Inhalt

LSG München, Urteil v. 27.06.2025 – L 8 SO 244/24
Titel:

Kosten einer Zwangsräumung einer Wohnung

Normenketten:
GG Art 1 Abs 1
GG Art 20 Abs. 1
SGB XII § 35
SGB XII § 36
SGB XII § 42
SGB XII § 42 a
SGB XII § 67
SGB XII § 68
Leitsätze:
1. Zur offensichtlichen Unzulässigkeit von Anträgen wegen Besorgnis der Befangenheit.
2. Kosten der Zwangsräumung einer Wohnung sind keine laufenden Unterkunftskosten.
3. Kosten der Zwangsräumung sind auch keine Umzugskosten.
4. Auch ein Anspruch auf Übernahme von Mietschulden ist ausgeschlossen.
5. Es besteht auch kein Anspruch auf Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten. Bei den Kosten der Zwangsräumung handelt es sich insbesondere nicht um Maßnahmen im Sinne des § 68 Abs. 1 Satz 1 SGB XII.
6. Zur Verfassungsmäßigkeit v.a. der Bedarfe für Unterkunft und Heizung.
Schlagworte:
Befangenheit, besondere Lebensverhältnisse, Obdachlsosigkeit, Soziale Schwierigkeit, sozialrechtlicher Herstellungsanspruch, Unterkunft, Verfassungsmäßigkeit, Zwangsräumung
Vorinstanz:
SG München, Urteil vom 22.08.2024 – S 46 SO 63/23
Fundstelle:
BeckRS 2025, 32379

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 22. August 2024 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Die Klägerin und Berufungsklägerin begehrt die Übernahme der restlichen Kosten der Zwangsräumung aus ihrer Mietwohnung.
2
Die 1965 geborene Klägerin und Berufungsklägerin ist alleinstehend und geschieden. Ihr Arbeitsverhältnis bei der S wurde zum 31.12.2005 aufgelöst. In diesem Zusammenhang erhielt die Klägerin eine verzinsliche Abfindung in Höhe von 6.500,00 €. Der Klägerin wurde eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt mit einem monatlichen Zahlbetrag, der ab November 2009 bei 733,34 € lag.
3
Erstmals am 10.02.2011 stellte die Klägerin einen Antrag auf Sozialhilfe. Sie bewohnte zu dieser Zeit eine Mietwohnung in A mit 34 qm Wohnfläche. Die Gesamtmiete betrug 437,50 € (350,00 € Grundmiete, 36,40 € an Nebenkosten und 51,10 € an Heizkosten/Warmwasser) pro Monat. Neben der Miete zahlte die Klägerin außerhalb des Mietvertrags monatlich 16,80 € für einen Kabelanschluss. Neben der laufenden Rente erhielt die Klägerin Wohngeld in Höhe von 70,00 € pro Monat. Sie hatte ein Geldvermögen in Höhe von 9.756,17 €. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 23.02.2011 wegen übersteigenden Einkommens und erhöhten Vermögenswerten ablehnte. Mit Bescheid vom 29.03.2011 gewährte er jedoch ab 01.04.2011 Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) in Höhe von zunächst 26,04 € monatlich als Darlehen. Die Widersprüche der Klägerin gegen diesen und weitere Bewilligungsbescheide wies die Regierung von Oberbayern mit Widerspruchsbescheiden vom 25.01.2012 und 30.01.2012 zurück. Die hiergegen gerichtete Klage (S 22 SO 102/12) wies das Sozialgericht München (SG) mit Urteil vom 21.02.2014 ab. Die Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) nahm die Klägerin zurück (L 8 SO 144/14).
4
Weitere Anträge auf ergänzende Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung lehnte der Beklagte wegen bedarfsdeckendem Einkommens und Vermögens wiederholt ab. Auf die vor dem LSG unter dem Az. L 8 SO 169/24 anhängigen Berufungen wird verwiesen.
5
Aufgrund einer anstehenden Zwangsräumung der Wohnung beantragte die Klägerin Anfang Februar 2022 die Übernahme der Kosten für einen Kleintransporter. Sie wollte mithilfe eines Kleintransporters einschließlich Fahrer bereits vor der Zwangsräumung einen Teil ihres Hausrats in die Obdachlosenunterkunft, Hostel N, B Straße, G, bringen. Zu diesem Zweck mietete sie sich bereits ab 29.03.2022 in diesem Hostel ein und beantragte beim Beklagten die Übernahme der Kosten für die Anmietung eines kleinen Transporters für eine Woche einschließlich Hol- und Bringservice. Mit Bescheid vom 30.03.2022 lehnte der Beklagte die Anmietung eines kleinen Miettransporters für eine Woche mit Bring- und Holservice und den notwendigen Versicherungen ab (Nr. 1 des Bescheides). Übernommen wurden jedoch die durch den Umzug des in der Obdachlosenunterkunft benötigten Hausrats durch die Spedition W GmbH, S Straße, M entstehenden Kosten (Nr. 2). Die Übernahme der in der Zeit vom 29.03.2022 bis einschließlich 03.04.2022 (eine Woche vor dem Umzug) anfallenden Unterkunftskosten in der Obdachlosenunterkunft, Hostel N, wurde abgelehnt (Nr. 3). Die im Rahmen der Wohnungsräumung anfallenden Entsorgungskosten des aussortierten Hausrats wurden übernommen (Nr. 4). Herr Gerichtsvollzieher H, R-Ring, F wurde über den Umfang der Kostenzusicherung unterrichtet (Nr. 5). Der Bescheid wurde bestandskräftig. Die Klägerin erhob jedoch mit Schreiben vom 17.07.2022 Klage zum SG mit dem Ziel, den Beklagten zu verurteilen, umgehend die Zahlungen zu leisten, die er im Bescheid vom 30.03.2022 zugesagt habe, insbesondere die Umzugskosten und Entsorgungskosten, die im Vollstreckungsprotokoll des Gerichtsvollziehers enthalten seien (7.287,65 €). Das SG wies die Klage mit Urteil vom 22.08.2024 ab (S 46 SO 233/22). Auf die Berufung verurteilte der Senat mit Urteil vom 27.06.2024 den Beklagten gemäß dessen Teilanerkenntnis von diesem Tag, an die Klägerin 1.683,00 € zu zahlen; im Übrigen wies er die Berufung zurück (L 8 SO 242/24).
