Titel:
Rundfunkbeitrag
Normenkette:
VwGO § 80 Abs. 5
Schlagwort:
Rundfunkbeitrag
Fundstelle:
BeckRS 2025, 33201
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 29,54 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Aussetzung der Vollziehung eines Rundfunkbeitragsbescheides.
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Die Antragstellerin wird vom Antragsgegner unter der Beitragsnummer … als private Wohnungsinhaberin geführt.
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Mit Festsetzungsbescheid vom 01.08.2025 setzte der Antragsgegner zulasten der Antragstellerin für den Zeitraum 10/2024 bis 03/2025 fällige Rundfunkbeiträge einschließlich eines Säumniszuschlags in Höhe von insgesamt 118,16 EUR fest.
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Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 20.08.2025 Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 29.09.2025 wies der Antragsgegner den Widerspruch zurück.
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Mit Schriftsatz vom 07.10.2025, welcher bei Gericht am 08.10.2025 einging, erhob die Antragstellerin gegen den Festsetzungsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids Klage (Az. B 3 K 25.1086). Auf den 233-seitigen Musterschriftsatz wird Bezug genommen.
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Mit einem am 03.11.2025 bei Gericht eingegangenem Schreiben stellte die Antragstellerin im Rahmen des Verfahrens B 3 K 25.1086 einen
„Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO.“
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Sie beantragte die Aussetzung des Klageverfahrens nach § 94 VwGO bis zur Fertigstellung des wissenschaftlichen Gutachtens über die Erfüllung des Funktionsauftrages der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten („Großes Beitragsstopper-Gutachten“). Hilfsweise beantrage sie die Aussetzung der Vollziehung nach § 80 Abs. 5 VwGO. Zur Begründung wurde Bezug genommen auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.10.2025 (Az. 6 C 5.24), welches entschieden habe, dass die Einhaltung des gesetzlichen Funktionsauftrages der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten durch die Gerichte zu prüfen sei. Das genannte Gutachten sei vorgreiflich und eine Aussetzung nach § 94 VwGO daher sachgerecht. Die Aussetzung der Vollziehung sei ferner nach § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen, da die Vollstreckung der streitgegenständlichen Forderungen während des anhängigen Verfahrens einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil darstelle und Art. 19 Abs. 4 GG verletzen könne. Falls Kosten entstünden, werde vorab um Mitteilung gebeten.
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Das Gericht teilte der Antragstellerin mit, dass ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO kostenpflichtig sei und bat um Mitteilung, ob von der Stellung eines solchen Antrags angesichts der Anfrage abgesehen werde. Die Antragstellerin führte darauf mit Schreiben vom 10.11.2025 aus, dass der Antrag auf „Vollzugsaussetzung“ aufrechterhalten bleibe.
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Das Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO wurde somit unter dem hiesigen Aktenzeichen angelegt.
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Der Antragsgegner beantragte mit Schreiben vom 24.11.2025,
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Der Antrag sei schon unzulässig, weil nicht ersichtlich sei, dass die Antragstellerin bei dem Antragsgegner einen Antrag nach § 80 Abs. 4 VwGO gestellt habe. Außerdem drohe hinsichtlich des Festsetzungsbescheides vom 01.08.2025 auch keine Vollstreckung im Sinne des § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO. Der Antrag sei jedenfalls unbegründet. Bei öffentlichen Abgaben und Kosten sei einem Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO nur dann zu entsprechen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides im Sinne der entsprechend anzuwendenden Vorschrift des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO bestünden oder die Vollziehung für den Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Offene Erfolgsaussichten einer Klage reichten grundsätzlich nicht aus. Vorliegend fehle es an einem konkreten Sachvortrag hinsichtlich der potenziellen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids oder einer besonderen Eilbedürftigkeit zur Abwehr von Vollstreckungsmaßnahmen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie des Klageverfahrens (Az. B 3 K 25.1086) und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
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1. Der Antrag hat keinen Erfolg. Er ist bereits unzulässig.
