Titel:
Keine pauschale Gewährung von Leistungen in Form eines persönlichen Budgets
Normenketten:
GG Art. 1 Abs. 1
GG Art. 20 Abs. 1
SGB IX § 29
SGB IX § 4
Leitsätze:
1. Die Leistungsgewährung in Form eines persönlichen Budgets setzt einen (gesetzlichen) Anspruch auf eine budgetfähige Teilhabeleistung voraus. Besteht ein solcher Anspruch, besteht auch auf die Erbringung der Leistungen in der Leistungsform des persönlichen Budgets ein Rechtsanspruch, ohne dass sich dadurch der Leistungszweck ändert.
2. Teilhabeleistungen werden immer nur soweit erbracht, wie sie zur Zielerreichung notwendig sind. Dabei bestimmen sich die Leistungen der Eingliederungshilfe immer nach der Besonderheit des Einzelfalls. Auch Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII werden nur in dem Umfang erbracht, in dem ein konkreter Bedarf nachgewiesen ist.
3. Leistungen in der Form eines persönlichen Budgets sind nicht pauschal bis zu der in § 29 Abs. 2 Satz 7 SGB IX gezogenen Grenze der Kosten aller individuell festgestellten (Sach-)Leistungen zu gewähren.
4. Der Bedarf bzw. der Umfang der Hilfebedürftigkeit eines Hilfesuchenden ist eine anspruchsbegründende Tatsache, die nach den allgemeinen Beweislastgrundsätzen vom Antragsteller nachzuweisen ist.
Schlagworte:
Beweislast, Budget, Hilfebedürftigkeit, pauschal, Persönliches
Vorinstanz:
SG Augsburg, Beschluss vom 20.11.2024 – S 6 SO 107/24 ER
Fundstelle:
BeckRS 2025, 32374
Tenor
I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 20. November 2024 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
1
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtschutzes Leistungen der persönlichen Assistenz bzw. Hilfe zur Pflege in Form eines persönlichen Budgets im Umfang von 28 Stunden täglich.
2
Die im Jahr 1997 geborene Antragstellerin bezog in der Zeit vom Juli 2018 bis Januar 2019 Leistungen der Eingliederungshilfe in einer stationären Wohnform sowie Hilfe zum Lebensunterhalt. Sie leidet an einer Myalgischen Enzephalomyelitis bzw. Chronischem Fatigue Syndrom (ME/CFS), Immobilität, Zwangsstörungen, -gedanken und -handlungen gemischt, sowie rezidivierenden depressiven Störungen. Seit dem 10.07.2023 wurde ein Grad der Behinderung von 100 mit den Merkzeichen G, B, aG und H unbefristet gewährt. Laut Pflegegutachten vom 22.06.2023 liegt seit dem 01.02.2023 Pflegegrad 5 vor.
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Bei einer Pflegebegutachtung im häuslichen Umfeld der Antragstellerin am 22.06.2023 wurde angegeben, die Antragstellerin könne sich kaum noch bewegen und sei nun seit einigen Wochen bettlägerig. Die Mutter sei an 24 Stunden sieben Tage die Woche bei der Antragstellerin und kümmere sich um diese. Der Vater und drei Schwestern würden die Antragstellerin nach Möglichkeit unterstützen. Die Krankheit der Antragstellerin sei sehr selten. Sie habe keinerlei Belastungstoleranz. Jegliche Tätigkeit, jede Anstrengung sei für die Antragstellerin zu viel. Sie könne fallweise noch einige Minuten im Rollstuhl sitzen, der Transfer müsse mit zwei Personen erfolgen. Gehen sei nur an sehr guten Tagen mit Unterstützung möglich. Die Antragstellerin habe ständig Schmerzen, es gebe Tage, an denen man sie nicht mal berühren könne. Es komme dazu, dass die Antragstellerin ihre Hände nicht bewegen könne. Nachts müsse man sie regelmäßig lagern, sie liege sonst die ganze Zeit in der gleichen Position. Seit Monaten habe die Antragstellerin die Wohnung nicht mehr verlassen. Sie könne die Treppe nicht mehr überwinden, können nicht mehr in ein Auto ein- oder aussteigen. Jeder Termin außer Haus habe die Symptome verstärkt. Bei Überanstrengung, was sehr schnell vorkomme, komme es zu Ohnmachtsanfällen. Körperpflege und Ankleiden müsse im Regelfall komplett übernommen werden, die Antragstellerin könne sich daran nicht mehr beteiligen. Beim Toilettengang müsse umfangreich unterstützt werden, es komme regelmäßig zu einer Harn- und Stuhlinkontinenz. Essen und Trinken müsste in den meisten Fällen eingegeben werden. Die Antragstellerin habe erhebliche Probleme mit dem Magen-Darm-Trakt. Es komme dazu, dass sie tagelang nichts essen könne, weil dies Schmerzen verursache. Die Antragstellerin ertrage keine lauten Geräusche mehr. Es müsse immer dunkel sein, im Zimmer seien die Rollläden immer geschlossen. Sie habe keinen geregelten Schlaf-Wach-Rhythmus mehr. Es komme immer mehr zu kognitiven Defiziten. Die Antragstellerin könne sich nicht mehr adäquat ausdrücken. Sie spreche nur noch flüsternd, und nur noch mit einzelnen Worten. Sie habe außerdem Wortfindungsstörungen. Man nutze selbstgemachte Karten zur Kommunikation. Das Gedächtnis sei eingeschränkt. Eine zeitliche Orientierung sei nicht mehr vorhanden. Inwieweit sie örtlich noch orientiert sei, könne man nicht sagen. Als gutachterlicher Befund wurde festgehalten, der Kräftezustand der Antragstellerin sei reduziert, der Ernährungszustand optisch übergewichtig gewesen. Der Pflegezustand sei nicht zu beanstanden gewesen. Die Antragstellerin sei im Bett liegend in Tageskleidung angetroffen worden. Sie habe die Begutachtungssituation nicht einordnen können und Fragen nicht adäquat beantworten können. Sie habe in einem dunklen Zimmer im Bett gelegen. Zum Positionswechsel habe sie unterstützt werden müssen. Eine Anhebung sei beidseits nicht möglich gewesen. Sie habe die ganze Zeit die Augen geschlossen gehabt. Es habe flüsternd gesprochen werden müssen. Eine adäquate Unterhaltung sei mit ihr nicht möglich gewesen. Nach wenigen Minuten habe aufgrund der Belastung die Begutachtung mit der Antragstellerin beendet werden müssen. Es habe dann in einem anderen Raum mit den Angehörigen gesprochen werden müssen. Der höchstmögliche Pflegegrad 5 wurde seit 01.02.2023 gewährt.
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Die Antragstellerin stellte mit Schreiben vom 16.09.2023, Eingang beim Antragsgegner am 20.09.2023, einen Antrag auf „persönliche Assistenz bzw. persönliches Budget“. Es würde vor Ort dringend eine persönliche Assistenz benötigt, da keine Betreuung durch Familienangehörige bestünde.
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Mit E-Mail vom 17.11.2023 wurde der Hilfeumfang mit zwölf Stunden pro Tag an sieben Tagen pro Woche beziffert. Man sei bereits mit zwei Pflegediensten in Kontakt.
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Auf diesen Antrag hin wurde eine fachliche Stellungnahme des sozialpädagogisch-medizinischen Dienstes nach persönlichem Hilfeplangespräch am 12.12.2023 im häuslichen Umfeld der Antragstellerin durch den Antragsgegner veranlasst. Das Gespräch fand mit der Schwester der Antragstellerin und ihrem Schwager statt, da die Antragstellerin zu diesem Zeitpunkt im Nebenraum geschlafen habe. Es wurde in der daraufhin erfolgten Stellungnahme vom 02.01.2024 festgestellt, dass sich der Zustand der Antragstellerin seit der Pflegegradeinstufung weiter verschlechtert habe. Sie werde gegenwärtig durch einen Pflegedienst versorgt. Er sei für 2,5 Stunden pro Tag von Montag bis Freitag von ihr beschäftigt. In dieser Zeit reiche die Versorgung meist nur für die Hauswirtschaft, Einkäufe und die Zubereitung von Mahlzeiten. Pflegerisch werde die Antragstellerin hauptsächlich von ihrer Schwester und ihrem Schwager versorgt. Diese hätten sich regelmäßig in ihrem Haushalt befunden und alle administrativen und bürokratischen Angelegenheiten für sie geregelt.
