Inhalt

Vergabekammer München, Beschluss v. 08.07.2025 – 3194.Z3-3_01-25-26
Titel:

Leistungen, Vergabeverfahren, Vergabekammer, Frist, Antragsgegner, Bieter, Vergabestelle, Verfahren, Ausschluss, Ausschreibung, Unterlagen, Nachforderung, Angebot, Vergabeunterlagen, Art und Weise, Kosten des Verfahrens, gesetzte Frist

Normenketten:
VOB/A § 2 EU Abs. 6
VOB/A § 11 EU Abs. 1
VOB/A § 11 EU Abs. 7
Leitsätze:
1. Bedient sich der öffentliche Auftraggeber eines externen Dritten bei der Durchführung des Vergabeverfahrens, so muss er mit geeigneten Maßnahmen dafür sorgen, dass die Vertraulichkeit der von den Bietern oder Bewerbern eingereichten Unterlagen gewahrt wird.
2. Tritt ein externer Dritter, der den öffentlichen Auftraggeber bei der Durchführung des Vergabeverfahrens unterstützt, auch selbst oder durch verbundene Unternehmen in einem vergleichbaren Marktsegment auch als Anbieter auf, sind vom öffentlichen Auftraggeber erhöhte Anforderungen an die Sicherstellung der Vertraulichkeit zu stellen und geeignete Maßnahmen zu treffen und zu überwachen. Insbesondere hat er dafür zu sorgen, dass die im Rahmen der Unterstützung bei der Durchführung des Vergabeverfahrens erlangten vertraulichen Informationen vom Dienstleister nicht außerhalb des jeweils betreuten Verfahrens verwendet werden (können).
3. Es obliegt dem öffentlichen Auftraggeber für die Kommunikation mit den Bietern und Bewerbern an seinem Vergabeverfahren entsprechende elektronische Kommunikationswege bereit zu halten, die den Anforderungen der §§ 11 EU Abs. 1, 11a EU sowie 2 EU Abs. 6 VOB/A entsprechen. Dies gilt insbesondere, wenn den Bietern Fristen gesetzt sind, innerhalb derer nur noch eine elektronische Kommunikation fristwahrend möglich ist, da die regulären Postlaufzeiten für eine physische Übersendung deutlich zu lang wären.
4. Es obliegt nach § 11 EU Abs. 7 VOB/A dem öffentlichen Auftraggeber (fern-)mündliche Kommunikation zeitnah und ausreichend zu dokumentieren. Ist mangels einer ausreichenden Dokumentation nachträglich der Gesprächsinhalt nicht mehr zu ermitteln, geht dies zu Lasten des öffentlichen Auftraggebers.
Schlagworte:
Leistungen, Vergabeverfahren, Vergabekammer, Frist, Antragsgegner, Bieter, Vergabestelle, Verfahren, Ausschluss, Ausschreibung, Unterlagen, Nachforderung, Angebot, Vergabeunterlagen, Art und Weise, Kosten des Verfahrens, gesetzte Frist
Fundstelle:
BeckRS 2025, 32609

Tenor

1. Dem Antragsgegner wird untersagt, in dem streitgegenständlichen Vergabeverfahren den Zuschlag zu erteilen. Der Antragsgegner wird bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht verpflichtet, das Vergabeverfahren in den Stand der Angebotsprüfung zurückzuversetzen und die eingegangenen Angebote unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer neu zu prüfen.
2. Der Antragsgegnerträgt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen derAntragstellerin. Die Beigeladene trägt ihre Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung selbst.
3. Für das Verfahren wird eine Gebühr in Höhe von…,00 EUR festgesetzt. Auslagen sind nicht angefallen. Der Antragsgegner ist von der Zahlung der Gebühr befreit.
4. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin war notwendig.

Gründe

I.
1
Mit Auftragsbekanntmachung vom19.12.2024, veröffentlicht im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union unter Nr. … schrieb der Antragsgegner einen Bauauftrag über Natursteinarbeiten im Wege eines offenen Verfahrens aus. Zuschlagskriterium war gemäß Ziffer 5.1.10. der Bekanntmachung der Preis. Ziffer 2.1.4. der Bekanntmachung enthielt in Bezug auf die Kommunikation (Fragen, Auskünfte) die Information, dass diese ausschließlich über die Vergabeplattform erfolge. Dabei sei das Tool Frage stellen bzw. Fragen/Antworten zu verwenden.
2
Ausweislich der Angabe in Ziffer 5.1.11. der Bekanntmachung standen die Auftragsunterlagen unter der dort genannten Internetadresse zum Abruf zur Verfügung. Bestandteil der Vergabeunterlagen war unter anderem das Formblatt 211 EU (Aufforderung zur Abgebe eines Angebots EU). Auszugsweise enthielt dieses Formblatt folgende Festlegung:
„[…] 2 Kommunikation
Die Kommunikation erfolgt x elektronisch über die Vergabeplattform.“
3
Ferner war auch das Formblatt 216 (Verzeichnis der im Vergabeverfahren vorzulegende Unterlagen) Bestandteil der Vergabeunterlagen. Auszugsweise enthielt dieses Formblatt folgende Festlegung:
„[…]1. Unterlagen, die mit dem Angebot abzugeben sind
1.1 Formblätter
[…] [x]Aufgliederung der Einheitspreise entsprechend Formblatt 223
[…] 3. Unterlagen, die auf Verlangen der Vergabestelle vorzulegen sind
[…] 3.4 Sonstige Unterlagen
[x] Auszüge aus der Urkalkulation zur Aufklärung auffälliger Einheitspreise
[x] Urkalkulation“
4
Sowohl Antragstellerin als auch Beigeladene reichten innerhalb der auf den 05.03.2025 festgesetzten Angebotsfrist ein Angebot ein.
5
Mit Schreiben vom 17.03.2025 – 10:34 Uhr forderte der Antragsgegner die Antragstellerin mittels Formblatt 3216 EU VHB Bayern zur Nachforderung auf, die hauptsächlich Angaben zu Nachunternehmerleistungen betrafen. Diese Nachforderungen waren mit dem Hinweis versehen, dass das Angebot der Antragstellerin ausgeschlossen werde, würden die genannten Angaben nicht innerhalb der genannten Frist vorgelegt (§ 16a EU VOB/A). Die Nachforderung war mit „i.A. Fr. R… Planungsbüro Staatliches Bauamt …“ gezeichnet.
6
Mit Schreiben vom 17.03.2025 bat die Antragstellerin um Fristverlängerung für die Nachforderung. Mit Schreiben vom 18.03.2025 wies der Antragsgegner das Fristverlängerungsgesuch zurück. Die Frist für Nachforderung von Unterlagen betrage normalerweise 6 Kalendertage. Aufgrund knapper Prüfzeit werde dem Antrag auf Firstverlängerung nicht stattgegeben, die Frist für die Nachforderung der Unterlagen bleibe beim 21.03.2025. Die Zurückweisung erfolgte unter dem Briefkopf der … GmbH & Co. KG und war mit „… R… Planungsbüro …“ gezeichnet.
7
Mit Schreiben vom 18.03.2025 – 14:55 Uhr forderte der Antragsgegner die Antragstellerin mittels Formblatt 3216 EU VHB Bayern bis spätestens 21.03.2025 zur Preisaufklärung auf. Im Anhang des Formblattes befand sich ein Dokument, welches mehrere Titel und Positionen auflistete, zu welchen der Antragsgegner um Aufklärung bat. Auch diese Nachforderung war mit „i.A. Fr. R… Planungsbüro Staatliches Bauamt …“ gezeichnet.
8
Mit Schreiben vom 18.03.2025 – 15:18 Uhr forderte der Antragsgegner weitere Unterlagen von der Antragstellerin nach und forderte sie zur Aufklärung des Angebotsinhalts mittels Formblatt 3216 EU VHB Bayern auf. Die Antragstellerin wurde aufgefordert, zur Aufklärung des Angebotsinhalts bis spätestens 21.03.2025 diverse, konkret benannte Lohnkalkulationen aufzuschlüsseln und zu erläutern. Auch diese Nachforderung war mit „i.A. Fr. R… Planungsbüro Staatliches Bauamt …“ gezeichnet.
9
Mit Schreiben vom 18.03.2025 – 17:13 Uhr rügte die Antragstellerin, dass die Frist bis zum 21.03.2025 unangemessen kurz sei und forderte den Antragsgegner auf, die gem. § 16 a EU Abs. 5 S. 2 VOB/A vorgesehene Frist von sechs Kalendertagen zu gewähren. Die von der Vergabestelle angeforderten Unterlagen und Aufklärungen seien umfangreich. Es gäbe auch keinen sachlich gerechtfertigten Grund für die unangemessen kurze Frist.
10
Mit Schreiben vom 19.03.2025 half der Antragsgegner der Rüge ab und verlängerte die Frist bis zum 24.03.2025, 12:00 Uhr unter dem Briefkopf der … GmbH & Co. KG, das Schreiben war mit „… R… Planungsbüro …“ gezeichnet.
11
Mit Schreiben vom 21.03.2025 – 11:10 Uhr reichte die Antragstellerin die mit Schreiben vom 17.03.2025 nachgeforderten Unterlagen in Anlage ein.
