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK anzustellende Gefahrenprognose ist grundsätzlich, ob der vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer nach seiner Rückkehr, gegebenenfalls durch ihm gewährte Rückkehrhilfen, in der Lage ist, seine elementarsten Bedürfnisse über einen absehbaren Zeitraum zu befriedigen. Nicht entscheidend ist hingegen, ob das Existenzminimum eines Ausländers in dessen Herkunftsland nachhaltig oder gar auf Dauer sichergestellt ist. Kann der Rückkehrer Hilfeleistungen in Anspruch nehmen, die eine Verelendung innerhalb eines absehbaren Zeitraums ausschließen, so kann Abschiebungsschutz ausnahmsweise nur dann gewährt werden, wenn bereits zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der letzten behördlichen oder gerichtlichen Tatsachenentscheidung davon auszugehen ist, dass dem Ausländer nach dem Verbrauch der Rückkehrhilfen in einem engen zeitlichen Zusammenhang eine Verelendung mit hoher Wahrscheinlichkeit droht. Je länger der Zeitraum der durch Rückkehrhilfen abgedeckten Existenzsicherung ist, desto höher muss die Wahrscheinlichkeit der Verelendung nach diesem Zeitraum sein (BVerwG, U.v. 21.4.2022 – 1 C 10.21 – juris Rn. 25 ff.).
103
2) An diesen Grundsätzen gemessen steht es nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass der junge und gesunde männliche Antragsteller, der keinen Unterhaltsverpflichtungen unterliegt, alsbald nach einer Rückkehr nach Äthiopien in einen Zustand extrem materieller Not verfallen würde.
104
Laut Human Development Index, einem Gradmesser für den Wohlstand eines Landes, liegt Äthiopien auf Platz 176 von 191 der Länder und gilt damit als eines der ärmsten Länder der Welt. Ein großer Teil der Bevölkerung lebt (immer noch) unter der absoluten Armutsgrenze. Das Land kann seit 2003 jedoch zugleich auf ein permanentes Wirtschaftswachstum und bemerkenswerte Fortschritte und Verbesserungen verweisen, besonders in den Bereichen Infrastruktur, Bildung und Landwirtschaft aber auch bei Ernährungssicherheit, Basisversorgung und Armutsminderung. Äthiopien hatte im letzten Jahrzehnt die am schnellsten wachsende Volkswirtschaft. Die Arbeitslosenrate lag in den letzten Jahren stetig bei ca. 3,5 Prozent. In den letzten Jahren macht sich aber wieder eine Zunahme der Armut bemerkbar. Diese wird u.a. bedingt durch eine hohe – jedoch zunehmend sinkende (Jahr 2022: 33,9 Prozent, Jahr 2024: 21 Prozent) – Inflation, stark gestiegene Preise für Grundnahrungsmittel, steigende Arbeitslosigkeit und eine Verlangsamung des Wirtschaftswachstums. Die Konflikte in Tigray und Amhara, die globalen Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, die schlimmste Dürre der letzten 40 Jahre sowie Unruhen in anderen Landesteilen haben diese negative Entwicklung verstärkt. Mit der Verabschiedung neuer Programme von Internationalem Währungsfonds und Weltbank im Juli 2024 konnte Äthiopien aber den befürchteten Wirtschaftskollaps abwenden und hat eine grundlegende Umgestaltung seiner Wirtschaft eingeleitet. Um die wirtschaftliche Entwicklung weiter zu fördern, setzt die Regierung auf weitreichende Infrastrukturmaßnahmen in den Bereichen Energieproduktion und -verteilung, Transport und Wohnraumschaffung im städtischen Raum und die Errichtung von Industrieparks für ausländische Investoren. Dies zieht Investitionen aus China sowie aus Ländern wie Indien oder den Niederlanden an (vgl. BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Äthiopien, Gesamtaktualisierung am 05.09.2025, S. 38 f.).
105
Im Jahr 2024 haben fast 20 Millionen Menschen humanitäre Hilfe benötigt. Äthiopien war eines der Hauptempfängerländer von USAID in Afrika, das Land erhielt 2023 eine Milliarde US-Dollar, seit 2020 insgesamt 3,6 Milliarden. Ein wichtiger Schwerpunkt der Arbeit in Äthiopien lag bei der Lieferung von Lebensmitteln. Folglich wirkt sich das Ausbleiben der Hilfe aus den USA negativ auf die Nahrungsmittelversorgung aus (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Äthiopien, Gesamtaktualisierung am 05.09.2025, S. 38 ff.). Für 2025 planten die äthiopische Regierung und humanitäre Partner rund zehn Millionen Menschen mit einem erwarteten Finanzierungsbedarf von zwei Milliarden US-Dollar zu unterstützen. Hunderttausende Menschen, die humanitäre Hilfe benötigen, darunter unterernährte Kinder sowie schwangere und stillende Frauen befinden sich in schwer erreichbaren Gebieten. In Amhara zum Beispiel steht der Nutrition Cluster vor großen Herausforderungen bei der Notfallversorgung mit Nahrungsmitteln aufgrund von Lieferproblemen auf der letzten Meile in Folge von Zugangsbeschränkungen sowie reduzierter Partnerpräsenz und Finanzierungslücken (OCHA, Ethiopia Situation Report, 13.12.2024).
