Titel:
Baurecht, Isolierte Zwangsgeldandrohung und Fälligkeitsmitteilung, Genehmigungsfiktion
Normenketten:
BayBO Art. 68 Abs. 6 Nr. 1
VwZVG Art. 31 Abs. 3 S. 3
VwZVG Art. 38 Abs. 1 S. 3
Schlagworte:
Baurecht, Isolierte Zwangsgeldandrohung und Fälligkeitsmitteilung, Genehmigungsfiktion
Fundstelle:
BeckRS 2025, 32566
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Die Klägerin, der am 17. Januar 2020 eine Baugenehmigung (Errichtung zweier Mehrfamilienhäuser mit gemeinsamer Tiefgarage, FlNr. 241/11 Gemarkung … … …, im Folgenden: Baugrundstück) erteilt wurde, wendet sich gegen eine erneute und isolierte Zwangsgeldandrohung nach einer Baueinstellungsverfügung sowie die Fälligstellung von Zwangsgeldern.
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Mit Bescheid vom 7. Juli 2021 wurde eine am 1. Juli 2021 gegenüber der Klägerin mündlich ergangene Baueinstellungsverfügung bestätigt sowie weiter angeordnet (Nr. 1). Der Klägerin wurde zur Überprüfung, ob für die vorgenommene Bauausführung eine Baugenehmigung erteilt werden kann aufgegeben, binnen vier Wochen nach Unanfechtbarkeit dieses Bescheides einen entsprechenden Bauantrag einzureichen (Nr. 2). Für den Fall dass die Nr. 1 dieses Bescheides nicht befolgt werden sollte, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000 EUR angedroht, das bei unerlaubter Fortsetzung der Bauarbeiten fällig und eingezogen wird (Nr. 3). Für den Fall, dass die Nr. 2 dieses Bescheides nicht befolgt werden sollte, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 1.500 EUR angedroht, das bei Nichteinhalten der Frist fällig und eingezogen wird (Nr. 4). Der Bescheid erging unter der Anordnung sofortiger Vollziehbarkeit (Nr. 5) und entsprechender Kostenentscheidung (Nrn. 6 und 7). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Schnitt B-B mit einer gestrichelt dargestellten Tiefgaragenabfahrt und dem dazugehörigen Grundriss nicht den Plandarstellungen hinsichtlich des südöstlichen Gebäudes entspreche. Die Abfahrt zur Tiefgarage sei mit einer geringeren Neigung ausgeführt worden und das Kellergeschoss, dargestellt im Grundriss mit Lichtschächten, sei nun als Vollgeschoss mit Fensterfront wahrnehmbar. Aufgrund der unrichtig dargestellten Geländeverläufe und Geländehöhen ergebe sich an der Südostecke des im Eingabeplan als Vorderhaus bezeichneten Gebäudes eine festgestellte Wandhöhe in der Längsflucht entlang und parallel zur R.-Straße von ca. 9,85 m. Hierdurch sei in der Ansicht von Osten ein von der Genehmigungsplanung abweichendes sichtbares Geschoss geschaffen worden.
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Mit Schreiben des Landratsamtes … (im Folgenden: Landratsamt) vom 5. August 2021 wurde die Baueinstellung für das hintere Wohngebäude ab Unterkante der Geschossdecke der Tiefgarage zum Erdgeschoss bis zur Dachhaut wieder freigegeben, da dieser Gebäudeteil im ausgeführten Baufortschritt sowie mit dessen geplanter Fertigstellung bauordnungs- und planungsrechtlich den öffentlich-rechtlichen Anforderungen entspreche. Alle anderen Bauarbeiten im Bereich der Tiefgarage, des vorderen Wohngebäudes zur R.-Straße sowie die Geländemodellierung blieben weiterhin eingestellt.