12
Mit Schreiben vom 21.03.2025 – 14:14 Uhr forderte der Antragsgegner die Antragstellerin mittels Formblatt 3216 EU VHB Bayern zur Nachforderung auf. Die Antragstellerin werde aufgefordert, ihre Urkalkulation bis spätestens 26.03.2025 vollständig bei der Vergabestelle einzureichen. Diese Nachforderung war mit den Hinweisen versehen, dass das Angebot der Antragstellerin ausgeschlossen werde, würden die genannten Angaben nicht innerhalb der genannten Frist vorgelegt (§ 16a EU VOB/A) und dass Urkalkulationen, die mit einem Sperrvermerk oder einer elektronischen PIN versehen seien, bis zur Freigabe des Vermerkes oder der Übermittlung der PIN als nicht eingegangen gelten würden. Auch diese Nachforderung war mit „i.A. Fr. R… Planungsbüro Staatliches Bauamt …“ gezeichnet.
13
Mit Schreiben vom 24.03.2025 – 10:48 Uhr reichte die Antragstellerin die mit Schreiben vom 18.03.2025 und 19.03.2025 nachgeforderten Unterlagen in Anlage ein. Weiter erklärte die Antragstellerin, dass sie die geforderten Informationen in passwortgeschützten PDF-Dokumenten überlasse. Das dazugehörige Passwort werde nur dem zuständigen Mitarbeiter der Vergabestelle persönlich übergeben und nicht dem Beschaffungsdienstleister. In diesem Zusammenhang rüge die Antragstellerin gem. § 160 Abs. 3 GWB das Tätigwerden der „… GmbH & Co. KG“ in diesem Verfahren, da bei diesem Unternehmen ein Interessenkonflikt gem. § 6 Abs. 2 VgV bestehe. Zugleich gefährde der Einsatz dieses Unternehmens in extremer Art und Weise die Vertraulichkeit und Integrität der von der Antragstellerin übermittelten Daten, namentlich ihrer Geschäftsgeheimnisse gem. § 5 VgV. Dieser Missstand könne nur dadurch behoben werden, dass das vorgenannte Büro als Beschaffungsdienstleister in diesem Verfahren abgezogen werde. Es sei für die Antragstellerin als Bieter nicht hinnehmbar, einem direkten aktiven Wettbewerber ihre Geschäftsgeheimnisse in dieser Tiefe offenbaren zu müssen. Diese Daten müssten gem. § 5 VgV durch den Auftraggeber besonders geschützt und vertraulich behandelt werden. Sobald der Antragstellerin ein unmittelbar bei der Vergabestelle zuständiger Mitarbeiter benannt werde, werde sie diesem das Passwort zur Öffnung der mit diesem Schreiben übergebenen Nachforderungs- und Aufklärungsschreiben übermitteln.
14
Mit Schreiben vom 26.03.2025 – 12:50 Uhr teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass sie das Passwort an Frau L… aushändigen bzw. es persönlich adressiert an sie schicken solle und teilte die Telefonnummer von Frau L… mit. Dieses Schreiben war unter dem Briefkopf des Antragsgegners gedruckt und gezeichnet von Frau F…, Abteilung Technische Geschäftsleitung.
15
Am 26.03.2025 – 15:45 Uhr telefonierte die Antragstellerin mit dem Antragsgegner in Person von Frau L… Mit Schreiben vom 26.03.2025 – 16:06 Uhr übermittelte die Antragstellerin die verschlüsselte Urkalkulation in Anlage an den Antragsgegner. Sie überlasse die geforderte Urkalkulation in einem passwortgeschützten PDF-Dokument und teile das dazugehörige Passwort nur dem zuständigen Mitarbeiter der Vergabestelle mit und nicht dem Beschaffungsdienstleister. Zur Begründung werde auf die Rüge vom 24.03.2025 verwiesen. Sobald von der Vergabestelle ein zuständiger Mitarbeiter benannt werde, werde diesem das Passwort übermittelt.
16
Mit E-Mail an Frau F… vom 27.03.2025 – 12:04 Uhr bat die Antragstellerin um Mitteilung der E-Mail-Adresse von Frau L… zur Übermittlung der Passwörter.
17
Mit E-Mail vom 27.03.2025 – 13:53 übermittelte Frau F… der Antragstellerin die E-Mail-Adresse von Frau L… Mit E-Mail vom 27.03.2025 – 17:33 Uhr übermittelte die Antragstellerin die Passwörter an die E-Mail-Adresse von Frau L… Mit Informationsschreiben gemäß § 134 GWB vom 17.04.2025 setzte der Antragsgegner die Antragstellerin davon in Kenntnis, dass ihr Angebot nicht berücksichtigt werden solle. Es sei beabsichtigt, den Zuschlag am 28.04.2025 auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Das Angebot der Antragstellerin werde von der Wertung ausgeschlossen, weil geforderte Unterlagen weder im Angebot enthalten gewesen seien noch entsprechend der Aufforderung des Antragsgegners rechtzeitig vorgelegt worden seien. Zur Erläuterung führte der Antragsgegner aus, dass am 21.03.2025 mit Frist bis 26.03.2025 die Urkalkulation nachgefordert worden sei. Die Urkalkulation sei zwar am 26.03.25 hochgeladen worden, allerdings sei diese mit einem Sperrvermerk versehen gewesen. Die Unterlagen hätten deshalb weder geöffnet noch geprüft werden können. Im Punkt 2.12 des Formblatts 3216 werde darauf hingewiesen, dass die Urkalkulation, die mit einem Sperrvermerk oder einer elektronischen PIN versehen sei, bis zur Freigabe des Vermerks oder der Übermittlung der PIN als nicht eingegangen gelten würde, obwohl die Kontaktdaten bereits am 26.03.25 vor dem Hochladen der Unterlagen bekannt gewesen waren. Die Unterlagen seien daher als verspätet eingegangen anzusehen. Das Angebot der Antragstellerin könne daher nicht gewertet werden. Die Urkalkulation werde und sei nicht zur Überprüfung an das Planungsbüro … weitergegeben worden, sondern bleibe unter Verschluss im Bauamt.
18
Mit Schreiben vom 22.04.2025 rügte die Antragstellerin den Ausschluss der Antragstellerin aus dem laufenden Vergabeverfahren mit der Begründung, das Passwort zur Öffnung der am 26.03.2025 auf der Vergabeplattform eingestellten passwortgeschützten Urkalkulation sei verspätet übermittelt worden. Erst am 26.03.2025 – 12:50 Uhr habe die Antragstellerin ein Schreiben von Frau F… erhalten, in dem ihr mitgeteilt worden sei, dass das Passwort an Frau L… zu übergeben sei. Jedoch sei der Antragstellerin in diesem Schreiben keine E-Mail-Adresse mitgeteilt worden, sondern lediglich eine Telefonnummer. Alternativ sei die Antragstellerin auf die Möglichkeit verwiesen worden, das Passwort per Post an Frau L… zu senden. Damit sei eindeutig der Eindruck bei der Antragstellerin erweckt worden, dass die Fristsetzung zum 26.03.2025 mit der Übermittlung der eigentlichen Urkalkulation erledigt sei. In einem Telefonat mit Frau L… noch am 26.03.2025 teilte diese mit, dass sie aktuell nicht die richtige E-Mail-Adresse nennen könne, aufgrund von Umstrukturierungen würden Unsicherheiten beim Zugang von E-Mails bestehen. Sollte sich keiner der Mitarbeiter der Vergabestelle mit der korrekten E-Mail-Adresse melden, solle die Antragstellerin sich noch einmal bei Frau F… melden. Mit keinem Wort sei hierbei der Eindruck erweckt worden, dass dies alles noch am 26.03.2025 erfolgen müsse. Die Antragstellerin habe rechtzeitig mit 72 Stunden Vorlauf zum Fristablauf um Benennung einer E-Mail-Adresse gebeten, an die sämtliche sensiblen Unterlagen (nicht nur die Urkalkulation), vor dem Zugriff des Beschaffungsdienstleisters geschützt, gesendet werden hätten können. Hierauf sei der Antragstellerin lediglich am 26.03.2025 eine Telefonnummer mitgeteilt worden. Auch im Telefonat mit Frau L… sei der Antragstellerin keine E-Mail-Adresse mitgeteilt worden. Die Antragstellerin habe daraufhin am 27.03.2025 erneut um Mitteilung der E-Mail-Adresse gebeten. Nachdem ihr diese endlich mitgeteilt worden sei, habe sie umgehend am 27.03.2025 die Passwörter übermittelt. Abschließend sei zu berücksichtigen, dass der Angebotsausschluss voraussetze, dass ein Bieter eine ihm gesetzte Frist zur Nachreichung von Unterlagen fruchtlos verstreichen lasse. Dies habe die Antragstellerin aber nicht getan. Eine Änderung an den eingereichten Unterlagen habe die Antragstellerin nach dem Hochladen nicht mehr vorgenehmen können, eine Diskriminierung anderer Bieter sei daher ausgeschlossen gewesen.