106
Die Landwirtschaft und der Dienstleistungssektor sind die wichtigsten Zweige der äthiopischen Wirtschaft. Im Jahr 2024 trugen diese Zweige jeweils rund 40 Prozent zum Bruttoinlandsprodukts (BIP) bei. Die Industrie zu 16 Prozent, jedoch mit stark steigender Tendenz (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Äthiopien, Gesamtaktualisierung am 05.09.2025, S. 38).
107
Das Verhältnis zwischen Beschäftigung und Bevölkerung ist in den ländlichen Gebieten höher (84,4 Prozent) als in den städtischen (61,6 Prozent). Frauen sind sowohl in den städtischen als auch in den ländlichen Gebieten stärker von Arbeitslosigkeit betroffen. Arbeitslosigkeit ist im Wesentlichen jedoch ein Jugendphänomen, insbesondere in städtischen Gebieten. In Äthiopien gibt es kein Unterstützungssystem für Arbeitslose. Die Entwicklungsagenturen für Micro- und Kleinunternehmen (KKU) in allen Gebieten des Landes haben zusammen mit den Instituten für technische und berufliche Bildung und Ausbildung (TVET) und der Kleinstkreditinstitute die Aufgabe, die arbeitslosen Jugendlichen auszubilden und sie in verschiedenen Arbeitsbereichen zu beschäftigen, vor allem im boomenden Bausektor und in der Baustoffproduktion (Internationale Organisation für Migration (IOM), Äthiopien, Länderinformationsblatt 2024 – 2 Arbeitsmarkt). Die Bezahlung für einfache Tätigkeiten ist in Äthiopien sehr niedrig, mittlere Einkommen gibt es kaum und im Management fallen die Gehälter relativ hoch aus (BFA, Anfragebeantwortung der Staatendokumentation Äthiopien – Aktuelle Informationen zur Grundversorgung, 25.10.2023, S. 3).
108
Sozialleistungen werden von der äthiopischen Regierung nicht erbracht (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Äthiopien, Stand März 2024, S. 21). Soziale Dienste konzentrieren sich hauptsächlich auf die Gesundheitsbedürfnisse der Bevölkerung, die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung und obdachloser Kinder, sowie auf die Entwicklung des Gemeinwesens (IOM, Äthiopien, Länderinformationsblatt 2024 – 4 Sozialwesen). In Äthiopien ist der Besuch der öffentlichen Schulen bis zur zwölften Klasse kostenlos (IOM, Äthiopien, Länderinformationsblatt 2024 – 5 Bildung). Renten gelten für Beamte/-innen und Mitarbeiter/-innen privater Organisationen. Ein bestimmter Betrag des Gehalts wird monatlich abgezogen und über das Dienstjahr der Angestellten angesammelt und wird nach der Pensionierung als Rente ausgezahlt. Die Höhe der Rente hängt vom Gehalt ab (IOM, Äthiopien, Länderinformationsblatt 2024 – 4 Sozialwesen). Es gibt Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen, die gefährdete Personen (Menschen mit Behinderungen (geistig oder körperlich), Frauen, schwangere Frauen, alleinerziehende und stillende Mütter, alte Menschen, HIV-Infizierte, Opfer von Menschenhandel, Kinder unter 18 Jahren sowie ethnische und religiöse Minderheiten sowie insbesondere Überlebende von sexuellem Missbrauch und Opfer von Menschenhandel) unterstützen. Die Bereitstellung von Unterkünften, Rehabilitation, psychosozialer Unterstützung und Reintegration sind einige der von diesen Organisationen geleisteten Hilfen (IOM, Äthiopien, Länderinformationsblatt 2024 – 4 Sozialwesen). Wohnungen in Äthiopien sind im Allgemeinen sehr teuer, sowohl bei Kauf als auch bei Miete (IOM, Äthiopien, Länderinformationsblatt 2024 – 3 Wohnsituation). Die Versorgung Rückkehrender in Form von Erstunterbringung, medizinischer Untersuchung, Familienzusammenführung und Weitertransport in die Heimatregionen erfolgt großteils durch Organisationen der Vereinten Nationen und Nichtregierungsorganisationen (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Äthiopien, Stand März 2024, S. 21). Für besonders schutzbedürftige Personen stellt IOM Äthiopien eine vorübergehende Unterkunft in den IOM-Transitzentren zur Verfügung. Sie erhalten grundlegende Unterstützung und dürfen maximal eine Woche in den Transitzentren bleiben (IOM, Äthiopien, Länderinformationsblatt 2024 – 3 Wohnsituation). Für Rückkehrende aus Europa bestehen EUfinanzierte Programme zur Reintegration (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Äthiopien, Stand März 2024, S. 21). – VG Regensburg, u.v. 3.9.2025 – RN 12 K 25.32399 – juris.
