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Vergabekammer München, Beschluss v. 31.10.2025 – 3194.Z3-3_01-25-56
Titel:

Bewerber, Leistungen, Bieter, Auswahlentscheidung, Vergabekammer, Ermessensentscheidung, Dienstleistungen, Angebotsabgabe, Vergabeunterlagen, Zuschlag, Antragsgegner, Frist, Zuschlagskriterium, Zuschlagskriterien, Kosten des Verfahrens, Aufforderung zur Angebotsabgabe, Gelegenheit zur Stellungnahme

Normenketten:
VgV § 75 Abs. 6
VgV § 51 Abs. 1 S. 2
Leitsätze:
1. Auch bei Verhandlungsfahren mit Teilnahmewettbewerben für Architekten- und Ingenieursleistungen ist eine festgelegte Höchstzahl nach § 51 Abs. 1 Satz 2 VgV verbindlich und darf nicht überschritten werden.
2. Die Sonderregelung § 75 Abs. 6 VgV gestattet lediglich, die Auswahl unter den verbleibenden, gleich geeigneten Bewerbern durch Los zu treffen, was aufgrund der zufälligen Auswahl den sonst streng eignungs- und leistungsbezogenen Auswahlkriterien des Vergaberechts fremd ist.
3. Aus § 75 Abs. 6 VgV kann nicht entnommen werden, dass der öffentliche Auftraggeber ein Wahlrecht hat, zwischen einer Auslosung des letzten freien Platzes und der nachträglichen Verbreiterung des Wettbewerbs durch Aufforderung weitere Bieter zur Angebotsabgabe frei auszuwählen.
Schlagworte:
Bewerber, Leistungen, Bieter, Auswahlentscheidung, Vergabekammer, Ermessensentscheidung, Dienstleistungen, Angebotsabgabe, Vergabeunterlagen, Zuschlag, Antragsgegner, Frist, Zuschlagskriterium, Zuschlagskriterien, Kosten des Verfahrens, Aufforderung zur Angebotsabgabe, Gelegenheit zur Stellungnahme
Fundstelle:
BeckRS 2025, 32621

Tenor

1. Dem Antragsgegner wird untersagt, in dem streitgegenständlichen Vergabeverfahren den Zuschlag zu erteilen. Der Antragsgegner wird bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht verpflichtet, das Vergabeverfahren in das Stadium vor Aufforderung der Bieter zur Angebotsabgabe zurückzuversetzen und die Auswahl der zur Angebotsabgabe aufzufordernden Bieter unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer neu zu treffen.
2. Der Antragsgegnerträgt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen derAntragstellerin. Die Beigeladene trägt ihre zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen selbst.
3. Für das Verfahren wird eine Gebühr in Höhe von … EUR festgesetzt. Auslagen sind nicht angefallen. Der Antragsgegner ist von der Zahlung der Gebühr befreit.
4. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin war notwendig.

Gründe

I.
1
Mit Auftragsbekanntmachung vom21.11.2024, veröffentlicht im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union am 25.11.2024 unter Nr. …, schrieb der Antragsgegner die Objektplanung von Ingenieurbauwerken ab Leistungsphase 3 im Wege eines Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb aus. Zuschlagskriterium war gemäß Ziffer 5.1.10. der Bekanntmachung zu 30% der Preis und zu 70% die Qualität. Ziffer 5.1.9. der Bekanntmachung enthielt in Bezug auf die Eignungskriterien unter anderem folgende Festlegung:
„[…] Kriterium: Referenzen zu bestimmten Dienstleistungen
Beschreibung: Die Eignungskriterien sind auch im Bewerberbogen (Unterlage III.6) aufgelistet. […] Es sind geeignete Referenzen über vom Bewerber in den letzten 3 Jahren erbrachten Dienstleistungen aufzulisten. […] Zur Sicherstellung eines ausreichenden Wettbewerbs werden auch Dienstleistungen berücksichtigt, die mehr als 5 Jahre zurückliegen. Die Auflistung ist auf max. 1 Projekt zu beschränken. Werden ohne Begründung jeweils mehr als 1 Projekt eingereicht, wird nur das erste berücksichtigt. […]
Anhand der Kriterien werden die Bewerber ausgewählt, die zur zweiten Phase des Verfahrens eingeladen werden sollen. […]
Informationen über die zweite Phase eines zweiphasigen Verfahrens:
Mindestzahl der zur zweiten Phase des Verfahrens einzuladenden Bewerber: 3
Höchstzahl der zur zweiten Phase des Verfahrens einzuladenden Bewerber: 5
Das Verfahren wird in mehreren aufeinanderfolgenden Phasen durchgeführt. In jeder Phase können einige Teilnehmer ausgeschlossen werden.
Der Erwerber behält sich das Recht vor, den Auftrag aufgrund der ursprünglichen Angebote ohne weitere Verhandlungen zu vergeben.“ 
2
Ausweislich der Angabe in Ziffer 5.1.11. der Bekanntmachung standen die Auftragsunterlagen unter der dort genannten Internetadresse zum Abruf zur Verfügung.
3
Bestandteil der Vergabeunterlagen war unter anderem das Formblatt III.6 (Bewerberbogen). Die Bewerber hatten in einer Tabelle unter anderem Angaben in Bezug auf die technische und berufliche Leistungsfähigkeit zu machen. Erläuternd wurde im Abschnitt 4.3.1 auszugweise Folgendes ausgeführt:
„Bitte geeignete Referenzprojekte auflisten mit: Beschreibung / Kosten / Daten zum Projekt / Bauherr
Die Auflistung ist auf Projekte zu beschränken, deren Planungs- oder Beratungsanforderungen mit denen der zu vergebenden Planungs- oder Beratungsleistung vergleichbar sind. Die Vergleichbarkeit ergibt sich aus der jeweiligen Referenzbeschreibung.
Die Auflistung ist grundsätzlich auf 1 Projekt je Zelle in Spalte G zu beschränken.
Referenzen zu den jeweils geforderten Leistungsphasen (Objektplanung Ingenieurbauwerke) 3-4, 5-7 und 8 können gegebenenfalls auch durch verschiedene Referenzprojekte erbracht werden (z.B. Projekt A: Leistungsphase 3-4, Projekt B: Leistungsphasen 5-7, Projekt C: Leistungsphase 8); dies wäre zu begründen.
Werden ohne Begründung in einer Zelle mehrere Referenzprojekte genannt, wird nur das jeweils Erste berücksichtigt.“
4
Im Abschnitt 4.3.1.1 war auszugsweise Folgendes geregelt: „Anzahl der unter 4.3.1.2 bis 4.3.1.7 angegebenen und geeigneten, verschiedenen Referenzprojekte, wo mindestens die Leistungsphasen 3, 5, 8, Örtliche Bauüberwachung erbracht wurden.“ In einer weiteren Tabellenspalte war die Punkteverteilung wie folgt ausgeführt:
„5 P = 3 oder mehr verschiedene Referenzprojekte
3 P = 2 verschiedene Referenzprojekte
1 P = 1 Referenzprojekt
0 P = kein Referenzprojekt“
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Es folgten die Abschnitte 4.3.1.2 bis 4.3.1.7, die thematisch betitelt wurden mit „Innerörtliches Hochwasserschutzprojekt“, „Hochwasserrückhaltebecken“, „Hochwasserschutzwand“, „Binnenentwässerung einschließlich Schöpf-/Pumpwerk“, „Örtliche Bauüberwachung“ und „Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordination“. Unter jedem dieser Titel wurde von den Bewerbern die Angabe wenigstens eines Referenzprojekts mit Angabe der zu bewertenden Parameter erwartet.
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Weiterer Bestandteil der Vergabeunterlagen war das Formblatt III.16.1 (Zuschlagskriterien und deren Gewichtung). Dieses enthielt auszugsweise folgende Ausführungen:
„B Die Zuschlagskriterien ergeben sich aus folgenden Unterkriterien mit nachfolgender Gewichtung:
[…] 2. Kriterium Auftragsbezogene Qualifikation und Erfahrung der Projektmitarbeiter
Im Kriterium Auftragsbezogene Qualifikation und Erfahrung der Projektmitarbeiter werden folgende Unterkriterien mit jeweils angegebener absoluten Wichtung berücksichtigt:
2.1 Vorstellung des Berufsabschlusses (Nachweise auf Verlangen) und der Erfahrung des Projektteams mit Angabe von Referenzprojekten.“ In blauer Schrift war hierzu folgendes ausgeführt: „Es sind zum Nachweis der Erfahrung des Projektteams und der Projektbearbeiter jeweils 3 geeignete Referenzprojekte vorzulegen, die in den letzten 3 Jahren erbracht wurden und die mit den hier zu vergebenden Leistungen bestmöglich vergleichbar sind. Falls ohne Begründung mehr als 3 Referenzprojekte vorgelegt werden, werden nur die ersten 3 gewertet.“ Daneben war in blauer Schrift eine Wichtung von 70% ausgewiesen. Es folgten die Abschnitte 2.2 „Bautechnischer Wissensstand in Bezug auf die gestellte Aufgabe“ und 2.3 „Praktische Erfahrung bei der Durchführung von vergleichbaren Baumaßnahmen“, bei denen keine Wichtung in Prozent ausgewiesen war. Unter Abschnitt 5 war ausgeführt, dass die Wertungssumme, welche sich aus einer Addition der Höhe des Honorars (netto) sowie der Nebenkosten zusammensetzt, zu 30 Prozent gewichtet werden sollte. Unter Abschnitt D war folgendes geregelt:
„Die Bewertung der von den Bietern zu den jeweiligen Unterkriterien in den Punkten 2 mit dem Angebot vorzulegenden Unterlagen erfolgt gemäß nachstehender Regelung:
fünf Punkte, wenn das Angebot die Anforderungen optimal erfüllt,
vier Punkte, wenn die Aussagen im Angebot vereinzelte oder geringfügige Defizite erkennen lassen
drei Punkte, wenn mehrere und nicht lediglich geringe Defizite vorliegen
zwei Punkte, wenn die Aussagen im Angebot weitreichende oder gewichtige Defizite erkennen lassen
einen Punkt, wenn im Angebot schwerwiegende Defizite erkennbar sind
null Punkte, wenn das Angebot unzureichend ist
Werden Mindestkriterien nicht eingehalten, ist das Angebot auszuschließen.“
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Weiterer Bestandteil der Vergabeunterlagen war der Vertrag Objektplanung – Ingenieurbauwerke. Dieser enthielt auszugsweise folgende Ausführungen:
„§ 1 Gegenstand des Vertrages
1.1 Gegenstand dieses Vertrages sind Leistungen der Objektplanung für Ingenieurbauwerke (Objektplanung Ingenieurbauwerke_ab_Leistungsphase 3) gemäß 41 HOAI, mit denen in dem Markt T… in den Ortschaften T…, L… und A… (Ort/Ortsteil), Landkreis R… am A… (Gewässer II. Ordnung) […] Bauwerke und Anlagen des Wasserbaus nach § 41 Nr. 3 HOAI […] neu gebaut, umgebaut […] werden sollen.
1.2 Die Baumaßnahme ist Teil des Gesamtvorhabens Hochwasserschutz A…
1.3 Gegenstand dieses Vertrages sind außerdem Leistungen zur Ingenieurvermessung (siehe VII.19.2 Leistungsumfang Ingenieurvermessung) und zur Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordination (siehe VII.34.2 Leistungsumfang Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordination)
§ 2 Bestandteile und Grundlagen des Vertrages
2.1 Folgende Anlagen sind Vertragsbestandteile:
VI.1 Allgemeine Vertragsbestimmungen (AVB) […] Dokument „…LB, Honorarangebot, Angaben…“
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Weiterer Bestandteil der Vergabeunterlagen war zudem das Formblatt VI.1 (AVB) (Allgemeine Vertragsbestimmungen (AVB)). Hier war auszugsweise Folgendes geregelt:
„§ 1 Allgemeine Pflichten des Auftragnehmers
[…] 1.6.1 […] Falls im Rahmen des Vergabeverfahrens bzw. des Angebots konkrete Personen für die Erbringung der Leistung benannt wurden (insbesondere in FB III.15), ist der Auftragnehmer darüber hinaus dazu verpflichtet, genau jene für die Erbringung der Leistung Benannten für die Ausführung des Auftrags im benannten Umfang einzusetzen.
