Titel:
Fluggastrecht, Abtretung, Berufung, Mitgliedstaat, Dienstleistungen, Internet, Annullierung, Fluggast, Zulassung, Regulierung, Rechtsdienstleistung, Dienstleistung, betrug, Verbraucher, Genehmigung, Rechtsprechung des BGH, deutsches Recht, Sicherheit und Ordnung
Schlagworte:
Fluggastrecht, Abtretung, Berufung, Mitgliedstaat, Dienstleistungen, Internet, Annullierung, Fluggast, Zulassung, Regulierung, Rechtsdienstleistung, Dienstleistung, betrug, Verbraucher, Genehmigung, Rechtsprechung des BGH, deutsches Recht, Sicherheit und Ordnung
Vorinstanz:
AG Memmingen, Urteil vom 14.05.2025 – 14 C 101/25
Fundstelle:
BeckRS 2025, 32454
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Memmingen vom 14.05.2025, Az. 14 C 101/25, abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 250,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.02.2025 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Entscheidungsgründe
1
Die Parteien streiten über Ansprüche nach der Fluggastrechteverordnung.
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Die Klägerin macht den geltend gemachten Ausgleichsanspruch aus abgetretenem Recht von (…) wegen Flugannullierung durch die Beklagte geltend.
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Die Klägerin ist ein in Litauen zugelassener Rechtsdienstleister und ist spezialisiert auf die Durchsetzung von Fluggastrechten aus der EU-Fluggastrechteverordnung für Fluggäste gegen die jeweiligen Fluggesellschaften. Die Klägerin übernimmt das Risiko eines Forderungsausfalls nicht. Bei erfolgreicher Geltendmachung hingegen wird die Entschädigungszahlung an den Reisenden abzüglich einer Provision von 44% – 50% ausgezahlt.
4
Der Fluggast (…) war auf den Flug der Beklagten (…) von Memmingen nach Timisoara gebucht. Der Flug sollte planmäßig am 10.07.2024 um 21:30 Uhr starten und am 11.07.2024 um 00:10 Uhr landen. Die Flugdistanz betrug 876,45 Kilometer. Der Flug wurde durch die Beklagte annulliert. Die Annullierung des Fluges wurde weniger als 14 Tage vor Abflug mitgeteilt.
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(…) ist in K., Deutschland wohnhaft.
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Das Amtsgericht hat mit Endurteil vom 14.05.2025 die Klage abgewiesen und zugleich die Berufung zugelassen. Das Amtsgericht vertrat dabei die Rechtsauffassung, dass die Klägerin nicht aktivlegitimiert sei, da die erfolgte Abtretung wegen Verstoßes gegen § 134 BGB i. V. m. §§ 1 Abs. 2, 2 Abs. 2, 3, 10 Abs. 1 Nr. 1, 15 RDG nichtig sei. Die Klägerin als Inkassodienstleisterin verfüge nicht über die gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 RDG erforderliche Registrierung im Rechtsdienstleistungsregister. Die Vorschrift sei auch nicht europarechtswidrig.
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Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihren erstinstanzlichen Antrag auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Fluggastentschädigung i.H.v. 250,00 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit Rechtshängigkeit weiter. Das Amtsgericht gehe von der Anwendbarkeit des RDG aufgrund Art. 6 Abs. 1, 14 Abs. 2 ROM I VO aus. Dem könne bereits nicht gefolgt werden, das RDG finde wegen Art. 15 Verordnung (EG) 261/2004 keine Anwendung. Zudem sei eine Anwendung des RDG vor dem Hintergrund des DDG abzulehnen, was aus § 3 Abs. 2 DDG folge und aus § 1 Abs. 3 RDG. Auch sei das RDG selbst nicht anwendbar, da bereits ein Hineinwirken nach der Vorschrift nicht vorläge und zudem Gegenstand der Tätigkeit kein deutsches Recht, sondern Unionsrecht sei. Zudem würden die Regelungen nur für das außergerichtliche Verfahren gelten.