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Am 10.04.2024 erfolgte vom Antragsgegner eine weitere sozialpädagogisch-medizinische Stellungnahme auf der Grundlage eines persönlichen Hilfeplangespräches mit der Antragstellerin am 28.03.2024. Teilgenommen hat neben der Antragstellerin auch deren Schwager per Videokonferenz. Es wurde von der Antragstellerin mitunter angegeben, dass sie spontan Unterstützung durch Familienangehörige, wie Eltern, Schwester und Schwager erhalte. Der Pflegedienst habe seine Tätigkeit Ende Februar 2024 eingestellt und auch ihr Schwager sei Ende Februar zuletzt in ihrer Wohnung gewesen. Ihre Schwester sei selbst schwer erkrankt. Zu ihren Eltern habe sie kein gutes Verhältnis. Von der Mutter werde sie bei Bedarf unterstützt. Beide Elternteile seien aufgrund des Alters nicht mehr in der Lage eine ausreichende Unterstützung für die Antragstellerin zu gewährleisten. Zum Thema Mobilität gab sie an, dass sie gegenwärtig nicht laufen könne. Sie bewege sich in der Wohnung mit dem Rollator. Sie sei kognitiv in der Lage die Inhalte von Gesprächen aufzunehmen. Lange Gespräche seien aber anstrengend. Sie könne sich nur schlecht konzentrieren. Nach Sichtung der eingereichten Unterlagen, Zusammenfassung der Angaben aus der Bedarfsermittlung sowie eingehender kollegialer Beratung sei die Leistung für eine 24-Stundenassistenz gemäß sozialpädagogisch-medizinischem Dienst nicht notwendig und nicht geeignet und aus fachlicher Sicht abzulehnen. Es wurde festgestellt, dass für die Antragstellerin kein Hilfebedarf im Rahmen der Pflege und kein Bedarf an Assistenzstunden im Rahmen der Teilhabe bestehe. Zur Ermittlung des tatsächlichen Eingliederungshilfebedarfs sei zu empfehlen, vier Fachleistungsstunden durch einen Anbieter mit Leistungsvereinbarung zunächst auf sechs Monate befristet zu gewähren. Die pflegerische Versorgung sei mit den Leistungen der Pflegekasse nach Pflegegrad 5 sichergestellt. Es seien Diskrepanzen der Angaben der Antragstellerin zu den Angaben aus dem Pflegegutachten sowie der tatsächlich festgestellten Situation bei Inaugenscheinnahme des Umfelds während des Bedarfsermittlungsgesprächs festgestellt worden. Der Pflegedienst habe seit Ende Februar 2024 seine Tätigkeit und Leistungen eingestellt. Trotzdem habe die Antragstellerin einen gepflegten Eindruck gemacht. Es hätten sich äußerlich keine pflegerischen Defizite gezeigt. Die Wohnung sei sauber und ordentlich gewesen. Von ihrer körperlichen Beschaffenheit habe die Antragstellerin augenscheinlich keine äußeren Anzeichen von Unter- oder Mangelernährung gezeigt. Trotz der von der Antragstellerin angegebenen extremen Lichtempfindlichkeit sei die gesamte Wohnung und das Zimmer der Antragstellerin während des Bedarfsermittlungsgespräches nicht abgedunkelt gewesen. Trotz Angabe einer extremen Lärmempfindlichkeit habe die Antragstellerin das Gespräch während der gesamten Dauer in einer normalen Lautstärke führen können. Eine Lärmempfindlichkeit sei augenscheinlich nicht ersichtlich und ihr nicht anzumerken gewesen. Die Antragstellerin sei während des Gespräches wach, örtlich sowie zeitlich orientiert gewesen. Sie habe dem Gespräch, welches über zwei Stunden gedauert habe, folgen können. Auf Fragen habe sie lang und umfangreich geantwortet, teils unter Bezugnahme auf verschiedene Diagnosen aus Arztberichten. Sie habe ihre Aussagen teilweise mit Fachausdrücken belegt. Es hätten sich keine Auffälligkeiten in Konzentration und Aufmerksamkeit gezeigt. Die fachliche Stellungnahme beinhaltet zudem eine Zusammenfassung von Telefonaten mit Frau K (A Pflegedienst M). Demnach bestünde kein Bedarf einer 24-Stunden-Assistenz. Auch der hohe pflegerische Bedarf von Pflegegrad 5 sei nicht gerechtfertigt. Die Antragstellerin habe beim ersten Treffen die Tür geöffnet und habe ohne Hilfsmittel und augenscheinliche Einschränkungen laufen können. Die Eltern der Antragstellerin würden in der unmittelbaren Nachbarschaft wohnen. Die Mutter halte sich täglich im Haushalt der Antragstellerin auf.
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Mit E-Mail vom 22.04.2024 teilte die Antragstellerin dem Antragsgegner mit, dass der erforderliche Umfang der beantragten persönlichen Assistenz 28 Stunden pro Tag betrage.
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Mit Bescheid vom 24.04.2024 wurde der Antrag auf Leistungen der ambulanten Hilfe zur Pflege abgelehnt. Mit Schreiben vom 16.09.2023 sei eine 24-Stundenassistenz beantragt worden. Aus den nachgereichten Kostenvoranschlägen der Pflegedienste ergebe sich, dass Leistungen der sozialen Teilhabe und der ambulanten Hilfe zur Pflege begehrt würden. Da die Antragstellerin selbst angegeben habe, seit Ende Februar nicht mehr durch einen Pflegedienst versorgt worden zu sein und außerdem kaum familiäre Hilfe erhalten habe, müsse aufgrund der Feststellungen in einem Bedarfsermittlungsgespräch davon ausgegangen werden, dass der bestehende pflegerische Bedarf zumindest so gering sei, dass er sich durch Pflegesachleistungen der Pflegekasse decken lasse. Bezüglich der Leistungen der Eingliederungshilfe ergehe noch ein gesonderter Bescheid.
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Ein hiergegen mit Schreiben vom 27.04.2024, Eingang beim Antragsgegner am 30.04.2024, erhobener Widerspruch wurde von der Regierung von Schwaben als Widerspruchsbehörde mit Widerspruchsbescheid vom 19.07.2024 zurückgewiesen. Zuvor kam der sozialpädagogisch-medizinische Dienst am 29.05.2024 zu der Einschätzung, dass bei der Antragstellerin mehrere somatische und psychische Erkrankungen sowie Behinderungen festgestellt worden seien. Die Angaben über den aktuellen pflegerischen Hilfebedarf würden nicht den in der Stellungnahme vom 10.04.2024 festgestellten Hilfebedarf widerspiegeln. Auch involvierte und an einer Unterstützung interessierte Pflegedienste seien letztlich nicht tätig geworden, weil der Hilfebedarf bei mehrmaligen Kontakten mit der Antragstellerin nicht schlüssig gewesen sei oder diese ihre Leistungen eingestellt hätten. Die Angaben über die Unterstützung der Angehörigen seien wechselhaft und letztlich nicht schlüssig. Es müsse festgestellt werden, dass seit Anfang März 2024 kein professioneller Dienst tätig sei, dass die Eltern kaum tätig würden, dass die Schwester seit vier Monaten krankheitsbedingt nicht unterstütze und dass der Schwager seit Ende Februar 2024 nicht mehr vor Ort gewesen sei und ansonsten allenfalls sporadisch vor Ort sein könne. Ansonsten gebe es keine weiteren Pflegepersonen. Die Situation, die sich am 28.03.2024 vor Ort gezeigt hätte, zeige keinen erhöhten pflegerischen Hilfebedarf oder gar eine Mangelversorgung. Es würde weiterhin empfohlen, dass zunächst die Pflegesachleistungen des Pflegegrads 5 abgerufen werden.
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In einer E-Mail vom 25.07.2024 an die Antragsgegnerin wurde von der Antragstellerin vorgetragen, sie habe aufgrund fehlender Grundversorgung 24 kg abgenommen. Sie esse nur alle vier Tage einmal. Fotos würden eine Braunfärbung ihrer Haut belegen, weil sie sich so selten wasche. Fotos würden auch belegen, dass die Wohnung in keinem ordentlichen Zustand sei. Die Aussage von Frau K sei falsch. Sie und die Mitarbeiter des sozialpädagogisch-medizinischen Dienstes hätten keinerlei Expertise im Bereich der vorliegenden Erkrankung ME/CFS.