19
Mit Schreiben vom 24.04.2025 antwortete der Antragsgegnerder Antragstellerin, dass ihren Rügen nicht abgeholfen werde. Der Angebotsausschluss sei rechtmäßig erfolgt. Das Passwort zur Öffnung der Urkalkulation sei nach Fristablauf übersandt worden, die Urkalkulation gelte daher als verspätet eingegangen. Der Antragsgegner halte an dem Ausschluss fest. Die Antragstellerin habe gerade keine Rüge gegen die Nachforderung vom 21.03.2025 erhoben. Vielmehr habe sich die Rüge vom 24.03.2025 alleine gegen die vorherigen Nachforderungen gerichtet. Die Urkalkulation oder die Frist zu deren Abgabe seien im Rahmen der Rüge vom 24.03.2025 weder erwähnt worden, noch sei darauf Bezug genommen worden. Im Rahmen der Rüge vom 24.03.2025 habe die Antragstellerin die Bekanntgabe eines zuständigen Mitarbeiters für die Übergabe der Passwörter zur Entschlüsselung verschlüsselt übermittelter Unterlagen gefordert. Um Benennung einer E-Mail-Adresse sei entgegen des Vortrages der Antragstellerin gerade nicht gebeten worden. Der Antragsgegner habe daher mit Bekanntgabe der Kontaktdaten von Frau L… (Name, dienstliche Adresse, Telefonnummer) alles Erforderliche getan, um der Antragstellerin die fristgerechte Abgabe der nachgeforderten Unterlagen zu ermöglichen. Die Mitteilung der vorgenannten Kontaktdaten könne ein verständiger Dritter nicht als konkludente Fristverlängerung mit unklarem Fristende verstehen. Hätte die Antragstellerin nach der ihr bereits bekannten E-Mail-Adresse von Frau L… gefragt, wäre diese jederzeit genannt worden. Der Vortrag der Antragstellerin werde insoweit vollumfänglich als Schutzbehauptung bestritten.
20
Die Antragstellerin stellt mit Schreiben vom 25.04.2025 einen Nachprüfungsantrag gem. § 160 Abs. 1 GWB.
21
Die Antragstellerinträgt vor, dass der Nachprüfungsantrag zulässig und begründet sei. Der Ausschluss des Angebots der Antragstellerin aus dem gegenständlichen Vergabeverfahren sei vergaberechtswidrig erfolgt. Entgegen der Behauptung des Antragsgegners liege kein Fristversäumnis vor.
22
Die Antragstellerin habe bereits mit Schreiben vom 24.03.2025 gerügt, dass ihr, in Anbetracht berechtigter Interessen am Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse, eine unverschlüsselte Übermittlung von Unterlagen nicht zumutbar sei. Sie habe diese Unzumutbarkeit ausführlich damit begründet, dass der Geschäftsführer der Beschaffungsdienstleisterin im hiesigen Verfahren ebenfalls Geschäftsführer eines Wettbewerbsunternehmens der Antragstellerin sei. Durch die vorangegangenen Nachforderungen habe der Beschaffungsdienstleister die entscheidenden Erkenntnisse über die Preisstruktur der Antragstellerin bereits gewonnen. Weiterer „Schaden“ habe aber unbedingt vermieden werden müssen. Es sei der Antragstellerin darum gegangen, wenigstens die nachgeforderten, noch feingliedrigeren Anforderungen zu Kalkulationen und Preisbildung bis hin zu den Kalkulationen der Subunternehmer und die gesamte Urkalkulation vor dem Beschaffungsdienstleister geheim zu halten. Die Antragstellerin habe daher – rechtmäßig – gefordert, den Beschaffungsdienstleister im hiesigen Verfahren insgesamt aus dem Vergabeverfahren abzuziehen.
23
Das Verhalten des Antragsgegners bezüglich der Übermittlung der Passwörter habe bei der Antragstellerin nach objektivem Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) den Eindruck entstehen lassen, dass eine Übermittlung des Passworts per Post jedenfalls fristwahrend sei oder die gesetzte Frist für die Passwortübermittlung nicht zwingend am 26.03.2025 ende, sondern sich um die übliche Postlaufzeit verlängere. Auf die Rüge der Antragstellerin habe der Antragsgegner lediglich die Telefonnummer von Frau L… mitgeteilt bzw. auf eine postalische Übermittlung des Passwortes verwiesen. Auch während des Telefonats mit Frau L… am 26.03.2025 habe diese zwar die Bereitschaft geäußert, übermittelte Passwörter entgegenzunehmen und zu verwahren, habe jedoch keinerlei Angaben zur Art und Weise der Übermittlung gemacht. Insbesondere sei die Übermittlung der Urkalkulation selbst in dem Gespräch nicht thematisiert worden. Sinngemäß habe Frau L… im Hinblick auf die Übermittlung erklärt, dass die Antragstellerin noch einmal bei der Vergabestelle nachfragen solle.
24
Die mutwillige unterlassene Reaktion auf die konkrete Rückfrage der Antragstellerin, an wen und auf welchem Weg das Passwort zur Öffnung der Urkalkulation zu senden sei, stelle den entscheidenden Beleg dafür dar, dass der Antragstellerin objektiv keine Möglichkeit eingeräumt worden sei, vergaberechtskonform zu handeln. Eine fristgerechte Passwortübermittlung sei ihr unter den gegebenen Umständen nicht möglich gewesen.
25
Die Antragstellerin habe keine gesetzte Frist zur Nachreichung von Unterlagen versäumt. Erstens habe der Antragsgegner die Frist zur Übermittlung des Passworts konkludent verlängert und zweitens habe die Antragstellerin das eigentliche Dokument fristgerecht am 26.03.2025 übermittelt. An diesem Dokument habe die Antragstellerin nach dem 26.03.2025 keinerlei Änderungen mehr vornehmen können. Der Gleichbehandlungsgrundsatz sei daher durch das Verhalten der Antragstellerin überhaupt nicht verletzt worden.
26
Die Antragstellerin beantragt,
1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Ausschluss des Angebots der Antragstellerin rückgängig zu machen und unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut in die Wertung des Angebots der Antragstellerin einzutreten.
2. Hilfsweise: Der Antragsgegner wird verpflichtet, das Verfahren in den Stand nach Angebotsöffnung zurückzuversetzen und das Verfahren nur unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer fortzusetzen.
3. Der Antragstellerin ist Einsicht in die Vergabeakten zu gewähren.
4. Die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gemäß § 128 Abs. 4 GWB wird für notwendig erklärt.
5. Dem Antragsgegner werden die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin auferlegt.
27
Der Antragsgegner beantragt
1. Der Vergabenachprüfungsantrag vom 25.04.2025 wird als unbegründet zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
28
Zur Begründung trägt der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 30.04.2025 vor, dass die Antragstellerin nicht in ihren vergaberechtlichen Rechtspositionen verletzt worden sei. Der Antragsgegner habe der Antragstellerin Frau L… als Person für die Entgegennahme der Passwörter genannt. So sei sichergestellt worden, dass nicht jeder die als geheim benannten Unterlagen einsehen habe können. Die Kontaktdaten von Frau L… seien der Antragstellerin zudem aus vorherigen Maßnahmen bekannt gewesen. Der Antragstellerin hätten alle Informationen zur fristgerechten Nachreichung der Urkalkulation vorgelegen. Das Fristversäumnis liege im Verantwortungsbereich der Antragstellerin.
29
Der Ausschluss des Angebots der Antragstellerin aus formellen Gründen sei rechtmäßig gemäß § 16 EU Nr. 4 VOB/A erfolgt. Der Antragsgegner habe zu keinem Zeitpunkt die Abgabefrist für die Urkalkulation aufgehoben. Der Antragstellerin hätten zum Zeitpunkt der Übermittlung der Urkalkulation alle Möglichkeiten offen gestanden, auch das Passwort zu übersenden. Die Antragstellerin habe während des Telefonats mit Frau L… am 26.03.2025 auch keine Fragen nach Postanschrift, E-Mail-Adressen oder Fristverlängerungen gestellt. Es habe alleine im Verantwortungsbereich der Antragstellerin gelegen, die Passwörter fristgerecht zu übersenden. Die Kommunikation des Antragsgegners sei klar und verständlich erfolgt. Die von der Antragstellerin als schutzwürdig bezeichneten Informationen seien vertraulich behandelt worden.
30
Der Angebotsausschluss sei angemessen. Die Antragstellerin sei im Rahmen der Nachforderungen ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass Urkalkulationen, die mit einem Sperrvermerk oder einer elektronischen PIN versehen seien, bis zur Freigabe des Vermerks oder der Übermittlung der PIN als nicht eingegangen gelten würden. Es komme demnach nicht auf die Übermittlung der Urkalkulation, sondern auf die Übermittlung der Passwörter an. Schon aus Gleichbehandlungsgründen könne die Antragstellerin hier nicht gegenüber anderen Bietern bevorzugt werden.
31
Mit Schriftsatz vom 13.05.2025 trägt die Antragstellerin vor, dass hier gerade kein Fall einer bloßen Fristversäumnis vorliege. Hätte der Antragsgegner einen klaren Kommunikationsweg außerhalb der Vergabeplattform eröffnet, einen zuständigen Ansprechpartner auf Seiten des Antragsgegners benannt und dessen vollständige und richtige Kontaktdaten benannt, hätte die Antragstellerin ohne weiteres am 26.03.2025 das Passwort zum Öffnen ihrer Urkalkulation übermittelt. Hätte nicht das Risiko bestanden, dass der Beschaffungsdienstleister weitere intime Geschäftsgeheimnisse der Antragstellerin erfahre, hätte die Antragstellerin das Passwort einfach über die Vergabeplattform übermittelt. Es liege also gerade kein Fall vor, in dem ein Bieter schuldhaft eine nachgeforderte Unterlage nicht fristgerecht der Vergabestelle übermittelt habe. Tatsächlich habe der Antragsgegner aufgrund seines Verhaltens erst die Ursache dafür gesetzt, dass die Antragstellerin das Passwort zur Öffnung der Urkalkulation erst am 27.03.2025 übergeben habe. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners habe Frau L… sehr wohl einen Grund gehabt, proaktive Vorschläge zu Übermittlungswegen zu platzieren. Wenn ein Auftraggeber einen anderen Kommunikationsweg als die Vergabeplattform zulasse, müsse er dem Bieter konkret vorgeben, wie dieser alternative Kommunikationsweg aussehe. Aus diesem Grund sei der Ausschluss des Angebots Antragstellerin zurückzunehmen und dem Nachprüfungsantrag der Antragstellerin vollumfänglich zu entsprechen.