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Die Beklagte beantragt die Berufung zurückzuweisen. Das amtsgerichtliche Endurteil sei fehlerfrei ergangen und die Klage zutreffend abgewiesen worden. Der Anwendung des RDG stehe die Rechtsprechung des EuGH nicht entgegen. Die Anwendbarkeit des DDG sei wegen § 4 Nr. 2 DDG vorliegend ausgeschlossen. Zwischen der Klägerin und den Zedenten bestehe ein Mandatsverhältnis. Entscheidend für die Anwendbarkeit des RDG sei der Ort, an dem die Dienstleistung erbracht würden, vorliegend in der BRD. Auf die Rechtsnatur des Anspruches im europäischen oder deutschen Recht komme es nicht an, da bereits die Tatsache, dass es sich um eine Inkassodienstleistung handele, zur Eintragungspflicht führe. Der Verbraucher sei gerade auch in Konstellationen wie der vorliegenden schutzwürdig.
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Die zulässige Berufung ist begründet. Das amtsgerichtliche Endurteil war daraufhin abzuändern und die Beklagte antragsgemäß zu verurteilen.
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1. Die Berufung ist zulässig. Insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt. Auch sonstige Beanstandungen haben sich nicht ergeben.
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2. Die Berufung ist auch begründet.
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Entgegen der seitens des Amtsgerichtes Memmingen vertretenen Rechtsauffassung ist die Klägerin aktivlegitimiert.
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Die Kammer schließt sich diesbezüglich den überzeugenden Ausführungen des Amtsgerichtes Erding im Endurteil vom 14.10.2025, Az.: 104 C 2123/25 und des Landgerichtes Landshut im Hinweisbeschluss vom 10.11.2025, Az.: 15 S 1686/25 e an und macht sich die diesbezüglichen Ausführungen nach eigener Prüfung ausdrücklich zu eigen.
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a) Die Klägerin kann aus abgetretenem Recht eine Ausgleichszahlung in Höhe von 250,00 € aus Art. 5 Abs. 1 lit.c, 7 Abs. 1 lit. a) der VO (EG) 261/2004 i.V.m. § 398 BGB verlangen.
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Unstreitig ist der Anwendungsbereich der Fluggastrechteverordnung gem. Art. 3 Abs. 1 lit. a, Abs. 2 lit.a VO (EG) 261/2004 eröffnet, da die diesbezüglichen Voraussetzungen in der Person der abtretenden Person vorlagen. Der dem Verfahren zugrundeliegende Flug wurde annulliert, worüber die abtretende Person weniger als 14 Tage vor geplantem Abflug informiert wurde. Tatsachenvortrag hinsichtlich einer Exkulpation der Beklagten wurde weder in erster noch in zweiter Instanz getätigt, sodass das grundsätzliche Bestehen eines Ausgleichsanspruchs zur Überzeugung der Kammer feststeht und auch zwischen den Parteien im ursprünglichen Beförderungsverhältnis nicht in Streit steht. Die Anspruchshöhe über 250,00 € ergibt sich daher aus Art. 7 Abs. 1 S.1 lit.a) VO (EG) 261/2004 nebst Zinsen gem. §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
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b) Die Klägerin ist nach Auffassung der Kammer auch aktiv legitimiert.
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Die Abtretung ist zwischen den Parteien unstreitig. Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit der Abtretung jenseits der nachfolgend diskutierten Rechtsfragen sind nach Auffassung der Kammer weder ersichtlich noch seitens der Beklagten vorgetragen worden.