Sie dürfen sich bei ausschließlich vorrübergehender Verhinderung vertreten lassen.
Ein Austausch eines für die Erbringung der Leistung Benannten bedarf der Zustimmung des Auftraggebers in Textform. Der Auftraggeber wird die Zustimmung jedenfalls dann erteilen, wenn der Einsatz eines für die Erbringung der Leistung Benannten (insbesondere in FB III.15) aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht mehr möglich ist und das vorgesehene Ersatzpersonal mindestens dieselbe Qualifikation, mindestens dieselbe Erfahrung, mindestens gleichartige und gleichwertige Referenzen sowie die sonstigen benannten Eigenschaften aufweist wie der zu ersetzende Mitarbeiter. Nachweise hierfür sind dem Auftraggeber unverzüglich zur Prüfung vorzulegen.“
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Bestandteil der Vergabeunterlagen war außerdem der Antwortenkatalog, des der auszugsweise Folgendes enthielt:
„lfd. Nummer A-1
Frage: […] Im Formblatt III.16.1 (Zuschlagskriterien) sind die Zuschlagskriterien und Unterkriterien angegeben. Dazu ergeben sich folgende Fragen:
a. Welche Anforderungen müssen die jeweiligen 3 Referenzprojekte erfüllen?
b. Wie wird die Eignung definiert?
c. Welche Leistungsphasen müssen erbracht und abgeschlossen sein, um die volle Punktzahl zu erhalten?
d. Gibt es darüber hinaus Anforderungen an die Referenzen und wie kann hier die volle Punktzahl erreicht werden?
e. Sind die im Formblatt III.16.1 (Zuschlagskriterien) unter B, 2.2 und 2.3 genannten Unterkriterien ebenfalls darzulegen oder lediglich der unter Punkt 2.1 in blau verfasste Inhalt?
[…] Antwort: […]
zu a. Die Vorgabe im Formblatt III.16.1, B, 2.1, wird konkretisiert/ präzisiert: > Es sind zum Nachweis der Erfahrung des Projektteams jeweils 3 geeignete Referenzprojekte der Projektbearbeiter vorzulegen, die in den letzten 3 Jahren erbracht wurden und die mit den hier zu vergebenden Leistungen bestmöglich vergleichbar sind. Falls ohne Begründung mehr als 3 Referenzprojekte vorgelegt werden, werden nur die ersten 3 gewertet. < (siehe Antwort zur Firmenfrage 4).
Eine detailliertere Bewertungsmatrix wird entsprechend VHF-Richtlinie, III.16.1.0 (Hinweise zur Zuschlagskriterien Unterkriterien) und gängiger Rechtsmeinung nicht bekannt gemacht.
zu b. Die Eignung der Bewerber wurde bereits in Stufe 1 (Teilnahmewettbewerb) bewertet und ist von den Zuschlagskriterien der Stufe 2 (Verhandlungsverfahren) zu trennen.
Weiter siehe oben Antwort zu a.
zu c. Bei den Referenzprojekten werden auch LPH mit fünf Punkten berücksichtigt, die noch nicht vollständig abgeschlossen bzw. abgenommen sind, jedoch nicht nur zu einem untergeordneten Teil in den zugelassenen Zeitraum fallen (siehe entsprechend Formblatt III.16.1, D).
Weiter siehe oben Antwort zu a.
zu d. Darüberhinausgehende Anforderungen wurden nicht festgelegt.
Weiter siehe oben Antwort zu a. und c.
zu e. Entsprechend den Angaben in Formblatt III.16.1 werden lediglich die Angaben zu Punkt 2.1 gewichtet.“
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Die Antragstellerin, die Beigeladene sowie weitere 6 Bewerber reichten innerhalb der auf den21.01.2025, 10:00 Uhr festgesetzten Teilnahmefrist einen Teilnahmeantrag ein.
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Die vom Antragsgegner durchgeführte Eignungsprüfung endete mit dem Ergebnis, dass 6 Bewerber, darunter die Antragstellerin und die Beigeladene, die volle Punktzahl bei der Wertung erhielten. Weitere 2 Bewerber erhielten nicht die volle Punktzahl in der Wertung. Diese Bewerber erhielten eine Mitteilung über die Ablehnung der Bewerbung. Die verbleibenden 6 Bewerber, darunter die Antragstellerin und die Beigeladene, wurden zur Angebotsabgabe aufgefordert und reichten innerhalb der auf den 03.07.2025, 10:00 Uhr festgesetzten Angebotsfrist ein Angebot ein.
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Mit Informationsschreiben gemäß § 134 GWB vom 04.08.2025 setzte der Antragsgegner die Antragstellerin davon in Kenntnis, dass ihr Angebot nicht berücksichtigt werden könne und beabsichtigt sei, den Zuschlag frühestens am 18.08.2025 auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Die Nichtberücksichtigung des Angebots der Antragstellerin begründete er wie folgt: „Da der Erstbieter in Bezug auf das Zuschlagskriterium „Auftragsbezogene Qualifikation und Erfahrung der Projektmitarbeiter“ die vollen zu vergebenen 5 Punkte erreichen konnte, wurde aus Vereinfachungsgründen bei allen anderen Angeboten auf eine detaillierte Prüfung und Wertung der Zuschlagskriterien verzichtet. Für Ihr Angebot wurde das Zuschlagskriterium „Auftragsbezogene Qualifikation und Erfahrung der Projektmitarbeiter“ somit ebenfalls mit den vollen 5 Punkten gerechnet.“ Weiter teilte der Antragsgegner der Antragstellerin die von ihr erreichte Gesamtpunktzahl mit und dass diese Gesamtpunktzahl dem Rang 4 von 6 entspreche.
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Mit Schreiben vom 07.08.2025 beanstandete die Antragstellerin die Vergabeentscheidung des Antragsgegners als vergaberechtswidrig. Der Antragsgegner habe in der Auftragsbekanntmachung festgelegt, dass 3 bis 5 Bewerber zum Angebot aufgefordert werden würden. Ausweislich des Informationsschreibens vom 04.08.2025 seien jedoch unzulässigerweise 6 Bewerber zum Verfahren zugelassen worden. Zudem sei das Eignungskriterium Referenzen widersprüchlich und intransparent formuliert. In Ziffer 5.1.9. der Bekanntmachung heiße es, dass geeignete Referenzen über vom Bewerber in den letzten 3 Jahren erbrachten Dienstleistungen auszulisten seien. Die Auflistung sei auf Projekte zu beschränken, deren Planungs- und Beratungsanforderungen mit denen der zu vergebenden Planungs- oder Beratungsleistung vergleichbar seien. Später schreibe der Antragsgegner, dass zur Sicherstellung eines ausreichenden Wettbewerbs auch Dienstleistungen berücksichtigt werden, die mehr als 5 Jahre zurückliegen und die Auflistung auf maximal 1 Projekt zu beschränken sei. Auch die Zuschlagswertung würde einer Überprüfung nicht standhalten. Der Antragsgegner habe entgegen der Bekanntmachung eine reine Preiswertung vorgenommen. Es erscheine nach der allgemeinen Lebenserfahrung in einem Vergabeverfahren nahezu ausgeschlossen, dass der preislich bestplatzierte Bieter mit seinem Projektteam die volle Punktzahl in den Zuschlagskriterien 2.1, 2.2 und 2.3 erhalten habe. Die Antwort auf eine der Bieterfragen, dass eine detailliertere Bewertungsmatrix nicht bekannt gemacht werde, lasse zudem darauf schließen, dass eine detaillierte Bewertungsmatrix tatsächlich vorhanden sei, aber nicht bekannt gemacht worden sei, was unzulässig sei. Zudem sei lediglich die Gesamtgewichtung der Qualität mit 70% offengelegt worden. Es werde aber weder die Gewichtung der Unterkriterien definiert, noch würden Anhaltspunkte für einen Zielerreichungsgrad und Erwartungshorizont gegeben. Eine derart schwammige Definition der qualitativen Zuschlagskriterien eröffne weite Spielräume und lasse eine willkürliche Wertung besorgen, die keiner objektiven Überprüfung zugänglich sei. Hinzu komme, dass mit der Beantwortung auf eine Bieterfrage, dass bei Referenzprojekten auch Leistungsphasen mit 5 Punkten berücksichtigt werden, die noch nicht vollständig abgeschlossen bzw. abgenommen seien, eine weitergehende Verwässerung des Wertungsmaßstabes einhergehe. Die Antragstellerin monierte zudem den fehlenden Auftragsbezug des qualitativen Zuschlagskriteriums und begründete dies damit, dass eine Bewertung erbrachter Referenzen aus der Vergangenheit wenig darüber aussage, ob ein Projektteam den konkret ausgeschriebenen Auftrag in Zukunft qualitativ gut erbringen werde.
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Mit Schreiben vom 13.08.2025 stellte die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag gem. § 160 Abs. 1 GWB. Darin wiederholt und vertieft sie ihr Vorbringen aus dem Rügeschreiben vom 07.08.2025.
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Sie halte den Nachprüfungsantrag auch für zulässig. Der Antragstellerin fehle insbesondere nicht die Antragsbefugnis hinsichtlich der Beanstandung, dass der Antragsgegner mehr Bieter zur Abgabe eines Angebots aufgefordert habe, als mit Auftragsbekanntmachung festgelegt. Die Zuschlagschancen der Antragstellerin seien geschmälert, wenn mehr als die bekannt gemachte Anzahl an Bietern zum Angebot aufgefordert würden. Es lasse sich nicht ausschließen, dass gerade die Beigeladene bei ordnungsgemäßer Durchführung des Teilnahmewettbewerbs nicht in Runde 2 vorgedrungen wäre. Gegen eine Rügepräklusion hinsichtlich der Bedenken gegen die Zuschlagskriterien und deren Auftragsbezug spreche, dass hierfür eine eingehende Kenntnis der vergaberechtlichen Entscheidungspraxis und deren Wertungen vorauszusetzen sei. Eine Präklusion der intransparenten und willkürlichen Angebotswertung sei schon denknotwendig deshalb ausgeschlossen, weil die Antragstellerin erst mit dem Informationsschreiben und seiner Begründung Kenntnis von der unzureichenden Wertung der Angebote durch den Antragsgegner erhalten habe. Auch eine Rüge ins Blaue hinein liege betreffend die Nichtbekanntgabe einer Bewertungsmatrix nicht vor. Wenn der Antragsgegner in seiner Antwort auf eine Bieterfrage ausführe, eine detaillierte Bewertungsmatrix „nicht bekannt gemacht“ zu haben, impliziere dies, dass eine solche Bewertungsmatrix vorhanden gewesen sei.
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Die Zuschlagskriterien 2.1 und 2.3 seien zudem nicht überschneidungsfrei. Eine Unterscheidung zwischen der persönlichen Referenz vergleichbarer Maßnahmen (Zuschlagskriterium 2.1) und der praktischen Erfahrung bei der Durchführung von vergleichbaren Baumaßnahmen (Kriterium 2.3) sei nicht erkennbar. Zudem habe sich der Antragsgegner den tatsächlichen Einsatz dieses Personals im Vertrag nicht hinreichend absichern lassen. Der Antragsgegner räume darüber hinaus ein, nur die Angebote auf dem preislichen Rang 1 bis 3 hinsichtlich des Zuschlagskriteriums Qualität geprüft zu haben. Dies stelle einen vergaberechtlichen Verstoß dar, da der Antragsgegner nicht beurteilen könne, ob die preislich günstigsten Angebote die Qualität optimal erfüllen, wenn er die Angebote der preislich auf dem 4. bis 6. Rang gelegenen Bieter qualitativ nicht bewertet habe. Ein Nachbewerten des Angebots der Antragstellerin scheide aus, da es sich dabei um eine Neubewertung handele. Der Punktabzug, weil keine Referenz ausdrücklich eine Tätigkeit als SiGeKo ausweise, sei willkürlich. Der Projektleiter sei zertifizierter SiGeKo und habe in der Vergangenheit SiGeKo-Leistungen erbracht. Auch der Punktabzug aufgrund kürzerer Berufserfahrung einzelner Projektteammitglieder sei nicht nachvollziehbar.
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Die Antragstellerin beantragt,
1. Dem Antragsgegner wird untersagt, in dem VgV-Verfahren „HWS A…“, Leistung „Objektplanung Ingenieurbauwerke_ab LPH 3“ (Vergabenummer …) den Zuschlag an die Beigeladene zu erteilen.