32
Mit rechtlichem Hinweis an den Antragsgegner vom 19.05.2025 teilt die Vergabekammer mit, dass sie nach erster Prüfung zu der vorläufigen Einschätzung komme, dass der Nachprüfungsantrag vom 25.04.2025 begründet sei. Der Ausschluss des Angebots der Antragstellerin sei nach der vorläufigen Rechtsauffassung der Vergabekammer vergaberechtswidrig, da der Antragsgegner der Antragstellerin keinen den Vorgaben des § 11 EU Abs. 1 VOB/A entsprechenden alternativen Kommunikationsweg zur Vergabeplattform mitgeteilt habe oder aber den Kommunikationsweg über die Vergabeplattform so ausgestaltet habe, dass dieser die Grundsätze des § 2 EU Abs. 6 VOB/A, insbesondere den Grundsatz der Vertraulichkeit, wahre. Der Antragsgegner hätte der Antragstellerin auf deren Rüge vom 24.03.2025 hin einen Übermittlungsweg eröffnen müssen, welcher den Vorgaben des § 11 EU Abs. 1 VOB/A an die elektronische Datenübermittlung entspreche und bei welchem der Grundsatz der Vertraulichkeit der Informationen nach § 2 EU Abs. 6 VOB/A gewahrt bleibe. Mit der Benennung von Frau L… im Schreiben vom 26.03.2025 habe der Antragsgegner zwar eine Empfangsperson für das Passwort benannt, welche nach vorläufiger Rechtsauffassung der Vergabekammer dem Grundsatz der Vertraulichkeit der Informationen nach § 2 EU Abs. 6 VOB/A entspreche, allerdings habe der Antragsgegner es hierbei versäumt, der Antragstellerin am Tag des Fristablaufs auch einen alternativen elektronischen Kommunikationsweg zu eröffnen.
33
Die Vergabekammer wies zudem darauf hin, dass es der Antragsgegner nach ihrer vorläufigen Rechtsauffassung versäumt habe, den Inhalt des Telefongesprächs der Antragstellerin mit Frau L… entsprechend § 11 EU Abs. 7 VOB/A zu dokumentieren. Die nachträgliche Nichterweislichkeit des Gesprächsinhalts bezüglich der zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner strittigen Frage, was zur Übermittlung des Passworts besprochen worden sei, gehe damit zu Lasten des Antragsgegners.
34
Die Vergabekammer sei der vorläufigen Rechtsauffassung, dass die Antragstellerin zu Recht gerügt habe, dass sie ihre Urkalkulation nicht so übermitteln wolle, dass der Beschaffungsdienstleister hiervon Kenntnis erlangen könne. Nach § 2 EU Abs. 6 VOB/A hätten öffentliche Auftraggeber die Vertraulichkeit aller Unterlagen und Informationen zu wahren, welche die Bieter im Rahmen des Vergabeverfahrens an sie übermitteln würden. Art. 21 Abs. 1 der RL 2014/24/EU sei hier sogar noch deutlicher. Nach vorläufiger Rechtsauffassung der Vergabekammer sei es nicht mit dem Vertraulichkeitsgrundsatz vereinbar, wenn der öffentliche Auftraggeber Details der Kalkulation, insbesondere aber die Urkalkulation, einem Planungsbüro zugänglich mache, dessen Geschäftsführer der Kommanditistin gleichzeitig auch der Geschäftsführer einer GmbH sei, welche auf diesem kleinen und spezialisierten Markt in anderen Verfahren ebenfalls als Bieter auftrete und sich in Konkurrenz zu den Bietern aus einem von seinem Planungsbüro betreuten Verfahren mit seiner Steinmetz- und Bildhauerfirma um Aufträge bewerbe. In einem derartigen Fall habe der öffentliche Auftraggeber sich – spätestens auf die Rüge eines Bieters hin – mit der Frage auseinander zu setzen, wie die Vertraulichkeit des Vergabeverfahrens gewahrt werden könne und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.
35
Der Antragsgegner erhielt Frist zu diesem rechtlichen Hinweis Stellung zu nehmen sowie mitzuteilen, ob er dem Nachprüfungsantrag abhelfen wolle.
36
Mit Beiladungsbeschluss vom 20.05.2025 wurde die Beigeladene beigeladen.
37
Mit Schriftsatz vom 23.05.2025 trägt der Antragsgegner vor, dass das Verhalten des Antragsgegners nicht ursächlich für das Fristversäumnis der Antragstellerin gewesen sei, das Fristversäumnis sei alleine durch die Antragstellerin zu vertreten. Hätte die Antragstellerin fristgerecht handeln wollen, wäre dies leicht möglich gewesen. Die Antragstellerin habe keinerlei Bemühungen unternommen, die Frist zur Übersendung des Passwortes zu wahren. Sie halte dem Antragsgegner stattdessen zu Unrecht vor, dass sie am Tage des Fristablaufes nicht erneut auf den Fristablauf und alle Schritte, die zur Wahrung der Frist erforderlich gewesen wären hingewiesen worden sei.
38
Der Antragsgegner habe die Antragstellerin am 21.03.2025 aufgefordert, die Urkalkulation zum Angebot bis 26.03.2025 zu übersenden. Diese Frist sei üblich und angemessen. Der Antragsgegner sei der Forderung der Antragstellerin gefolgt und habe die Möglichkeit eröffnet, Passwörter direkt an eine Mitarbeiterin des Staatlichen Bauamtes … zu übersenden. Eine eigene Frist zur Übersendung des Passwortes sei dadurch nicht in Gang gesetzt worden. Auch eine Fristverlängerung sei nicht beantragt worden, da diese zur Übermittlung eines selbst generierten Passwortes nicht erforderlich gewesen sei. Der Antragsgegner habe der Antragstellerin auf deren Wunsch hin freigestellt, auf welchem Wege das Passwort fristgerecht zugänglich gemacht werde. Eine weitere Konkretisierung hätte die Handlungsfreiheit der Antragstellerin eingeschränkt und die Fristwahrung unangemessen erschwert. Sie sei daher nicht erforderlich gewesen. Das Vergabeverfahren, aus welchem die Antragstellerin die E-Mail-Adresse von Frau L… kenne, möge zwar bereits ca. 10 Jahre, der Abschluss des Verfahrens ca. 8 Jahre zurückliegen, es wäre ihr jedoch jederzeit möglich gewesen, die bekannte E-Mail-Adresse mit Frau L… abzustimmen, was nicht geschehen sei.
39
Mit Schreiben vom 12.06.2025 bat die Vergabekammer die Antragstellerin, darzulegen, inwieweit sich „das Restaurierungsprojekt in A…“, auf welches sie in der Rüge vom 24.03.2025 Bezug genommen habe, mit dem streitgegenständlichen Projekt vergleichen lasse. Die Vergabekammer bat weiterhin darum, darzulegen und zu erläutern, ob im Bereich der Restaurierung von Naturstein bei historischen Baudenkmälern – wie im streitgegenständlichen Verfahren – häufig sehr ähnliche Arbeitsschritte, Positionen und Leistungsbilder abgefragt werden würden, die auf den gleichen oder sehr ähnlichen Kalkulationsgrundlagen beruhen und die gerade nicht von den individuellen Gegebenheiten des jeweiligen Restaurierungsprojekts abhängen würden. Auch die Beigeladene und der Antragsgegner erhielten Gelegenheit, zu dieser Rückfrage Stellung zu nehmen.
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Mit Schriftsatz vom 12.06.2025 trägt die Beigeladene vor, dass bei größeren Ausschreibungen häufig Fachplaner eingeschaltet werden würden. Die Beigeladene erhalte regelmäßig Leistungsverzeichnisse verschiedener Büros. Nahezu immer bedienten sich diese an vorformulierten Textbausteinen, die mehr oder weniger zielgerichtet auf das Einzelobjekt zugeschnitten sein würden. Die Kalkulation sei jedoch für den Einzelfall auch bei vergleichbarer Beschreibung individuell vorzunehmen, da alle Rahmenbedingungen und Besonderheiten abweichen könnten. Die streitgegenständliche Ausschreibung und die Ausschreibung für das Restaurierungsprojekt in A… seien weitgehend auf das Einzelobjekt abgestellt und nicht vergleichbare Leistungen seien gefordert. Da die Beigeladene beide Ausschreibungen ausgearbeitet habe, könne sie sagen, dass durch Objektbesichtigungen und sorgfältige Beurteilung des Einzelfalls die Kalkulation entstanden sei, eine Übernahme von Einheitspreisen sei nur in geringem Umfang möglich gewesen.
41
Mit Rückfrage vom 16.06.2025 bat die Vergabekammer den Antragsgegner den mit dem Beschaffungsdienstleister abgeschlossenen Vertrag bzw. sonstige beim Antragsgegner vorhandene Unterlagen vorzulegen, aus welchen sich Regelungen bezüglich der Vertraulichkeit hinsichtlich der Beratungs- und Unterstützungsleistung im streitgegenständlichen Vergabeverfahren ergeben könnten.
42
Mit Schriftsatz vom 18.06.2025 trägt der Antragsgegner vor, dass dem Beschaffungsdienstleister die Rüge der Antragstellerin vom 26.03.2025 bereits vorgelegt worden sei. Dieser habe am 02.04.2025 Stellung genommen und ausgeführt, dass es sich bei dem Restaurierungsprojekt in A… um eine komplett andere Aufgabe als die streitgegenständliche gehandelt habe.