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aa) Im Ausgangspunkt bestimmt sich die Wirksamkeit der Abtretung nach deutschem Recht. Die Kammer schließt sich dabei der Auffassung an, dass Art. 14 Abs. 2 Rom I VO für die Bestimmung des anzuwendenden Rechts zur Beurteilung der Wirksamkeit der Abtretung einschlägig ist. Denn Art. 14 Abs. 2 Rom I VO (EG) 261/2004 regelt das Recht, dem die übertragene Forderung unterliegt und auch ihre Übertragbarkeit, worunter nach Auffassung der Kammer auch gesetzliche Wirksamkeitshindernisse für eine Übertragung fallen. Demgegenüber regelt Art. 14 Abs. 1 Rom I VO erkennbar das der Abtretung zu Grunde liegende Verhältnis zwischen Zedent und Zessionar. Der Wortlaut und der Inhalt der beiden Regelungen in Art. 14 Abs. 1 und Abs. 2 Rom I VO sprechen daher aus Sicht des Gerichts dafür, dass sich das Recht zur Beurteilung der Wirksamkeit der Übertragung gemäß Art. 14 Abs. 2 Rom I VO nach dem auf die abgetretene Forderung anzuwendenden Recht richtet. Bei der Forderung auf Ausgleichszahlung handelt es sich um einen Anspruch aus einer europäischen Verordnung. Ein eigenes europäisches Rechtsstatut für die Übertragung von Forderungen existiert nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelt es sich bei dem Anspruch auf Ausgleichszahlung allerdings um einen gesetzlichen Anspruch auf vertraglicher Grundlage, vgl. BGH, Urteil vom 25.02.2016 – X ZR 35/15 – NJW 216, 2883 (2885). Auch der Gerichtshof der Europäischen Union ordnet grundsätzlich den Anspruch auf Ausgleichszahlung einer vertraglichen Regelung zu, vgl. EuGH, Urteil vom 07.03.2018 – C-274/16, C-447/16, C-448/16 – NJW 2018, 2105. In dieser Entscheidung hat der EuGH ausgeführt, dass Art. 5 Nr. 1 lit. a der VO Nr. 44/2001 dahingehend auszulegen sei, dass der Begriff „Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne dieser Bestimmung auch eine von Fluggästen auf der Grundlage der VO (EG) Nr. 261/2004 erhobene Klage auf Ausgleichszahlung wegen einer großen Verspätung umfasst, die sich gegen ein ausführendes Luftfahrtunternehmen richtet, das nicht Vertragspartner des betroffenen Fluggastes ist. Daraus ergibt sich, dass der EuGH grundsätzlich auch den Anspruch aus Art. 5, 7 VO (EG) 261/2004 einer vertraglichen Regelung zuordnet. Soweit die Parteien in Bezug auf einen Vertrag über die Beförderung von Personen wie vorliegend keine Rechtswahl getroffen haben, ist insoweit das anzuwendende Recht gem. Art. 5 Abs. 2 S.1 Rom I VO das Recht des Staates, in dem die zu befördernde Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern sich in diesem Staat wie vorliegend auch der Abgangsort oder der Bestimmungsort befindet. Mithin ist die Frage der Wirksamkeit der Abtretung vorliegend nach Auffassung der Kammer nach deutschem Recht zu prüfen.