2. Dem Antragsgegner wird aufgegeben, das Vergabeverfahren in das Stadium der Auswertung der Teilnahmeanträge zurückzuversetzen und geeignete Maßnahme zu treffen, um die von der Vergabekammer festgestellten Rechtsverletzungen zu beseitigen.
3. Die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin wird gemäß § 182 Abs. 4 GWB für notwendig erklärt.
4. Der Antragstellerin wird Einsicht in die Vergabeakten nach § 165 GWB gewährt.
5. Dem Antragsgegner werden die Kosten des Verfahrens (Gebühren und Auslagen) und die Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin einschließlich der vorprozessualen Anwaltskosten auferlegt.
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Der Antragsgegner beantragt,
1. Der Vergabenachprüfungsantrag der Antragstellerin vom 13.08.2025 wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung des Antragsgegners entstandenen Aufwendungen zu tragen.
3. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch den Antragsgegner wird für erforderlich erklärt.
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Der Antragsgegner trägt zunächst vor, dass die Angebote unter anderem der Antragstellerin und der Beigeladenen von der Vergabestelle gewertet worden seien. Da die Beigeladene einen geringeren Angebotspreis angeboten habe als die Antragstellerin, habe der Antragsgegner zunächst das Angebot der Beigeladenen im Hinblick auf das qualitative Zuschlagskriterium geprüft. Außerdem seien die Angebote der preislich auf den Rängen 2 und 3 gelegenen Bieter hinsichtlich des Zuschlagskriteriums Qualität geprüft und bewertet worden. Die Prüfung habe ergeben, dass die Anforderungen von dem Angebot optimal erfüllt gewesen seien, sodass das Angebot der Beigeladenen mit der vollen Punktzahl bewertet worden sei. Der preisliche Vorsprung der Beigeladenen und die Wertung zum Kriterium Qualität hätten eine Änderung der Wertungsreihenfolge ausgeschlossen. Auch nach Durchsicht aller Angebote habe ausgeschlossen werden können, dass die Beigeladene weniger als 5 Punkte bei den Qualitätskriterien erhalten würde. Die Angebote der preislich auf den Rängen 4 bis 6 gelegenen Bieter seien daher zunächst nicht im Einzelnen zum Kriterium Qualität gewertet worden. Vor dem Hintergrund der Beanstandungen der Antragstellerin im Nachprüfungsantrag sei die Beurteilung für das Kriterium der Qualität nochmals nachvollzogen und diese Beurteilung auch für die Antragstellerin (erstmals mit Einzelpunkten unterlegt) vorgenommen worden. Das Ergebnis dieser dokumentierten Wertung betreffend das Angebot der Beigeladenen und das Angebot der Antragstellerin reichte der Antragsgegner als Anlage zur Antragserwiderung vom 25.08.2025 ein.
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Im Übrigen trägt der Antragsgegner vor, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin bereits weitestgehend unzulässig sei. Hinsichtlich der Beanstandung des angeblichen Verstoßes gegen die Selbstbindung der Vergabestelle bzgl. der Höchstzahl der zuzulassenden Bewerber fehle der Antragstellerin die Antragsbefugnis, da ihr hieraus kein Schaden entstehen könne. Die Antragstellerin sei in den Kreis der in die 2. Verhandlungsphase vorrückenden Bieter mit aufgenommen worden. Insoweit könne eine Rechtsverletzung nicht vorliegen, da damit keine Benachteiligung verbunden gewesen sei. Auch die Teilnahme am Verhandlungsverfahren habe ohne Benachteiligung der Antragstellerin stattgefunden. Bei der Angebotswertung habe die Antragstellerin die 4. Rangstelle belegt. Aus diesem Grund sei auch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen, dass sie den Zuschlag erhalten müsste, selbst wenn es ihr gelänge, die beabsichtigte Zuschlagserteilung der Vergabestelle an die Beigeladene anzugreifen. Abgesehen davon, dass die Eignungsanforderungen unter Berücksichtigung der Erläuterungen aus dem Formblatt III. 6 eindeutig gewesen seien, hätte diese angebliche Uneindeutigkeit und die daraus folgende angebliche Intransparenz gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB bis spätestens zum Zeitpunkt der Einreichung der Teilnahmeanträge gerügt werden müssen, was nicht geschehen sei. Präkludiert sei auch der Einwand, dass die Angabe von Zielerreichungsgrad und Erwartungshorizont im Hinblick auf die Wertung des Kriteriums „Qualität“ nicht hinreichend angegeben worden sei. Tatsächlich habe der Antragsgegner keine detaillierte Bewertungsmatrix aufgestellt. Unabhängig davon sei ein möglicherweise in der Antwort auf die Bieterfrage zur Bewertungsmatrix liegender Vergabeverstoß bereits mit Eingang der Antwort bei der Antragstellerin erkennbar gewesen, sodass er ebenfalls zum Zeitpunkt des Teilnahmeantrags, jedenfalls aber mit Ablauf der Frist zur Einreichung der Angebote hätte gerügt werden müssen. Das Gleiche gelte für die vorgetragene Behauptung der angeblich weitergehenden „Verwässerung“. Auch die Beanstandung, dass faktisch eine reine Preiswertung stattgefunden habe, sei präkludiert.
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Der Nachprüfungsantrag sei zudem unbegründet. Mit der Erweiterung der in die Aufforderung zur Angebotsabgabe einbezogenen Bewerber habe die Vergabestelle das mildere Mittel im Vergleich zum sonst im Raum stehenden Losentscheid gewählt. Mit der Einbeziehung aller nach Anwendung der Vorgaben aus dem Bewerbungsbogen zutreffend als gleich gut gewerteten Bewerber habe die Vergabestelle für keinen der Bewerber die Zuschlagschancen geschmälert. Vielmehr habe sie die Ungleichbehandlung durch einen Losentscheid vermieden. Mit dieser Entscheidung habe sie den Wettbewerb im Übrigen sogar erweitert und daher dem Wettbewerbsprinzip in besonderer Weise entsprochen. Eine Rechtsverletzung der Antragstellerin scheide schon deshalb aus, weil ihre Position im Wettbewerb wegen der fehlenden Zuschlagfähigkeit ihres Angebots nicht habe beeinträchtigt werden können. Die Vergabestelle habe die Wertung der Angebote auf der Basis der im Formblatt III. 16.1 festgelegten Zuschlagskriterien ordnungsgemäß durchgeführt. Die Antragstellerin habe dabei den 4. Rang belegt.
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Eine Widersprüchlichkeit im Hinblick auf die Eignungskriterien sei nicht gegeben. Auch die Behauptung der angeblich intransparenten Zuschlagswertung treffe nicht zu. Eine unzulässig nachgeschobene Ermessensentscheidung oder ein unzulässiges Nachschieben von Ermessenserwägungen liege nicht vor. Vielmehr sei die von der Vergabestelle zum Angebot der Beigeladenen getroffene Entscheidung aus der entsprechenden Dokumentation weiter- und tiefergehend erläutert und nachvollziehbarer dokumentiert worden, um möglichen Einwendungen entgegentreten zu können. Zugleich sei erstmals eine vergleichbare Beurteilung vorgenommen worden. Zu ihrer Begründung sei nun auch erstmals die zunächst nicht erforderlich gewesene detaillierte Prüfung und Wertung des Kriteriums „Qualität“ für das Angebot der Antragstellerin durchgeführt worden. Aus dieser habe sich ergeben, dass die Antragstellerin nicht einmal die volle Punktzahl für das Kriterium Qualität erreicht habe.
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Mit Beiladungsbeschluss vom 02.09.2025 wurde die Beigeladene beigeladen. Die Beigeladene stellt keine Anträge.
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Am 09.09.2025 erteilte die Vergabekammer einen rechtlichen Hinweis, in dem sie den Verfahrensbeteiligten mitteilte, dass der Nachprüfungsantrag nach ihrer vorläufigen Einschätzung begründet sei. Die Aufforderung von sechs Bewerbern zur Angebotsabgabe stelle einen vergaberechtlichen Verstoß dar. Der Antragsgegner habe klar und eindeutig in der Auftragsbekanntmachung unter Ziffer 5.1.9. vorgegeben, dass die Mindestzahl der zur zweiten Phase des Verfahrens einzuladenden Bewerber drei betrage und die Höchstzahl fünf. Er habe sich mit dieser Angabe selbst gebunden. Auch die Regelung des § 75 Abs. 6 VgV, die speziell auf die streitgegenständliche Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen anzuwenden sei, bewirke keine andere Entscheidung in der Sache. Vorliegend könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Antragstellerin bei Wiederholung der Aufforderung zur Angebotsabgabe mit insgesamt nur fünf Bewerbern in der Wertung den ersten Platz erringen könnte. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner ursprünglich nur eine Wertung des nichtmonetären Leistungskriteriums der Beigeladenen vorgenommen habe. Zwar habe er in der Antragserwiderung mitgeteilt, dass er nunmehr auch die Wertung des nichtmonetären Leistungskriteriums bei der Antragstellerin nachgeholt habe und habe hierfür die Bewertung vorgelegt. Allerdings könne durch eine anderweitige Bieterkonstellation auch eine vollkommen neue Bewertung herauskommen. Hierdurch könne es zu Änderungen in der Platzierung der Antragstellerin kommen. Vor diesem Hintergrund könne eine Rechtsverletzung der Antragstellerin nicht ausgeschlossen werden. Soweit die Antragstellerin den mangelnden Auftragsbezug des Zuschlagskriteriums rüge und diesbezüglich erstmals im Schriftsatz vom 01.09.2025 vortrage, dass sich der Antragsgegner den tatsächlichen Einsatz des Personals im Vertrag nicht hinreichend habe absichern lassen, erachte die Vergabekammer dieses Vorbringen als nicht präkludiert nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB. Die Vergabekammer wies diesbezüglich darauf hin, dass der Auftragsbezug des Zuschlagskriteriums „auftragsbezogene Qualifikation und Erfahrung der Projektmitarbeiter“ durchaus Probleme aufwerfen könnte, eine inhaltliche Auseinandersetzung aber an dieser Stelle dahinstehen könne. Der Antragsgegner erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme.
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Mit Schriftsatz vom 17.09.2025 trägt der Antragsgegner vor, dass er den Nachprüfungsantrag weiter für unbegründet halte. Soweit die Begründetheit des Nachprüfungsantrags von der Vergabekammer im rechtlichen Hinweis auf die Annahme gestützt werde, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Antragstellerin bei Wiederholung der Aufforderung zur Angebotsabgabe mit insgesamt nur fünf Bewerbern in der Wertung des ersten Platz erringen könnte, werde damit nicht die maßgebliche Kategorie der Kausalität betrachtet, auf die es im vorliegenden Fall ankomme. Diese Aussage betreffe vielmehr die „zweite Chance“ der Antragstellerin im Fall der Zurückversetzung des Verfahrens. Davon sei jedoch die Beurteilung zu trennen, ob ein Vergaberechtsverstoß sich im vorliegenden Fall (also ohne Zurückversetzung) vor dem Hintergrund der Wertungsentscheidung der Vergabestelle ebenfalls zu Lasten der Antragstellerin ausgewirkt haben könnte. Die zunächst unterbliebene vollständige Dokumentation des Wertungsergebnisses für die übrigen Bieter habe die Vergabestelle nun vorgenommen. Dabei seien die der Bewertung zu Grunde liegenden Gesichtspunkte in einer Tabelle dokumentiert worden. Diese Tabelle mit der Bewertung aller Angebote reichte der Antragsgegner mit dem Schriftsatz als Anlage ein. Die Beurteilung zeige, dass neben der Beigeladenen und einem preislich zurückgefallenen Bieter zwei weitere Bieter beim technischen (nichtmonetären) Kriterium die volle Punktzahl erhalten haben. Aufgrund des ebenfalls bestehenden preislichen Vorsprunges würden damit insgesamt drei Bieter vor der Antragstellerin liegen. Selbst wenn der Antragstellerin nun ebenfalls die volle Punktzahl zugemessen würde, könnte dies nichts daran ändern, dass keine zwei Rangstellen aufgeholt werden könnten. Damit scheide eine Chance auf Zuschlagsentscheidung zugunsten der Antragstellerin auch dann aus, wenn ein vor ihr liegender Bieter hypothetisch aus dem Kreis der zur Angebotsabgabe aufgeforderten Unternehmens ausgeblendet werden müsste. In der Erweiterung des Bieterkreises liege auch kein vergaberechtlicher Verstoß. § 75 Abs. 6 VgV eröffne das Losverfahren als alternatives Auswahlverfahren in Erweiterung der sonst bestehenden Möglichkeiten zur Bestimmung der auszuwählenden Bewerber für den Auftraggeber. Indem § 75 Abs. 6 VgV in dem geregelten Ausnahmefall zulasse, dass eine Entscheidung durch Los getroffen werden dürfe und in dem zugleich das Losverfahren nicht zur freien Disposition des Auftraggebers stehe, komme gleichfalls zum Ausdruck, dass der Auftraggeber eine in seinem Ermessen stehende Entscheidung darüber zu treffen habe, ob ein Losverfahren zur Anwendung gelangen könne. Hierbei sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren. Unter mehreren gleich wirksamen Mitteln sei das „mildere“ Mittel zu wählen. Für den Fall, dass bei gleicher Eignung und Erfüllung der vorgegebenen Auswahlkriterien für den Teilnahmewettbewerb mehr als die Mindestanzahl der zuzulassenden Bewerber sich als geeignet darstellten, könne das mildere Mittel auch die Zulassung weiterer Bewerber sein. Der Antragsgegner teile auch nicht die Bedenken der Vergabekammer gegen den angeblich mangelnden Auftragsbezug des Zuschlagskriteriums 2.1. Dieses Kriterium sei in den Vergabeunterlagen für jeden Bieter ersichtlich eindeutig festgelegt. Die Leistungserbringung sei durch § 8 des ausgeschriebenen Vertrages und in Nr. 1.6 der vereinbarten AVB (Formblatt VI.1) festgelegt gewesen.