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Nach § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO ist ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO in Fällen des Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 (bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten) nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Es fehlt vorliegend an einem vorherigen Antrag der Antragstellerin auf Aussetzung der Vollziehung gegenüber dem Antragsgegner. Weder dem Vorbringen der Antragstellerin noch der vorgelegten Behördenakte lässt sich entnehmen, dass die Antragstellerin einen vorherigen expliziten Aussetzungsantrag beim Antragsgegner gestellt hatte. Insbesondere der eingelegte Widerspruch erfüllt das Antragserfordernis nicht (vgl. Schoch, in: Schoch/Schneider, 47. EL Februar 2025, VwGO, § 80 Rn. 508 m.w.N.).
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Etwas anderes folgt hier auch nicht aus § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO. Nach § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO gilt die oben beschriebene Einschränkung der Zulässigkeit eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht, wenn eine Vollstreckung droht. Die Voraussetzungen von § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO sind jedoch nicht erfüllt. Die Vollstreckung droht im Sinne dieser Vorschrift dann, wenn Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet sind oder der Beginn der Vollstreckung behördlich angekündigt ist; wenigstens müssen aus der Sicht eines objektiven Betrachters konkrete Vorbereitungshandlungen der Behörde für eine alsbaldige Durchsetzung des Bescheids vorliegen (Schoch, in: Schoch/Schneider, 47. EL Februar 2025, VwGO, § 80 Rn. 515 m.w.N.). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Antragsgegner nannte bislang weder einen konkreten Termin für eine Zwangsvollstreckung noch nahm er eine konkrete Vollstreckungshandlung (beispielsweise ein Vollstreckungsersuchen an das Amtsgericht) vor (vgl. insgesamt auch VG München, B.v. 15.07.2025 – M 26a E 24.7467 – juris Rn. 36). Der Antragsgegner hat in seinem Schriftsatz vom 24.11.2025 vielmehr erklärt, dass hinsichtlich des Festsetzungsbescheids vom 01.08.2025 keine Vollstreckung drohe.
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2. Der Antrag wäre aber auch unbegründet.
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Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs oder der Klage anordnen, wenn der Widerspruch oder die Klage – wie hier – keine aufschiebende Wirkung haben. Dabei trifft das Gericht im Rahmen einer summarischen Prüfung der sich im Zeitpunkt der Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage eine eigene, originäre Ermessensentscheidung darüber, ob die Interessen, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streiten, oder diejenigen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts sprechen, überwiegen. Wesentliches Element dieser Entscheidung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein erforderliche summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid bei kursorischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, bleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.
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Bei all dem ist jedoch in einem Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO die gesetzgeberische Wertung des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO zu berücksichtigen, wonach für bestimmte Arten von Entscheidungen ein Vorrang des öffentlichen Vollzugsinteresses statuiert wird. Das Gericht hat deshalb die in § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO getroffene Wertung, dass das Vollzugsinteresse hinsichtlich öffentlicher Abgaben in der Regel Vorrang vor den Belangen des Betroffenen hat, vor der rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Einforderung von Abgaben von Vollzugsmaßnahmen verschont zu bleiben, nachzuvollziehen. Wenn von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit, dass die Klage in der Hauptsache Erfolg haben wird, nicht ausgegangen werden kann, verbleibt es bei der in § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zum Ausdruck kommenden Interessenbewertung (BayVGH, B.v. 3.12.2015 – 7 AS 15.2585 – juris Rn. 3). Die Aussetzung soll in entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO bei öffentlichen Abgaben und Kosten nur erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
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Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist der Antrag abzulehnen, weil hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheids nach der hier gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung keine ernstlichen Zweifel bestehen und keine unbilligen Härten im Falle einer Vollziehung erkennbar sind. Es überwiegt daher das vom Gesetzgeber besonders gewichtete öffentliche Interesse an der Vollziehbarkeit (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO) das Interesse der Antragstellerin, vorläufig keine Zahlungen an den Antragsgegner leisten zu müssen.