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bb) Nach Auffassung der Kammer ist eine Anwendung des RDG auf die Tätigkeit der Klägerin für den Fluggast vorliegend bereits nach § 3 Abs. 2 DDG (zuvor: § 3 Abs. 2 TMG i.d.F. bis 13.05.2024 ausgeschlossen, vgl. so auch Deckenbrock/Henssler/Deckenbrock, 5. Aufl. 2021, RDG § 1 Rn. 44 und AG Königs Wusterhausen, Urteil vom 19.05.2025, 155 C 15/25). Nach § 3 Abs. 2 TMG / DDG darf der freie Verkehr von digitalen Diensten, die innerhalb des Geltungsbereichs der Richtlinien 2000/31/EG und 2010/13/EU in Deutschland von Diensteanbietern, die in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen sind, geschäftsmäßig angeboten oder verbreitet werden, grundsätzlich nicht eingeschränkt werden. Im Anwendungsbereich der E-Commerce-Richtlinie verdrängt deshalb die Regelung des § 3 Abs. 2 TMG das RDG. Die EU-Richtlinie über den elektronischen Rechtsverkehr wurde in Deutschland durch die Vorschriften des TMG umgesetzt. Für Dienstleistungen, die ausschließlich über elektronische Kommunikations- und Informationsdienste, also über Internet und E-Mail, erbracht werden, gilt nach § 3 Abs. 1 und 2 TMG / DDG grundsätzlich das sog. Herkunftslandprinzip. Danach gilt für Dienstleister, die wie die Klägerin in Litauen in einem EU-Mitgliedstaat niedergelassen sind, deren Heimatrecht. Nach h.M. gilt das auch für Rechtsdienstleistungen mit der Konsequenz, dass das RDG für reine Online-Dienstleister wie die Klägerin, die in einem EU-Mitgliedstaat niedergelassen sind und aus diesem Mitgliedstaat heraus Rechtsdienstleistungen nach Deutschland hinein anbieten, nicht anwendbar ist, vgl. Krenzler/Remmertz, RDG, 3. Auflage 2023, § 1 Rn. 108. Denn § 3 TMG / DDG setzen fast wortlautgetreu Art. 3 der E-Commerce-RL um. Diese Richtlinie ist vollharmonisierend. Nach § 3 Abs. 2 TMG / DDG dürfen die Mitgliedstaaten den freien Verkehr von digitalen Diensten aus einem anderen Mitgliedstaat nicht aus Gründen einschränken, die in den koordinierten Bereich fallen. Dieses Herkunftslandprinzip sieht vor, dass digital erbrachte Dienste nur im Heimatstaat reguliert werden dürfen. Ziel des Herkunftslandprinzips der E-Commerce-RL (RL2000/31/EG) ist, dass ein Anbieter sich allein an die Regelungen seines Heimatstaates halten muss und sein Geschäftsmodell EUweit ohne weitere Prüfung von rechtlichen Regelungen anbieten darf, vgl. EuGH, NJW 2024, 201 Rn. 49. Ein solcher Anwendungsvorrang des § 3 TMG / DDG ergibt sich auch aus § 1 Abs. 3 RDG, vgl. Deckenbrock/Henssler/Deckenbrock, 5. Aufl. 2021, RDG § 1 Rn. 44 f. Denn nach § 1 Abs. 3 RDG bleiben Regelungen in anderen Gesetzen über die Befugnis, Rechtsdienstleistungen zu erbringen, unberührt. § 3 TMG / DDG ist nach Auffassung der Kammer eine solche Regelung. Das TMG / DDG ist anwendbar, da es sich bei der Klägerin um einen Diensteanbieter im Sinne von § 1 Abs. 4 Nr. 5, 1 TMG / DDG handelt. Diese Norm setzt den Begriff des Anbieters von Diensten der Informationsgesellschaft, definiert in Art. 2 lit. a, b RL 2000/31/EG, um. Diese Dienste der Informationsgesellschaft sind auch solche, die die Erbringung von Dienstleistungen per Internet anbieten, vgl. Spindler/Schuster/Ricke, 4. Aufl. 2019, TMG § 2 Rn. 2. Die Klägerin bietet Rechtsdienstleistungen über das Internet an. Die Zulassungs- bzw. Registrierungserfordernisse des RDG unterfallen dem Anwendungsbereich der RL 2000/31/EG nach § 3 DDG. Der durch diese Richtlinie „koordinierte Bereich“ im Sinne von Art. 3 Abs. 2, Art. 2 lit. h i) RL 2000/31/EG als Anwendungsbereich im Sinne von § 3 Abs. 