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Am 13. August 2021 beantragte die Klägerin die Erteilung einer Tekturgenehmigung auf dem Baugrundstück („Neubau zweier Mehrfamilienhäuser mit gemeinsamer Tiefgarage: Tektur Überdachung und Änderung der Tiefgaragenzufahrt“). Das gemeindliche Einvernehmen wurde mit Beschluss des Marktes … … … vom 21. September 2021 verweigert. Der Bauantrag ging daraufhin dem Landratsamt am 27. September 2021 zu.
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Am … Dezember 2021 ließ die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht München auf Erteilung der am 13. August 2021 beantragten Tekturgenehmigung erheben (M 1 K 21.6665) und ließ zur Begründung im Wesentlichen vortragen, dass die Genehmigungsfiktion eingetreten sei.
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Mit Fälligkeitsmitteilung vom 19. Januar 2022 wurde aufgrund einer Baukontrolle am 17. Januar 2022 ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000 EUR fällig gestellt und mit Bescheid vom 19. Januar 2022 ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 8.000 EUR angedroht. Hiergegen ließ die Klägerin am 28. Januar 2022 Klage erheben (M 1 K 22.473).
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Mit Bescheid des Landratsamts vom 16. Februar 2022, zugestellt am 18. Februar 2022, wurde der Antrag vom 13. August 2021 abgelehnt. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Vorhaben sei bauplanungsrechtlich unzulässig, da es sich hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung nicht einfüge.
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Mit Fälligkeitsmitteilung vom 23. Februar 2022 wurde, aufgrund einer weiteren Baukontrolle vom 2. Februar 2022, ein Zwangsgeld in Höhe von 8.000 EUR fällig gestellt und mit Bescheid vom 23. Februar 2022 ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 10.000 EUR angedroht. Hiergegen ließ die Klägerin am 2. März 2022 Klage (M 1 K 22.1309) erheben.
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Mit Fälligkeitsmitteilung vom 21. April 2022 wurde, aufgrund einer Baukontrolle vom 7. April 2022, ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000 EUR fällig gestellt und mit Bescheid vom 21. April 2022 – jeweils zugestellt am 26. April 2022 – ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 50.000 EUR angedroht. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass bei der erneuten Baukontrolle festgestellt worden sei, dass die Klägerin am südöstlichen Gebäude habe weiterbauen lassen. Unter anderem seien zum Zeitpunkt der Baukontrolle weitere Verputzarbeiten und die Fertigstellung der Haustechnik festgestellt worden.
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Hiergegen ließ die Klägerin am … Mai 2022 Klage zum Verwaltungsgericht München erheben. Sie beantragt,
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1. den Bescheid des Beklagten vom 21. April 2022 aufzuheben sowie
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2. festzustellen, dass das mit Bescheid vom 23. Februar 2022 angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 10.000 EUR nicht fällig wurde.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, der Bescheid sei obsolet, da die Genehmigungsfiktion der beantragten Tektur eingetreten und die Klägerin damit Inhaberin einer Baugenehmigung sei. Deswegen könne auch das Zwangsgeld nicht fällig geworden sein.
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Der Beklagte beantragt mit Schreiben vom 25. Mai 2025,
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die erneute Androhung eines Zwangsgeldes sei zulässig, da die vorausgegangene Androhung erfolglos geblieben sei und die Klägerin trotzdem weitergebaut habe. Durch den Verstoß gegen die Baueinstellungsverfügung sei das angedrohte Zwangsgeld fällig geworden.
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Am 28. November 2022 ließ die Klägerin im Verfahren M 1 K 21.6665 beantragen, ihr zu bescheinigen, dass die Genehmigungsfiktion des Tekturantrags vom 13. August 2021 eingetreten sei.
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Aus einem Aktenvermerk vom 6. Februar 2023 ergibt sich, dass bei einem Ortstermin des Landratsamtes mit der Klägerin festgestellt worden sei, dass die Pläne bislang zwar falsche Höhenangaben hinsichtlich des Bezugspunktes enthalten hätten, eine Genehmigung des Tekturantrages mit abgesetzter Höhe aber grundsätzlich genehmigungsfähig sei.