43
Weiter führt der Antragsgegner aus, dass im Falle der streitgegenständlichen Ausschreibung die Sanierung einer aus sichtbarem Naturstein bestehenden Fassade im Vordergrund stehe, im Falle des Restaurierungsprojekts in A… handele es sich im Wesentlichen um Putzfassaden. Die Positionen der Natursteinrestaurierung würden sich sowohl in inhaltlicher Hinsicht als auch im Hinblick auf die quantitative Verteilung deutlich voneinander unterscheiden. Es erschließe sich daher nicht, warum die Kenntnis der Preise, welche die Antragstellerin im streitgegenständlichen Verfahren für bestimmte Positionen kalkuliert habe, es ermögliche ihre Kalkulation für das Verfahren des Restaurierungsprojekts in A… vorherzusagen und zu unterbieten. Die Kalkulationsgrundlagen würden sich deutlich unterscheiden.
44
Mit weiterem Schriftsatz vom 18.06.2025 trägt der Antragsgegner vor, dass sich die Regelungen zur Vertraulichkeit hinsichtlich der Beratungs- und Unterstützungsleistung u.a. aus § 2 Abs. 6 VOB/A – EU ergeben würden und legte den mit der Verfahrensbetreuerin geschlossenen Vertrag in Anlage vor. Gemäß § 1 Nr. 1.2.1 AVB habe der Aufragnehmer u.a. die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) zu berücksichtigen. Darüber hinaus würden sich Regelungen zur Verschwiegenheit in § 6 AVB und der Verpflichtungserklärung nach dem Verpflichtungsgesetz finden. Die Verpflichtungserklärung sei personenbezogen und bereits vom Geschäftsführer der Beschaffungsdienstleisterin abgegeben worden, sie habe für das vorliegende Verfahren nicht erneut eingeholt werden müssen, da sie unbegrenzt gelte. Anlässlich der Rüge der Antragstellerin seien die übersandten Passwörter allein in der Fachabteilung verwahrt worden, sie seien nicht an die Beschaffungsdienstleisterin weitergegeben worden.
45
Mit Schriftsatz vom 18.06.2025 trägt die Antragstellerin vor, dass der Antragsgegner verkenne, dass es nicht Sache eines Bieters sei, die Art und Weise der Kommunikation mit der Vergabestelle selbst zu bestimmen. Die Kommunikationswege im Vergabeverfahren seien gesetzlich geregelt. Der Auftraggeber gebe verbindlich vor, auf welchem Weg die Kommunikation erfolgen solle, und müsse die hierfür notwendigen Informationen bereitstellen, § 11 EU Abs. 3 VOB/A. Die Reaktion des Antragsgegners vom 26.03.2025 – 12:50 Uhr auf die Rüge der Antragstellerin habe aber gerade nicht die notwendige Information, auf welchem Weg die Passwörter an den Antragsgegner zu übermitteln seien, enthalten. Es sei der Antragstellerin nicht zuzumuten gewesen, einen eigenen Kommunikationsweg zu wählen und diesen ohne entsprechende Aufforderung oder Zustimmung zu beschreiten. Selbst wenn also der Antragstellerin die E-Mail-Adresse von Frau L… aus einem 10 Jahre alten Bauvorhaben noch bekannt gewesen wäre, hätte dies nichts geändert. Auch die Vorgabe, die Passwörter alternativ per Briefpost zu übermitteln, wäre bereits aus sich selbst heraus vergaberechtswidrig, da § 11a EU Abs. 2 VOB/A vorschreibe, dass der öffentliche Auftraggeber für das Empfangen von Daten in einem Vergabeverfahren ausschließlich elektronische Mittel verwenden müsse.
46
Die Relevanz des Vergabeverfahrens des Restaurierungsprojekts in A… ergebe sich daraus, dass und in welchem erheblichen Umfang die Kenntnisse der Preise des hiesigen Verfahrens Auswirkungen auf die Kalkulation des Angebots im Vergabeverfahren des Restaurierungsprojekts in A… hätten haben können. Das streitgegenständliche Verfahren und das Verfahren des Restaurierungsprojekts in A… seien auch vollständig vergleichbar. Die Gliederung, Struktur, Formulierung und Anweisungen in beiden Leistungstexten seien identisch. Bei beiden Bauvorhaben würden vergleichbare Materialien, Schadensbilder und Problemstellungen vorliegen. Dementsprechend seien vergleichbare Leistungen erforderlich, um diese beiden Gebäude zu sanieren. Neben den individuellen Positionen enthalte das streitgegenständliche Leistungsverzeichnis auch zahlreiche Leistungen, die in der Restaurierungspraxis als sogenannte Standardarbeiten gelten würden. Die streitgegenständliche Baumaßnahme und die Baumaßnahme des Restaurierungsprojekts in A… seien außerordentlich vergleichbar. Eine Vielzahl der Positionen sei vollständig identisch. Es sei offensichtlich, dass bei einem Umfang von 37% identischer Positionen, von denen jeder verständige Wettbewerber annehmen könne, dass diese in beiden Verfahren identisch kalkuliert worden seien, sich erhebliche Möglichkeiten hinsichtlich einer Prognose weiterer Angebotspreise ergeben würden. So sei es nicht weiter verwunderlich, dass das Schwesterunternehmen der hiesigen Beschaffungsdienstleisterin im Verfahren des Restaurierungsprojekts in A… eine kalkulatorische Punktlandung knapp unterhalb des Angebots der Antragstellerin habe bewerkstelligen können. Vor diesem Hintergrund sei also insbesondere die Rüge der Antragstellerin, die Beschaffungsdienstleisterin im hiesigen Verfahren vollständig vom Vergabeverfahren abzuberufen, gerechtfertigt gewesen. Auch für die Zukunft müsse sichergestellt sein, dass derart sensible Informationsflüsse dauerhaft und effektiv unterbunden werden.
47
In der mündlichen Verhandlung vom 24.06.2025 wurde die Sach- und Rechtslage erörtert. Die Verfahrensbeteiligten hatten Gelegenheit zum Vortrag und zur Stellungnahme. Die Beteiligten diskutierten zunächst die Rüge der Antragstellerin vom 24.03.2025 bezüglich des Interessenskonflikts des Beschaffungsdienstleisters. Auf Nachfrage der Vergabekammer, welche Maßnahmen der Antragsgegner ergriffen habe, um den Vertrauensschutz zu gewährleisten, verwies der Antragsgegner auf seine AVB, insbesondere auf § 6, und auf die Verschwiegenheitsverpflichtung. Die Vergabekammer wies darauf hin, dass es grundsätzlich möglich sei, einen Dienstleister für die Unterstützung im Vergabeverfahren zu beauftragen, auch wenn dieser oder ein verbundenes Unternehmen als Anbieter auf demselben Markt tätig seien. Dann jedoch müsse der öffentliche Auftraggeber Maßnahmen zur Wahrung des Vertraulichkeitsgrundsatzes ergreifen.
48
Auf Nachfrage der Vergabekammer, weshalb der Antragsgegner die Urkalkulation überhaupt angefordert habe, erklärte der Antragsgegner, dass ihm etliche Preise auffällig erschienen seien, die Aufklärung von Einzelpreisen habe ihm offensichtlich nicht ausgereicht. Die Vergabekammer wies darauf hin, dass es keine Dokumentation dazu gebe. Für die Vergabekammer seien keine Anhaltspunkte für eine Gesamtaufklärung ersichtlich gewesen. Die Antragstellerin erklärte, dass sie die Preisaufklärung für exzessiv und unangemessen halte.
49
Weiter erörterten die Beteiligten die Problematiken im Zusammenhang mit der Übersendung der Passwörter für die verschlüsselte Urkalkulation der Antragstellerin an den Antragsgegner. Die Vergabekammer wies darauf hin, dass der öffentliche Auftraggeber verpflichtet sei, einen elektronischen Kommunikationsweg zu eröffnen, der elektronischen Kommunikation sei daher immer der Vorrang zu geben. Man könne von den Bietern nicht verlangen, dass diese, überobligatorisch, alternative Zugangswege suchen und beschreiten müssten. Der verspätete Zugang der Passwörter sei daher nach Auffassung der Vergabekammer nicht der Antragstellerin zuzurechnen.
50
Die Beteiligten wurden durch den Austausch der jeweiligen Schriftsätze informiert. Auf die ausgetauschten Schriftsätze, das Protokoll der mündlichen Verhandlung, die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen.
II.
51
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und begründet, da das Angebot der Antragstellerin zu Unrecht vom Vergabeverfahren ausgeschlossen wurde.
52
1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
53
1.1. Die Vergabekammer Südbayern ist für die Überprüfung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zuständig.
54
Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern ergibt sich aus §§ 155, 156 Abs. 1, 158 Abs. 2 GWB i. V. m. §§ 1 und 2 BayNpV.
55
Gegenstand der Vergabe ist ein Bauauftrag i. S. d. § 103 Abs. 3GWB. Der Antragsgegnerist Auftraggeber gemäß §§ 98, 99 Nr. 1 GWB. Der geschätzte Gesamtauftragswert überschreitet den gemäß § 106 GWB maßgeblichen Schwellenwert.
56
1.2. Gemäß § 160 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen antragsbefugt, wenn es sein Interesse am Auftrag, eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB und zumindest einen drohenden Schaden darlegt.