26
Mit Schriftsatz vom 29.09.2025 vertieft die Antragstellerin ihre Beanstandungen zur Aufforderung von 6 Bietern zur Angebotsabgabe. Aus dem Wort „kann“ in § 75 Abs. 6 VgV könne nicht gefolgert werden, dass der Auftraggeber eine Wahlrecht habe, zwischen einer Auslosung des letzten freien Platzes und der nachträglichen Verbreiterung des Wettbewerbs durch Aufforderung weitere Bieter zur Angebotsabgabe frei auszuwählen. Die vom Antragsgegner nachträglich erstmals vorgenommene qualitative Angebotswertung sei nicht zulässig. Die nachträgliche Angebotswertung sei auch in der Sache nicht nachvollziehbar. Für einen Bieter habe es sich nicht erschließen können, dass Referenzen für SiGeKo-Leistungen einzureichen waren. Ferner habe ein weiterer Bieter die volle Punktzahl von 5 Punkten erhalten, obwohl er neben Projektleiter, stellvertretendem Projektleiter und örtlicher Bauüberwachung keine weiteren Projektmitarbeiter angegeben habe. Ein Projekt dieser Größenordnung werde jedoch nicht nur von drei Mitarbeitern abgearbeitet. Weiter trägt die Antragstellerin vor, dass ohne eine vertragliche Absicherung der Wertung des angebotenen Projektteams der notwendige Auftragsbezug fehle. Weiter sei nicht erkennbar, ob der Antragsgegner eine Prüfung des erstplatzierten Angebots auf seine Auskömmlichkeit vorgenommen habe.
27
Mit Schriftsatz vom 06.10.2025 äußert der Antragsgegner Bedenken, ob im jetzigen Stadium des Verfahrens überhaupt noch in das Ergebnis des Teilnahmewettbewerbs eingegriffen werden dürfe. Zudem ergänzt er seine bisherigen Ausführungen. Sowohl die Bezeichnung „geeignet“ zur Beschreibung der zum Nachweis vorzulegenden Referenzprojekte, als auch die Einschränkung, dass es sich um Projekt handeln sollte, die mit den hierzu vergebenden Leistungen bestmöglich vergleichbar sind, würden einem fachkundigen Bieter aufzeigen, dass der Erwartungshorizont anhand der Anforderungskategorien definiert werde, welche durch die verlangten Leistungen der ausgeschriebenen Tätigkeiten gebildet werden. Zu Unrecht erhebe die Antragstellerin den Vorwurf, dass ein Bieter ungerechtfertigt die volle Punktzahl erhalten habe, obwohl er augenscheinlich neben Projektleiter, stellvertretendem Projektleiter und örtlicher Bauüberwachung keine weiteren Projektmitarbeiter angegeben habe. Abgesehen davon, dass diese Behauptung unbelegt bleibe, sei die Anzahl der Mitarbeiter nach dem Inhalt des Wertungskriteriums nicht maßgeblich gewesen und hätte daher nicht berücksichtigt werden dürfen.
28
Ins Blaue hinein ergänze die Antragstellerin nun den Vorwurf einer möglicherweise unterbliebenen Preisprüfung des erstplatzierten Angebots auf seine Auskömmlichkeit. Eine Verpflichtung zur Preisprüfung habe nicht bestanden.
29
Am 07.10.2025 fand in den Räumlichkeiten der Regierung von Oberbayern die mündliche Verhandlung statt, in der die Sach- und Rechtslage erörtert wurde und den Verfahrensbeteiligten Gelegenheit zum Vortrag und zur Stellungnahme gegeben wurde.
30
Die Verfahrensbeteiligten wurden durch den Austausch der jeweiligen Schriftsätze informiert. Auf die ausgetauschten Schriftsätze, das Protokoll der mündlichen Verhandlung, die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen.
II.
31
Die Vergabekammer Südbayern ist für die Überprüfung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zuständig.
32
Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern ergibt sich aus §§ 155, 156 Abs. 1, 158 Abs. 2 GWB i. V. m. §§ 1 und 2 BayNpV. Gegenstand der Vergabe ist ein Dienstleistungsauftrag i. S. d. § 103 Abs. 4GWB. Der Antragsgegnerist Auftraggeber gemäß §§ 98, 99 Nr. 1 GWB. Der geschätzte Gesamtauftragswert überschreitet den gemäß § 106 GWB maßgeblichen Schwellenwert. Eine Ausnahmebestimmung der §§ 107 – 109 GWB liegt nicht vor.
33
1. Der Nachprüfungsantrag ist weitgehend zulässig.
34
1.1. Die Antragstellerin ist antragsbefugt. Gemäß § 160 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen antragsbefugt, wenn es sein Interesse am Auftrag, eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB und zumindest einen drohenden Schaden darlegt. Die Antragstellerinhat ihr Interesse am Auftrag durch die Abgabe eines Angebots nachgewiesen. Es ist nicht erkennbar, dass sie mit diesem Nachprüfungsantrag einen anderen Zweck verfolgt, als den, den strittigen Auftrag zu erhalten. Die Antragstellerinhat eine Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB insbesondere durch den angekündigten Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen geltend gemacht. Begründend hat sie hierzu vorgetragen, dass der Antragsgegner von der mit Auftragsbekanntmachung festgelegten Höchstzahl zum Angebot aufzufordernder Bieter nach oben abgewichen sei, die Eignungskriterien intransparent seien und die vom Antragsgegner vorgenommene Zuschlagswertung intransparent sei. Der Umstand, dass das Angebot der Antragstellerin nach der mit Schriftsatz des Antragsgegners vom 17.09.2025 vorgelegten vergleichenden Darstellung der Ergebnisse nunmehr lediglich den fünften Platz in der Wertungsreihenfolge belegt, lässt die Antragsbefugnis der Antragstellerin nicht entfallen, da die Antragstellerin sowohl zuschlagshindernde Vergabeverstöße plausibel dargelegt hat und sich zudem im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens gegen die Zuschlagsfähigkeit der vor ihr liegenden Angebote gewendet hat. Ob eine Beeinträchtigung der Auftragschancen der Antragstellerin tatsächlich besteht, ist eine Frage der Begründetheit (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.08.2019, Verg 56/18).
35
1.2. Der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags steht größtenteils keine Rügepräklusion entgegen.
36
1.2.1. Eine Präklusion gem. § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3GWB ist jedoch anzunehmen, soweit die Antragstellerin erstmals mit Schreiben an den Antragsgegner vom 07.08.2025 gerügt hat, dass die Eignungskriterien intransparent seien.
37
Gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 GWB ist ein Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden. Erkennbar i.S.v. § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 bzw. Nr. 3 GWB ist ein Vergaberechtsverstoß, wenn die zugrundliegenden Tatsachen von einem durchschnittlichen Bieter als Verstoß gegen Bestimmungen des Vergabeverfahrens erkannt werden können (OLG München, Beschluss vom 13.03.2017, Verg 15/16). Die Erkennbarkeit des Verstoßes gegen eine Vergabevorschrift setzt einerseits die Erkennbarkeit der maßgeblichen Tatsachen, andererseits die Erkennbarkeit des Rechtsverstoßes voraus (BayObLG, Beschluss vom 11.12.2024, Verg 7/24 e). Dabei muss der Verstoß so deutlich zutage treten, dass er einem verständigen Bieter bei der Vorbereitung seines Angebots auffallen muss; übersteigerte tatsächliche oder rechtliche Anforderungen dürfen diesbezüglich an den Bieter nicht gestellt werden (BayObLG, Beschluss vom 06.09.2023, Verg 5/22 m. w. N.). Bei der Beurteilung ist auf den objektiven Maßstab eines durchschnittlich fachkundigen Bieters abzustellen, der die übliche Sorgfalt anwendet (BayObLG, Beschluss vom 11.12.2024, Verg 7/24 e). Eine Rügepräklusion wird daher in der Regel nur bei auf allgemeiner Überzeugung der Vergabepraxis beruhenden und ins Auge fallenden Rechtsverstößen in Betracht kommen.
38
Der Antragsgegner hat unter Abschnitt 5.1.9. der Bekanntmachung Vorgaben zu den Eignungskriterien gemacht. Ein durchschnittlicher Bieter hätte bei Anwendung der üblichen Sorgfalt eine etwaige Uneindeutigkeit resultierend daraus, dass einerseits auf einen Referenzzeitraum der letzten 3 Jahre abgestellt wurde und anderseits es auch als ausreichend erachtet wurde, dass Dienstleistungen berücksichtigt werden, die mehr als 5 Jahre zurückliegen, erkennen können und zumindest in der Laiensphäre den Schluss ziehen können, dass diese Intransparenz Auswirkungen auf die Vergleichbarkeit der durchzuführenden Eignungsprüfung bei den Bewerbern haben kann. Auch die nach Ansicht der Antragstellerin bestehende Diskrepanz zwischen einem vorzulegenden Referenzprojekt nach Formblatt III.6 (Bewerberbogen) Abschnitt 4.3.1 und der Wortwahl „Referenzen“ in der Bekanntmachung war für einen durchschnittlichen Bieter durch Lektüre der Auftragsbekanntmachung und der Vergabeunterlagen erkennbar. Ein verständiger Bieter hätte die tatsächliche Diskrepanz und damit eine Intransparenz feststellen können und zumindest laienhaft von einem Verstoß gegen Vorschriften des Vergaberechts ausgehen können. Die Antragstellerin hat diese Umstände nicht spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Einreichung der Teilnahmeanträge und auch nicht vor Angebotsfristende gerügt und ist vor diesem Hintergrund mit den Einwänden präkludiert.
39
1.2.2. Eine Rügepräklusion nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB ist auch anzunehmen, soweit die Antragstellerin die Verwässerung des Wertungsmaßstabes durch die Bieterfragenbeantwortung moniert. Für einen verständigen Bieter war durch bloße Lektüre der Bieterfragenbeantwortung erkennbar, dass der Antragsgegner bei den Referenzprojekten auch Leistungsphasen mit fünf Punkten zu bewerten beabsichtigt, die noch nicht vollständig abgeschlossen bzw. abgenommen sind und zumindest in der Laiensphäre hätte der Schluss gezogen werden können, dass dieser recht offen formulierte Maßstab dem öffentlichen Auftraggeber einen erweiterten Beurteilungsspielraum im Hinblick auf die Bewertung der zuschlagsrelevanten Referenzen eröffnet.
40
1.2.3. Bei der Beanstandung der Antragstellerin, dass der preislich bestplatzierte Bieter nicht die volle Punktzahl in den Zuschlagskriterien 2.1, 2.2 und 2.3 erhalten haben könne, handelt es sich um eine Rüge ins Blaue hinein.