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Die Antragstellerin hat in dem Verfahren B 3 K 25.1086 einen 233-Seiten umfassenden Klagebegründungstext, welcher derzeit von zahlreichen Personen verwendet wird, u.a. auch in der Annahme, über die Erhebung einer Klage vorerst keinen Rundfunkbeitrag zahlen zu müssen, eingereicht. Vor der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.10.2025 in der Sache 6 C 5.24 wurden Klagen und Eilanträge in gleichgelagerten Fällen abgelehnt (vgl. z.B: VG Würzburg, U.v. 11.11.2024 – W 3 K 22.1510 –; VG Aachen, U.v.30.9.2024 – 8 K 1352/24 –; VG Freiburg, GB. v. 11.9.2024 – 9 K 2585/24 –; VG Hamburg, U.v. 8.11.2024 – 3 K 2358/24 –; OVG Hamburg, B.v. 19.12.2024 – 5 Bf 204/24.Z – VG Sigmaringen, GB v. 4.2.2025 – 5 K 3594/24 –; VG Koblenz, U.v. 21.1.2025 – 5 K 720/24.KO –; VG Bayreuth, U.v. 31.1.2025 – B 3 K 24.875 – alle juris). Insbesondere verweist das Gericht auf seine Entscheidung vom 31.01.2025 (B 3 K 24.875 – juris) in welcher es sich mit den Argumenten der auch hier vorliegenden Mustertextklagebegründung auseinandergesetzt und entschieden hat, dass weder die formell gerügten Mängel noch die Einwände gegen die materielle Rechtmäßigkeit der Festsetzungsbescheide durchgreifen.
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Soweit das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 15.10.2025 (6 C 5.24), zu welchem bislang noch keine Begründung vorliegt, entschieden hat, dass die Erhebung des Rundfunkbeitrags nicht mehr mit Verfassungsrecht in Einklang steht, wenn das Gesamtprogrammangebot der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die Anforderungen an die gegenständliche und meinungsmäßige Vielfalt und Ausgewogenheit über einen längeren Zeitraum gröblich verfehlt, ist dies nicht neu.
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Die Verfassungsmäßigkeit ist aber nur dann in Frage gestellt, wenn das aus Hörfunk, Fernsehen und Telemedien bestehende mediale Gesamtangebot aller öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter über einen längeren Zeitraum evidente und regelmäßige Defizite hinsichtlich der gegenständlichen und meinungsmäßigen Vielfalt erkennen lässt. Bei der Beurteilung ist auch die Programmfreiheit zu berücksichtigen. Ein solch umfassendes Defizit, das sich auch nicht mehr mit der Programmfreiheit rechtfertigen lässt, ist trotz des umfassenden Vortrages nicht dargelegt. Der vorgelegte Mustertext lässt eine Auseinandersetzung mit eben dieser Gesamtstruktur vermissen. Stattdessen liegt der Fokus der Klagebegründung darauf, die Berichterstattung zu einzelnen Themen herauszugreifen, um deren inhaltliche Richtigkeit in Frage zu stellen. Selbst wenn einzelne Sendungen oder die Berichterstattung zu einzelnen Themen Diskussionen aufwerfen oder Anlass zu Kritik geben mögen, wäre dieser Befund angesichts des großen Umfangs des Medienangebots der Rundfunkanstalten nicht geeignet, ein generelles Defizit bei der Programmgestaltung im Sinne eines strukturellen Versagens zu belegen. Zudem wird die Programmfreiheit in dem Mustertext völlig ausgeblendet (vgl. auch VG München, U.v. 3.9.2025 – M 26b K 24.6512 – Rn. 45; VG Hamburg, U.v. 8.11.2024 – 3 K 2358/24 – Rn. 38; VG Gera, U.v. 22.5.2025 – K 1526/24 Ge – Rn. 76 und 81 –; VG Berlin, U.v. 10.2.2025 – 8 K 180/24 – Rn. 43 ff. alle juris).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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4. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 3 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) – i.V.m. Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, wonach in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in der Regel bei sonstigen auf bezifferte Geldleistungen gerichteten Verwaltungsakten der Streitwert ein Viertel des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts beträgt. Ausgehend vom im vorliegenden Verfahren maßgeblichen Betrag von 118,16 EUR sind dies 29,54 EUR.