57
Die Antragstellerinhat ihr Interesse am Auftrag durch die Abgabe eines Angebots nachgewiesen. Es ist nicht erkennbar, dass sie mit diesem Nachprüfungsantrag einen anderen Zweck verfolgt, als den, den strittigen Auftrag zu erhalten. Die Antragstellerinhat eine Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB insbesondere durch das Tätigwerden der … GmbH und Co. KG als Verfahrensbetreuer im Vergabeverfahren sowie dem Ausschluss ihres Angebots geltend gemacht.
58
1.3. Der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags hinsichtlich der Übersendung der Urkalkulation an das verfahrensbetreuende Büro steht auch keine Rügepräklusion nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB entgegen, da die Antragsgegnerin binnen drei Tagen nach Aufforderung, die Urkalkulation zu übersenden, den Interessenskonflikt gegenüber dem Antragsgegner am 24.03.2025 gerügt hat. Auch wenn die Antragstellerin die Urkalkulation im Rügeschreiben nicht explizit erwähnt hat, so zielt die Formulierung „Mit den jüngsten Nachforderungsschreiben fordert uns „… GmbH & Co. KG“ auf unsere Kalkulation bis in die kleinsten Feinheiten zu erläutern.“ gerade auch darauf ab, dass neben den vertieften Preisaufklärungen hinsichtlich konkret benannter Einzelpreise auch die gesamte Urkalkulation angefordert worden und von der Antragstellerin noch einzureichen war. Mit dem Schreiben vom 26.03.2025, das als Begleitschreiben bei der Übermittlung der verschlüsselten Urkalkulation beilag, verwies die Antragstellerin noch einmal explizit auf ihre Rüge vom 24.03.2025. Spätestens mit diesem Schreiben rügte die Antragstellerin damit den Interessenskonflikt und die mangelnde Vertraulichkeit ausdrücklich hinsichtlich der Urkalkulation.
59
Ebenfalls liegt keine Rügepräklusion nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 GWB vor, da der Antragsgegner der Antragstellerin gerade nicht mitgeteilt hat, dass er der Rüge vom 24.03.2025 nicht abhelfen würde, sondern vielmehr durch die Mitteilung vom 26.03.2025 erklärt hat, dass er – zumindest vorläufig – dem Begehren der Antragstellerin nachkommt und das Passwort unmittelbar in der Vergabestelle verwahren und nicht weitergeben werde, bis der Sachverhalt geklärt sei.
60
Auch die Rüge des Angebotsausschlusses mit Schreiben vom 22.04.2025 ist nicht präkludiert. Die Antragstellerin hat den ihr mit Schreiben vom 17.04.2025 mitgeteilten Ausschluss ihres Angebots rechtzeitig nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB gerügt und den Nachprüfungsantrag am Tag nach dem Erhalt des Nichtabhilfeschreibens des Antragsgegners gestellt.
61
2. Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet.
62
Der Ausschluss des Angebots der Antragstellerin ist vergaberechtswidrig, da sich die Antragstellerin zu Recht geweigert hat, ihre Urkalkulation unverschlüsselt auf die Vergabeplattform hochzuladen und ihr das Versäumnis der vom Antragsgegner gesetzten Frist zur Übersendung des Passworts nicht anzulasten ist. Der Antragsgegner hat den Kommunikationsweg über die Vergabeplattform nicht so ausgestaltet hat, dass dieser die Grundsätze des § 2 EU Abs. 6 VOB/A, insbesondere den Grundsatz der Vertraulichkeit, wahrt. Der Antragsgegner hat der Antragstellerin auch während der gesetzten Frist zur Übersendung der Urkalkulation keinen den Vorgaben des § 11 EU Abs. 1 VOB/A entsprechenden alternativen Kommunikationsweg zur Vergabeplattform mitgeteilt.
63
2.1. Die Antragstellerin hat sich zu Recht geweigert, das Passwort für die verschlüsselte Urkalkulation auf die vom Antragsgegner bereitgestellte Vergabeplattform hochzuladen, da durch die Beteiligung des Planungsbüros „… GmbH …“ der Vertraulichkeitsgrundsatz des § 2 EU Abs. 6 VOB/A nicht gewährleistet wurde. Der Geschäftsführer des Planungsbüros ist in Personalunion auch der Geschäftsführer eines direkten Konkurrenten der Antragstellerin, so dass der Antragsgegner zusätzliche Maßnahmen hätte ergreifen müssen, um die Vertraulichkeit der Informationen und Unterlagen zu gewährleisten.
64
2.1.1. Nach § 2 EU Abs. 6 VOB/A haben öffentliche Auftraggeber die Vertraulichkeit aller Informationen und Unterlagen nach Maßgabe der Vergabeordnung oder anderen Rechtsvorschriften zu wahren. Die Regelung betrifft insbesondere vertrauliche Angebotsinhalte und sonstige Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Unternehmen. Als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse werden alle auf ein Unternehmen bezogene Tatsachen, Umstände und Vorgänge verstanden, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat. Betriebsgeheimnisse umfassen im Wesentlichen technisches Wissen im weitesten Sinne; Geschäftsgeheimnisse betreffen vornehmlich kaufmännisches Wissen. Zu derartigen Geheimnissen werden etwa Umsätze, Ertragslagen, Geschäftsbücher, Kundenlisten, Bezugsquellen, Konditionen, Marktstrategien, Unterlagen zur Kreditwürdigkeit, Kalkulationsunterlagen, Patentanmeldungen und sonstige Entwicklungs- und Forschungsprojekte gezählt, durch welche die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Betriebs maßgeblich bestimmt werden können (BVerfG, Beschluss vom 14.03.2006 – 1 BvR 2087/03).
65
Die von der Antragstellerin eingereichten Formblätter 221 (Preisermittlung bei Zuschlagskalkulation), 222 (Preisermittlung bei Kalkulation über die Endsumme) und 223 (Aufgliederung der Einheitspreise) sowie Antworten der Antragstellerin auf die vertieften Aufklärungsfragen zu Einzelpreisen und schließlich die angeforderte Urkalkulation waren damit als Geschäftsgeheimnisse der Antragstellerin zu klassifizieren, welche vom Antragsgegner vertraulich zu behandeln waren.
66
Der Vertraulichkeitsschutz setzt nicht zwingend voraus, dass das Unternehmen die Informationen als vertraulich gekennzeichnet hat. Es genügt, dass der Geheimhaltungswille des Unternehmens erkennbar ist. Insbesondere liegt es auf der Hand, dass sämtliche technischen und kaufmännischen Angebotsinhalte eines Bieters geheim zu halten sind, sofern sich nicht aus den Umständen etwas anderes ergibt (vgl. Beck VergabeR/Krohn, 3. Aufl. 2019, VgV § 5 Rn. 16).
67
2.1.2. Bedient sich ein öffentlicher Auftraggeber bei der Durchführung eines Vergabeverfahrens einem externen Berater, Dienstleister oder Sachverständigen, so obliegt es dem öffentlichen Auftraggeber durch geeignete Maßnahmen dafür zu sorgen, dass diese externen Dritten ebenfalls die Vertraulichkeitspflicht beachten. Die vom öffentlichen Auftraggeber zu ergreifenden geeigneten Maßnahmen hängen von den Umständen des Einzelfalls ab.
68
Ein öffentlicher Auftraggeber ist nicht gehindert, sich bei der Vorbereitung und Durchführung des Vergabeverfahrens ganz oder teilweise der Hilfe Dritter zu bedienen, die über einen qualifizierten Sachverstand verfügen. Diese Personen haben in der Regel auch die Befugnis, die entsprechenden Unterlagen der Bieter und Bewerber zu erhalten. Vertrauliche Informationen aus den eingereichten Unterlagen dürfen damit den externen Dienstleistern, welche den öffentlichen Auftraggeber bei der Durchführung der Vergabe unterstützen, soweit zugänglich gemacht werden, wie dies für die Erfüllung ihrer Aufgabe notwendig ist.
69
Der öffentliche Auftraggeber ist dann jedoch verpflichtet, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, dass durch die Hinzuziehung externer Dritter bei der Durchführung des Vergabeverfahrens die Vertraulichkeit der von den Bietern und Bewerbern eingereichten Unterlagen gewahrt bleibt. Insbesondere hat er dafür zu sorgen, dass die im Rahmen der Unterstützung bei der Durchführung des Vergabeverfahrens erlangten vertraulichen Informationen vom Dienstleister nicht außerhalb des jeweils betreuten Verfahrens verwendet werden (können). Ob er dies durch vertragliche Regelungen mit dem Dienstleister, besondere Verschwiegenheitsverpflichtungen, digitales Rechtemanagement auf der Vergabeplattform, Vorgaben zur Verteilung der Zuständigkeiten bei vertraulichen Unterlagen oder anderen geeigneten Maßnahmen umsetzt, bleibt dem öffentlichen Auftraggeber unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls überlassen.
70
Die vom Antragsgegner beauftragte „… GmbH & Co. KG“ tritt zwar selbst nicht als Anbieterin von Restaurierungsarbeiten bei Natursteinen auf, jedoch ist ihr Geschäftsführer personenidentisch mit dem Geschäftsführer der „… GmbH …“, welche sich regelmäßig ebenfalls in Vergabeverfahren auf Restaurierungsprojekte bewirbt und in Konkurrenz zur Antragstellerin tritt. Der Antragsgegner hat jedoch über die allgemeine Verpflichtung ihrer Dienstleisterin in § 6 Abs. 1 seiner Allgemeinen Vertragsbestimmungen hinaus keine weiteren Vorkehrungen dahingehend getroffen, dass ihre Dienstleisterin im Vergabeverfahren die Vertraulichkeit der Unterlagen wahrt. In diesem Absatz ist zwar geregelt, dass die Dienstleisterin die ihr im Rahmen der Leistungserbringung bekannt gewordenen Vorgänge, Informationen und Unterlagen vertraulich zu behandeln hat und die Personen, welche mit der Erfüllung der Vertragspflichten beauftragt werden, zu diesbezüglicher Verschwiegenheit zu verpflichten.