6
Am 04. und 05.04.2022 erfolgte die Zwangsräumung der Mietwohnung der Klägerin. Die Klägerin wurde von der Stadt A zur Vermeidung von Obdachlosigkeit seitdem ordnungsrechtlich untergebracht: ab dem 04.04.2022 zunächst im Hostel N, im Zeitraum von 29.03.2023 bis 30.06.2023 im Hotel H in F (Umsetzungsbescheid vom 21.03.2023). Da sich nunmehr ein Leistungsanspruch errechnete, bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 22.03.2023 Grundsicherung für die Monate April bis Juni 2023 i.H.v. monatlich 261,12 € bzw. für Mai 285,01 €.
7
Ab 14.04.2022 mietete die Klägerin zwei Containerlager zum Preis von 240,00 € monatlich ohne vorherige Zustimmung des Beklagten an. Die Spedition erstellte ein Angebot über 1.706,16 € für das Umlagern der eingelagerten Gegenstände in die Container. Mit Bescheid vom 02.05.2022 lehnte der Beklagte die Übernahme der Kosten für das von der Klägerin angemietete Containerlager sowie für die Umlagerung von Teilen des Hausrats in die Obdachlosenunterkunft für die Woche vor der Zwangsräumung ab, bewilligte aber die Einlagerungskosten durch die Spedition in Höhe von monatlich 334,69 € von 03.05.2022 bis einschließlich 31.10.2022. Außerdem wurde der Klägerin eine einmalige Beihilfe in Höhe von 350,00 € zur Deckung von Bedarfen für Bekleidung und Wohnung gewährt. Die Übernahme der Unterkunftskosten im Hostel in der Zeit vom 29.03.2022 bis 03.04.2022 lehnte der Beklagte erneut ab. Den Widerspruch wies die Regierung von Oberbayern mit Widerspruchsbescheid vom 22.09.2022 zurück. Hiergegen erhob die Klägerin die Klage zum SG, die am 22.08.2024 abgewiesen wurde (S 46 SO 344/22). Es ist eine Nichtzulassungsbeschwerde beim LSG anhängig (L 8 SO 280/24 NZB).
8
Der Beklagte erhielt mit Schreiben der Klägerin vom 24.04.2022 eine Rechnung des Gerichtsvollziehers H vom 12.08.2022 über insgesamt 7.287,65 €. Diese enthält einen Teilbetrag von 6.633,71 € laut Rechnung der beauftragten Spedition. Die Speditionsrechnung enthält auch Vernichtungskosten für 1.260 kg an Hausrat sowie einer Kühlkombination mit Kosten einschließlich Mehrwertsteuer von insgesamt 539,31 € (403,20 € plus 50,00 €, jeweils zzgl. 19% Mehrwertsteuer). Daneben enthält die Rechnung des Gerichtsvollziehers unter anderem Einlagerungskosten für den sonstigen Hausrat für den ersten Monat der Lagerung in der Spedition in Höhe von 334,69 €.
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Der Rechtsanwalt der Vermieter beantragte beim Amtsgericht mit Schreiben vom 27.04.2022 die Festsetzung der Kosten der Zwangsvollstreckung/Zwangsräumung auf insgesamt 7.450,68 € zuzüglich Zinsen ab Antragstellung. Der Gerichtsvollzieher teilte dem Beklagten mit, dass eine separate Aufstellung über die Kosten der Entsorgung von aussortiertem Hausrat nicht möglich sei, weil zum Räumungstermin eine Trennung durch die Klägerin nicht erfolgt sei. Es habe lediglich eine grobe Unterscheidung getroffen werden können. Der Großteil der Sachen sei bei der Spedition bis zum 03.05.2022 eingelagert. Aus der Rechnung der Spedition gehe hervor, dass 37,5 cbm eingelagert und 20 cbm zur Vernichtung transportiert worden seien. Später teilte der Gerichtsvollzieher mit, dass die Vernichtungsgebühr für 1.260 kg Hausrat 403,20 € und die Vernichtungsgebühr für eine Kühlkombination 50,00 € betragen habe, jeweils zuzüglich 19% Mehrwertsteuer (86,11 €). Auf die Rechnung sind bereits 3.500,00 € von den Vermietern bezahlt worden. Der Beklagte überwies einen Gesamtbetrag von 874,00 € an den Gerichtsvollzieher und teilte dies der Klägerin mit Schreiben vom 18.08.2022 mit.
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Bereits mit Schreiben vom 06.05.2022 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Übernahme der gesamten Kosten der Zwangsräumung. Sie legte eine Protokollabschrift des Gerichtsvollziehers mit Gesamtkosten in Höhe von 7.287,65 € vor, darin enthalten verschiedene Gebührenpositionen für die Tätigkeit des Gerichtsvollziehers, die vorgenannten 6.633,71 € der Spedition und weitere 334,69 € Speditionskosten für die Einlagerung des Hausrats der Klägerin für den ersten Monat vom 04.04.2022 bis 03.05.2022.
11
Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 09.05.2022 die Übernahme der Kosten der Zwangsräumung ab. Es handle sich nicht um Kosten der Unterkunft, da diese nicht für Wohnzwecke angefallen seien. Eine Schuldenübernahme komme nicht in Frage, weil damit die Wohnung nicht erhalten werden könne.
12
Nach Einlegung eines Widerspruchs übernahm der Beklagte mit Teilabhilfebescheid vom 18.08.2022 auch die Einlagerungskosten für die Zeit von 04.04.2022 bis 03.05.2022. Der Beklagte zahlte die Einlagerungskosten von 334,69 € (vgl. Schreiben an den Gerichtsvollzieher vom 18.08.2022) und die Vernichtungsgebühren von 539,31 €, zusammen 874,00 €. Außerdem bezahlte er die Kosten für den Transport des Hausrats in die Obdachlosenunterkunft von 125,84 € (siehe Urteil S 46 SO 233/22). Ein Eilverfahren zu den Kosten der Zwangsräumung blieb erfolglos (SG: S 46 SO 231/22 ER). Der Senat wies die Beschwerde der Klägerin mit Beschluss vom 28.09.2022 (L 8 SO 216/22 B ER) zurück. Das Verfahren betraf zuletzt nur mehr einen Antrag auf Übernahme der Kosten der Zwangsräumung. Es sei weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
13
Im November 2022 beantragte die Klägerin erneut die Übernahme der Kosten für den Transport von Hausrat aus dem Lager der Spedition in die Obdachlosenunterkunft. Sie wolle 20 als privat gekennzeichnete Umzugskartons, eine medizinische Liege, Handkarren und zwei Regale in die Obdachlosenunterkunft transportieren. Mit Bescheid vom 21.11.2022 lehnte der Beklagte die Übernahme von Kosten für die Umlagerung des Hausrats von der Spedition in das Hostel N ab. Die Obdachlosenunterkunft sei möbliert und ein derartiger Transport sei nach den Vorgaben der Obdachlosenunterkunft wegen Brandschutz und Hygienevorschriften nicht möglich. Im November 2022 wurde der Hausrat der Klägerin zum Großteil entsorgt. Für die restlichen Gegenstände (insbesondere die 20 Kartons und die Liege) bot die Spedition eine unentgeltliche Lieferung an die Obdachlosenunterkunft an. Nachdem die Obdachlosenunterkunft dies ablehnte, erklärte die Spedition, diese Gegenstände unentgeltlich für fünf Jahre aufzubewahren. Eine Zusammenarbeit mit der Wohnungslosenhilfe der Diakonie lehnte die Klägerin im Wesentlichen ab; sie kommunizierte mit dieser nur per E-Mail und unter falschem Namen.