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Am 13. März 2023 stellte die Klägerin hierauf einen weiteren Bauantrag für das Baugrundstück („Neubau zweier Mehrfamilienhäuser mit gemeinsamer Tiefgarage“), dem am 21. März 2023 das gemeindliche Einvernehmen erteilt wurde.
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Mit Baugenehmigung vom 6. April 2023 wurde der Bauantrag vom 13. März 2023 im vereinfachten Verfahren genehmigt. Begleitend teilte das Landratsamt der Klägerin mit Schreiben vom 6. April 2023 mit, dass die Baugenehmigung teilweise die verfügte Baueinstellung für das südöstliche Gebäude sowie die Tiefgarage ersetze und größtenteils deckungsgleich mit der mit Bescheid vom 17. Januar 2020 erteilten Baugenehmigung sei. Abweichungen ergeben sich im Wesentlichen ab Dachgeschoss des südöstlichen Gebäudes, weswegen die Baueinstellung für diesen Bereich ab OK FB Dachgeschoss weiterhin gültig und strikt einzuhalten sei.
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Mit E-Mail vom 1. September 2025 teilte das Landratsamt mit, dass bislang nur das Zwangsgeld in Höhe von 5.000 EUR, fällig gestellt mit Bescheid vom 19. Januar 2022, bezahlt worden sei. Die Fälligstellung der Zwangsgelder mit Bescheiden vom 23. Februar 2022 und 21. April 2022 (M 1 K 22.1309 und 22.2760) wurde ausgesetzt.
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Am 28. Oktober 2025 fand die mündliche Verhandlung statt.
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Mit Urteil vom 28. Oktober 2025 (M 1 K 21.6665) wurde der Beklagte verurteilt, der Klägerin eine Fiktionsbescheinigung der am 13. August 2021 beantragten Tekturgenehmigung zu erteilen. Aus den Urteilsgründen ergibt sich, dass die Genehmigungsfiktion am 19. Januar 2022, 0 Uhr, eingetreten war. Die Klagen gegen die Zwangsgeldandrohung vom 19. Januar 2022 und gegen die Zwangsgeldandrohung und Fälligstellung vom 23. Februar 2022 wurden mit Urteilen vom 28. Oktober 2025 (M 1 K 22.473 und M 1 K 22.1309) abgewiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 28. Oktober 2025, auch in den Verfahren M 1 K 21.6665, M 1 K 22.473 und M 1 K 22.1309, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig (I.), aber sowohl hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung (II.), als auch der Fälligkeitsmitteilung (III.) unbegründet.
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Die Klage ist zulässig.
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1. Die Klage ist hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung im Bescheid vom 21. April 2022 zulässig und insbesondere als Anfechtungsklage i.S.v. § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft, denn bei der Zwangsgeldandrohung handelt es sich um einen Verwaltungsakt (BVerwG, U.v. 2.12.1988 – 4 C 16.85 – juris Rn. 10 ff.; GB.v. 26.6.1997 – 1 A 10/95 – juris Rn. 19). Die Statthaftigkeit der Klage ergibt sich zudem aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 VwZVG, wonach gegen die Androhung des Zwangsmittels die förmlichen Rechtsbehelfe gegeben sind, die gegen den Verwaltungsakt zulässig sind, dessen Durchsetzung erzwungen werden soll.