41
An Rügen ist ein großzügiger Maßstab anzulegen. Ein Bieter darf im Nachprüfungsverfahren behaupten, was er auf der Grundlage seines – oft nur beschränkten – Informationsstands redlicherweise für wahrscheinlich oder möglich halten darf (vgl. BayObLG, Beschluss vom 09.04.2025, Verg 1/25 e; Beschluss vom 20.01.2023, Verg 14/22; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.12.2022, Verg 11/22). Der Antragsteller muss zumindest tatsächliche Anknüpfungstatsachen oder Indizien vortragen, die einen hinreichenden Verdacht auf einen bestimmten Vergaberechtsverstoß begründen. Eine pauschale, „ins Blaue hinein“ erhobene Rüge, die sich in reinen Vermutungen erschöpft (vgl. BGH, Beschluss vom 26.09.2006, X ZB 14/06; BayObLG, Beschluss vom 09.04.2025, Verg 1/25 e; OLG München, Beschluss vom 07.08.2007, Verg 8/07) oder nicht plausibel ist, genügt dagegen nicht (BayObLG, Beschluss vom 12.09.2025, Verg 5/25).
42
Eingangs ist festzuhalten, dass, soweit die Antragstellerin eine volle Punktzahl in den Zuschlagskriterien 2.2 und 2.3 moniert, diese Zuschlagskriterien ausweislich der Bieterfragenbeantwortung überhaupt keine Berücksichtigung bei der Zuschlagsbewertung gefunden haben, sondern lediglich Angaben zum Zuschlagskriterium 2.1 gewichtet wurden. Aber auch im Übrigen genügt die Rüge der Antragstellerin vom 07.08.2025 den oben skizzierten Anforderungen nicht. Der Rüge kann zwar eine vergaberechtliche Beanstandung entnommen werden. In der Äußerung der Antragstellerin, dass es nahezu ausgeschlossen sei, dass der preislich bestplatzierte Bieter mit seinem Projektteam die volle Punktzahl in den Zuschlagskriterien 2.1, 2.2. und 2.3 erreicht habe, ist der Vorwurf eines vergaberechtlichen Verstoßes gegen die ordnungsgemäße Durchführung der Zuschlagswertung durch den Antragsgegner zu erblicken. Die Antragstellerin hat in der Rüge jedoch nicht ansatzweise dargetan, mit welcher Begründung sie davon ausgeht, dass die preislich bestplatzierte Bieterin nicht in der Lage sei, die volle Punktzahl in diesen Zuschlagskriterien zu erhalten. Sie hat lediglich pauschal behauptet, dass es wenig glaubwürdig sei, dass der preislich bestplatzierte Bieter „drei perfekte Referenzen vorgelegt“ habe, die mit der ausgeschriebenen Leistung bestmöglich vergleichbar seien. Auch wenn die Vergabekammer nicht verkennt, dass es sich vorliegend um das Angebot der Beigeladenen handelt, in das die Antragstellerin naturgemäß wenig bis keinen Einblick haben dürfte, ist dennoch erforderlich, dass die Antragstellerin zur Untermauerung ihrer Beanstandung plausible und nachvollziehbare Anknüpfungstatsachen vorträgt, die sie zu ihrer Annahme bewegt haben. Lediglich vorzutragen, dass der preislich bestplatzierte Bieter keine optimalen Referenzen einreichen könne, genügt den Anforderungen nicht.
43
1.2.4. Soweit der Antragsgegner eine Rügepräklusion auch hinsichtlich der Beanstandungen der Antragstellerin auf Unterlassen der Veröffentlichung einer detaillierten Bewertungsmatrix und der Vornahme einer reinen Preiswertung annimmt, folgt die Vergabekammer dem nicht.
44
Die Beanstandung einer etwaigen Nichtveröffentlichung einer Bewertungsmatrix war weder für einen verständigen Bieter nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB erkennbar, noch kommt eine positive Kenntnis der Antragstellerin nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB in Betracht. Zwar hatte der Antragsgegner im Rahmen der Bieterfragenbeantwortung mitgeteilt, dass eine detailliertere Bewertungsmatrix entsprechend VHF-Richtlinie und gängiger Rechtsmeinung nicht bekannt gemacht werde. Allerdings war dieser Äußerung für einen verständigen Bieter nicht eindeutig zu entnehmen, dass gegebenenfalls eine detaillierte Bewertungsmatrix vorhanden war, die aber zuvor nicht veröffentlicht wurde. Demzufolge schließt sich auch eine zumindest laienhafte Vorstellung über einen Vergaberechtsverstoß diesbezüglich aus. Nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB ist ein Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit der Antragsteller den geltend gemachten Verstoß gegen Vergabevorschriften vor Einreichen des Nachprüfungsantrages erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen gerügt hat. Es muss somit positive Kenntnis hinsichtlich des Vergabefehlers bestanden haben. Die erforderliche positive Kenntnis muss sowohl die einen Rechtsverstoß begründenden Tatsachen als auch die wenigstens laienhafte und durch vernünftige Beurteilung hervorgebrachte rechtliche Wertung des Antragstellers umfassen, dass der Vergabevorgang zu beanstanden sei (Horn/Hofmann, in: Burgi/Dreher/Opitz, Beck'scher Vergaberechtskommentar, Bd. 1, 4. Auflage 2022, § 160 GWB Rn. 44). Dies ist vorliegend nicht gegeben. Denn die Antragstellerin trägt vor, dass sie aufgrund der Bieterfragenbeantwortung lediglich darauf geschlossen habe, dass eine detailliertere Bewertungsmatrix tatsächlich vorhanden sei. Dies ist nicht mit einer positiven Kenntnis gleichzusetzen. Auch hinsichtlich der Beanstandung der Vornahme einer reinen Preiswertung kann der Antragstellerin keine positive Kenntnis nachgewiesen werden. Zwar hatte der Antragsgegner der Antragstellerin mit Informationsschreiben vom 04.08.2025 mitgeteilt, dass die Beigeladene die volle Punktzahl im Zuschlagskriterium „Auftragsbezogene Qualifikation und Erfahrung der Projektmitarbeiter“ erreichen konnte, sodass aus Vereinfachungsgründen bei allen anderen Angeboten auf eine detaillierte Prüfung und Wertung der Zuschlagskriterien verzichtet worden sei und für ihr Angebot ebenfalls mit fünf Punkten gerechnet worden sei. Allerdings ist anhand des Vorbringens der Antragstellerin der Nachweis einer positiven Kenntnis eines Vergaberechtsverstoßes nicht möglich. Denn dazu müsste sie Einblick in die vom Antragsgegner vorgenommenen Wertungsunterlagen haben, den sie faktisch aber erst durch die Akteneinsicht erhalten hat.
45
1.2.5. Im Übrigen steht der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrages keine Rügepräklusion nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB entgegen. Die Antragstellerin wurde erst mit Informationsschreiben vom 04.08.2025 davon in Kenntnis gesetzt, dass ihre Gesamtpunktzahl dem Rang 4 von 6 entspreche und somit 6 anstelle der 5 vorgesehenen Bieter zur Angebotsabgabe aufgefordert wurden. Die Antragstellerin hat dies gegenüber dem Antragsgegner mit Schreiben vom 07.08.2025 und damit innerhalb der normierten Frist von 10 Kalendertagen als vergaberechtswidrig beanstandet. Eine Rügepräklusion hinsichtlich der Beanstandung einer vergaberechtswidrig vorgenommenen Wertung des qualitativen Zuschlagskriteriums kommt nicht in Betracht, da die Antragstellerin erst durch die erteilte Akteneinsicht detaillierte Kenntnis von der Wertung des Antragsgegners erhalten hat.
46
2. Soweit der Nachprüfungsantrag zulässig ist, ist erauch begründet. Zwar erweisen sich die von der Antragstellerin gegen die generelle Zulässigkeit der Zuschlagskriterien und des zugrunde gelegten Wertungsschemas vorgetragenen Beanstandungen als nicht begründet (hierzu 2.1.). Der Antragsgegner hat jedoch, soweit er sechs Bewerber, anstelle der mit Auftragsbekanntmachung bekanntgemachten Höchstzahl von fünf Bewerbern, zur Angebotsabgabe aufgefordert hat, gegen vergaberechtliche Bestimmung verstoßen (hierzu 2.2.). Dieser Verstoß hat die Antragstellerin auch in ihren Rechten aus § 97 Abs. 6 GWB verletzt (hierzu 2.3.).
47
2.1.1. Der Vorwurf der Antragstellerin, der Antragsgegner habe zuvor keine detailliertere Bewertungsmatrix veröffentlicht, ist nicht begründet. Wie der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 25.08.2025 mitgeteilt hat, gab es keine detaillierte Bewertungsmatrix, die der Antragsgegner zuvor hätte veröffentlichen können.
48
2.1.2. Mit der Beanstandung, dass der Antragsgegner lediglich die Gesamtgewichtung offengelegt, aber weder Unterkriterien noch deren Gewichtung definiert, sowie keine Anhaltspunkte für einen Zielerreichungsgrad oder Erwartungshorizont gegeben habe, dringt die Antragstellerin ebenfalls im Ergebnis nicht durch. Der Antragsgegner hat vorliegend zwar ein recht offenes, insgesamt aber vergaberechtlich nicht zu beanstandendes Wertungssystem gewählt. Einer transparenten und wettbewerbskonformen Auftragsvergabe steht es nicht entgegen, dass die von den Bietern vorzulegenden Ausführungen zu nicht-preislichen Zuschlagskriterien im Rahmen der Angebotswertung benotet werden und einen der jeweiligen Note zugeordneten Punktwert erhalten, ohne dass die Vergabeunterlagen weitere konkretisierende Angaben dazu enthalten, wovon die jeweils zu erreichende Punktzahl für das Konzept konkret abhängen soll (vgl. BGH, Beschluss vom 04.04.2017, X ZB 3/17). Der Antragsgegner hat bei seiner Bewertung auch keine internen, gewichteten Unterkriterien gebildet, sondern eine Gesamtbewertung des Kriteriums „Auftragsbezogene Qualifikation und Erfahrung der Projektmitarbeiter“ durchgeführt. Einem solchen offenen Wertungssystem steht dann jedoch eine gesteigerte Dokumentationspflicht bei der durchgeführten Angebotswertung gegenüber, um die Entscheidung des Antragsgegners für die Vergabenachprüfungsinstanzen überprüfbar und nachvollziehbar zu machen.
49
2.1.3. Soweit die Antragstellerin den mangelnden Auftragsbezug des Zuschlagskriteriums „Auftragsbezogene Qualifikation und Erfahrung der Projektmitarbeiter“ rügt und diesbezüglich vorträgt, dass sich der Antragsgegner den tatsächlichen Einsatz des Personals im Vertrag nicht hinreichend hat absichern lassen, liegt kein Verstoß gegen § 127 Abs. 3 GWB vor.
50
Gemäß § 127 Abs. 3 Satz 1 GWB müssen die Zuschlagskriterien mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen, wobei diese Verbindung gemäß § 127 Abs. 3 Satz 2 GWB auch dann anzunehmen ist, wenn sich ein Zuschlagskriterium auf Prozesse im Zusammenhang mit der Herstellung, Bereitstellung oder Entsorgung der Leistung, auf den Handel mit der Leistung oder auf ein anderes Stadium im Lebenszyklus der Leistung bezieht. Nach Art. 67 Abs. 3 der RL 2014/24/EU stehen Zuschlagskriterien mit dem Auftragsgegenstand des öffentlichen Auftrags in Verbindung, wenn sie sich in irgendeiner Hinsicht und in irgendeinem Lebenszyklus-Stadium auf die gemäß dem Auftrag zu erbringenden Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen beziehen. Maßgebend für die Beurteilung des Auftragsbezugs ist der Inhalt des Angebotes bzw. der Auftragsgegenstand, d.h. die Leistung, zu der sich der Bieter verpflichtet (vgl. OLG München, Beschluss vom 24.03.2021, Verg 12/20).
51
Die Vergabekammer sieht den nötigen Auftragsbezug bereits dadurch als erfüllt an, dass der Einsatz der Projektbearbeiter über § 1 Ziffer 1.6.1 der Allgemeinen Vertragsbestimmungen (AVB), die ausweislich § 2 Ziffer 2.1 Vertragsbestandteil sind, hinreichend vertraglich abgesichert ist, denn es handelt sich dabei um konkrete Personen, die für die Erbringung der Leistung benannt wurden.