14
Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 09.05.2022 in der Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 18.08.2022 wies die Regierung von Oberbayern mit Widerspruchsbescheid vom 02.02.2023 als unbegründet zurück. Die Kosten der Zwangsräumung habe die Klägerin verursacht; sie hätte diese gänzlich in den Jahren nach der Eigenbedarfskündigung verhindern können. Die Kosten stünden nicht in Zusammenhang mit der aktuellen Unterkunft. Die Kosten des Transports des notwendigen Hausrats in die Obdachlosenunterkunft habe der Beklagte übernommen.
15
Die Klägerin hat am 22.02.2023 Klage zum SG erhoben (S 46 SO 63/23). Sie habe jahrelang versucht, die Zwangsräumung zu verhindern. Der Beklagte sei schuld daran, dass sie keine neue Wohnung bekommen habe. Er habe die restlichen 6.413,65 € (7.287,65 € minus 874,00 €) zu bezahlen, ferner die damit zusammenhängenden Rechtsanwaltskosten in Höhe von 163,03 €, zusammen somit 6.576,68 € zuzüglich Zinsen.
16
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 22.08.2024 abgewiesen. Ein Anspruch auf Übernahme von Mietschulden nach § 42 Nr. 4, §§ 42, 36 Abs. 1 SGB XII sei ausgeschlossen, weil die Übernahme dieser Kosten nicht zur Sicherung der bisherigen Unterkunft und auch nicht zur Behebung einer vergleichbaren Notlage (Stromsperre, Heizungssperre, etc.) führen könne.
17
Die Kosten der Zwangsräumung seien auch keine laufenden Unterkunftskosten im Sinne von § 42 Nr. 4, §§ 42, 42a SGB XII. Die neue Obdachlosenunterkunft sei eine sog. sonstige Unterkunft nach § 42a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 7 SGB XII, für die gemäß § 42a Abs. 7 SGB XII nur die laufende Miete zu übernehmen sei. Mit dem Bewohnen der bisherigen Mietwohnung und laufenden Aufwendungen nach § 42 Nr. 4, §§ 42, 35 Abs. 1 Satz 1 SGB XII hätten die Kosten der Zwangsräumung nichts zu tun, weil die Zwangsräumung dieses Wohnen beendet habe.
18
Ein Ausnahmefall der kausalen Zuordnung derartiger Kosten, wenn der Grundsicherungsträger zuvor die angemessenen Unterkunftskosten nicht oder verspätet bezahlt habe und dadurch die Zwangsräumung verursacht habe, liege hier offensichtlich nicht vor. Die Zwangsräumung sei von der Klägerin verursacht worden, die dem Räumungsurteil über Jahre hinweg nicht nachgekommen sei.
19
Die Kosten der Zwangsräumung seien schließlich auch keine Umzugskosten gemäß § 42 Nr. 4, §§ 42, 35 Abs. 2 Satz 5 SGB XII. Die Klägerin sei von ihrer früheren Wohnung in die Obdachlosenunterkunft umgezogen. Die dafür anfallenden Kosten (Transport Hausrat in die Unterkunft, Entsorgung anlässlich Umzug) seien übernommen worden. Die sonstigen Kosten der Zwangsräumung seien keine derartigen Kosten. Eine Zwangsräumung erfolge nicht, um in eine neue Unterkunft zu gelangen, sondern um den zivilrechtlichen Anspruch des Vermieters auf Rückgabe der Mietwohnung durchzusetzen. Kosten der Zwangsräumung seien Kosten, die anlässlich eines Umzugs entstehen könnten, aber nicht unmittelbar dadurch bedingt seien (vgl. BSG, Urteil vom 10.08.2015, B 14 AS 58/15 R, dort Rn. 18). Es handele sich auch nicht um notwendige und angemessene Kosten – Umzugskosten müssten als Unterfall der laufenden Unterkunftskosten ebenfalls angemessen sein. Die Zwangsräumung sei als solche nicht notwendig, weil durch rechtzeitigen Auszug vermeidbar. Die Klägerin könne auch nicht damit argumentieren, dass auch bei einem freiwilligen Auszug vergleichbare Kosten entstanden wären. In der Sozialhilfe gelte das Prinzip, dass tatsächliche Bedarfe zu berücksichtigen seien, nicht hypothetische Alternativbedarfe.
20
Im Übrigen fehle es auch an einer vorherigen Zusicherung derartiger Umzugskosten. Vorherig bedeute vor der verbindlichen Festlegung dieser Kosten, z.B. durch Abschluss eines Speditionsvertrags. Dass die Klägerin diese Kosten nicht selbst festlegen konnte, liege nur daran, dass sie den Auszug nicht selbst in die Hand genommen und bis zur Zwangsräumung gewartet habe.
21
Ein Anspruch auf Verzinsung sei nicht erkennbar – es gebe schon keine offene Forderung dazu.