2 DDG umfasst nach dem Wortlaut „Anforderungen betreffend Qualifikationen, Genehmigung oder Anmeldung“, also insbesondere auch Registrierungserfordernisse nach §§ 10, 15 RDG. Auch liegen hier keine Ausnahmen vor, die eine Regulierung trotz § 3 Abs. 2 DDG durch nationales Recht gesetzlich erlauben würden. Eine Regulierung ist insbesondere auch nicht nach Art. 3 Abs. 4 Nr. 2 TMG / DDG zulässig. Danach gilt das Herkunftslandprinzip nicht für die Vertretung von Mandanten und die Wahrnehmung ihrer Interessen vor Gericht. Das stellt erkennbar allein auf eine anwaltliche Vertretungstätigkeit ab. Gleichzeitig spricht auch die Gesetzesbegründung davon, dass sich die Ausnahmevorschrift allein auf die Vertretung von Mandanten vor Gericht bezieht (BT-Drs 14/6098 S. 19 zum wortlautidentischen TMG). Im Umkehrschluss sind damit sonstige Vertretungstätigkeiten, insbesondere wie die hier gegenständlichen Inkassotätigkeiten nicht von der Ausnahme umfasst. Eine Beschränkung nach § 3 Abs. 5 TMG / DDG durch Normen des RDG ist auch nicht möglich. Danach kann das Angebot von digitalen Diensten durch einen Diensteanbieter, der in einem anderen Mitgliedsstaat niedergelassen ist, durch Maßnahmen auf Grundlagen des deutschen Rechts eingeschränkt werden, sofern dies dazu dient, im Sinne der Nr. 1 die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder die Interessen der Verbraucher vor Beeinträchtigungen oder ernsthaften und schwerwiegenden Gefahren zu schützen und nach Nr. 2 die Maßnahmen, die auf der Grundlage des deutschen Rechts in Betracht kommen, in einem angemessenen Verhältnis zu den Schutzzielen nach Nummer 1 stehen. Maßnahmen sind nach S. 2 aber nur zulässig, wenn die gemäß Art. 3 Abs. 4 lit. b, Abs. 5 RL 2000/31/EG vorgesehenen Verfahrensschritte eingehalten worden sind. Diese umfassen eine vorherige erfolglose Aufforderung des Mitgliedstaats, Maßnahmen zu treffen und die Anzeige der geplanten Maßnahme gegenüber dem Mitgliedstaat und der EU-Kommission. Solche Verfahrensschritte sind hier im Hinblick auf litauische Rechtsdienstleister unstreitig nicht erfolgt. Aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich im Übrigen, dass nach den vorgenannten Normen abstrakt-generelle Regelungen zur Regulierung von Dienstleistern nicht zulässig sind, vgl. EuGH, NJW 2024, 201 Rn. 52. Bei dem RDG handelt es sich also schon deshalb nicht um eine Maßnahme im Sinne von § 3 Abs. 5 DDG, da das RDG eine abstrakt-generelle Norm ist. Darüber hinaus fehlt eine schwerwiegende Beeinträchtigung eines Schutzgutes durch die Zulassung der Abtretung an die Klägerin, vgl. zu den Anforderungen EuGH NJW 2024, 201 Rn. 32. Dem steht auch nicht die Rechtsprechung des BGH (NJW 2007, 596 Rn. 13) entgegen, mit der dieser die Erlaubnis zur Regulierung auf Art. 3 Abs. 4 lit. a – RL 2000/31/EG zum Schutz der Verbraucher stützte. Aus den vorgenannten Gründen ist die Rechtsprechung des BGH durch die neuere Rechtsprechung des EuGH überholt und kann nicht mehr herangezogen werden (AG Erding, Urteil vom 14.10.2025, Az.: 104 C 2123/25, BeckRS 2025, 28973).
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cc) Indes wäre selbst bei (gedanklich unterstellter) Anwendbarkeit des RDG der internationale Anwendungsbereich nach § 1 Abs. 2 RDG nicht eröffnet, weil die Rechtsdienstleistung der Klägerin zur Durchsetzung des Ausgleichszahlungsanspruchs des Zedenten aus der VO (EG) 261/2004 vorliegend zur Überzeugung der Kammer ausschließlich aus Litauen heraus erbracht wurde und auch kein deutsches Recht, sondern europäisches Recht betrifft.