71
Diese Verpflichtung zur Wahrung der Vertraulichkeit mag in den Fällen ausreichen, wo keinerlei Gefahr besteht, dass der Dienstleister die Informationen intern zum eigenen Vorteil verwenden kann und nur eine unbefugte Weitergabe an externe Dritte abgesichert werden muss. Wie jedoch der Antragsgegner in der mündlichen Verhandlung mitteilte, sind auf dem Markt der Restaurierungsfirmen für Natursteine viele Unternehmen sowohl als Planungsbüros und Dienstleister in Vergabeverfahren als auch als Anbieter der Restaurierungsleistung selbst tätig. In solch einer speziellen Konstellation ist es nicht ausreichend, die Dienstleister lediglich allgemein dazu zu verpflichten, die Informationen – gegenüber Dritten – vertraulich zu behandeln, sondern es müssen auch Maßnahmen getroffen werden, die eine interne Weitergabe oder zufällige Kenntnisnahme innerhalb des Unternehmens, zwischen Abteilungen oder über gemeinsame Geschäftsführer an verbundene Unternehmen effektiv zu unterbinden.
72
Soweit der Antragsgegner vorträgt, dass er den Geschäftsführer der „… GmbH & Co. KG“, der in Personalunion auch Geschäftsführer der „… GmbH …“ ist, über eine Verpflichtungserklärung nach § 1 Verpflichtungsgesetz auf die gewissenhafte Erfüllung seiner Obliegenheiten verpflichtet und auf die strafrechtlichen Folgen einer Pflichtverletzung hingewiesen hat, ist dies nicht ausreichend. Zunächst ist für die im vorliegenden Fall handelnde Bearbeiterin des „… GmbH & Co. KG“, Frau … R…, keine Verpflichtungserklärung vorgelegt worden oder vorgetragen worden, dass diese entsprechend verpflichtet worden wäre. Darüber hinaus werden über die entsprechende Verpflichtung zwar gewisse Straftatbestände auch auf die „dem öffentlichen Dienst besonders Verpflichtenden“ anwendbar, jedoch eröffnet dies lediglich strafrechtliche Sanktionsmöglichkeiten beim Nachweis von Verletzung von Vertraulichkeitspflichten. Die Vergabekammer verkennt nicht, dass strafrechtliche Sanktionen auch einen gewissen Warn- und Abschreckungscharakter haben und daher in gewissem Maße präventiv wirken, jedoch reicht die Eröffnung einer strafrechtlichen Sanktion für vorsätzliche Verstöße gegen die Geheimhaltungspflichten im vorliegenden Fall nicht aus, um dem Vertraulichkeitsgrundsatz des Vergaberechts vollständig Rechnung zu tragen. Die Pflicht des öffentlichen Auftraggebers, von Bietern und Bewerbern eingereichte Unterlagen vertraulich zu behandeln, besteht unabhängig von einer konkreten oder abstrakten Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung und geht damit über die in §§ 203 und 204 StGB genannten Tatbestände hinaus. Die Vertraulichkeitspflicht gilt beispielsweise auch innerhalb der Verwaltung (vgl. Beck VergabeR/Krohn, 3. Aufl. 2019, VgV § 5 Rn. 20). Soweit der Antragsgegner daher vorträgt, dass eine Verwertung der bekannt gewordenen Geschäftsgeheimnisse der Antragstellerin zum Vorteil ihrer Konkurrentin in einem anderen Vergabeverfahren nicht möglich sei, da sich die einzelnen Baudenkmäler und damit die Restaurierungsleistung signifikant unterscheiden würden, ist dies für die Frage der Verletzung der Pflicht zur Vertraulichkeit nach § 2 EU Abs. 6 VOB/A unerheblich.
73
Hier hätte der öffentliche Auftraggeber vielmehr dafür sorgen müssen, dass ein Austausch zwischen seiner Dienstleisterin „… GmbH & Co. KG“ und dem am Markt tätigen Unternehmen „… GmbH …“ tatsächlich nicht stattfinden kann und somit der Geschäftsführer beider Unternehmen vertrauliche Informationen aus diesem Vergabeverfahren auf Grund interner Schutzmaßnahmen gar nicht zur Kenntnis nehmen kann.
74
2.1.3. Die Pflicht des öffentlichen Auftraggebers zur Wahrung der Vertraulichkeit ist auch bieterschützend. Unternehmen können sich daher gegenüber dem Auftraggeber auf die Vorschriften berufen und die Einhaltung im Vergabeverfahren notfalls im Rahmen des vergaberechtlichen Rechtsschutzes einfordern (vgl. Beck VergabeR/Krohn, 3. Aufl. 2019, VgV § 5 Rn. 29). Da im Vergabeverfahren üblicherweise keine Informationen über die Maßnahmen des öffentlichen Auftraggebers mitgeteilt werden, wie dieser den Grundsatz der Vertraulichkeit wahrt, kann ein Bieter oder Bewerber daher bei einem konkreten Verdacht die fehlende Vertraulichkeit nicht substantiiert rügen. Gleichzeitig steht ihm im Rahmen der ausgesprochenen Rüge das Recht zu, die Übersendung vertraulicher Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu verweigern, bis der öffentliche Auftraggeber über die Rüge entschieden hat und dem Bieter oder Bewerber in diesem Zuge hinreichende Informationen dazu übermittelt hat, ob und wie der öffentliche Auftraggeber die Grundsätze des § 2 EU Abs. 6 VOB/A wahrt und welche Maßnahmen er zum Schutz der Vertraulichkeit der Unterlagen ergriffen hat oder im weiteren Verfahren ergreifen wird. Nur mit diesem Recht, die Übersendung vertraulicher Unterlagen zurückhalten zu dürfen, bis eine Mitteilung über die konkreten Schutzmaßnahmen zur Wahrung der Vertraulichkeit erfolgt ist, auf deren Grundlage dann ein Bieter oder Bewerber ggf. weitere Schritte des vergaberechtlichen Rechtsschutzes initiieren kann, kann ein wirksamer Bieterschutz gewährleistet werden.
75
Die Antragstellerin hat mit ihrer Rüge vom 24.03.2025 gerade explizit moniert, dass sie ihre gesamte Urkalkulation so einreichen sollte, dass die „… GmbH & Co. KG“ von diesen Inhalten Kenntnis erlangen könne. Laut der Rüge der Antragstellerin sei in diesem Zusammenhang problematisch, dass die Dienstleisterin den selben Geschäftsführer habe, wie die „… GmbH …“, welche ein direkter Wettbewerber der Antragstellerin sei. Als Begründung für ihre Besorgnis, dass die Vertraulichkeit hier nicht gewahrt werde, führte die Antragstellerin aus, dass sie erst vor wenigen Tagen in einem anderen Vergabeverfahren bezügliche eines Restaurierungsprojekts von der „… GmbH …“ knapp unterboten worden sei, wohl weil aufgrund der Personalunion des Geschäftsführers beider Unternehmen die angebotenen Preis aus dem streitgegenständlichen Verfahren der Wettbewerberin bekannt waren.
76
Insbesondere die Personalunion des Geschäftsführer bei beiden Unternehmen sowie die kürzlich erfolgte Teilnahme an dem gleichen Vergabeverfahren im Bereich der Restaurierung von Baudenkmälern ist ein hinreichend substantiierter Vortrag dahingehend, dass die Beigeladene eine Verletzung der Vertraulichkeit bei den von ihr eingereichten Unterlagen konkret befürchtete.
77
Die Antragstellerin durfte daher eine weitere, vertiefte Aufklärung in die gesamte Urkalkulation insoweit verweigern, dass sie die angeforderte Urkalkulation nur verschlüsselt auf die Vergabeplattform hochgeladen hat und die Übersendung des Passworts unter die Bedingung stellte, dass der Antragsgegner seiner Pflicht nachkommt, für die vertrauliche Behandlung der angeforderten Geschäftsgeheimnisse zu sorgen.
78
2.2. Mit der Benennung einer eigenen Mitarbeiterin in dem Schreiben vom 26.03.2025 als Ansprechperson für die Übersendung des Passworts für die angeforderte Urkalkulation und der Zusage, dass das Planungsbüro keinen Zugriff auf das Passwort erhalte, hat der Antragsgegner zwar Maßnahmen ergriffen, die Vorschriften zur vertraulichen Behandlung der angeforderten Urkalkulation wieder herzustellen, jedoch keinen elektronischen oder anderweitig angemessenen Kommunikationsweg zur fristgerechten Übermittlung des ausstehenden Passworts eröffnet.
79
Der Antragsgegner hat in der Auftragsbekanntmachung und im Formblatt 211 EU (Aufforderung zur Abgabe eines Angebots EU) jeweils angegeben, dass die Kommunikation ausschließlich über die Vergabeplattform erfolgen soll und damit einen elektronischen Kommunikationsweg für die Antragstellerin eröffnet, über welchen diese die nachgeforderten Unterlagen einfach und direkt elektronisch an den Antragsgegner hätte übersenden können. Grundsätzlich wäre damit auch dieser Weg von den Bietern verpflichtend zu verwenden, allerdings genügt der vom Antragsgegner eröffnete Kommunikationsweg über die Vergabeplattform im vorliegenden Einzelfall nicht den Vorgaben des § 2 EU Abs. 6 VOB/A an die Vertraulichkeit der darüber einzureichenden Informationen oder Unterlagen. Dort hatte auch das vom Antragsgegner beauftragte Planungsbüro Zugriff, so dass der Antragsgegner einen alternativen Kommunikationsweg für die Übersendung des Passworts für die Urkalkulation zur Vergabeplattform hätte aufzeigen müssen.