22
Die Klägerin hat gegen das am 31.08.2024 zugestellte Urteil am 25.09.2024 Berufung zum LSG eingelegt. Sie hat diese mit Schriftsatz vom 25.09.2024 begründet, der sowohl die Berufung gegen das Urteil des SG im Verfahren S 46 SO 233/22 als auch im Verfahren S 46 SO 63/23 betreffe. Beide Streitgegenstände würden sich nämlich überschneiden. Zur Begründung der Berufung im vorliegenden Verfahren wird vor allem auf Seite 5 -16 des Schriftsatzes vom 25.09.2024 verwiesen: Es liege eine „entscheidungserhebliche willkürliche Rechtsverletzung zu ihrem Nachteil gegen Art. 103 (1) GG und § 35 (2) SGB XII i.V.m. §§ 42, 42a SGB XII“ in Verbindung mit Grundrechten vor. Es sei nämlich ein Ausnahmefall der kausalen Zuordnung der Zwangsräumungskosten zu den laufenden Unterkunftskosten im Sinne von § 35 Abs. 2, §§ 42, 42a SGB XII gegeben. Sie habe die Zwangsräumung nicht verursacht. Sie habe der Räumung nicht nachkommen können, weil sie trotz intensiver Wohnungssuche seit Anfang 2019 keinen neuen angemessenen Wohnraum gefunden habe. Dies auch deshalb, weil u.a. die Stadt A und der beklagte Landkreis rechtswidrig keinen ausreichenden Sozialwohnraum für sozial schwachen Bürger wie sie geschaffen hätten. Deshalb seien die Mieten explodiert, die Löhne gestiegen und eine Lohn-Preis-Spirale in Gang gesetzt worden. Dies habe zu einer Inflation und Rezession geführt.
23
Es treffe nicht zu, dass es sich bei den Kosten der Zwangsräumung nicht um Umzugskosten handele, wie das SG angenommen habe, weil sie in eine Notunterkunft habe umziehen und der Hausrat in ein Lager gebracht werden müssen. Nach der Rechtsprechung des BSG sei der Begriff Umzugskosten weit zu verstehen.
24
Sie hat ferner auf ihren in dem Parallelverfahren geltend gemachten Auskunftsanspruch hingewiesen. Sie habe beispielsweise bei ihrem Antrag auf Übernahme der Kosten eines Miettransporters den Beklagten darauf hingewiesen, dass die Zwangsräumung unmittelbar bevorstehe. Ferner hat sie auf das Schreiben des Gerichtsvollziehers vom 03.03.2022 verwiesen; der Beklagte habe also seit 03.03.2022 gewusst, dass die Zwangsräumung bevorstehe. Wenn die Klägerin vor der Zwangsräumung ihrer Wohnung in die Obdachlosigkeit/Wohnungslosigkeit einen Antrag auf Kostenübernahme dieser Zwangsräumungskosten durch den Beklagten hätte stellen müssen, obwohl die diesbezügliche Kostenhöhe noch nicht vorgelegen hätte, hätte der Beklagte die Klägerin darüber informieren müssen z.B. nach §§ 14 f SGB I und § 68 Abs. 1 SGB XII, sodass dieses pflichtwidrige Unterlassen dieser Auskunft einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch der Klägerin gegenüber dem Beklagten begründe.
25
Die Klägerin hat ferner die Frage aufgegriffen, ob sie tatsächlich vor der Zwangsräumung einen Antrag auf diesbezügliche Kostenübernahme beim Beklagten hätte stellen sollen.
26
Insgesamt läge ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG), 13 Abs. 1 GG, 2 Abs. 1 und 2 GG und Art. 103 Abs. 1 GG vor. Durch die vom SG vorgenommene Auslegung von § 35 Abs. 2 und §§ 42, 42a SGB XII würde auch gegen europarechtliche Vorschriften verstoßen.
27
Rechtswidrig angewandt sei auch § 68 Abs. 1 SGB XII, der vorliegend anzuwenden sei. Insoweit hat sie eine Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) und eine verfassungswidrige Auslegung des § 68 Abs. 1 SGB XII i.V.m. vor allem Art. 14 Abs. 1 GG, Art. 1 Abs. 3 GG und Art. 20 Abs. 3 GG i.V.m. „Art. 34 EU-GRCharta und/oder Art. 17 (1) EU-GRCharta und/oder Art. 7 EU-GRCharta und/oder Art. 3 (1) EU-GRCharta und/oder Art. 41 EU-GRCharta und/oder Art. 47 EU-GRCharta“ gerügt.
28
Im Einzelnen wird auf die Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz vom 25.09.2024 verwiesen. Sie hat die Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nach Art. 100 Abs. 1 GG bzw. an den europäischen Gerichtshof (EuGH) beantragt und dies mit Verstößen gegen Grundrechte und gegen EU-Recht begründet.
29
Schließlich hat die Klägerin verschiedene Anträge wegen Besorgnis der Befangenheit gegen ehemalige und aktive Richterinnen und Richter des LSG gestellt, u.a. gegen die RiLSG P. Eine Einschränkung der Anträge betreffend bestimmte Richter hat die Klägerin abgelehnt.
30
Mit eidesstattlicher Versicherung vom 24.09.2024 hat die Klägerin versichert,
* dass ihr seit 2015 keine Sozialwohnung zur Miete, sondern nur zur Besichtigung angeboten worden sei;
* dass sie die Besichtigung von Sozialwohnungen nur dann abgelehnt habe, wenn sie diese Wohnungen aus gesundheitlichen Gründen nicht habe anmieten können;
* dass sie sich seit Anfang 2019 auch auf Wohnungen im Internet und in der Zeitung telefonisch beworben habe, was sie nicht nachweisen könne;
* dass sie sich seit Mai 2022 im Internet auf über 420 Wohnungen beworben habe; dies könne sie anhand automatischer Bewerbungsbestätigungen nachweisen;
* dass sie den Wohnungsbewerbungsnachweis im Internet erst ab Mai 2022 erbringen könne.
31
Der Beklagte ist mit Schriftsatz vom 29.10.2024 der Berufung entgegengetreten. Ein Anspruch auf Übernahme der Mietschulden nach § 42 Nr. 4, §§ 42, 36 Abs. 1 SGB XII sei ausgeschlossen, weil die Übernahme dieser Kosten nicht zur Sicherung der bisherigen Unterkunft führen konnte und auch nicht zur Behebung einer vergleichbaren Notlage. Die Kosten der Zwangsräumung seien auch keine Kosten der Unterkunft nach § 42 Nr. 4, §§ 42, 42a SGB XII. Mit dem Bewohnen der bisherigen Mietwohnung und laufenden Aufwendungen hätten die Kosten der Zwangsräumung nichts zu tun, weil die Zwangsräumung dieses Wohnen beendet habe.