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Die Rechtsdienstleistung der Klägerin wurde vorliegend ausschließlich aus Litauen heraus erbracht. Denn im Einklang mit der EuGH-Rechtsprechung, vgl. EuGH (4. Kammer), Urteil vom 17.12.2015 – C-342/14, NJW 2016, 857, werden Dienstleistungen aus einem anderen Mitgliedsstaat heraus erbracht, wenn ausländische Rechtsdienstleister ohne Grenzübertritt im Inland tätig sind. Die Fälle sind dadurch gekennzeichnet, dass nur die Rechtsdienstleistung als solche die Grenze zur Bundesrepublik Deutschland überschreitet. Klassische Anwendungsfälle sind die fernmündliche oder schriftliche Beratung im Inland ansässiger Mandanten durch ausländische Anbieter. Auch die Beratung per E-Mail, Apps oder über andere Online-Dienste fällt darunter, vgl. Krenzler/Remmertz, aaO, § 1 Rn. 98 m.w.N. Ein lediglich mittelbarer Inlandsbezug der Dienstleistung durch eine Kontaktierung im Bundesgebiet über Fernkommunikationsmittel ändert nichts daran, dass die Dienstleistung ausschließlich aus dem Ausland heraus erbracht wird.
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Die Rechtsdienstleistung betrifft hier auch kein deutsches Recht i.S.v. § 1 Abs. 2 RDG. Die Kammer schließt sich dabei der Auffassung an, dass unter diesen Begriff das in Deutschland unmittelbar geltende europäische Sekundärrecht nicht zu fassen ist (LG Berlin II, Urteil vom 29.04.2025, 52 O 103/25 eV, LG Dortmund, Hinweis vom 18.09.2025, 1 S 113/25, AG Dortmund, Urteil vom 08.04.2025, 423 C 8372/24, AG Köln, Urteil vom 11.04.2025, 115 C 922/24 und Urteil vom 03.06.2025, 131 C 42/25, AG Simmern/Hunsrück, Urteil vom 01.07.2025, 32 C 48/25, AG Hannover 24.06.2025, 560 C 872/25 und auch Deckenbrock/Henssler/Deckenbrock, 5. Aufl. 2021, RDG § 1 Rn. 43a).
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Schon der Wortlaut „deutsches Recht“ spricht gegen eine Einbeziehung auch unmittelbar anwendbaren europäischen Rechts, weil dann anstelle der Formulierung deutsches Recht die Formulierung in Deutschland unmittelbar geltenden nationalen oder europäischen Rechts gewählt worden wäre. Das vorrangig anzuwendende (inkorporierte) Unionsrecht ist zudem als gemeinsames Recht aller Staaten der EU, wozu auch Litauen gehört, in gleicher Weise auch (inkorporiertes) Recht des Staates Litauen und unter diesem Aspekt zugleich ausländisches Recht (dazu auch bereits LG Dortmund, Hinweis vom 18.09.2025, Az.: 1 S 113/25).
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Auch die Gesetzessystematik spricht gegen die Annahme, dass auch europäisches Recht als deutsches Recht i.S.v. § 1 Abs. 2 RDG verstanden werden soll, weil der Gesetzgeber im RDG dem Begriff des deutschen Rechts vielfach den Begriff des ausländischen Rechts gegenüberstellt, vgl. §§ 10 Abs. 1 Nr. 3, 11 Abs. 3, 13c Abs. 5 und 15 Abs. 7 S. 1 RDG. Dabei regelt er beispielsweise in § 10 Abs. 1 Nr.3 RDG auch, dass die Registrierung zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen aufgrund besonderer Sachkunde auch für das „Recht der Europäischen Union“ erteilt werden kann, wenn besondere Sachkunde in einem ausländischen Recht eines Mitgliedstaats besteht. Dieselbe Möglichkeit besteht für das Gebiet des Rechts des Europäischen Wirtschaftsraums. Der Gesetzgeber unterscheidet also im RDG ausdrücklich zwischen rein nationalem Recht wie dem deutschen Recht und supranationalem Recht wie dem Recht der Europäischen Union. Es erscheint abwegig, dass er diese Differenzierung gerade bei der Normierung des internationalen Anwendungsbereichs des Rechtsdienstleistungsgesetzes in § 1 Abs. 2 RDG hätte aufgeben wollen.