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Mit Schreiben vom 22.08.2024 wurde der Antragstellerin mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, ihr Eingliederungshilfeleistungen in Form von Assistenzleistungen im Umfang von 4 Stunden wöchentlich befristet für sechs Monate zu gewähren. Es sei beabsichtigt, darüber hinaus gehende Leistungen der Qualifizierten Assistenz zur eigenständigen Alltagsbewältigung nicht zu gewähren. Gelegenheit zur Äußerung wurde gewährt. Eine Stellungnahme der Antragstellerin erfolgte hierzu mit E-Mail vom 29.08.2024. Es würden unverändert pro Tag 28 Stunden Assistenz bzw. Pflege beantragt.
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In der bereits mit Schreiben vom 25.07.2024 gegen den Bescheid vom 24.04.2024 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.07.2024 beim Sozialgericht Augsburg (SG) erhobenen Klage (S 6 SO 85/24) wurde von der anwaltlich vertretenen Antragstellerin vorgetragen, dass sie aufgrund der erheblichen Beeinträchtigung Pflegegrad 5 erhalten habe. Sie sei selbst nicht mehr in der Lage, sich zu versorgen oder sich zu mobilisieren. Die stark eingeschränkte Bewegungsfähigkeit erlaube es der Antragstellerin kaum, ihren eigenen Alltag zu bewältigen. Sie sei außerdem darauf angewiesen, dass ihr besondere Nahrung zugeführt werde. Es sei dadurch seit September 2023 bereits zu einem erheblichen Gewichtsverlust gekommen. Darüber hinaus sei die Antragstellerin dialysepflichtig. Sie könne diese aber nicht durchführen, da sie regelmäßig keine Termine außer Haus wahrnehmen könne. Aufgrund der Beeinträchtigungen sei eine 28-Stunden-Hilfe erforderlich. Der behandelnde Arzt bestätige eine erhebliche Verwahrlosung als auch eine Verschlechterung der Symptome. Die mit Bescheid vom 22.08.2024 gewährte Eingliederungshilfe im Umfang von 4 Stunden wöchentlich sei nicht ausreichend. Laut Arztbrief von F vom 27.06.2024 sei die Antragstellerin am 19.04.2024 in Begleitung ihrer Schwester im Institut gewesen für eine Umweltapherese-Behandlung. Da die erforderlichen Venenverhältnisse aber nicht gegeben gewesen seien, hätte die Behandlung nicht durchgeführt werden können. Deshalb komme nur ein Zentrum infrage, welches die Punktion über einen Leistenkatheter durchführen könne. Im weiteren vorgelegten Arztbrief vom 14.12.2023 von R wurde festgehalten, dass die Antragstellerin bei beiden Terminen in der Praxis am 06.07.2023 und am 21.09.2023 in einem deutlich schlechten und reduzierten Allgemeinzustand gewesen sei. Sie habe die Praxis in Anwesenheit von Angehörigen mit einem Rollstuhl betreten. Am 14.12.2023 habe sich die Situation so verschlechtert, dass eine 24-Stunden-Betreuung erforderlich sei.
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Am 23.09.2024 hat die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin beim SG den vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Ergänzend wird vorgetragen, dass der Antrag seit einem Jahr verzögert werde. Sie verbleibe in Pflegegrad 5 ohne Hilfe und verwahrlose weiter. Der Gesundheitszustand verschlechtere sich regelmäßig dramatisch. Da die Antragstellerin dialysepflichtig sei und dieser Behandlung nicht nachgehen könne, verkürze sich die Lebenserwartung signifikant. Insbesondere die Versorgung mit den richtigen Nahrungsmitteln sei von essenzieller Bedeutung. Die Familie könne nur sporadisch die Versorgung der Antragstellerin übernehmen. Durch die fehlende Betreuung sei es der Antragstellerin nicht möglich, Arzttermine wahrzunehmen, die zur Versorgung zwingend erforderlich seien. So habe weder die Dialyse begonnen werden können, noch der im Raum stehende Diabetes kontrolliert und behandelt werden können. Die Möglichkeit, sich in einer Einrichtung versorgen zu lassen, sei nicht hinnehmbar. Neben den bereits vorgelegten ärztlichen Unterlagen hat die Antragstellerin eine eidesstattliche Versicherung vom 12.09.2024, auf die inhaltlich Bezug genommen wird, zu ihrem gesundheitlichen Zustand vorgelegt.
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Der Antragsgegner hat erwidert, er habe sich auf Grundlage der Hilfeplangespräche vom 12.12.2023 und 28.03.2024 ausführlich mit der Situation der Antragstellerin auseinandergesetzt. Es sei fraglich, ob eine Eilbedürftigkeit vorliege, da die Antragstellerin seit dem Ausscheiden aus einer stationären Wohnform im Januar 2019 ganz ohne Leistungen des Antragsgegners ausgekommen sei. Die Antragstellerin habe einen vorrangigen Anspruch auf Leistungen der sozialen Pflegeversicherung, welcher ausreichend sei.
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Am 09.10.2024 hat die Antragstellerin auf gerichtliche Nachfrage angegeben, dass ein Notrufsystem nicht eingerichtet worden sei. Es sei für sie sinnlos, da es ausschließlich der Versorgung bei medizinischen Notfällen diene. Die Antragstellerin brauche regelmäßig Hilfe. Für Krankentransporte habe sie erhebliche Kosten bereits selbst getragen. Der Krankentransport über die Krankenkasse ersetze lediglich ein Taxi, jedoch nicht die Begleitung im Rollstuhl bis in die Praxis sowie Maßnahmen vor Ort. Fahrten zu Privatärzten bzw. Spezialisten, die weiter entfernt liegen würden, würden nicht übernommen. Die Pflege sei bislang wiederholt durch die Familie übernommen worden, was aber aus gesundheitlichen Gründen bzw. aufgrund des Alters nicht mehr möglich sei. Sie habe nunmehr zwei Kräfte anstellen müssen und sei selbst in Vorleistung gegangen. Im Hinblick auf die Dialysepflicht ist vorgetragen worden, diese müsse in einer Privatpraxis in D erfolgen, da nur dort eine Dialyse mittels Leistenzugang angeboten werde. Die Antragstellerin habe eine Pflegeberatung durchführen lassen, mit dem Ergebnis, dass zwei Personen für vier Stunden bei der Antragstellerin notwendig seien. Dies reiche allerdings nur, um den hauswirtschaftlichen Bedarf abzudecken. Der tatsächliche pflegerische Aufwand sei nicht davon umfasst. Bereits zum jetzigen Zeitpunkt bedürfe sie erheblicher Hilfe beim Trinken und Essen sowie beim Zubereiten der Mahlzeiten. Sollte hier nicht zeitnah Abhilfe geschaffen werden, komme es zu ernsthaften und tödlichen Verletzungen. Sie habe innerhalb der letzten Monate 30 kg abgenommen. Vorgelegt worden sind u.a. zwei Arbeitsverträge (Koch und Hauswirtschafterin) jeweils mit einem Stundenumfang von 20 Wochenstunden. Außerdem ist ein Protokoll über die Pflegeberatung vom 02.10.2024 vorgelegt worden. Demnach sei die Pflege gesichert durch Familienangehörige, die sich vollumfänglich um die Antragstellerin kümmern würden. Da diese jedoch eine Entlastung benötigten, sei hier eine Assistenz äußerst sinnvoll.
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Dagegen hat der Antragsgegner mit Schreiben vom 14.10.2024 eingewendet, dass die Leistungen der Pflegekasse bislang nicht ausgeschöpft würden. Die Einstellung von Personal ohne Kostenübernahmeerklärung sei auf eigenes Risiko erfolgt. Der Bedarf für eine Begleitperson bei einem Krankentransport sowie auch betreffend die vorgetragene Dialyse stelle einen medizinischen Bedarf mit der Zuständigkeit der Krankenkasse dar.