32
Eine Ausnahme der kausalen Zuordnung derartiger Kosten, wenn der Grundsicherungsträger zuvor die angemessenen Unterkunftskosten nicht oder verspätet bezahlt habe und dadurch die Zwangsräumung verursacht habe, liege nicht vor. Die Zwangsräumung sei von der Klägerin verursacht worden, die dem Räumungsurteil über Jahre hinweg nicht nachgekommen sei.
33
Kosten der Zwangsräumung seien auch keine Umzugskosten gemäß § 42 Nr. 4, §§ 42, 35 Abs. 2 Satz 5 SGB XII. Eine Zwangsräumung erfolge nicht, um in eine neue Unterkunft zu gelangen, sondern um den zivilrechtlichen Anspruch des Vermieters auf Rückgabe der Mietwohnung durchzusetzen. Kosten der Zwangsräumung seien Kosten, die anlässlich eines Umzugs entstehen könnten, aber nicht unmittelbar dadurch bedingt seien (vgl. BSG, Urteil vom 10.08.2015, B 14 AS 58/15 R, dort Rn. 18). Es handele sich auch nicht um notwendige und angemessene Kosten – Umzugskosten müssten als Unterfall der laufenden Unterkunftskosten ebenfalls angemessen sein (BSG, Urteil vom 06.08.2014, B 4 AS 37/13 R, dort Rn. 27; BSG, Urteil vom 15.11.2012, B8 SO 25/11 R, dort Rn. 21). Die Zwangsräumung sei als solche nicht notwendig, weil sie durch rechtzeitigen Auszug vermeidbar gewesen wäre. Die Klägerin könne auch nicht damit argumentieren, dass auch bei einem freiwilligen Auszug vergleichbare Kosten entstanden wären. In der Sozialhilfe gelte das Prinzip, dass tatsächliche Bedarfe zu berücksichtigen seien, nicht hypothetische Alternativbedarfe. Im Übrigen fehle es auch an einer vorherigen Zusicherung derartiger Umzugskosten. Damit scheide insgesamt auch ein Anspruch auf Verzinsung aus.
34
Mit Beschluss vom 11.12.2024 sind die Parteien vor den Güterichter verwiesen worden. Es ist nicht zu einer Güterichterverhandlung gekommen. Die Klägerin hat ferner die Verbindung mit dem Verfahren L 8 S 242/24 beantragt.
35
U.a. im vorliegenden Verfahren hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 25.09.2024 Anträge wegen Besorgnis der Befangenheit gegen verschiedene, z.T. ehemalige, Richterinnen und Richter des LSG gestellt, darunter auch gegen die RiLSG P als Mitglied des 8. Senats. Die Klägerin hat ferner in den weiteren anhängigen Berufungsverfahren zahlreiche Anträge gegen die Richter des 8. Senats und weitere Richter des LSG bzw. auch ehemalige Richter des LSG wegen Besorgnis der Befangenheit gestellt. Auf die ablehnenden Beschlüsse vom 19.11.2024 (L 8 SF 226/24 AB), vom 30.10.2024 (L 8 SF 277/24 AB bis L 8 SF 230/24 AB, L 8 288/24 AB, L 8 SF 289/24 und L 8 SF 303/24) sowie vom 21.11.2024 (L 8 SF 312/24 AB bis L 8 SF 319/24 AB) wird verwiesen.
36
Im Verfahren L 8 SF 226/24 AB (betr. den VRiLSG D) wurde wegen des ablehnenden Beschlusses des Senats vom 19.11.2024 von der Klägerin eine Anhörungsrüge erhoben und erneut Anträge wegen Besorgnis der Befangenheit gestellt. Die Anträge betreffend den VRiLSG D (L 8 SF 356/24 AB) und betreffend den RiLSG B (L 8 SF 357/24 AB) sind mit Beschluss jeweils vom 19.03.2025 abgelehnt worden. Auch diesbezüglich hat die Klägerin Anhörungsrügen mit erneuten Befangenheitsanträgen, gegen die Mitglieder des 9. Senats als Vertretungssenat, gestellt.
37
Ablehnungsanträge vom 14.11.2024 und 05.12.2024 gegen RiLSG P (L 8 SF 354/24 AB und L 8 SF 49/25 AB) hat der Senat verbunden und mit Beschluss vom 21.05.2025 und einen Befangenheitsantrag gegen die RiLSG B1 (9. Senat) vom 05.12.2024 (L 8 SF 48/25 AB) wegen Beteiligung an den Beschlüssen vom 19.03.2025 mit Beschluss vom 22.05.2025 abgelehnt. Diesbezüglich hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 23.06.2025 ebenfalls Anträge wegen Besorgnis der Befangenheit u.a. gegen die Mitglieder des 8. Senats und die Richterin des 9. Senats, RiLSG W, gestellt. Insgesamt seien die Entscheidungen willkürlich rechtswidrig.
38
Offen sind derzeit ferner noch erneute Befangenheitsanträge gegen den ehemaligen Vorsitzenden Richter am LSG A (Antrag vom 14.11.2024, L 8 SF 262/24 AB, und vom 05.12.2024, L 8 SF 50/25 AB; Verbindungsbeschluss vom 15.05.2025) sowie gegen verschiedene Richter des Bayer. LSG, die nicht Mitglieder des 8. Senats sind (Anträge vom 14.11.2024, L 8 SF 355/24 AB, und vom 05.12.2024, L 8 SF 51/25 AB; Verbindungsbeschluss vom 15.05.2025). Ferner hat die Klägerin auch Befangenheitsanträge im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde (L 8 SO 280/24 NZB) gestellt.
39
Mit Urteilen vom 27.06.2025 hat der Senat auch über die Berufungen in den Verfahren L 8 SO 169/24 (hinzuverbunden L 8 SO 170/24 bis L 8 SO 172/24), das Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für die Zeiten vom April 2012 bis 31.12.2020 betrifft, und L 8 SO 242/24 entschieden.
40
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 22.08.2024 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 09.05.2022 und unter Abänderung des Teilabhilfebescheids vom 18.08.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.02.2023 zu verurteilen, der Klägerin 6.576,68 € sowie Zinsen zu bezahlen;
hilfsweise beantragt sie, den Rechtsstreit auszusetzen und
* dem Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG „zur Frage der verfassungswidrigen Auslegung und Anwendung von § 35 (2) SGB XII i.V.m. §§ 42, 42a SGB XII und von §§ 14 f SGB I, § 68 (1) SGB XII“ vorzulegen;
* eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs „über die Auslegung der Verträge zur Frage der europarechtswidrigen Auslegung und Anwendung von § 35 (2) SGB XII i.V.m. §§ 42, 42a SGB XII und von §§ 14 f SGB I, § 68 (1) SGB XII“ einzuholen.