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Auch die mit dem RDG verfolgten Regelungszwecke sprechen gegen eine Einordnung des Europarechts als deutsches Recht. Nach § 1 Abs. 1 S. 2 RDG sollen die Rechtssuchenden, der Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen geschützt werden. Die Rechtssuchenden sollen vor Nachteilen und Schäden bewahrt werden, die ihnen durch die Beratung durch unqualifizierte oder unzuverlässige Personen drohen, die keine Gewähr für eine ordnungsgemäße Erledigung der Rechtsangelegenheit in Deutschland bieten, vgl. BGH, NJW 1955, 422 (423); NJW 2014, 847 Rn. 13; BeckOK RDG / Römermann, 33. Ed. 1.7.2024, RDG § 1 Rn. 18. Ob der im Ausland sitzende Rechtsdienstleister zuverlässig ist oder nicht, ist von dem Gegenstand der Rechtsdienstleistung aber völlig unabhängig. Die Überlegung des Gesetzgebers, dass die Dienstleistungsqualität in Frage stehen kann, wenn sie aus dem Ausland heraus erbracht wird und deutsches Recht betrifft, kommt nicht zum Tragen, wenn Rechtsdienstleister aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit einem europarechtlichen Gegenstand betraut werden. Es gibt bei aus dem Unionsgebiet heraus agierenden Rechtsdienstleistern keinen Grund für die Vermutung fehlender Qualifikation. Insbesondere kann eine mangelnde Qualifikation der in anderen EU-Staaten tätigen Inkassodienstleister nicht alleine deshalb angenommen werden, weil es in anderen EU Staaten nach deren Recht keine gesonderte Zulassungspflicht gibt und auch eine Zulassung in Deutschland nicht erwirkt worden ist. Der Schutz der deutschen Rechtsordnung kann durch das Rechtsdienstleistungsgesetz nicht erreicht werden, soweit es um die Anwendung von Europarecht geht. Die pauschale Anwendung des Rechtsdienstleistungsgesetzes auf sämtliche Rechtsdienstleistungen, deren Gegenstand Europarecht ist, würde außerdem zu evident ungewollten Ergebnissen führen. Dadurch würde es auch einem im europäischen Ausland sitzenden Gläubiger regelmäßig verwehrt, einen in seinem Mitgliedstaat sitzenden Rechtsdienstleister mit der Durchsetzung seiner europarechtlichen Forderung wirksam zu beauftragen, wenn der Schuldner seinen Sitz in Deutschland hat, selbst wenn durch die Rechtsdienstleistung nur ein gerichtliches Verfahren in dem anderen Mitgliedstaat vorbereitet werden soll. So wäre es beispielsweise auch Fluggästen aus anderen Mitgliedstaat nicht möglich, einen Rechtsdienstleister aus ihrem Mitgliedstaat mit der Geltendmachung ihres Ausgleichsanspruchs zu beauftragen, wenn das Luftfahrtunternehmen in Deutschland sitzt und der Dienstleister nicht im deutschen Rechtsdienstleistungsregister eingetragen ist. Dieses Ergebnis kann aufgrund der evidenten Verletzung der Dienstleistungsfreiheit im Sinne des Art. 56 AEUV von Rechtsdienstleistern in anderen Mitgliedstaaten nicht gewollt sein.