80
Nach § 11 EU Abs. 1 VOB/A gilt der Vorrang der elektronischen Kommunikation, so dass für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabeverfahren grundsätzlich Geräte und Programme für die elektronische Datenübermittlung (elektronische Mittel) verwendet werden müssen. Die Verpflichtung der öffentlichen Auftraggeber zur Verwendung von elektronischen Kommunikationsmitteln dient nach Vorbemerkung 52 der RL 24/2014/EU gerade dazu, die Effizienz und Transparenz der Vergabeverfahren zu steigern und den Unternehmen die Teilnahme an Vergabeverfahren zu erleichtern.
81
Mit dem Schreiben der Antragsgegnerin vom 26.03.2025 wurde der Antragstellerin zwar eine direkte Ansprechperson aus dem eigenen Personal des Antragsgegners genannt, ein elektronischer Kommunikationsweg mit dieser Person wurde jedoch nicht mitgeteilt. Der Antragsgegner hat vielmehr nur eine Telefonnummer mitgeteilt sowie die Bitte geäußert, dass Passwort an diese Person „persönlich adressiert zu schicken“.
82
Dies ist insbesondere angesichts der Tatsache, dass diese Nachricht um 12:50 Uhr am Tag des Fristablaufs verschickt wurde und der Antragstellerin damit gerade mal 11 Stunden dafür verblieben, dass Passwort fristgereicht einzureichen, nicht ausreichend. Es obliegt dem öffentlichen Auftraggeber für die Kommunikation mit den Bietern und Bewerbern an seinem Vergabeverfahren entsprechende elektronische Kommunikationswege bereit zu halten, die den Anforderungen der §§ 11 EU Abs. 1, 11a EU sowie 2 EU Abs. 6 VOB/A entsprechen.
83
Dies gilt umso mehr, wenn den Bietern Fristen gesetzt sind, innerhalb derer lediglich nur noch eine elektronische Kommunikation fristwahrend möglich ist, da die regulären Postlaufzeiten für eine physische Übersendung deutlich zu lang wären.
84
Soweit der Antragsgegner in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, dass er die Übersendung per einfacher E-Mail nicht angeboten hat, da er dies nicht für einen sicheren und damit zulässigen Kommunikationsweg gehalten hat, entbindet es den öffentlichen Auftraggeber nicht von der Pflicht, einen anderen elektronischen Kommunikationsweg zu finden. Es hätten beispielsweise Rechteänderungen auf der Vergabeplattform vorgenommen werden können. Wenn der Antragsgegner diese Möglichkeiten erst einrichten muss, so hätte die vom Antragsgegner gesetzte Frist entsprechend verlängert werden müssen, bis ein vergaberechtskonformer elektronische Kommunikationsweg hergestellt wurde.
85
2.3. Dass zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner streitig ist, ob im Telefongespräch zwischen der Antragstellerin und der vom Antragsgegner benannten Ansprechperson am 26.03.2025 besprochen wurde, dass der Antragstellerin eine E-Mail-Adresse für die Übersendung des Passworts später mitgeteilt würde, geht zu Lasten des Antragsgegners.
86
Gemäß § 11 EU Abs. 7 VOB/A kann die Kommunikation in einem Vergabeverfahren zwar (fern-)mündlich erfolgen, wenn sie nicht die Vergabeunterlagen, die Teilnahmeanträge, die Interessensbestätigungen oder die Angebote betrifft, allerdings ist diese Kommunikation dann ausreichend und in geeigneter Weise zu dokumentieren. Es handelt sich bei der Frage, wie fristgerecht ein Passwort für eine verschlüsselte Urkalkulation übersendet werden soll, angesichts der Tatsache, dass eine Fristversäumnis mit einem Angebotsausschluss bedroht ist, auch nicht um eine irrelevante mündliche Korrespondenz. Das am 30.04.2025, also über einen Monat nach dem Telefonat und erst nach Einreichung des Nachprüfungsantrags angefertigte Gedächtnisprotokoll stellt keine ausreichende Dokumentation mehr dar. Da die Dokumentationspflicht eine ausreichende Transparenz im Vergabeverfahren ermöglichen soll, ist diese zeitnah zu dem Gespräch anzufertigen, wenn die wesentlichen Punkte des Gesprächs noch vollständig im Gedächtnis der beteiligten Personen sind und die Erinnerung weder durch Zeitablauf getrübt noch durch nachfolgende Ereignisse beeinflusst ist.
87
Das am 30.04.2025 angefertigte Gedächtnisprotokoll über das Telefongespräch mit der Antragstellerin am 26.03.2025 ist daher bezüglich der Inhalte des Gespräches keine verlässliche Dokumentation, auf welche sich der Antragsgegner berufen kann. Nach Würdigung aller im Nachprüfungsverfahren schriftsätzlich vorgetragenen Äußerungen darüber, was in dem Telefongespräch angesprochen wurde, kann nicht mehr aufgeklärt werden, ob der Antragsgegner keine E-Mail-Adresse zur Übersendung des Passwortes angeben konnte, ob zugesagt worden sei, eine E-Mail-Adresse nachzureichen oder ob von der Antragstellerin der Eindruck erweckt worden sei, sie würde die Unterlagen noch heute persönlich beim Antragsgegner in physischer Form abgeben. Diese Nichterweislichkeit geht zu Lasten des Antragsgegners, dem die Dokumentation des Gesprächs oblegen hätte.
88
2.4. Die Antragstellerin war auch nicht verpflichtet überobligatorische Anstrengungen – beispielsweise die Übersendung durch einen Kurier – zu unternehmen, um ohne einen von dem Antragsgegner eröffneten elektronischen Kommunikationsweg, für die fristgerechte Einreichung des Passworts zu sorgen. Vielmehr war die Fristsetzung ohne einen den Vorgaben der §§ 11 EU Abs. 1, 11a EU sowie 2 EU Abs. 6 VOB/A entsprechenden Kommunikationsweg nicht mehr angemessen.
89
3. Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer hat gemäß § 182 Abs. 3 S. 1 GWB derjenige zu tragen, der im Verfahren vor der Vergabekammer unterlegen ist. Dies ist vorliegendder Antragsgegner.
90
Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 182 Abs. 2 GWB. Diese Vorschrift bestimmt einen Gebührenrahmen zwischen 2.500 Euro und 50.000 Euro, der aus Gründen der Billigkeit auf ein Zehntel der Gebühr ermäßigt und, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch sind, bis zu einem Betrag vom 100.000 Euro erhöht werden kann. Die Höhe der konkreten Gebühr richtet sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens.
91
Der Antragsgegnerist als Bundesland von der Zahlung der Gebühr nach § 182 Abs. 1 S. 2 GWB i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 2 VwKostG (Bund) vom 23. Juni 1970 (BGBl. I S. 821) in der am 14. August 2013 geltenden Fassung befreit.
92
Von der Antragstellerinwurde bei Einleitung des Verfahrens ein Kostenvorschuss in Höhe von 2.500 Euro erhoben. Dieser Kostenvorschuss wird nach Bestandskrafterstattet.
93
Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin beruht auf § 182 Abs. 4 S. 1 GWB.
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Die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters wird als notwendig i. S. v. § 182 Abs. 4 S. 4 GWB i. V. m. Art. 80 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 S. 2 BayVwVfG angesehen. Die anwaltliche Vertretung war erforderlich, da das Vergabeverfahren komplexe und teilweise ungeklärte Fragen im Zusammenhang mit der Vertraulichkeit im Vergabeverfahren bei der Einbindung von Dritten, welche über verbundene Unternehmen konkurrierende Marktteilnehmer sind, aufgeworfen hat. Die Antragstellerin ist als mittelständisches Bieterunternehmen nicht verpflichtet, vergaberechtliche Kenntnisse bei ihren Mitarbeitern vorzuhalten, so dass sie sich für eine entsprechende Rechtsverfolgung eines anwaltlichen Vertreters bedienen darf.
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Auch wenn die Beigeladene keine Anträge gestellt hat, muss die Vergabekammer von Amts wegen über die Aufwendungen der Beigeladenen entscheiden.
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Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen beruht auf § 182 Abs. 4 S. 3, S. 2 GWB. Danach sind Aufwendungen der Beigeladenen nur erstattungsfähig, wenn die Vergabekammer sie als billig erachtet. Dabei setzt die Erstattungsfähigkeit jedenfalls voraus, dass die Beigeladene sich mit demselben Rechtsschutzziel wie der obsiegende Verfahrensbeteiligte aktiv am Nachprüfungsverfahren beteiligt hat (OLG Brandenburg, Beschluss vom 09.02.2010, Az.: Verg W 10/09). Die Beigeladenehat sich weder durch schriftsätzlichen noch durch mündlichen Vortrag oder die Stellung von Anträgen aktiv am Verfahren beteiligt. Hierdurch hat sie das gegenständliche Verfahren nicht wesentlich gefördert, so dass eine Erstattung ihrer etwaigen Aufwendungen zur Rechtsverteidigung nicht als billig erachtet wird