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Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
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Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Verwaltungs- bzw. Beiakten des Beklagten, die jeweiligen Akten des Klage- und Berufungsverfahrens sowie die Gerichtsakten des LSG verwiesen. Sie waren Gegenstand der Entscheidung.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG). Insbesondere wurde sie frist- und formgerecht erhoben. Sie ist jedoch unbegründet.
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Der Senat konnte in Abwesenheit der Klägerin entscheiden, da diese ordnungsgemäß geladen war und in der Ladung auf die Möglichkeit der Entscheidung auch im Falle des Ausbleibens hingewiesen wurde (§§ 110, 126, 132 SGG).
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Der Senat konnte auch in der Besetzung wie erfolgt entscheiden. Auf die ablehnenden Beschlüsse der klägerischen Anträge wegen Besorgnis der Befangenheit der Mitglieder des 8. Senats wird verwiesen. Die im Anschluss im Rahmen von Anhörungsrügen und mit Schreiben vom 23.06.2025 gestellten erneuten Anträge der Klägerin wegen Besorgnis der Befangenheit gegen den VRiLSG D, die RiLSG P und den RiLSG B sind offensichtlich unzulässig. Vorausgegangen sind zahlreiche, nämlich annähernd 50 Befangenheitsanträge der Klägerin, u.a. auch gegen die Mitglieder des 8. Senats. Die erneuten Anträge sind wiederholend und dienen allein der Verzögerung des Verfahrens. Die Klägerin missbraucht diese Antragsmöglichkeit, um sich gegen die ihrer Meinung nach nicht zutreffenden bzw. willkürlich rechtswidrigen Entscheidungen zu wenden. Derartige Anträge sind als offensichtlich unzulässig zu beurteilen, über die der Senat nun im Rahmen des Urteils unter Beteiligung der abgelehnten Richter entscheiden kann. Offensichtlich unzulässig sind insoweit ferner die Anträge wegen Besorgnis der Befangenheit gegen den seit längerem ausgeschiedenen VRiLSG A (s.a. L 8 SF 262/24 AB und L 8 SF 362/24 AB sowie Schriftsatz vom 23.06.2025), gegen zahlreiche Richterinnen und Richter des LSG, die nicht Mitglied des 8. Senats sind und nur aufgrund eines Vertretungsfalls zur Entscheidung berufen waren (s.a. L 8 SF 355/24 AB und Schriftsatz vom 23.06.2025), sowie gegen Richterinnen des 9. Senats als gemäß Geschäftsverteilungsplan des LSG zuständigen Vertretungssenats (siehe zuletzt Schriftsatz vom 23.06.2025).
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Streitgegenstand ist der Bescheid des Beklagten vom 09.05.2022 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 18.08.2022 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.02.2023. Streitig ist damit die Übernahme der gesamten bzw. restlichen Kosten der Zwangsräumung vom 04./05.04.2022 in Höhe von 6.413,65 € (7.287,65 € Rechnungsbetrag Gerichtvollzieher minus 874,00 €) und damit zusammenhängender Rechtsanwaltskosten von 163,03 €, zusammen 6.576,68 € zuzüglich Zinsen. Soweit die Klägerin die „gesamten“ Kosten der Zwangsräumung begehrt, ist der Bescheid des Beklagten vom 30.03.2022 zu berücksichtigen; der Beklagte übernahm damit die Kosten für den Umzug mit dem Hausrat in die Obdachlosenunterkunft durch eine Spedition einschließlich der Entsorgungskosten. Dies betrifft die durch den Umzug des in der Obdachlosenunterkunft benötigten Hausrats entstandenen Kosten (125,84 €), ferner die im Rahmen der Wohnungsräumung anfallenden Entsorgungskosten von aussortiertem Hausrat (539,31 €). Zu berücksichtigen ist ferner das Teilanerkenntnis des Beklagten vom 27.06.2025 im Verfahren L 8 SO 242/24, das im Hinblick auf die Entsorgungskosten von aussortiertem Hausrat zu einer Zahlung von weiteren 1.683,00 € gemäß Urteil vom gleichen Tag geführt hat.
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Da das parallel geführte Berufungsverfahren L 8 SO 242/24 gezielt auf die Umsetzung der mit Bescheid vom 30.03.2022 zugebilligten Leistungen gerichtet ist und die Kosten der Zwangsräumung der Wohnung nicht Gegenstand jenes Bescheides sind, ist eine Verbindung, wie von der Klägerin beantragt, nicht sachdienlich und nicht prozessökonomisch sinnvoll.
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Der von der Klägerin begehrte Betrag von 6.576,68 € (nebst Zinsen) errechnet sich aus den „restlichen Kosten der Zwangsräumung am 04./05.04.2022 der früheren Wohnung der Klägerin vom 04./05.04.2022 in Höhe von 7.450,68 € (incl. Rechtsanwaltskosten) abzüglich 874,00 €, zusammen 6.576,68 € zuzüglich Zinsen“ (Seite 4 des klägerischen Schriftsatzes vom 25.09.2024). Die Gesamtrechnung des Gerichtsvollziehers hatte sich auf 7.287,65 € belaufen (siehe Vollstreckungsprotokoll vom 04.04.2022), die Rechtsanwaltskosten auf 163,03 €. Bei der Gesamtrechnung sind enthalten
* Gebührenpositionen für die Tätigkeit des Gerichtsvollziehers,
* Kosten für die Spedition in Höhe von 6.633,71 € (siehe Bl. 157 in Teil 4 der elektr. Akte im Verfahren L 8 SO 242/24) und
* weitere 334,69 € Speditionskosten für die Einlagerung des Hausrats der Klägerin für den ersten Monat vom 04.04.2022 bis 03.05.2022.