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2. Soweit sich die Klage gegen die Fälligstellung des mit Bescheid vom 23. Februar 2022 angedrohten Zwangsgeld in Höhe von 10.000 EUR richtet, ist die Klage als Feststellungsklage i.S.v. § 43 VwGO statthaft. Denn bei der Mitteilung der Fälligkeit eines angedrohten Zwangsgelds handelt es sich nicht um einen mittels Anfechtungsklage angreifbaren Verwaltungsakt, sondern um die Mitteilung eines Bedingungseintritts (hierzu und zum Folgenden vgl. BayVGH, B.v. 28.10.2021 – 12 BV 20.1243 – juris Rn. 36; vgl. ferner grundlegend BayVerfGH, B.v. 24.1.2007 – Vf. 50-VI-05, Vf. 50-VI/05 – juris Rn. 46). Nach Art. 31 Abs. 3 Satz 2 VwZVG liegt bereits in der Androhung eines bestimmten Zwangsgeldes ein nach Maßgabe des Art. 23 Abs. 1 VwZVG vollstreckbarer, aber aufschiebend bedingter Leistungsbescheid. Wird die sich aus dem Grundbescheid ergebende Pflicht nicht erfüllt, wird die Zwangsgeldforderung gemäß Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG kraft Gesetzes zur Zahlung fällig. Entsprechendes gilt für den Fall, dass einer sich aus dem Grundbescheid ergebenden Unterlassungspflicht zuwidergehandelt wird und das Zwangsgeld nach der Androhung in diesem Fall fällig werden soll. Gegen die Mitteilung dieses Bedingungseintritts, also die Fälligkeitsmitteilung, kann sich ein Betroffener mit einer Feststellungsklage nach § 43 VwGO zur Wehr setzen und damit gerichtlich klären lassen, ob das Zwangsgeld fällig geworden ist und die Zwangsgeldforderung durchgesetzt werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 17.2.2023 – 12 ZB 22.2541 – juris Rn. 16).
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Die Klage ist hinsichtlich der erneuten Zwangsgeldandrohung unbegründet, da der angegriffene Bescheid vom 21. April 2022 rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Klägerin kann den Einwand des Eintritts der Genehmigungsfiktion im Zeitpunkt des Erlasses der Zwangsgeldandrohung am 21. April 2022 nicht mehr geltend machen (1.); im Übrigen liegen die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen vor (2.).
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1. Der Klägerin ist es verwehrt, den Einwand des Eintritts der Genehmigungsfiktion am 19. Januar 2022 (vgl. hierzu VG München, U.v. 28.10.2025 – M 1 K 21.6665 – n.v.) gegen die im Bescheid vom 21. April 2022 enthaltene Zwangsgeldandrohung in Höhe von 50.000 EUR geltend zu machen.
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1.1. Nach Art. 38 Abs. 1 Satz 3 VwZVG kann die Androhung nur insoweit angefochten werden, als eine Rechtsverletzung durch die Androhung selbst behauptet wird, wenn die Androhung nicht mit dem zugrundeliegenden Verwaltungsakt verbunden und dieser unanfechtbar geworden ist. Diese Norm schränkt die Anfechtung derartiger isolierter Zwangsandrohungen wesentlich ein. Sie können nur insoweit angefochten werden, als eine Rechtsverletzung durch die Androhung selbst behauptet wird. Materiellrechtliche Einwendungen gegen den unanfechtbaren Grundverwaltungsakt sind ausdrücklich ausgeschlossen; der Pflichtige kann sich hierauf nicht berufen. Hier zeigt sich die abschichtende Wirkung der Bestandskraft der Grundverfügung im Verhältnis zu den darauf beruhenden Vollstreckungsakten. Möglich ist allein die Rüge von Rechtsverletzungen, die die allgemeinen oder besonderen Vollstreckungs- bzw. die gesetzlichen Voraussetzungen der Zwangsmittelandrohung als solche betreffen, wie sie etwa in Art. 31 und Art. 36 VwZVG vorgesehen sind (vgl. zu alldem BayVerfGH, B.v. 24.01.2007 – juris Rn. 53; BayVGH, B.v. 26.7.2019 – 15 CS 19.1050 – juris Rn. 37 sowie zur gleichlautenden Norm § 18 Abs. 1 Satz 3 im Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz des Bundes: Deusch/Burr/Blackstein in BeckOK VwVfG, Stand: 1.10.2025, § 18 VwVG Rn 7 m.w.N.).