52
2.2. Der Antragsgegner hat unzulässigerweise mehr Bewerber zur Abgabe eines Angebots aufgefordert als er als Höchstzahl nach § 51 Abs. 1 Satz 2 VgV verbindlich festgelegt hatte.
53
§ 51 Abs. 1 Satz 1 VgV sieht vor, dass bei allen Verfahrensarten mit Ausnahme des offenen Verfahrens, also auch dem hier vorliegenden Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb, der öffentliche Auftraggeber die Zahl der geeigneten Bewerber, die zur Abgabe eines Angebots aufgefordert werden, begrenzen kann, sofern genügend geeignete Bewerber zur Verfügung stehen. Nach § 51 Abs. 1 Satz 2 VgV gibt der öffentliche Auftraggeber in der Auftragsbekanntmachung oder der Aufforderung zur Interessenbestätigung die von ihm vorgesehenen objektiven und nichtdiskriminierenden Eignungskriterien für die Begrenzung der Zahl, die vorgesehene Mindestzahl und gegebenenfalls auch die Höchstzahl der einzuladenden Bewerber an. Dies hat der Antragsgegner vorliegend getan. Er hat klar und eindeutig in der Auftragsbekanntmachung unter Abschnitt 5.1.9. vorgegeben, dass die Mindestzahl der zur zweiten Phase des Verfahrens einzuladenden Bewerber drei beträgt und die Höchstzahl fünf. Außerdem hat er in der Bekanntmachung unter Abschnitt 5.1.9. die Eignungskriterien angegeben, anhand derer die Bewerber ausgewählt werden sollen, die zur zweiten Phase des Verfahrens eingeladen werden sollen und zudem auf einen Direktlink verwiesen, unter dem zur Bewertung und Gewichtung weitere Angaben zu finden waren. Im Formblatt III.6 (Bewerberbogen) war hierzu unter Teil IV hinsichtlich der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit und der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit eine Bewertungsmatrix vorgegeben, anhand derer eine Auswahl der geeigneten Bewerber, die zur zweiten Phase des Verfahrens eingeladen werden sollen, stattfinden sollte. Der Antragsgegner hat dann, abweichend von seiner Vorgabe, höchstens fünf Bewerber zur zweiten Phase des Verfahrens zuzulassen, sechs Bewerber zur Angebotsabgabe aufgefordert. Dies stellt einen vergaberechtlichen Verstoß dar. Wurde eine Höchstzahl von Bewerbern genannt, die zur Angebotsabgabe aufgefordert werden, ist es grundsätzlich nicht zulässig, mehr Bewerber aufzufordern als ursprünglich vorgesehen. Denn in diesem Fall hat sich der Auftraggeber selbst gebunden und es stellt einen Verstoß gegen das Willkürverbot und das Transparenzgebot eines Vergabeverfahrens dar, wenn er darüber hinaus einen weiteren Bieter zulässt (OLG München, Beschlüsse vom 21.11.2013, Verg 9/13 und 19.12.2013, Verg 12/13; Goldbrunner, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht 5. Auflage 2024, § 51 VgV Rn. 10; Mager, in: Beck’scher Vergaberechtskommentar, Bd. 2, 4. Auflage 2025, § 51 VgV Rn. 21; Fett, in: Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht, 4. Auflage 2022, § 51 VgV Rn. 17).
54
Das Vorgehen des Antragsgegners lässt sich auch nicht unter Berücksichtigung der Vorgaben des § 75 Abs. 6 VgV, die speziell auf die streitgegenständliche Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen anzuwenden sind, rechtfertigen. Anders, als die überwiegende Meinung in der Literatur (Schneider, in: Beck’scher Vergaberechtskommentar, Bd. 2, 4. Auflage 2025, § 75 VgV Rn. 116a; Sauer, in: Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht, 4. Auflage 2022, § 75 VgV Rn. 42; Friton, in: BeckOK Vergaberecht, Gabriel/Mertens/Stein/Wolf, 37. Edition, Stand: 15.02.2025, § 75 VgV Rn. 104; Martini, in: Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, 3. Auflage 2019, § 75 VgV Rn. 69; Ingerowski, in: Dieckmann/Scharf/Wagner-Cardenal, VgV, UVgO, 3. Auflage 2022, § 75 VgV Rn. 19) annimmt, kann nach Ansicht der Vergabekammer nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass der öffentliche Auftraggeber alternativ zur Durchführung eines Losverfahrens über die bekanntgemachte Höchstzahl hinaus weitere, gleich geeignete, Bewerber zu Verhandlungen auffordern kann (vgl. auch OLG München, Beschluss vom 21.11.2013, Verg 9/13, das in seiner Entscheidungen über die Vergabe von Ingenieurleistungen einen vergaberechtlichen Verstoß angenommen hat, indem über die zunächst vorgegebene Höchstzahl an Bewerbern weitere gleich geeignete Bewerber zur Angebotsabgabe aufgefordert wurden).
55
§ 75 Abs. 6 VgV gestattet es lediglich, die Auswahl unter den verbleibenden Bewerbern durch Los zu treffen, wenn mehrere Bewerber an einem Teilnahmewettbewerb mit festgelegter Höchstzahl gemäß § 51 VgV gleichermaßen die Anforderungen erfüllen und die Bewerberzahl auch nach einer objektiven Auswahl entsprechend der zugrunde gelegten Eignungskriterien zu hoch ist. Wie die Antragstellerin vertritt auch die Vergabekammer die Auffassung, dass aus dem Wort „kann“ in § 75 Abs. 6 VgV nicht gefolgert werden darf, dass der öffentliche Auftraggeber ein Wahlrecht hat, zwischen einer Auslosung des letzten freien Platzes und der nachträglichen Verbreiterung des Wettbewerbs durch Aufforderung weitere Bieter zur Angebotsabgabe frei auszuwählen. Diese Erweiterung des Regelungsinhalts gibt der Wortlaut des § 75 Abs. 6 VgV nach Auffassung der Vergabekammer nicht her. § 75 Abs. 6 VgV ist als ergänzende Regelung zu § 51 Abs. 1 Satz 2 VgV zu sehen, wie bereits dem in § 75 Abs. 6 VgV enthaltenen Verweis auf eine „festgelegt[e] Höchstzahl gemäß § 51 [VgV]“ zu entnehmen ist. § 51 Abs. 1 Satz 2 VgV regelt dabei die Zulässigkeit der Angabe einer Höchstzahl. § 75 Abs. 6 VgV zeigt eine der Modalitäten auf, wie verfahren werden kann, wenn über die dann nach § 51 Abs. 1 Satz 2 VgV festgelegte Höchstzahl hinaus gleich geeignete Bewerber vorhanden sind, nämlich die Auswahl durch Los zu treffen. Der Verordnungsgeber hatte mit § 75 Abs. 6 VgV nur eine einzige Festlegung im Sinn. Er wollte die Durchführung einer Losentscheidung, die im Grunde weder eignungs- noch leistungsbezogen ist und somit letztlich zufällig erfolgt, was dem Wesen des Vergaberechts und auch den Grundsätzen des Vergaberechts zuwiderläuft, dennoch in den aufgezeigten Fällen gestatten. So schreibt er in der Verordnungsbegründung zu § 75 Abs. 6 VgV Folgendes: „In der Praxis kommt es häufig vor, dass trotz objektiver Auswahl an Hand qualitativer Kriterien zu viele gleich geeignete Bewerber übrig bleiben. Wenn es dem öffentlichen Auftraggeber aus objektiv nachvollziehbaren Gründen nicht möglich ist, den Kreis der Bewerber auf die vorgesehenen Zahl zu begrenzen, muss eine Losentscheidung möglich sein, damit der Auftraggeber mit einer noch handhabbaren Anzahl von Bewerbern die Verhandlungen aufnehmen kann. Die Begrenzung der Anzahl der Bewerber (Höchst- und Mindestzahl), die zu Verhandlungen aufgefordert werden, erfolgt nach § 51.“ (BT-Drs. 18/7318, S. 205).
56
Wie oben bereits aufgezeigt, wird allgemein vertreten (OLG München 21.11.2013, Verg 9/13; VK Südbayern, Beschluss vom 08.10.2013, Z3-3-3194-1-26-08/13; VK Rheinland, Beschluss vom 22.06.2012, VK 1-15/12; Mager, in: Beck'scher Vergaberechtskommentar, Bd. 2, 4. Auflage 2025, § 51 VgV Rn. 21; Fett, in: Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht, 4. Auflage 2022, § 51 VgV Rn. 14; Schneevogl/Müller, in: BeckOK Vergaberecht, Gabriel/Mertens/Stein/Wolf, 37. Edition Stand: 01.02.2023, § 51 VgV Rn. 9; Goldbrunner, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 5. Auflage 2024, § 51 VgV Rn. 10), dass es einen Verstoß gegen das Willkürverbot und das Transparenzgebot eines Vergabeverfahrens darstellt, wenn mehr Bewerber aufgefordert werden, als ursprünglich vorgesehen waren. Dies wird mit einer Selbstbindung des Auftraggebers und einem Vertrauen der Bieter, sich auf die vorgegebene Höchstzahl an Bewerbern verlassen zu können, gerechtfertigt. Für die Vergabekammer ist, auch nach eingehender Erörterung dieser Thematik mit den Verfahrensbeteiligten in der mündlichen Verhandlung, kein Grund ersichtlich, warum dieselbe Argumentation bei der Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen nicht gelten sollte. Wenn der öffentliche Auftraggeber, gleich in welchem Verfahren, sich mit Angabe der Höchstzahl gebunden hat, obwohl er nach § 51 Abs. 1 Satz 2 VgV nicht dazu verpflichtet, sondern nur dazu berechtigt ist, muss er sich an dieser Vorgabe auch festhalten lassen und darf nicht unter Verstoß gegen den Transparenz- und Gleichbehandlungsgrundsatz im Nachhinein davon abweichen, indem er mehr Bewerber zur Angebotsabgabe auffordert, als von ihm vorgesehen waren.
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2.3. Durch den vergaberechtlichen Verstoß des Antragsgegners, sechs Bewerber, anstelle der mit Auftragsbekanntmachung bekanntgemachten Höchstzahl von fünf Bewerbern, zur Angebotsabgabe aufgefordert zu haben, wird die Antragstellerin auch in ihren Rechten aus § 97 Abs. 6 GWB verletzt.
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Gemäß § 168 Abs. 1 Satz 1 GWB entscheidet die Vergabekammer, ob der Antragsteller in seinen Rechten verletzt ist und trifft die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Neben der im Rahmen der Antragsbefugnis zu erörternden Frage, ob ein bestehender oder drohender Schaden hinreichend dargelegt wurde, ist im Rahmen der Begründetheit des Antrags zu prüfen, ob der Schaden tatsächlich entstanden ist oder zu entstehen droht (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 19.03.2015, 13 Verg 1/15). Das Nachprüfungsverfahren dient nicht einer allgemeinen Rechtmäßigkeitskontrolle, sondern dem Individualschutz. Subjektive Bieterrechte können nur betroffen sein, wenn ein Bieter ernsthaft Chancen auf den Zuschlag hat oder das Verfahren ganz oder teilweise wiederholt werden muss und ihm dadurch die Möglichkeit eröffnet wird, den Zuschlag zu erlangen (vgl. OLG München, Beschluss vom 09.08.2010, Verg 13/10). Da die Vergabekammer gemäß § 163 Abs. 1 Satz 4 GWB bei ihrer gesamten Tätigkeit darauf zu achten hat, dass der Ablauf des Vergabeverfahrens nicht unangemessen beeinträchtigt wird, scheidet ein Eingreifen der Vergabekammer aus, wenn ein Antragsteller keine Aussicht auf Erteilung des Zuschlags hat. Ist sicher auszuschließen, dass sich der festgestellte Vergaberechtsverstoß auf die Auftragschancen des Antragstellers ausgewirkt haben kann, fehlt der Vergabekammer die Befugnis, von sich aus das Vergabeverfahren über Gebühr anzuhalten und auf diese Weise den vom Gesetz angestrebten möglichst raschen Abschluss des Vergabevorhabens zu verzögern (vgl. Fett, in: Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht, 4. Auflage 2022, § 168 GWB Rn. 12).