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Mit E-Mail des Beklagten vom 01.05.2022 an die Speditionsfirma W GmbH wurde die Übernahme der Einlagerungskosten in Höhe von 335,68 € monatlich für die Zeit vom 03.05.2022 bis 31.10.2022 mitgeteilt. Soweit die Klägerin die Übernahme weiterer 334,69 € Speditionskosten für die Einlagerung ihres Hausrats für den ersten Monat vom 04.04.2022 bis 03.05.2022 begehrt, hat der Beklagte auch diesen Betrag bereits an den Gerichtsvollzieher bezahlt. Dies ergibt sich aus dem streitgegenständlichen Teilabhilfebescheid des Beklagten vom 18.08.2022 sowie dem in der Akte befindlichen Schreiben des Beklagten an den Gerichtsvollzieher vom 18.08.2022. Insoweit fehlt es an einem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin.
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Die Rechnung der Spedition vom 05.04.2022 in Höhe von 6.633,71 € umfasst den Möbelwagen, Arbeitsleistung von fünf Packern, Zusammenpacken und Lagern von 37,5 cbm sowie Transport zur Vernichtung von 20,0 cbm, Packmaterial, Vernichtungsgebühr etc. Hinsichtlich der Gesamtrechnung von 6.633,71 € verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Ausführungen des SG in dem angefochtenen Urteil und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Begründung ab.
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Insbesondere hat das SG zu Recht dargelegt, dass die Kosten der Zwangsräumung keine laufenden Unterkunftskosten im Sinne von § 42 Nr. 4, §§ 42, 42a SGB XII sind. Die Kosten der Zwangsräumung sind auch keine Umzugskosten gemäß § 42 Nr. 4, §§ 42, 35 Abs. 2 Satz 5 SGB XII. Auf die jeweiligen Ausführungen des SG hierzu wird ausdrücklich verwiesen.
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In formeller Hinsicht fehlt es im Übrigen auch an einer vorherigen Zusicherung nach § 35 Abs. 2 Satz 5 SGB XII derartiger Umzugskosten.
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Das SG hat auch dargelegt, dass kein Anspruch auf Übernahme der Kosten der Zwangsräumung besteht, weil diese auf Mietschulden der Klägerin zurückzuführen sind. Ein Anspruch auf Übernahme von Mietschulden nach § 42 Nr. 4, §§ 42, 36 Abs. 1 SGB XII ist ausgeschlossen, weil die Übernahme dieser Kosten nicht zur Sicherung der bisherigen Unterkunft führen konnte und auch nicht zur Behebung einer vergleichbaren Notlage (Stromsperre, Heizungssperre, etc.).
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Ergänzend scheidet auch ein Anspruch der Klägerin auf Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach §§ 67, 68 SGB XII aus. Personen, bei denen besondere Lebensverhältnisse mit sozialen Schwierigkeiten verbunden sind, sind Leistungen zur Überwindung dieser Schwierigkeiten zu erbringen, wenn sie aus eigener Kraft hierzu nicht fähig sind, § 67 Satz 1 SGB XII. Auch wenn der Senat von besonderen Lebensverhältnissen bei der Klägerin aufgrund der Zwangsräumung der Wohnung ausgeht und auch die zweite Voraussetzung, nämlich „soziale Schwierigkeiten“ (§ 1 Abs. 3 DVO, § 69 SGB XII), bei der Klägerin bejaht wird, da sie ihre Wohnung verloren und ihr ein Platz in einer Obdachlosenunterkunft zugewiesen werden musste (verneinend Bierback in Grube/Wahrendorff/Flint, a.a.O., § 67 Rn. 18 bei nur vorübergehender Unterbringung in einem Frauenhaus; bejahend bei Beispielen, die über die „normalerweise mit einem Verlust der Wohnung verbundenen Probleme“ hinausgehen), besteht nach Überzeugung des Senats als Ausdruck des allgemeinen Subsidaritätsgrundsatzes der Sozialhilfe nach § 2 Abs. 1 SGB XII nicht eine Unfähigkeit der Klägerin zur Selbsthilfe. Zwar liegt eine langanhaltende Einweisung in eine Obdachlosenunterkunft vor. Zu Recht weist der Beklagte aber darauf hin, dass sich der Mietrechtsstreit über viele Jahre zog und die Zwangsräumung erst ca. drei Jahre nach dem Räumungsurteil erfolgt ist. Die Klägerin hätte die Obdachlosigkeit vermeiden können. Auch gelang es der Klägerin, dass die Forderungen durch die Darlehensgewährung seitens ihrer Mutter beglichen werden konnten.
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Aber selbst wenn der Senat zugunsten der Klägerin berücksichtigt, dass es ihr trotz erheblicher Bemühungen nicht gelingen konnte, die Zwangsräumung zu vermeiden oder dann eine neue Wohnung zu finden, ergäbe sich aus § 68 Abs. 1 SGB XII nicht ein Anspruch auf Übernahme der restlichen Kosten der Zwangsräumung. § 68 Abs. 1 Satz 1 SGB XII umfasst als Rechtsfolge nämlich alle Maßnahmen, die notwendig sind, um die Schwierigkeiten abzuwenden, zu beseitigen, zu mildern oder ihre Verschlimmerung zu verhüten, insbesondere Beratung und persönliche Betreuung für die Leistungsberechtigte, sowie auch Maßnahmen bei der Erhaltung und Beschaffung der Wohnung. Die Klägerin lehnte im Juli 2020 eine Sozialwohnung, die ihr angeboten wurde, ab. Wie der Beklagte in seinem Schriftsatz vom 25.06.2025 nochmals dargelegt hat, bot er der Klägerin ferner im Rahmen des Mietrechtsstreits telefonische oder persönliche Beratung an, die von der Klägerin ebenfalls abgelehnt wurden. Dasselbe gilt für verschiedene Angebote zur Klärung der Sach- und Rechtslage mit der Abteilungs-, Referats- und Sachgebietsleitung im persönlichen Gespräch. Auch der Verweis des Beklagten auf die Beratungs- und Unterstützungsangebote der H im Rahmen der Obdachlosenbetreuung, auch in sozialpädagogischer Richtung, wurden von ihr permanent abgelehnt. Die Klägerin hatte ferner eine Zusammenarbeit mit der Wohnungslosenhilfe der Diakonie abgelehnt und mit dieser nur per E-Mail und unter falschem Namen kommuniziert. Sie hat somit gerade diese von § 68 Abs. 1 Satz 1 SGB XII als besonders wesentlich angesehene Beratung und persönliche Betreuung mit Vehemenz abgelehnt.