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Diesen Grundsätzen folgend sind die Voraussetzungen des Art. 38 Abs. 1 Satz 3 VwZVG erfüllt. Die Baueinstellungsverfügung vom 7. Juli 2021 wurde seitens der Klägerin nicht angegriffen und ist damit bestandskräftig geworden (vgl. Art. 19 VwZVG). Zweifelsohne handelt es sich vorliegend im streitgegenständlichen Bescheid vom 21. April 2022 auch um eine isolierte – sprich mit dem Grundverwaltungsakt nicht in einem Bescheid verbundene – Zwangsgeldandrohung. Der Einwand der Klägerin zum erfolgten Eintritt der Genehmigungsfiktion stellt darüber hinaus einen materiellen Einwand gegen die Grundverfügung dar und ist damit von Art. 38 Abs. 1 Satz 3 VwZVG umfasst. Denn letztlich wird damit vorgetragen, dass es der Baueinstellungsverfügung vom 7. Juli 2021 nach Art. 75 BayBO an dem dortigen Tatbestandsmerkmal des „Widerspruchs gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften“, mithin der formellen Illegalität, fehlen würde.
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1.2. Selbst wenn man den Eintritt der Genehmigungsfiktion als Einwendung gegen die Zwangsgeldandrohung selbst bewerten würde, ändert dies nichts am gefundenen Ergebnis. Denn auch in diesem Fall wäre es der Klägerin verwehrt gewesen, die eingestellten Bauarbeiten fortzusetzen. Für die Durchführung von Bauarbeiten muss dem Bauherrn nach Art. 68 Abs. 6 Nr. 1 BayBO in jedem Fall eine Baugenehmigung oder eine Bescheinigung gemäß Art. 42a Abs. 3 BayVwVfG (Bescheinigung über den Eintritt der Fiktion) zugegangen sein. Die Rechtsgrundlage der Baueinstellung nimmt auf diese Voraussetzung für den Baubeginn ausdrücklich Bezug, vgl. Art. 75 Abs. 1
Satz 2 Nr. 1 BayBO, und bestätigt, dass auch in diesem Fall der Bauaufsichtsbehörde die Eingriffsbefugnisse des Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO tatbestandlich eröffnet sind. Eine solche Bescheinigung lag der Klägerin zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids am 21. April 2022 unstreitig nicht vor.
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1.3. Zuletzt oblag es der Bauaufsichtsbehörde im vorliegenden Fall auch nicht, das ihr gem. Art. 40 BayVwVfG eingeräumte Entschließungsermessen dahingehend auszuüben, als dass die Baueinstellungsverfügung vom 7. Juli 2021 mit Eintritt der Genehmigungsfiktion am 19. Januar 2022 aufzuheben gewesen wäre. Zwar handelt es sich bei einer Baueinstellungsverfügung um einen Dauerverwaltungsakt, mithin um eine Maßnahme, die zu beenden ist, wenn ihr Zweck erreicht ist oder sich zeigt, dass sie nicht erreicht werden kann (vgl. Art. 8 Abs. 3 des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes), und überdies ist die fingierte Genehmigung grundsätzlich auch im Rahmen des Ermessens der Baueinstellungsverfügung zu berücksichtigen (vgl. BayVGH, B.v. 7.11.2022 – 15 CS 22.1998 – Rn. 46). Allerdings führt dies hier zu keinem anderen Ergebnis, da auch weiterhin die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 75 BayBO, wie bereits ausgeführt, mangels Bescheinigung des Fiktionseintritts vorlagen und überdies, nicht wie im vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof entschiedenen Fall, die Fiktion vor Erlass der Baueinstellungsverfügung eingetreten war. Schließlich besteht für die Bauaufsichtsbehörde auch keine Pflicht, eine Baueinstellungsverfügung aufzuheben oder gar eine vorläufige Fiktionsbescheinigung auszustellen, wenn – wie hier – der Eintritt der Fiktion gerade streitig ist und die Klägerin beharrlich und fortgesetzt gegen die formalen Voraussetzungen des Art. 68 Abs. 6 Nr. 1 BayBO verstoßen hat.
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2. Die Zwangsgeldandrohung ist auch im Übrigen rechtmäßig.