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Die Antragstellerin hat weitere medizinische Unterlagen vorgelegt, insbesondere einen Befundbericht von R vom 26.09.2023 mit der Empfehlung einer intravenösen Therapie. Außerdem hat sie einen Arztbrief von S (Fachärztin für Innere Medizin und Kardiologie mit Schwerpunkt Long Covid) vom 12.10.2024 vorgelegt. Darin heißt es unter anderem, bei einer Untersuchung im Mai 2024 habe sich der Gesundheitszustand im Vergleich zum Januar 2024 deutlich verschlechtert. Neben der vollständigen Bettlägerigkeit seien regelmäßige Phasen einer Tetraparese, mit kompletter Bewegungsunfähigkeit, Crashs, begleitet von Atemproblemen hinzugekommen. Außerdem sei die familiäre Pflege nicht mehr aufrechtzuerhalten. Laut dem vorgelegten Arztbrief vom 14.02.2023 ging die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie A von einer mittlerweile schweren depressiven Episode bei rezidivierender depressiver Störung aus. Eine ambulante psychotherapeutische Behandlung sei dringend indiziert. Ergänzend ist von der Antragstellerin vorgetragen worden, es komme regelmäßig zu gefährlichen Situationen, in denen sie lebensbedrohlich unter- bzw. überzuckert sei und ohnmächtig werde. Der Pflegegrad könne nicht eine rund um die Uhr Betreuung ersetzen. Durch inadäquate Ernährung und Pflege würde sich der Gesundheitszustand unwiderruflich verschlechtern.
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Mit Beschluss vom 20.11.2024 hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Der Antrag sei zulässig, aber unbegründet. Es sei weder ein Anordnungsgrund noch ein Anordnungsanspruch gegeben. Es sei vorliegend kein Anspruch glaubhaft gemacht, der über die gewährten Leistungen nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) hinausginge. Insbesondere seien nicht die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Hilfe zur Pflege gemäß § 61 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) i.V.m. § 103 Abs. 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) glaubhaft gemacht worden. Gemäß § 63b Abs. 1 SGB XII würden Leistungen der Hilfe zur Pflege nicht erbracht, soweit Pflegebedürftige gleichartige Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften erhalten. Daraus ergebe sich, dass zunächst die Leistungen der Pflegekassen gemäß SGB XI auszuschöpfen seien. Erst bei einem darüber hinaus gehenden, nicht gedeckten Bedarf könne ein Anspruch auf Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII entstehen. Die Kammer habe schon Zweifel daran, dass überhaupt ein Bedarf an Leistungen der Pflegekasse nach Pflegegrad 5 vorliege, so dass ein darüber hinaus gehender Anspruch nach dem SGB XII ausscheide. Dies ergebe sich im Wesentlichen aus den Diskrepanzen zwischen den Angaben der Antragstellerin und den im Pflegegutachten vom 23.06.2023 getroffenen Feststellungen mit den im Rahmen des Bedarfsermittlungsgespräches am 28.03.2024 erfolgten Feststellungen. Obwohl zum Zeitpunkt des Bedarfsermittlungsgespräches am 28.03.2024 in der Wohnung der Antragstellerin bereits seit zehn Tagen keinerlei Versorgung mehr stattgefunden habe, sei in der darauf basierenden sozialpädagogisch-medizinischen Stellungnahme vom 10.04.2024 ein beanstandungsfreier Pflegezustand festgestellt worden. Unstreitig sei, dass im vorliegenden Fall Leistungen eines Pflegedienstes seit Februar 2024 nicht mehr in Anspruch genommen würden. Außerdem seien körperbezogene Pflegesachleistungen von der Antragstellerin unstreitig nie in Anspruch genommen worden. Zwar seien als Pflegepersonen die Eltern sowie eine Schwester und ein Schwager der Antragstellerin erfasst. Im Rahmen des Bedarfsermittlungsgespräches am 28.03.2024 sei jedoch angegeben worden, eine Pflege durch die Angehörigen werde nicht sichergestellt, erfolge nur spontan bzw. sporadisch, die letzte Unterstützung sei zehn Tage vor dem Bedarfsermittlungsgespräch geleistet worden. Auch im Rahmen der Klagebegründung im Verfahren S 6 SO 85/24 (Klageerhebung im Mai 2024) bzw. in der Begründung zum streitgegenständlichen einstweiligen Rechtsschutz (Antrag im September 2024) würde angegeben, die Angehörigen der Antragstellerin könnten die Pflege nicht mehr leisten. Trotzdem sei die Wohnung der Antragstellerin bei der Inaugenscheinnahme am 28.03.2024 in einem einwandfreien hygienischen Zustand gewesen. Der pflegerische Zustand der Antragstellerin sei einwandfrei. Die Antragstellerin sei bei der Begutachtung zum Bedarfsermittlungsgespräch am 28.03.2024 sauber gekleidet gewesen. Diese Feststellungen stünden im krassen Widerspruch zum Pflegegutachten vom Juni 2023, in dem von einer Bettlägerigkeit der Antragstellerin ausgegangen worden sei und deren Unfähigkeit, alleine aufzustehen, alleine zur Toilette zu gehen, zu essen, zu trinken, oder im Bett eine andere Position einzunehmen. Von einer Lärmempfindlichkeit sei beim Bedarfsermittlungsgespräch im Ende März 2024 ebenso wenig festzustellen gewesen, wie von einer Lichtempfindlichkeit. Dies sei aber im Pflegegutachten vom Juni 2023 noch ausdrücklich festgestellt worden und es habe nur geflüstert werden dürfen. Beim Bedarfsermittlungsgespräch Ende März 2024 hätte die Antragstellerin sich über zwei Stunden mit den Fachkräften des sozialpädagogisch-medizinischen Dienstes in normaler Lautstärke unterhalten können. Im Pflegegutachten vom Juni 2023 sei noch angegeben gewesen, man nutze selbstgemachte Karten zur Kommunikation mit der Antragstellerin. Sie habe Wortfindungsstörungen und das Gedächtnis sei eingeschränkt. Im Bedarfsermittlungsgespräch Ende März 2024 hingegen gebe die Antragstellerin an, sie habe soziale Kontakte über Social Media, Internet und nutze Beratungsangebote, sie gebe verschiedene Ziele der Eingliederungshilfe an, u.a. wolle sie ihr Abitur nachholen und eine ehrenamtliche Tätigkeit ausüben. Aus den Akten ergebe sich, dass die Antragstellerin mehrmals E-Mails an den Antragsgegner formuliert habe, denen Urteile und sonstige Fachartikel aus dem Internet beigefügt gewesen wären, also, dass sie durchaus auf hohem Niveau kommunizieren könne. Von den Fachkräften beim Bedarfsermittlungsgespräch würde außerdem bestätigt, dass die Antragstellerin normal kommunizieren könne. Laut den Feststellungen in der sozialpädagogisch-medizinischen Stellungnahme vom 10.04.2024 habe sich der gesundheitliche Zustand der Antragstellerin weitaus besser dargestellt, als es im Pflegegutachten vom 23.06.2023 noch der Fall gewesen sei. Von einer überwiegenden Unselbständigkeit der Antragstellerin und nur sehr geringen Fähigkeiten in allen Lebensbereichen könne aufgrund der Feststellungen beim Bedarfsermittlungsgespräch am 28.03.2024 nicht mehr ausgegangen werden. Die Feststellungen würden gestützt durch die im März 2024 getroffenen Angaben der Geschäftsführerin eines Pflegedienstes, Frau K. Sie habe davon berichtet, dass die Antragstellerin bei drei Hausbesuchen selbst habe aufstehen und zu Tür gehen können. Von einer Unfähigkeit, aufzustehen, könne also auch zu dieser Zeit nicht ausgegangen werden. Nach alledem bestünden massive Zweifel daran, dass ein Bedarf entsprechend Pflegegrad 5 seit März 2024 bestehe bzw. weiterhin fortbestehe. Zwar sei im gemäß § 37 Abs. 3 SGB XI abzurufenden, vierteljährliche Beratungsgespräch vom 02.10.2024, laut Protokoll festgehalten worden, die Pflege werde durch Familienangehörige gesichert. Die Angehörigen würden sich vollumfänglich um die Antragstellerin kümmern. Diese Feststellung stünde jedoch im krassen Widerspruch zu den Angaben in der Klagebegründung im Verfahren S 6 SO 85/24 bzw. der Begründung zum streitgegenständlichen Verfahren, wo vorgetragen würde, dass die Pflege durch die Angehörigen aus Alters- bzw. gesundheitlichen Gründen nicht mehr sichergestellt sei. Außerdem stünden die Feststellungen im Pflegeberatungsprotokoll im krassen Widerspruch zu den Angaben der Antragstellerin im Bedarfsermittlungsgespräch am 28.03.2024, wonach die Pflege durch die Angehörigen eher spontan/sporadisch erfolge, und zuletzt vor zehn Tagen überhaupt eine Unterstützung stattgefunden habe. Da hier bereits im Zweifel stehe, ob eine Pflegebedürftigkeit entsprechend Pflegegrad 5 überhaupt vorliege, könne ein darüber hinaus gehender Bedarf nicht glaubhaft gemacht werden. Dies gelte auch für den geltend gemachten Bedarf an Begleitung für einen Krankentransport wegen der vorgetragenen Dialysepflicht bzw. Diabetes. Hinzu komme, dass zum Vorliegen eines Diabetes keine medizinischen Unterlagen vorgelegt worden seien. Eine von der Antragstellerin vorgetragene Dialysepflicht würde mit den vorgelegten ärztlichen Unterlagen nicht belegt. Auch ein Anspruch über die vom Antragsgegner in Aussicht gestellten vier Fachleistungsstunden für persönliche Assistenz hinaus würde ebenfalls nicht glaubhaft gemacht. Ein Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) sei wegen fehlenden Erfolgsaussichten abzulehnen.