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Vorliegend kann nicht sicher ausgeschlossen werden, dass sich der festgestellte Vergabeverstoß auf die Auftragschancen der Antragstellerin ausgewirkt haben kann. Zwar belegt die Antragstellerin ausweislich der mit Schriftsatz des Antragsgegners vom 17.09.2025 vorgelegten vergleichenden Darstellung der Ergebnisse lediglich den Rang 5 in der Gesamtwertung, sodass, selbst wenn die für den Zuschlag ausgewählte Beigeladene bei Wiederholung der Auswahlentscheidung hinsichtlich der zur Angebotsabgabe aufzufordernden Bieter nicht im weiteren Verfahrensgang zu berücksichtigen wäre, weitere drei Angebote vor dem der Antragstellerin liegen würden und ihre Auftragschance verhindern würden. Jedoch ist die vom Antragsgegner vorgenommene Angebotswertung hinsichtlich des Angebots der Antragstellerin und der vor ihr liegenden Angebote der weiteren Bieter vergaberechtlich zu beanstanden.
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2.3.1. Bei der Prüfung und Bewertung der Angebote ist dem Auftraggeber ein Beurteilungsspielraum eingeräumt. Die Nachprüfungsinstanzen können diese Entscheidung nur daraufhin kontrollieren, ob das vorgeschriebene Verfahren eingehalten, von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen wurde, keine sachwidrigen Erwägungen in die Entscheidung eingeflossen sind und allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet wurden (VK Bund, Beschluss vom 04.04.2022, VK 2-24/22; OLG München, Beschluss vom 26.02.2021, Verg 14/20). Dies setzt voraus, dass die Wertungen anhand der aufgestellten Zuschlagskriterien vertretbar, in sich konsistent und in diesem Sinne nachvollziehbar sind (VK Bund, Beschluss vom 04.04.2022, VK 2-24/22). Der Nachvollziehbarkeit kommt im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens besondere Bedeutung zu und sie ist eng mit der gesetzlich in § 8 Abs. 1 Satz 2 VgV statuierten Dokumentationspflicht verbunden. Nachvollziehbarkeit bedeutet, dass für die Nachprüfungsinstanzen nachverfolgbar ist, warum das ausgewählte Angebot im Quervergleich mit den weiteren Angeboten, die ebenfalls als wertbar angesehen werden, als das wirtschaftlichste bewertet wurde. Diese Gründe müssen derart detailliert sein, dass ein mit dem jeweiligen Vergabeverfahren vertrauter Leser sie als fassbar erachtet. Mit anderen Worten: Werden Aspekte, die zu einer Ab- oder Aufwertung führen, in den eingereichten Konzepten als gleichwertig berücksichtigt. Nicht notwendig ist, dass die jeweilige Nachprüfungsinstanz zu dem gleichen inhaltlichen Ergebnis kommt. Denn der Konzeptbewertung wohnt auch immer ein subjektives Element inne (VK Westfalen, Beschluss vom 01.02.2023, VK 1-49/22).
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Der vom Antragsgegner vorgegebene Bewertungsmaßstab ist vorliegend abstrakt und offen gestaltet. Die Bewertung der von den Bietern zu dem Zuschlagskriterium „Auftragsbezogene Qualifikation und Erfahrung der Projektmitarbeiter“ mit dem Angebot vorzulegenden Unterlagen sollte anhand einer Punkteskala erfolgen, wobei eine Spanne von null bis fünf Punkten zur Verfügung stand und hinsichtlich der einzelnen Punkte ein kurze Erläuterung zum Erwartungshorizont gegeben war. So sollten beispielsweise fünf Punkte vergeben werden, wenn das Angebot die Anforderungen optimal erfüllt. Vier Punkte konnten erreicht werden, wenn die Aussagen im Angebot vereinzelte oder geringfügige Defizite erkennen lassen. Ein solcher offener Bewertungsmaßstab ist vom BGH in seinem Beschluss vom 04.04.2017, X ZB 3/17 zwar prinzipiell als zulässig erachtet worden. Der Gefahr, die durch diese Offenheit des im Streitfall vorgesehenen Wertungsschemas zu einer nicht hinreichend transparenten Vergabe führt, ist jedoch durch eingehende Dokumentation des Wertungsprozesses zu begegnen. Der Auftraggeber ist verpflichtet, die Gründe für die Auswahlentscheidung und den Zuschlag zu dokumentieren (§ 8 Abs. 1 Satz 2 VgV). Insbesondere dann, wenn er sich dafür eines aus Preis und qualitativen Aspekten zusammengesetzten Kriterienkatalogs bedient, bei dem die Angebote hinsichtlich der Qualitätskriterien mittels eines Benotungssystems bewertet werden und die Bewertungsmethode des Preises nur enge Kompensationsmöglichkeiten für qualitative Abzüge erwarten lässt, wie vorliegend, wo auf den Preis lediglich 30%, auf die auftragsbezogene Qualifikation und Erfahrung der Projektmitarbeiter jedoch ganze 70% der Wichtung entfallen, muss der Auftraggeber seine für die Zuschlagserteilung maßgeblichen Erwägungen in allen Schritten so eingehend dokumentieren, dass nachvollziehbar ist, welche konkreten qualitativen Eigenschaften der Angebote mit welchem Gewicht in die Benotung eingegangen sind (BGH, Beschluss vom 04.04.2017, X ZB 3/17).
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2.3.2. Vorliegend ist für die Vergabekammer jedoch anhand der vorgelegten Dokumentation nicht nachvollziehbar, welche Erwägungen des Antragsgegners zu den Punktvergaben der einzelnen Angebote geführt haben.
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Es steht bereits in Zweifel, ob der Antragsgegner das vorgeschriebene Verfahren eingehalten hat, indem er ausweislich der vergleichenden Darstellung der Ergebnisse bei jedem der Bieter im Rahmen der Wertung festgestellt hat: „Ein weiterer Aspekt, der zum Bereich Erfahrung des Projektteams hinzugehört, ist die Berufserfahrung der einzelnen Mitarbeiter.“ und im Anschluss daran bei jedem der Bieter Feststellungen zu der Berufserfahrungen des „unerfahrensten“ Mitarbeiters getroffen hat. Denn die Berufserfahrung war nach den Vorgaben des Antragsgegners im Formblatt III.16.1 (Zuschlagskriterien und deren Gewichtung) kein zu wertender Aspekt. Ausweislich Abschnitt 2.2.1 war neben der Erfahrung des Projektteams, zu deren Nachweis Referenzprojekte vorzulegen waren nur die Vorstellung des Berufsabschlusses verlangt, wobei hierbei Nachweise nur auf Verlangen vorzulegen waren. Der Antragsgegner hat auf Nachfrage der Vergabekammer in der mündlichen Verhandlung zwar angegeben, dass er die Berufserfahrung nicht gewertet habe. Es sei für ihn lediglich auffällig gewesen und er habe es daher dokumentiert. Der Vergabekammer ist aber keine abschließende Feststellung möglich, ob die Aussage des Antragsgegners plausibel ist. Dem entgegen steht die eindeutige Formulierung in der dokumentierten Wertungsentscheidung des Antragsgegners, wonach er o.g. Feststellungen zur Berufserfahrung in der für die Wertung vorgesehenen Spalte beim jeweils betreffenden Bieter angegeben hat und die jeweilige Spalte mit der Feststellung endete, dass sich aus den oben genannten Punkten die Bepunktung ergebe. Dies lässt den Schluss zu, dass die Berufserfahrung durchaus in die Wertungsentscheidung eingegangen ist. Anderenfalls wäre nicht erklärlich, weshalb der Antragsgegner diese Feststellungen in der Spalte der Bewertung aufgeführt hat. Aufgrund der wenig aussagekräftigen Ausführungen des Antragsgegners zur Bewertung, die sich auf nur wenige Sätze beschränken, ist es der Vergabekammer auch nicht möglich, die Angaben des Antragsgegners aus der mündlichen Verhandlung weitergehend zu verifizieren, sodass nicht sicher ausgeschlossen werden kann, dass der Aspekt der Berufserfahrung nicht doch im Rahmen der Bewertung berücksichtigt wurde.
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Die vom Antragsgegner vorgenommene Bewertung ist für die Vergabekammer aufgrund der sehr allgemein gehaltenen Dokumentation nicht nachvollziehbar. Die Bieter sollten 3 geeignete Referenzprojekte vorlegen, die in den letzten 3 Jahren erbracht wurden und die mit den hier zu vergebenden Leistungen bestmöglich vergleichbar sind. Der Antragsgegner hat dann zwar mitgeteilt, wie er zur Überprüfung der Vergleichbarkeit der Referenzen mit den hier zu vergebenden Leistungen verfahren ist. Er habe auf Grundlage der Excelliste für die Honorarangebote Teilleistungen ausgewählt, die beim streitgegenständlichen Projekt umgesetzt werden müssten und für die die Bieter Preise angeboten hätten. Er zählte sodann auf, dass darunter anhand der beauftragten Objekte Planungen zu Hochwasserrückhaltebecken, Hochwasserschutzwänden, Schöpfwerken und Deiche sowie Leistungen im Bereich Vermessung, Hydraulik, Örtlicher Bauüberwachung und Sicherheits- und Gesundheitskoordination zählen würden. Die darauffolgende Feststellung bei den Bietern, die die volle Punktzahl erhalten haben, beschränkte sich jedoch auf die bloße Feststellung, dass der Bieter beziehungsweise die einzelnen Projektmitarbeiter als Team zu allen oben genannten Punkten Referenzen vorweisen könnten. Diese allgemein gehaltene Feststellung ist aber nicht geeignet, die Vergabenachprüfungsinstanzen in die Lage zu versetzen, die getroffene Entscheidung nachvollziehen zu können. Da von den Bietern eine Vielzahl von Referenzen vorgelegt wurden, die sich sowohl in Art und Umfang deutlich voneinander unterschieden, hätte es ergänzender Erläuterungen dazu bedurft, mit welcher Begründung der Antragsgegner bei den vorgelegten Referenzen von einer „bestmöglichen“ Vergleichbarkeit und damit einer optimalen Erfüllung der Anforderungen ausgeht und zwar bezogen auf jede einzelne Referenz.
65
Die Dokumentation zur Bewertung der Referenzen der Antragstellerin ist für die Vergabekammer auch nicht vollständig nachvollziehbar. Der Antragsgegner hat festgestellt, dass die Antragstellerin nicht zu allen Punkten Referenzen vorweisen könne und es wurde eine kurze Erläuterung gegeben, woraus die leichten Defizite abzuleiten seien, nämlich bei den Referenzen zur Sicherheits- und Gesundheitskoordination und der Vermessungsleistungen, die nicht eindeutig einer Person zuordenbar wären. Soweit die Antragstellerin diesbezüglich vorträgt, dass nicht klar erkennbar gewesen sei, dass Referenzen zu Sicherheits- und Gesundheitskoordination gefordert waren, ist dies für die Vergabekammer nicht nachvollziehbar. Die Sicherheits- und Gesundheitskoordination wurde in der Leistungsbeschreibung an mehreren Stellen als zu erbringende Leistung gefordert. Wenn die Bieter Referenzprojekte vorlegen sollen, die mit der zu vergebenden Leistung bestmöglich vergleichbar sind, dann musste ein verständiger Bieter davon ausgehen, dass Referenzen auch zu dieser Teilleistung erwartet werden.
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Die hinsichtlich der Referenzen zu SiGeKo-Leistungen vorgenommene Bewertung kann jedoch von der Vergabekammer nicht vollumfänglich nachvollzogen werden. Der Antragsgegner hat diesbezüglich festgestellt, dass leichte Defizite bei den Referenzen zur SiGeKo vorhanden seien. In den von der Antragstellerin genannten Referenzen würden zwar Angaben dazu zu finden sein, dass durch die Antragstellerin SiGeKo-Leistungen ausgeführt worden seien, dies sei aber nicht in den für den Projektleiter aufgeführten Referenzen der Fall. Das von der Antragstellerin eingereichte Zertifikat sei jedoch auf den Projektleiter ausgestellt. Aus der Organisationsstruktur ergebe sich auch kein Hinweis auf die SiGeKo. Zwar kann die Vergabekammer nach erfolgter Nachprüfung feststellen, dass in der Tat in den Referenzen des Projektleiters keine SiGeKo-Leistungen aufgeführt waren, für ihn aber ein SiGeKo-Zertifikat eingereicht wurde. Allerdings mussten die Bieter zum Nachweis der Qualifizierung zum SiGeKo keine Nachweise einreichen. Auffällig ist für die Vergabekammer, dass in der Referenz eines Projektbearbeiters, der für die technische Ausrüstung genannt wurde, SiGeKo-Leistungen aufgeführt waren und dass der Antragsgegner diesen Umstand bei dem betreffenden Projektbearbeiter auch in der Bewertungsdokumentation notiert hat. Bei den Feststellungen zu den Referenzen für Vermessungsleistungen verhält es sich ähnlich. Auch hier hat der Antragsgegner bei verschiedenen Projektbearbeitern in der Bewertungsdokumentation Vermessungsleistungen notiert. Dann ist aber nicht nachvollziehbar, warum der Antragsgegner dann zu der Bewertung gelangt, dass die Angaben zu Vermessungsleistungen und SiGeKo nicht eindeutig einer Person zugeordnet werden könnten.