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2.1. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 29 Abs. 1 und 2 Nr. 1, Art. 31 Abs. 1 und 2, Art. 36 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 und Abs. 6 Satz 2 VwZVG. Bedenken in formeller Hinsicht bestehen nicht, insbesondere konnte von einer Anhörung gem. Art. 28 Abs. 2 Nr. 5 BayVwVfG abgesehen werden.
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2.2. Die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen sind erfüllt.
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Nach Art. 31 Abs. 1 VwZVG kann die Vollstreckungsbehörde denjenigen, der eine Pflicht zu einer Unterlassung nicht erfüllt, durch ein Zwangsgeld zur Erfüllung anhalten. Eine Fristsetzung gem. Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG ist bei einer reinen Unterlassensverpflichtung im Rahmen einer Baueinstellungsverfügung, wie vorliegend, nicht zwingend erforderlich (BayVGH, B.v. 8.7.2021 – 15 CS 21.1642 – juris Rn. 13). Gemäß Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG ist auch eine erneute Androhung rechtmäßig, wenn die vorausgegangene Androhung erfolglos geblieben ist, d.h. ihre Beugewirkung verfehlt hat und das angedrohte Zwangsgeld fällig geworden ist; nicht erforderlich ist, dass die Beitreibung erfolgt ist oder ein Beitreibungsversuch stattgefunden hat (BayVGH, B.v. 29.7.2002 – 20 ZB 02.1265 – juris Rn. 7 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben, das vorherige Zwangsgeld aus dem Einstellungsbescheid vom 7. Juli 2021 ist fällig geworden.
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Auch gegen die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes von 50.000 EUR bestehen keine Bedenken. Zwar nutzt dieser Betrag den Rahmen des Art. 31 Abs. 2 VwZVG in voller Höhe aus, erscheint aber mit Blick darauf, dass die vorausgehenden Zwangsgeldandrohungen in Höhe von 5.000 EUR, 8.000 EUR und 10.000 EUR erfolglos geblieben sind, angemessen. Ermessensfehler hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung sind nicht ersichtlich. Sie ist insbesondere nicht unverhältnismäßig. Die Zwangsgeldandrohung dient der Durchsetzung der Baueinstellungsverfügung, durch die die Entstehung und Verfestigung baurechtswidriger Zustände und die Schaffung vollendeter Tatsachen verhindert werden soll. Die Klägerin hat zudem zu erkennen gegeben, dass sie durch die zunächst angedrohten und fällig gestellten Zwangsgelder in Höhe von 5.000 EUR, 8.000 EUR und 10.000 EUR nicht zur Einhaltung ihrer öffentlich-rechtlichen Pflichten bewegt werden kann.
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Auch hinsichtlich der Fälligkeitsmitteilung vom 21. April 2022 ist die Klage unbegründet. Das mit Bescheid vom 23. Februar 2022 angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 10.000 EUR ist fällig geworden. Die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen sind gegeben und die Fälligkeitsbedingung ist eingetreten. Hierzu wird zunächst hinsichtlich der Vollstreckungsvoraussetzungen auf die Urteilsgründe im Verfahren M 1 K 21.1309 Bezug genommen. Im Übrigen ist die Fälligkeitsbedingung eingetreten. Als Fälligkeitsbedingung wurde die unerlaubte Fortsetzung der Bauarbeiten entgegen dem Baueinstellungsbescheid vom 7. Juli 2021 festgelegt. Hiergegen hat die Klägerin durch die (unbestrittene) Ausführung weiterer Verputzarbeiten und Fertigstellung der Haustechnik, die bei der Baukontrolle am 7. April 2022 aktenkundig wurden, verstoßen. Soweit die Klägerin sich darauf beruft, dass die Genehmigungsfiktion eingetreten ist, ändert dies nichts am Eintritt der Bedingung. Insoweit wird auf die zur Zwangsgeldandrohung gemachten Ausführungen (1.2. und 1.3.) Bezug genommen.
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Nach alldem war die Klage abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.