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Der Beschluss ist der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin am 26.11.2024 zugestellt worden. Mit Schreiben vom 18.12.2024, Eingang beim SG am gleichen Tag, hat sie sodann Beschwerde eingelegt. Eine Weiterleitung an das Bayerische Landessozialgericht (LSG) ist mit Schreiben vom 20.01.2025, Eingang beim LSG am gleichen Tag, erfolgt.
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Die Entscheidung des SG sei für die Antragstellerin nicht nachvollziehbar. Es würde vom SG eingeräumt, dass die Antragstellerin zum Personenkreis der Antragsberechtigten gehöre. Es würde bestätigt, dass die Antragstellerin gesundheitlich beeinträchtigt und grundsätzlich auf regelmäßige Hilfe und Unterstützung angewiesen sei. Das SG führe aus, dass die Antragstellerin Ansprüche aus Pflegeleistungen nicht hinreichend in Anspruch nehme. Diese Ausführungen und Begründungen gingen an der Sache vorbei und seien auch nicht korrekt. Über die Pflegeleistungen sei eine 24-Stunden-Betreuung nicht abgedeckt. Diese Leistungen, die hier über die Assistenzleistungen verlangt würden, könnten nicht über die Pflegeleistungen erbracht werden. Die Argumentation des SG ginge daher an dem Anspruch der Antragstellerin vorbei. Ferner habe die Antragstellerin auch alle Leistungen in Anspruch genommen. Sie erhalte Pflegegeld, welches für die regelmäßige Unterstützung aufgewendet würde. Darüber hinaus habe die Antragstellerin auch Pflegepersonal. Dieses habe das Vertragsverhältnis jedoch beendet, da die besonderen Erfordernisse der Antragstellerin nicht eingehalten werden könnten. Dabei sei sie vollständig immobil. Sie könne nicht alleine aufstehen oder Positionswechsel im Bett durchführen. Für alle Tätigkeiten würden Unterstützungsmaßnahmen benötigt. Dies könne eine Pflegekraft nicht gewährleisten. Nunmehr stehe die Antragstellerin bereits seit Monaten in Kontakt mit diversen Pflegediensten und auch auf Wartelisten. Eine positive Zusage hätte bisher nicht erfolgen können. Dies sei ihr nicht vorzuwerfen. Der Antragstellerin könne auch nicht angeraten werden, sich in einem Pflegeheim unterbringen zu lassen. Tatsächlich habe sie dies versucht, was jedoch nicht habe realisiert werden können. Der Antragstellerin solle durch die Assistenzleistung gerade sichergestellt werden, dass sie am normalen Alltag teilnehmen könne und mit 27 Jahren nicht in einem Pflegeheim untergebracht würde. Auch komme es zu einer vollkommenen Verwahrlosung und zu einem regelmäßigen Verschlechtern des Allgemeinzustands, da keine Hilfe erfolge. Zudem sei darauf hinzuweisen, dass das SG seine Entscheidung auf Berichte und Stellungnahmen beziehe, die der Antragstellerin nicht vorliegen würden. Diese Unterlagen seien zu keinem Zeitpunkt übermittelt worden und seien daher nicht Gegenstand des Verfahrens. Die Antragstellerin sei bereits seit über 16 Monaten nicht in der Lage auf eigenen Beinen zu stehen, im Stehen die Tür zu öffnen oder sich selbst umzuziehen. Auch der Pflegezustand der Antragstellerin sei allein darauf zurückzuführen, dass die Familienangehörigen einen Großteil der Unterstützung übernehmen würden. Das SG setze sich auch vollständig über die fachärztlichen Einschätzungen hinweg. Durch die langjährig betreuenden Ärzte würde ausdrücklich bestätigt, dass eine 28-Stunden-Assistenz erforderlich sei. Es würde fachärztliche bestätigt, dass die Antragstellerin sich ohne Betreuung in Lebensgefahr befinde und dass der Gesundheitszustand immer weiter abbaue. Es habe darüber hinaus eine weitere aktuelle ärztliche Stellungnahme stattgefunden. Diese bestätige die Einschränkungen und einen erheblichen Pflegenotstand. Vorgelegt worden ist ein Ärztlicher Bericht vom 03.12.2024, erstellt „aufgrund eigener ärztlicher Untersuchung am Okt. 2022“ und „aufgrund vorliegender Unterlagen/vorliegender Arztbriefe/oder sonstiger Erkenntnisse“. Berichterstatter ist der seit Oktober 2022 behandelnde Arzt bzw. die behandelnde Ärztin. Es bestünde die Erforderlichkeit einer medizinischen Rehabilitation und Pflegegrad 5. Es würde die dauerhafte Bereitschaft einer Pflegekraft benötigt, die auf Abruf in unmittelbarer Nähe zur Verfügung stehe. Eine Abdeckung per Hausnotrufknopf sei nicht ausreichend. Der pflegerische Bedarf bedürfe einer 28h-Assistenz pro Tag. Die Behinderung sei Folge eines Impfschadens. Eine geschlossene Unterbringung sei nicht notwendig. Eine Dialysepflicht wird nicht genannt. Seit 2022 würden aber „Infusionen“ als flankierende medizinisch-therapeutische Leistungen erbracht. Es ist darüber eine „Krankheitsbeschreibung“ zum ME/CFS aus der „Wiener klinische Wochenschrift“ vorgelegt worden.
22
Mit Schreiben vom 04.02.2025 hat der Antragsgegner erwidert. Die Angaben der Antragstellerin zur Gesundheitssituation würden sich nicht mit den Feststellungen des Antragsgegners im Antragsverfahren decken. Er hat auf die Angaben von Frau K vom A Pflegdienst in den Telefongesprächen mit dem sozialpädagogisch-medizinischen Dienst verwiesen. Zudem hat er auf die Stellungnahmen des sozialpädagogisch-medizinischen Dienstes des Antragsgegners verwiesen. Eine abschließende Stellungnahme vom 29.05.2024 sei zur Einschätzung gekommen, dass die Angaben über den aktuellen pflegerischen Hilfebedarf der Antragstellerin nicht den in der Stellungnahme vom 10.04.2024 festgestellten Hilfebedarf widerspiegeln würden. Es würde deshalb weiterhin empfohlen, dass zunächst die Pflegesachleistungen des Pflegegrades 5 abgerufen werden. An der Einschätzung ändere auch das Vorbringen im Rahmen der Beschwerde nichts.