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Bei den dann angefallenen Kosten der Zwangsräumung handelt es sich im Übrigen nicht um Maßnahmen im Sinne des § 68 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, der auf „Maßnahmen bei der Erhaltung und Beschaffung einer Wohnung“ abzielt. Die Kosten der Zwangsräumung sind gerade keine Maßnahmen, die auf die Erhaltung der Wohnung und Beschaffung einer neuen Wohnung gerichtet sind, sondern dienen der Durchsetzung des vom Vermieter erstrittenen Räumungsurteils.
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Schließlich hat nach Aktenlage die Mutter der Klägerin dieser zur Begleichung der restlichen Forderungen aus der Zwangsvollstreckung ein Darlehen gewährt. Eine Übernahme der Kosten der Zwangsvollstreckung würde daher nur der Ablösung des Darlehens dienen und somit in keiner Weise zur Beschaffung einer neuen Wohnung im Sinne des § 68 Abs. 1 Satz 1 SGB XII führen.
58
Somit kommt auch ein Anspruch auf Übernahme der Kosten aus der Zwangsräumung aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht in Betracht. Vielmehr ist der Beklagte seinen Beratungspflichten vollumfänglich nachgekommen. Dieses von der Rechtsprechung des BSG ergänzend zu den vorhandenen Korrekturmöglichkeiten bei fehlerhaften Verwaltungshandeln entwickelte Rechtsinstitut tritt im Sinne des öffentlich-rechtlichen Nachteilsausgleichs ein, wenn ein Leistungsträger durch Verletzung einer ihm aus dem Sozialleistungsverhältnis obliegenden Haupt- oder Nebenpflicht, insbesondere zur Auskunft und Beratung, nachteilige Folgen für die Rechtsposition des Betroffenen herbeigeführt hat und diese Rechtsfolgen durch ein rechtmäßiges Verwaltungshandeln wieder beseitigt werden können. Als unabdingbare Voraussetzungen für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch müsste eine Pflichtverletzung vorliegen, die sich der Sozialleistungsträger im Verhältnis zum Berechtigten zurechnen lassen muss. Hiervon kann, wie oben dargelegt, nicht die Rede sein.
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Die Klägerin begründet die Geltendmachung des Herstellungsanspruchs damit, dass der Beklagte sie darüber hätte informieren müssen, dass sie vor der Zwangsräumung ihrer Wohnung in die Obdachlosigkeit/Wohnungslosigkeit einen Antrag auf Kostenübernahme dieser Zwangsräumungskosten durch den Beklagten hätte stellen müssen, auch wenn die diesbezügliche Kostenhöhe noch nicht vorlag. Die Klägerin beantragte die Kostenübernahme erst am 06.05.2022; die Zwangsräumung fand bereits am 04. und 05.04.2022 statt. Von einer Kenntnis des Beklagten einer bevorstehenden Wohnungsräumung ist ab Februar 2022 auszugehen. Die Klägerin wandte sich jedoch nicht mit einem Beratungsbegehren an den Beklagten, sondern lehnte vielmehr wie dargelegt jegliches Beratungsangebot oder persönliche Betreuung ab. Im Übrigen handelt sich bei einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nicht um einen Schadensersatzanspruch, sondern nur um einen Anspruch auf Wiederherstellung der Situation in der Weise, dass eine pflichtgemäße Beratung erfolgt wäre. Vorliegend ist der Anspruch auf Übernahme der Kosten der Zwangsräumung aber aus den o.g. materiell-rechtlichen Gründen abzulehnen.
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Dem Antrag auf Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 GG bzw. den EuGH ist nicht stattzugeben. Einen Verstoß der §§ 35 Abs. 2, 42, 42a bzw. 68 Abs. 1 SGB XII bzw. bei deren Auslegung gegen das GG (Art. 14 Abs. 1 GG, Art. 13 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 und 2 GG, Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG und Art. 103 Abs. 1 GG) oder gegen europarechtliche Vorschriften besteht nicht. Eine Verfassungswidrigkeit der für die Entscheidung maßgeblichen gesetzlichen Regelungen vermag der Senat in keiner Hinsicht zu erkennen.
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Grundsätzlich sind als Bedarfe für Unterkunft und Heizung (§ 42a SGB XII) die Aufwendungen in tatsächlicher Höhe anzuerkennen, § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Eine Verfassungswidrigkeit der Regelungen zu den Bedarfen für Unterkunft und Heizung ist nicht gegeben. Das BSG hat sich im Rahmen des SGB II und SGB XII in einer Vielzahl von Entscheidungen mit den Leistungen für die Unterkunft befasst und die maßgeblichen rechtlichen Maßstäbe für die Ermittlung dieser Leistungen entwickelt. Vor allem wird hierbei von den Leistungsträgern ein sog. „schlüssiges Konzept“ gefordert (hierzu Wrackmeyer-Schoene, a.a.O., § 35 Rn. 23 ff m.w.N., ausgehend von BSG v. 22.09.2009, B 4 AS 18/09 R – juris). Insbesondere müssen die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung angemessen sein (§ 35 Abs. 1 Satz 1 SGB XII). Es handelt sich bei der Angemessenheit um einen gerichtlich voll überprüfbaren, unbestimmten Rechtsbegriff, wobei gerade auch auf den Einzelfall abzustellen ist.
62
Dies gilt auch für die Regelungen der §§ 67, 68 SGB XII, die zum einen wie dargelegt nicht zur Übernahme der Kosten der Zwangsräumung führen, die zum anderen gerade eine Hilfe für Personen schaffen, bei denen komplexe Problemlagen bestehen, die allein mit den sonstigen Leistungen der Sozialhilfe nicht zu bewältigen sind (Bieback, a.a.O., Rn. 1). Die Leistungen nach dem Achten Kapitel des SGB XII sind nachrangig (§ 67 Satz 2 SGB XII) und dienen als Auffangregelungen bei besonderen Lebensverhältnissen. Sie sind (nur) begrenzt durch den Subsidiaritätsgrundsatz, wie er in § 2 Abs. 1 SGB XII festgehalten ist. Berücksichtigt werden daher besondere Lebensumstände im Einzelfall. Die Regelung ist gerade Ausfluss vor allem des Grundrechts auf ein menschenwürdiges Existenzminimum nach Art. 1 Abs. 1, 20 Abs. 1 GG.
63
Ein europarechtlicher Zusammenhang ist in dem vorliegenden Verfahren nicht gegeben, so dass auch eine Vorlage an den EuGH ausscheidet.
64
Die Berufung ist daher zurückzuweisen.
65
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
66
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.