109
Für eine freiwillige Rückkehr nach Äthiopien stehen die Programme REAG/GARP sowie Starthilfe Plus (SHP) zur Verfügung. Damit können die Reisekosten übernommen, eine finanzielle Unterstützung für die Reise, eine einmalige finanzielle Starthilfe sowie ergänzende Reintegrationsunterstützung in Äthiopien gewährt werden. Dabei kann zusätzlich zu den Reisekosten eine einmalige Förderung von 1.000,00 EUR pro Person über die Programme REAG/GARP sowie ergänzend eine reduzierte SHP-Unterstützung in Höhe von 400,00 EUR erhalten (https://iom-p-we-webapp-ger-rfg-002.azurewebsites.net/countries/ethiopia/, zuletzt aufgerufen am 01.12.2025). An dieser Stelle wird auch nochmals auf die seit Januar 2025 unmittelbar am Bole International Airport bestehende Anlaufstelle für rückkehrende Äthiopier und die dort angebotenen Unterstützungsleistungen hingewiesen.
110
Gemessen daran wird nicht verkannt, dass die wirtschaftliche Situation in Äthiopien schwierig ist. Jedoch ist der Antragsteller jung, gesund und leistungsfähig. Die eindrucksvoll geschilderte Fluchtgeschichte zeigt, dass der Antragsteller durchsetzungsstark ist. Er ist während seines seinerzeitigen Aufenthalts in Äthiopien auch bereits einer erwerblichen Tätigkeit nachgegangen, sodass nichts dafür ersichtlich ist, dass dies mit der erforderlichen und zumutbaren Eigeninitiative und etwaiger ergänzender Inanspruchnahme von Unterstützungsleistungen künftig nicht möglich wäre. Der beschließende Einzelrichter ist der Überzeugung, dass die geringe Schulbildung des Antragstellers und seine fehlende Berufsausbildung dem nicht im Wege stehen.
111
bb) Ebenfalls ist kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG festzustellen.
112
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind allerdings nach § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.1995 – 9 C 9/95 – juris Rn. 11 f.). Vom Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind zudem nur solche Gefahren erfasst, die in den spezifischen Verhältnissen im Zielstaat begründet sind, während Gefahren, die sich aus der Abschiebung als solche ergeben, nur von der Ausländerbehörde als inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse berücksichtigt werden können (BayVGH, B.v. 20.10.2021 – 9 ZB 21.31227 – juris Rn. 6). Es kommt nicht darauf an, von wem die Gefahr ausgeht oder wodurch sie hervorgerufen wird (BVerwG, U.v. 17.10.1995 – 9 C 9/95 – juris Rn. 16).
113
Eine solche einzelfallbezogene individuell bestimmte und erhebliche Gefährdungssituation ist mit der nötigen beachtlichen Wahrscheinlichkeit vorliegend nicht erkennbar. Bei dem jüngsten, im November 2025 erfolgten Ausbruch des Marburg-Virus im Süden Äthiopiens (Stadt Jinka, South West Ethiopia People’s Region; Nadja Podbregar, Erster Ausbruch des Marburg-Virus in Äthiopien – WHO meldet mehrere Todesfälle durch das hämorrhagische Fieber, 27.11.2025, https://www.scinexx.de/news/medizin/erster-ausbruch-des-marburg-virus-in-aethiopien/, zuletzt abgerufen am 27.11.2025) handelt es sich um eine Gefahr, die die Bevölkerung im Allgemeinen trifft. Überdies sind derzeit keine Anzeichen ersichtlich, dass die unverzüglich von Seiten der äthiopischen Regierung und weiterer Organisationen eingeleiteten Eindämmungsmaßnahmen wirkungslos geblieben wären bzw. bleiben würden.
114
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylG.
115
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).