23
Mit Schreiben vom 17.02.2025 hat die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin weiter vorgetragen. Vorgelegt worden sind im Hauptsacheverfahren eingeholte Befundberichte. Der Vortrag der Antragstellerin würde vollständig bestätigt. Sie bedürfe stetiger Unterstützung. In den Befundberichten würde ausdrücklich bestätigt, dass eine 28-Stunden-Betreuung erforderlich sei und dass dieser Bedarf nicht durch eine ambulante Betreuung durch einen Pflegedienst abgedeckt werden könne. Die vom SG dargelegten Widersprüche und Diskrepanzen könnten nicht nachvollzogen werden. Naturgemäß verlaufe die Krankheit der Antragstellerin nicht stringent und es gebe gute als auch schlechte Tage. Die Situation der Antragstellerin könne sich nicht nur von einer Minute auf die andere ändern, sondern bedürfe auch von jetzt auf gleich einer umfangreichen Betreuung und Unterstützung. So verhalte es sich auch mit Begutachtungsterminen. An einigen Begutachtungsterminen könne es der Antragstellerin besser und an anderen Tagen schlechter gehen. Durch ein entsprechendes Gutachten könne lediglich eine Momentaufnahme entstehen. Die langjährigen betreuenden Fachärzte würden jedoch stringent die erheblichen Einschränkungen der Antragstellerin als auch die Hilfebedürftigkeit bestätigen. Ferner habe sie bereits umfangreich dargelegt, dass durch den Pflegedienst keine Betreuung stattfinden könne. Vielmehr würde aufgrund des erheblichen Bedarfs und der besonderen Umfangsform mit der Krankheit eine Betreuung über den Pflegedienst abgelehnt. Auch durch den Facharzt würde bestätigt, dass eine Pflegedienstbetreuung nicht den Bedarf der Antragstellerin abdecken könne. Richtig sei daher, dass die Antragstellerin bereits seit 16 Monaten nicht in der Lage sei, ohne fremde Hilfe auf eigenen Beinen zu stehen. Die letzte Begutachtung der Antragstellerin würde bereits über ein Jahr zurückliegen. In der Zwischenzeit seien erhebliche Verschlechterungen durch die fehlende Versorgung und schlechte Ernährung entstanden. Es müsse ausdrücklich und vehement bestritten werden, dass die Ausführungen des Herrn B vom 03.12.2024 vollumfänglich auf die Untersuchung aus Oktober 2022 gestützt würde. Die Antragstellerin befinde sich vollumfänglich und regelmäßig bei Herrn B in Behandlung und Untersuchung. Er könne daher aus eigener Wahrnehmung und aus seiner fachärztlichen Sicht neutral die Situation einschätzen. Die Situation würde in der Pflegebegutachtung für Pflegegrad 5 bestätigt. Der Zustand sei lebensgefährlich, wenn nicht hinreichende Hilfe und insbesondere nicht angemessenes Essen zu sich genommen würde.
24
Von der Antragstellerin vorgelegt wurde zudem ein Konvolut an Befundberichten. Hierauf wird inhaltlich Bezug genommen. Einem Arztbrief vom 19.06.2024 von L, der sich auf eine ambulante Behandlung vom selben Tag bezieht, ist zu entnehmen, dass ein anhaltend schwerstes Krankheitsgefühl mit einer massiv eingeschränkten körperlichen und kognitiven Leistungsfähigkeit sowie starken körperlichen Funktionsstörungen bestünde. Es bestünde auch eine charakteristische belastungsabhängige langanhaltende Zunahme der Beschwerden. Krankheitsbedingt sei die Antragstellerin nicht mehr in der Lage, beruflich tätig zu sein oder am Leben wie vorher teilzunehmen und sei dauerhaft auf die Hilfe anderer angewiesen. Als dringend notwendig angesehen würde eine Person für die tägliche Unterstützung zu Hause und außerhalb der Wohnung. Einem Arztbericht des Herrn B vom 07.05.2024 ist zu entnehmen, dass die Antragstellerin seit 2021 unter erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen leide. Sie habe seit Einreichung des Erstantrags eine dramatische Verschlechterung ihres Gesundheitszustands erlitten. Die aktuelle ambulante Pflege und Versorgung könne den Mehrbedarf der Antragstellerin nicht decken. Einem weiteren Arztbericht des Herrn B vom 05.08.2024 ist zu entnehmen, dass sich die Antragstellerin im Oktober 2022 dort vorgestellt habe und dass sie unter erheblichen gesundheitlichen Problemen leide, die ohne adäquate Unterstützung eine weitere Verschlechterung ihrer Lebensqualität nach sich ziehen würde.
25
Mit Schreiben vom 18.02.2025 hat die Antragstellerin ergänzend persönlich Stellung genommen. Die für sie bewilligten Maßnahmen seien nicht geeignet und sie könne zu deren Inanspruchnahme nicht gezwungen werden. Laut Leistungsanbieter solle eine erneute Begutachtung erfolgen. Zudem habe sich ihr gesundheitlicher Zustand durch die Ablehnung der begehrten Leistungen massiv verschlechtert. Viele Ärzte würden eine Verschlechterung des Zustands seit September 2023 darlegen. Leistungen der Pflegeversicherung würden voll ausgeschöpft. Leistungen des Pflegegrads 5 würden aber nicht ausreichen. Es laufe ein Antrag auf assistierten Freitod bei der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben. Da der Antragsgegner seit der letzten Bedarfsfeststellung aus März 2024 keine erneute Begutachtung mehr durchgeführt habe, obwohl er dies mit seiner Bedarfsfeststellung vom 19.03.2024 angekündigt habe, sei davon auszugehen, dass sich der Bedarf der Antragstellerin in der Zeit aufgrund der nachgewiesenen Verschlechterung verändert habe. Die Aussage des A-Pflegedienstes zweifle sie an. Eine Versagung der Leistungen würde in vorliegendem Fall zu weiterem Schaden mit zeitnahem Versterben der Antragstellerin führen. Ein weiteres Warten sei daher nicht zuzumuten. Zahlreiche ergänzende Unterlagen sind von der Antragstellerin in zwei Ordnern vorgelegt worden.
26
Mit Schreiben vom 26.02.2025 hat der Antragsgegner mitgeteilt, dass er eine erneute gutachterliche Stellungnahme seines sozialpädagogisch-medizinischen Dienstes veranlasst habe. Mit Schreiben vom 21.03.2025 hat er sodann mitgeteilt, dass die Antragstellerin eine weitere Begutachtung durch den Antragsgegner ablehne. Zwischenzeitlich sei allerdings in der Hauptsache vom SG eine Begutachtung beauftragt worden.
27
Hierauf hat die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin mit Schreiben vom 02.04.2025 erwidert, dass der Antragsgegner plötzlich und ohne Vorankündigung an der Tür der Antragstellerin gestanden habe. Da keine Assistenz vorliege, sei die Antragstellerin nicht in der Lage, die Tür zu öffnen und eine entsprechende Begutachtung durchführen zu lassen. Naturgemäß habe die Antragstellerin das Vertrauen in den Antragsgegner verloren, insbesondere da der Termin unangekündigt durchgeführt werden sollte und damit die Hilflosigkeit der Antragstellerin weiter ausgenutzt worden sei. Tatsächlich sei die Antragstellerin körperlich nicht in der Lage den Termin tatsächlich durchzuführen.
28
Mit weiterem Schreiben vom 09.04.2025 hat der Antragsgegner mitgeteilt, dass eine Begutachtung in der Hauptsache noch nicht habe stattfinden können und der gerichtlich bestellte Gutachter zwischenzeitlich vom Auftrag entbunden worden sei. Der Gutachter hat mit Schreiben vom 04.04.2025 mitgeteilt, dass er am 26.03.2025 schriftlich einen Begutachtungstermin für den 09.04.2025 angekündigt habe. Daraufhin habe er ein Antwortschreiben erhalten, in dem nicht nur um eine Terminverlegung gebeten worden sei, sondern in dem ihm auch von der Antragstellerseite der Modus der Untersuchung vorgeben werden sollte. Das entsprechende Schreiben der Antragstellerin ist beigefügt worden. Es würde demnach Zeit benötigt, um ein entsprechendes Gutachten gründlich vorzubereiten. Dafür sei eigentlich die beantragte Assistenz notwendig. Die Antragstellerin befinde sich in einem sehr schlechten Zustand. Daher müsse das Gutachten mit den Angehörigen, der behandelnden Ärztin, dem Pflegedienst und einem Rechtsanwalt geführt werden. Zum Abschluss des Gesprächs könne „vielleicht kurz“ mit der Antragstellerin „je nach Befindlichkeit“ gesprochen werden. Außerdem werde das Gespräch aus Gründen der Nachweisbarkeit aufgezeichnet. Andernfalls könne keine Begutachtung stattfinden. Jede Form der Interaktion mit der Antragstellerin könne eine massive Zustandsverschlechterung bei ihr bewirken. Unter diesen Bedingungen sehe sich der Gutachter nicht in der Lage, eine ordnungsgemäße Begutachtung durchzuführen.
29
Mit Schreiben vom 29.04.2025 hat die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin ein Gutachten der Agentur für Arbeit vom 07.04.2025 vorgelegt. Demnach sei die Antragstellerin täglich weniger als 3 Stunden leistungsfähig voraussichtlich über 6 Monate, aber nicht auf Dauer. Es bestünde eine aufgehobene Leistungsfähigkeit.