67
Im Quervergleich der Bewertungen sind der Vergabekammer weitere Unstimmigkeiten aufgefallen, sodass die Bewertung des Antragsgegners auch vor diesem Hintergrund einer vergaberechtlichen Nachprüfung nicht standhält.
68
Ausweislich der Bewertungsübersicht geht die Vergabekammer im Angebot der Beigeladenen beim Projektleiter davon aus, dass die Referenzen 2 und 3 in die Wertungsentscheidung des Antragsgegner Eingang gefunden haben müssen, da der Antragsgegner diese in der Übersicht aufgeführt hat. Nach den Feststellungen der Vergabekammer durften diese beiden Referenzen jedoch nicht ohne Weiteres positiv für die Beigeladene berücksichtigt werden. Die Beigeladene hat angegeben, dass die Leistungen, an denen der jeweilige Bearbeiter maßgeblich beteiligt war, gelb hinterlegt seien. Bei den Referenzen des Projektleiters gibt es jedoch nur Gelbmarkierungen in der Referenz 1, die Referenzen 2 und 3 enthalten keine Gelbmarkierungen. Weshalb die Referenzen 2 und 3 dennoch ohne Weiteres Eingang in die Wertung des Antragsgegners gefunden haben und inwiefern diese positiv bei der Bewertung berücksichtigt wurden, kann aufgrund der sehr knappen Dokumentation nicht nachvollzogen werden.
69
In der Referenzbewertung des zweitplatzierten Bieters, der, wie die Beigeladene im nichtmonetären Zuschlagskriterium die volle Punktzahl erhalten hat, ist der Vergabekammer aufgefallen, dass der Bieter im Organigramm des Projektteams sowohl Projektleiter, stellvertretenden Projektleiter, Teamleiter sowie Teammitarbeiter benannt hat. Die Referenzen wurden jedoch nur für die führenden Projektmitarbeiter aufgeführt, nicht aber für alle im Organigramm benannten Teammitarbeiter. Es finden sich keine dokumentierten Ausführungen des Antragsgegners, inwiefern er den Umstand in seiner Wertung berücksichtigt hat, dass ausweislich der Vorgabe jeweils 3 Referenzen pro Projektbearbeiter einzureichend waren, worunter nach verständiger Würdigung alle vom Bieter geplanten Projektbearbeiter, also auch Teammitarbeiter gemeint sind, der Bieter jedoch augenscheinlich nicht zu allen Projektbearbeitern Referenzen eingereicht hat. Die Vergabe der Höchstpunktzahl an diesen Bieter bzw. auch die zwangsläufig mit Feststellung der Wertbarkeit des Angebots einhergehende Einschätzung, dass der Bieter ein den Vorgaben der Vergabeunterlagen entsprechendes Angebot abgegeben hat, begegnet vor diesem Hintergrund vergaberechtlichen Bedenken. Auch stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage der Vergleichbarkeit der Angebote.
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Auch der drittplatzierte Bieter hat lediglich Referenzen zu von ihm sog. „Schlüsselpersonal“ vorgelegt und auch hier begegnet die Vergabe der Höchstpunktzahl an diesen Bieter sowie die inzident im Zusammenhang mit der Feststellung der Wertbarkeit des Angebots einhergehende Einschätzung, dass der Bieter ein den Vorgaben der Vergabeunterlagen entsprechendes Angebot abgegeben hat, vergaberechtlichen Bedenken.
71
Auffällig bei der Bewertung des viertplatzierten Bieters war für die Vergabekammer, dass dieser Bieter sowohl Referenzen für das Projektteam als auch Referenzen für die Projektbearbeiter aufgeführt hat. Der Antragsgegner hat jedoch ausweislich seiner Bewertungsübersicht gerade beim Projektleiter, den Objektplanern, bei der Vermessung und Hydraulik nur die Referenzen, die für das Projektteam genannt wurden, in seine Übersicht bei den jeweiligen Projektbearbeitern übernommen. Bei den Referenzen für das Projektteam waren jedoch keine konkreten Personen für die Bearbeitung aufgeführt. Dies hatte der Bieter nur bei den Referenzen für die Projektbearbeiter durch Aufführung der Projektmitarbeiter getan. Diese Referenzen hat der Antragsgegner jedoch nicht in seiner Wertungsübersicht aufgeführt. Auch hier ergibt sich eine Ungleichbehandlung mit der Wertung des Angebots der Antragstellerin, da auch hier die Bearbeitung der Teilleistung nicht einer konkreten Person zugeordnet werden kann.
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2.3.3. Weil die vom Antragsgegner vorgenommene Bewertung der Angebote der Bieter aufgrund des Vorgesagten keinen Bestand haben kann und nicht vorherzusagen ist, ob und mit welchen 4 Bietern die Antragstellerin in der zweiten Phase des Verfahrens in Konkurrenz tritt und sich hieraus und aufgrund der in der Bewertung festgestellten Defizite nicht vorhersagen lässt, wie das Angebot der Antragstellerin dann bewertet wird, ist eine Rückversetzung in das Stadium vor Aufforderung zur Angebotsabgabe veranlasst. Denn nur so kann die Rechtsverletzung der Antragstellerin beseitigt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem zu bewertenden qualitativen Zuschlagskriterium der bestmöglich vergleichbaren Referenzen sowie der in diesem Zusammenhang geforderten optimalen Erfüllung um Vorgaben handelt, die nicht nur eines Abgleiches mit den Ausführungen der Leistungsbeschreibung, sondern auch einer vergleichenden Betrachtung über die Angebote hinweg bedürfen. Denn nur, weil die Referenz eines Bieters nahe an die Teilleistungen in der ausgeschriebenen Vergabe herankommt, muss dies nicht zwangsläufig bedeuten, dass die Referenz eines anderen Bieters nicht eine noch bessere Erfüllung der Leistungserbringung erwarten lässt. Auf dieser Grundlage kann es entscheidend sein, mit welchen weiteren Bietern die Antragstellerin in Konkurrenz tritt, soweit sie im Stadium des Teilnahmewettbewerbs zu einem der Bieter gehört, die zur Angebotsabgabe aufgefordert werden.
73
Der Antragsgegner hat für den Fall, dass mehr als die festgelegte Höchstzahl an Bewerbern gleichermaßen die Anforderungen erfüllen, keine Vorgehensweise festgelegt. § 75 Abs. 6 VgV berechtigt zur Durchführung eines Losentscheides. Dem Antragsgegner würde es aber auch freistehen, einen anderen, objektiv nachvollziehbaren, Weg zur Beschränkung der Bewerberzahl zu wählen, der dann jedoch zuvor bekannt gemacht werden müsste (vgl. Voppel, in: Voppel/Osenbrück/Bubbert, VgV, 4. Auflage 2018, § 75 VgV Rn. 43) und der damit eine weitergehende Rückversetzung des Verfahrens erfordern würde. Für welche Variante sich der Antragsgegner entscheidet, um die Höchstgrenze von 5 Bietern zur Angebotsabgabe einzuhalten, liegt in seinem Ermessen.
74
2.4. Auf die von der Antragstellerin vorgetragene Beanstandung einer unterlassenen Auskömmlichkeitsprüfung kam es damit streitentscheidend nicht mehr an.
75
3. Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer hat gemäß § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB derjenige zu tragen, der im Verfahren vor der Vergabekammer unterlegen ist. Dies ist vorliegendder Antragsgegner. Eine Beteiligung der Beigeladenen an der Kostentragungspflicht ist nicht angezeigt, da die Beigeladene weder eigene Anträge gestellt hat, noch sich sonst aktiv am Nachprüfungsverfahren beteiligt hat und dem Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zudem aus Gründen stattgegeben wird, die allein in der Sphäre des Antragsgegners liegen.
76
Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 182 Abs. 2 GWB. Diese Vorschrift bestimmt einen Gebührenrahmen zwischen 2.500 Euro und 50.000 Euro, der aus Gründen der Billigkeit auf ein Zehntel der Gebühr ermäßigt und, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch sind, bis zu einem Betrag vom 100.000 Euro erhöht werden kann.
77
Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens.
78
Der Antragsgegnerist als Bundesland von der Zahlung der Gebühr nach § 182 Abs. 1 S. 2 GWB i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 2 VwKostG (Bund) vom 23. Juni 1970 (BGBl. I S. 821) in der am 14. August 2013 geltenden Fassung befreit.
79
Von der Antragstellerinwurde bei Einleitung des Verfahrens ein Kostenvorschuss in Höhe von 2.500 Euro erhoben. Dieser Kostenvorschuss wird nach Bestandskrafterstattet.
80
Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin beruht auf § 182 Abs. 4 Satz 1 GWB. Die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters wird als notwendig i. S. v. § 182 Abs. 4 Satz 4 GWB i. V. m. Art. 80 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 2 BayVwVfG angesehen. Die anwaltliche Vertretung war erforderlich, da die sachgerechte Führung eines Nachprüfungsverfahrens aufgrund der Gerichtsähnlichkeit des Verfahrens sowie der komplizierten Rechtsmaterie für Bieterunternehmen regelmäßig die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts rechtfertigt. Anders als bei öffentlichen Auftraggebern, zu deren gesetzlichen Aufgaben auch die Einhaltung des Vergaberechts gehört und die daher grundsätzlich auch fachkundiges Personal für die Führung eines Nachprüfungsverfahrens vorhalten müssen (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 29.01.2021, 7 Verg 4/20), haben Bieterunternehmen keine derartige Obliegenheit. Für sie ist – abgesehen von völlig atypischen Ausnahmefällen – die Heranziehung eines Rechtsanwalts regelmäßig erforderlich; so auch hier.
81
Soweit die Antragstellerin unter Ziffer 5 ihrer Anträge im Nachprüfungsantrag beantragt hat, dem Antragsgegner auch die vorprozessualen Anwaltskosten aufzuerlegen, weist die Vergabekammer darauf hin, dass sie über die Erstattung von Anwaltskosten für eine etwaige Tätigkeit im Vergabeverfahren keine Entscheidung trifft. Dies ist vom Entscheidungsumfang des § 182 GWB nicht erfasst (Krohn, in: Burgi/Dreher/Opitz, Beck'scher Vergaberechtskommentar, Bd. 1, 4. Auflage 2022, § 182 GWB Rn. 76).
82
Auch wenn die Beigeladene keine Anträge gestellt hat, muss die Vergabekammer von Amts wegen über die Aufwendungen der Beigeladenen entscheiden.
83
Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen beruht auf § 182 Abs. 4 Satz 2 GWB. Danach sind Aufwendungen der Beigeladenen nur erstattungsfähig, wenn die Vergabekammer sie als billig erachtet. Dabei setzt die Erstattungsfähigkeit jedenfalls voraus, dass die Beigeladene sich mit demselben Rechtsschutzziel wie der obsiegende Verfahrensbeteiligte aktiv am Nachprüfungsverfahren beteiligt hat (OLG Brandenburg, Beschluss vom 09.02.2010, Verg W 10/09). Dafür muss eine den Beitritt eines Streithelfers vergleichbare Unterstützungshandlung erkennbar sein, anhand derer festzustellen ist, welches (Rechtsschutz-)Ziel eine Beigeladene in der Sache verfolgt (OLG Celle, Beschluss vom 27.08.2008, 13 Verg 2/08). Ist eine solche nicht ersichtlich, handelt es sich bei den entstandenen Aufwendungen der Beigeladenen nicht um solche zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung (VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 11.02.2010, 1 VK 76/10). Die Beigeladenehat sich weder durch schriftsätzlichen noch mündlichen Vortrag oder die Stellung von Anträgen aktiv am Verfahren beteiligt. Sie trägt daher ihre zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen selbst.