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Schließlich spricht auch die Gesetzesbegründung gegen eine Erstreckung des RDG auf eine aus dem Ausland heraus erbrachte Dienstleistung, die europäisches Recht zum Gegenstand hat, vgl. BT-Drucksache 18/9521, S.203/204: „Als solche Fälle sollen nach § 1 Absatz 2 RDG-E grundsätzlich diejenigen gelten, in denen der ausländische Rechtsdienstleister allein aus dem Ausland heraus handelt, ohne selbst das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu betreten (also insbesondere diejenigen, in denen ein ausländischer Rechtsdienstleister mit seiner in Deutschland ansässigen Mandantschaft schriftlich korrespondiert). Denn in diesen Fällen wird die Leistung des Rechtsdienstleister nahezu vollständig im Ausland erbracht, was es vom Ansatz her erst einmal nahelegt, auf sie kein deutsches Recht anzuwenden. Zudem handelt es sich um die freie Entscheidung der Mandantschaft, Rechtsrat in Deutschland oder im Ausland mit den daraus jeweils folgenden Konsequenzen einzuholen. Die Mandantschaft kann in einem solchen Fall nicht darauf vertrauen, dass auf die fast ausschließlich im Ausland erbrachte Leistung des Rechtsdienstleisters deutsches Recht anwendbar ist.“ Denn wenn sich der Schuldner selber freiwillig entschieden hat, ein Rechtsverhältnis nach ausländischem Recht abzuschließen, kann er nicht darauf vertrauen, in der Abwicklung dieses Rechtsverhältnisses dem Schutz des deutschen RDG zu unterfallen. So liegt es auch hier. Der in Deutschland wohnhafte Fluggast hat sich freiwillig dazu entschieden, einen Rechtsdienstleister mit in der Abtretungserklärung ausdrücklich aufgeführtem Sitz in Litauen mit der Durchsetzung eines Ausgleichszahlungsanspruches aus der Europäischen Fluggastrechteverordnung zu beauftragen.
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Nachdem vorgerichtlich von der Klägerin keine Zinsen gefordert wurden und auch sonst keine nach nationalem (deutschen) Recht zu beurteilenden Fragen Gegenstand der vorgerichtlichen Tätigkeit der Klägerin waren, kann die internationale Anwendbarkeit des RDG vorliegend auch nicht unter diesen Gesichtspunkten begründet werden. Der Anwendungsbereich des RDG ist gem. § 1 Abs. 1 RDG ausdrücklich auf eine außergerichtliche Tätigkeit beschränkt, sodass die im Prozess mit anwaltlicher Vertretung geforderten Rechtshängigkeitszinsen und das anzuwendende deutsche Prozessrecht insoweit für die Frage einer Registrierungspflicht nach dem RDG keine Bedeutung haben können. Im Übrigen würde es sich selbst dann, wenn der ausländische Rechtsdienstleister hauptsächlich zur VO (EG) 261/2004 berät und dabei auch in Nebenpunkten Fragen des deutschen Rechts streift, nach Auffassung des Gerichts um eine zulassungsfreie Nebenleistung entsprechend § 5 RDG handeln, vgl. hierzu Deckenbrock / Henssler / Deckenbrock, 5. Aufl. 2021, RDG § 1 Rn. 43b m.w.N.
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Ob darüber hinaus auch der Anwendungsvorrang der VO (EG) 261/2004 einer gesetzlichen Registrierungspflicht für die Klägerin als Voraussetzung für eine Wirksamkeit der Abtretung unter Beachtung des effet-utile-Grundsatzes entgegenstünden (so beispielsweise AG Erding und LG Landshut, o.a.), bedarf nach den vorstehenden Ausführungen keiner Klärung durch die Kammer, die indes ebenfalls entsprechende Zweifel hegt.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Beklagte hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.
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Die Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
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Die Revision war zuzulassen. Die Voraussetzungen nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen vor. Die vorliegende Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Bereich der Fluggastrechte und es besteht bisher keine einheitliche instanzgerichtliche und keine obergerichtliche Rechtsprechung zu den in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Rechtsfragen.