30
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 20.11.2024 aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, der Antragstellerin ab Antragstellung am 20.09.2023 vorläufig Leistungen der persönlichen Assistenz bzw. Hilfe zur Pflege in Form eines persönlichen Budgets im Umfang von 28 Stunden täglich in Höhe von 37.660,97 € monatlich zu gewähren, sowie der Antragstellerin für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung zu bewilligen und ihr ihre Prozessbevollmächtigte beizuordnen.
31
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
32
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
33
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die vorgelegten Behördenakten sowie die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
34
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen.
35
1. Die formgerecht eingelegte Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz – SGG). Sie erfolgte insbesondere fristgerecht. Die Beschwerde der Antragstellerin ist im Sinne der Meistbegünstigungstheorie dahingehend zu verstehen, dass sie sich gegen Ziffer 1. und 3. des Beschlusses des SG vom 20.11.2024 – und somit auch gegen die erstinstanzlich ablehnende PKH-Entscheidung – wenden möchte.
36
2. Die Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
37
Die Antragstellerin begehrt eine persönliche Assistenz bzw. Hilfe zur Pflege in Form eines persönlichen Budgets im Umfang von 28 Stunden täglich in Höhe von 37.660,97 € im Wege einer einstweiligen Anordnung. Sie begehrt damit vorläufige Leistungen, die über den mit Schreiben des Antragsgegners vom 22.08.2024 angekündigten Umfang (Eingliederungshilfeleistungen in Form von Assistenzleistungen im Umfang von 4 Stunden wöchentlich) hinausgehen.
38
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG – angestrebt wird eine Erweiterung der Rechtsposition – sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsanspruches – das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den der Antragsteller sein Begehren stützt und der dem Streitgegenstand eines Hauptsacheverfahrens entspricht – sowie eines Anordnungsgrundes – das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit – voraus. Die Angaben hierzu müssen glaubhaft gemacht werden (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung – ZPO), wobei als Beweismittel auch eine eidesstattliche Versicherung (§ 294 Abs. 1 ZPO) möglich ist. Hinsichtlich des Beweismaßstabes genügt also die überwiegende Wahrscheinlichkeit (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch – SGB X), verbleibende Zweifel sind unschädlich (vgl. Burkiczak in jurisPK-SGG, § 86b, Stand: 21.10.2024, Rn. 494).
39
Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage in dem vom BVerfG vorgegebenen Umfang (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 – Breith 2005, 803) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind hierbei die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu.
40
Im Beschwerdeverfahren trifft das Beschwerdegericht unter erneuter summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage eine neue Entscheidung, ohne auf die Überprüfung der Ausgangsentscheidung beschränkt zu sein (vgl. Karl in jurisPK-SGG, Stand 02.07.2024, § 176 Rn. 11 f.). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei der Regelungsanordnung wie bei der Anfechtungs- und Leistungsklage der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl., § 86b Rn. 42). Die Entscheidungen im fachgerichtlichen Eilverfahren dürfen grundsätzlich auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Nur in besonderen Konstellationen bedarf es einer eingehenderen oder gar erschöpfenden Prüfung. Wenn die Fachgerichte die Erfolgsaussichten in der Hauptsache geprüft haben, ist für eine Folgenabwägung kein Raum (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 26.02.2024 – 1 BvR 392/24, Rn. 4, juris). Folge der Zulässigkeit einer nicht abschließenden Prüfung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sind indes reduzierte Anforderungen an die fachgerichtliche Ermittlung des Sachverhaltes. Mit dem Charakter eines Eilverfahrens wäre es nicht vereinbar, wenn das Gericht stets verpflichtet wäre, ein Sachverständigengutachten einzuholen oder eine Zeugenbefragung durchzuführen (vgl. BVerfG a.a.O., Rn. 7, juris)
41
Nach diesen Maßstäben ist der Antrag der Antragstellerin jedenfalls unbegründet, da kein Anordnungsanspruch gegeben ist. Die Voraussetzungen hierfür sind nicht glaubhaft gemacht. Rechtsgrundlage für die von der Antragstellerin begehrten Leistungen
* der Eingliederungshilfe in Form der Sozialen Teilhabe als Assistenzleistungen sind §§ 102 Abs. 1 Nr. 4, 113 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3, 78 SGB, 103 Abs. 2 IX;
* der Hilfe zur Pflege in Form der häuslichen Pflegehilfe im Arbeitgebermodell sind
§ 103 Abs. 2 SGB IX i.V.m. §§ 19 Abs. 3, 61, 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. b, 64b Abs. 1 und Abs. 2, 64, 64f Abs. 3 SGB XII.
42
Gemäß § 29 SGB IX i.V.m. § 105 Abs. 4 Satz 1 SGB IX und § 63 Abs. 3 SGB XII sind die Leistungen auf Antrag als persönliches Budget zu gewähren.
43
Die Leistungsgewährung in Form eines persönlichen Budgets setzt einen (gesetzlichen) Anspruch auf eine budgetfähige Teilhabeleistung voraus. Besteht ein solcher Anspruch, besteht auch auf die Erbringung der Leistungen in der Leistungsform des persönlichen Budgets ein Rechtsanspruch, ohne dass sich dadurch der Leistungszweck ändert (BSG vom 11.08.2022 – B 8 SO 3/21 R – juris Rn. 15 f.).
44
Die Antragstellerin kann einen entsprechenden Anspruch schon deshalb nicht für sich mit Erfolg geltend machen, da das Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen für eine budgetfähige Leistung nicht glaubhaft gemacht ist.
45
Teilhabeleistungen werden immer nur soweit erbracht, wie sie zur Zielerreichung notwendig sind (vgl. § 4 Abs. 1 SGB IX). Dabei bestimmen sich die Leistungen der Eingliederungshilfe immer nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach der Art des Bedarfs, den persönlichen Verhältnissen, dem Sozialraum und den eigenen Kräften und Mitteln (§ 104 Abs. 1 SGB IX). Auch Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII werden nur in dem Umfang erbracht, in dem ein konkreter Bedarf nachgewiesen ist.
46
Leistungen in der Form eines persönlichen Budgets sind auch nicht pauschal bis zu der in § 29 Abs. 2 Satz 7 SGB IX gezogenen Grenze der Kosten aller individuell festgestellten (Sach-)Leistungen zu gewähren. Mit dieser Kostendeckelung will der Gesetzgeber dem Wirtschaftlichkeitsgebot genügen und geht dabei davon aus, dass der Leistungsberechtigte mit dem zur Verfügung gestellten Geld die notwendigen Leistungen preiswerter oder höchstens ebenso teuer erhält wie der Rehabilitationsträger selbst (vgl. O'Sullivan in jurisPK-SGB IX, Stand 01.10.2023, § 29 Rn. 36). Dass dem Budget zunächst die individuelle Situation des Leistungsberechtigten zugrunde zu legen ist, folgt aus § 29 Abs. 2 Satz 6 SGB IX, wonach persönliche Budgets auf der Grundlage der Feststellungen zum konkreten Bedarf so bemessen werden, dass der individuell festgestellte Bedarf – aber auch nur dieser – gedeckt wird.
47
Für den Senat ist es vorliegend nicht überwiegend wahrscheinlich, dass für die Antragstellerin die Erforderlichkeit einer persönlichen Assistenz bzw. Hilfe zur Pflege im Umfang von 28 Stunden täglich besteht. Der Senat hat zum Zeitpunkt seiner Entscheidung nach derzeitiger Sachlage hieran erhebliche Zweifel und nimmt insoweit zunächst Bezug auf die entsprechenden Ausführungen des SG (vgl. § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Der Senat stützt sich dabei vor allem wie das SG auf das Pflegegutachten vom 22.06.2023 sowie die fachlichen Stellungnahmen des sozialpädagogisch-medizinischen Dienstes vom 12.12.2023 und 10.04.2024 nach persönlichem Hilfeplangespräch vom 28.03.2024.
48
Hinzuweisen ist insbesondere auf die nach Ansicht des Senats bestehenden erheblichen Widersprüche zwischen dem Vortrag der Antragstellerin und der sonstigen Aktenlage.
49
Die Antragstellerin hat auch im Beschwerdeverfahren mit Schreiben vom 17.02.2025 ausgeführt, sie sei „bereits seit 16 Monaten nicht in der Lage [ist], ohne fremde Hilfe auf eigenen Beinen zu stehen“. Dies würde einen zurückliegenden Zeitraum bis Oktober 2023 umfassen. Die fachliche Stellungnahme vom 10.04.2024 beinhaltet jedoch auch eine Zusammenfassung von Telefonaten mit Frau K (A Pflegedienst M). Demnach habe die Antragstellerin beim ersten Treffen die Tür geöffnet und habe ohne Hilfsmittel und augenscheinliche Einschränkungen laufen können. Bereits dieser Widerspruch ist für den Senat nicht ansatzweise nachvollziehbar. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass laut antragstellerseitigem Vortrag die Krankheit der Antragstellerin nicht stringent verlaufe und es gute als auch schlechte Tage gebe. Denn die Widersprüche sind zu erheblich.
50
Weiter kann der Senat nicht nachvollziehen, dass der seitens des sozialpädagogisch-medizinischen Dienstes am 28.03.2024 erhobene Sachverhalt zum Zustand der Antragstellerin deutlich von den Darstellungen im Pflegegutachten vom 22.06.2023 abweicht. Denn den vorgelegten ärztlichen Unterlagen ist zu entnehmen, dass es bei der Antragstellerin zu Verschlechterungen ihres Gesundheitszustands gekommen sei. So ist dem Befundbericht von S vom 12.10.2024 zu entnehmen, dass sich der Gesundheitszustand der Antragstellerin seit Januar 2024 bis Mai 2024 „deutlich verschlechtert“ habe. Dies widerspricht aber den Feststellungen vom 28.03.2024. Obwohl die Antragstellerin dabei angegeben hat, dass sie spontan Unterstützung durch Familienangehörige wie Eltern, Schwester und Schwager erhalte und der Pflegedienst seine Tätigkeit Ende Februar 2024 eingestellt habe, habe die Antragstellerin einen gepflegten Eindruck gemacht. Es hätten sich äußerlich keine pflegerischen Defizite gezeigt. Sie habe weder fettige Haare noch unreine fettige Haut gehabt. Ihre Fingernägel wären sauber und gepflegt. Das Bett sei augenscheinlich ordentlich und sauber. Die Raumluft sei weder abgestanden noch mit Urin- oder Kotgeruch geschwängert. Die Wohnung sei sauber und ordentlich gewesen. Von ihrer körperlichen Beschaffenheit habe die Antragstellerin augenscheinlich keine äußeren Anzeichen von Unter- oder Mangelernährung gezeigt. Trotz der von der Antragstellerin angegebenen extremen Lichtempfindlichkeit sei die gesamte Wohnung und das Zimmer der Antragstellerin während des Bedarfsermittlungsgespräches nicht abgedunkelt gewesen. Trotz Angabe einer extremen Lärmempfindlichkeit habe die Antragstellerin das Gespräch während der gesamten Dauer in einer normalen Lautstärke führen können. Eine Lärmempfindlichkeit sei augenscheinlich nicht ersichtlich und ihr nicht anzumerken gewesen. Die Antragstellerin sei während des Gespräches wach, örtlich, sowie zeitlich orientiert gewesen. Sie habe dem Gespräch, welches über zwei Stunden gedauert habe, folgen können. Auf Fragen habe sie lang und umfangreich geantwortet, teils unter Bezugnahme auf verschiedene Diagnosen aus Arztberichten. Sie habe ihre Aussagen teilweise mit Fachausdrücken belegt. Es hätten sich keine Auffälligkeiten in Konzentration und Aufmerksamkeit gezeigt.
51
Kein anderes Ergebnis ergibt sich auch aus dem ärztlichen Bericht von Herrn B vom 03.12.2024. Denn dessen Ausführungen liegt eine ärztliche Untersuchung aus dem Oktober 2022 zugrunde. Eine bereits über zwei Jahre in der Vergangenheit liegende Untersuchung lässt jedoch keine verlässlichen Rückschlüsse auf die Gegenwart zu. Die Antragstellerin bestreitet zwar, dass die Ausführungen vollumfänglich auf die Untersuchung aus Oktober 2022 gestützt würden, da sich die Antragstellerin regelmäßig bei Herrn B in Behandlung und Untersuchung befinde. Dennoch bleibt festzustellen, dass die Ausführungen nur eine eigene Untersuchung im Oktober 2022 ausweisen. Dies stimmt auch mit dem Inhalt des Befundberichts von Herrn B vom 05.08.2024 überein, wonach sich die Antragstellerin im Oktober 2022 in seiner Praxis vorgestellt hat. Eine persönliche und ambulante Untersuchung aus dem Oktober 2022 vermag die dargestellten Zweifel des Senats aber nicht zu entkräften.
52
Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht aufgrund der von der Antragstellerin beim SG vorgelegten eidesstattlichen Versicherung vom 12.09.2024 und anderen vorgelegten Arztberichten. Denn die sich für den Senat ergebenden Widersprüche sind zu erheblich.
53
Zusammenfassend ist es für den Senat somit nicht überwiegend wahrscheinlich, dass ein Anordnungsanspruch in geltend gemachtem Umfang besteht.
54
Die vorhandenen Unstimmigkeiten gegenüber dem Vorbringen der Antragstellerin und einigen Arztberichten wie von S vom 12.10.2024 u.a. konnten während des Verfahrens auch nicht aufgeklärt werden. Eine gutachterliche Stellungnahme des sozialpädagogisch-medizinischen Dienstes des Antragsgegners, welche ggf. kurzfristig weitere Erkenntnisse hätte erbringen können, hat die Antragstellerin abgelehnt. Auch eine Begutachtung im Hauptsacheverfahren konnte aufgrund des Verhaltens der Antragstellerseite gegenüber dem Gutachter bislang nicht erfolgen. Ohne Hilfe der Antragstellerin sind aber weitere Ermittlungen des Antragsgegners zu den allein in ihrer Sphäre liegenden Gesundheitsverhältnissen nicht möglich.
55
Der Bedarf bzw. der Umfang der Hilfebedürftigkeit eines Hilfesuchenden ist eine anspruchsbegründende Tatsache, die nach den allgemeinen Beweislastgrundsätzen von der Antragstellerin nachzuweisen ist. Die objektive Beweislast für das Vorliegen eines entsprechenden Bedarfs trägt deshalb vorliegend die Antragstellerin.
56
Nach alledem war eine Bedürftigkeit der Antragstellerin über die Leistungen der Pflegekasse für den Pflegegrad 5 hinaus für den Senat nicht überwiegend wahrscheinlich.
57
Rein ergänzend weist der Senat darauf hin, dass auch das Vorliegen eines Anordnungsgrundes als äußerst fraglich erscheint. Zum einen ist die Antragstellerin nicht hilflos gestellt. Denn für sie wurde Pflegegrad 5 gewährt, weshalb sie Anspruch auf entsprechende Leistungen hat. Darüber hinaus ist aber auch der Vortrag der Antragstellerin zu einer besonderen Eilbedürftigkeit nicht schlüssig. Zunächst lehnt sie die Einrichtung eines Notrufsystems ab. Zwar hilft ihr dies – worauf das SG auch bereits hingewiesen hat – nicht bei regelhaften Verrichtungen. Aber die Einrichtung eines Notrufsystems würde zumindest bei den zuletzt von der Antragstellerin vorgetragenen lebendbedrohlichen Zuständen helfen. Dem SG ist zuzustimmen, dass es vor dem Hintergrund dieser von der Antragstellerin – auch im Beschwerdeverfahren – geschilderten, möglichen Notsituation nicht nachvollziehbar ist, warum die Antragstellerin ein Notrufsystem ablehnt. Darüber hinaus sind die Ausführungen zum Umfang der Hilfeleistungen durch ihre Familie nicht schlüssig. Während wiederholt vorgetragen worden ist, dass eine Pflege durch die Familie nicht mehr aufrechterhalten werden könne und nicht mehr sichergestellt sei, wird im Beschwerdeschriftsatz vom 18.12.2024 ausgeführt, dass der Pflegezustand der Antragstellerin allein darauf zurückzuführen sei, dass die Familienangehörigen einen Großteil der Unterstützung übernehmen würde. Diese Ausführungen widersprechen sich grundlegend.
58
Den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe hat das SG mangels hinreichender Erfolgsaussichten ebenfalls zu Recht abgelehnt.
59
Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.
60
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
61
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).