Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 24.10.2025 – 203 VAs 316/25
Titel:

Auswahl der Therapieform und -einrichtung durch die Vollstreckungsbehörde im Rahmen von § 35 BtMG

Normenketten:
BtMG § 35
EGGVG § 28 Abs. 3
Leitsätze:
1. Die Auswahl der Therapieform und der Therapieeinrichtung im Rahmen von § 35 BtMG unterliegt der Prüfung der Vollstreckungsbehörde. Hierbei muss die Vollstreckungsbehörde unter anderem die Persönlichkeit der verurteilten Person, die Dauer und Art ihrer Abhängigkeit, absolvierte Therapien, Rückfälle und Vorstrafen berücksichtigen und danach erwägen, ob die von der verurteilten Person vorgeschlagene Therapieeinrichtung als geeignet erscheint, der Drogenabhängigkeit wirksam zu begegnen. Hierfür kommen sowohl staatlich anerkannte als auch nicht staatlich anerkannte Einrichtungen in Betracht. Bei ihrer Entscheidung hat die Vollstreckungsbehörde einerseits der Offenheit des § 35 BtMG für unterschiedliche Therapiekonzepte Rechnung zu tragen, andererseits kann sie ungeeignete Einrichtungen oder Therapiemaßnahmen ablehnen. Hierfür ist eine umfassende Sachaufklärung erforderlich. (Rn. 13)
2. Der Sitz der Therapieeinrichtung im Ausland rechtfertigt die Ablehnung einer Zurückstellung nicht generell. Die Durchführung einer Therapie in einer im Ausland befindlichen Therapieeinrichtung kommt im Einzelfall in Betracht, wenn es sich um eine Einrichtung im (angrenzenden) europäischen Ausland handelt, wenn die betroffene Person Staatsangehörige dieses Staates ist, ihren Lebensmittelpunkt vor der Inhaftierung in diesem Land hatte und wenn sowohl der Therapieantritt als auch die Überwachung der Therapie durch eine Kooperationsvereinbarung mit der im Ausland befindlichen Therapieeinrichtung ausreichend gesichert erscheinen. (Rn. 17)
1. Der Vollstreckungsbehörde steht bei ihrer Entscheidung über die Zurückstellung der Strafvollstreckung zur Durchführung einer Drogentherapie gem. § 35 BtMG ein Ermessen und hinsichtlich der dabei zu prüfenden Tatbestandsvoraussetzungen ein Beurteilungsspielraum zu. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Liegen die Voraussetzungen von § 35 BtMG vor, ist das Ermessen der Vollstreckungsbehörde hinsichtlich der Rechtsfolge eingeschränkt und hat sich am Zweck des § 35 BtMG zu orientieren, drogenabhängige Straftäter aus dem Bereich kleiner und mittlerer Kriminalität im Interesse ihrer Rehabilitation zu einer Behandlung ihrer Abhängigkeit zu motivieren. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Betäubungsmittelabhängigkeit, Strafe, Zurückstellung, Therapie, Auswahl, Sachverhaltsaufklärung, Ermessen, Vollstreckungsbehörde, Therapieeinrichtung, Ausland
Fundstellen:
FDStrafR 2025, 032367
BeckRS 2025, 32367

Tenor

1. Auf Antrag der Verurteilten werden die Verfügung der Staatsanwaltschaft T. vom 03.06.2025 und der Bescheid des Generalstaatsanwalts in M. vom 04.07.2025 aufgehoben.
2. Die Staatsanwaltschaft T. wird verpflichtet, die Antragstellerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden.
3. Das Verfahren ist gebührenfrei. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin hat die Staatskasse zu tragen.
4. Der Geschäftswert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
5. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin verbüßt eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Traunstein vom 05.03.2025, rechtskräftig seit demselben Tage, wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Das Urteil enthält die Feststellung, dass die Tat aufgrund der Betäubungsmittelabhängigkeit der Antragstellerin begangen worden sei. Zweidrittel dieser Freiheitsstrafe werden am 27.06.2026 verbüßt sein, das Strafende ist für 07.05.2027 vorgemerkt. Das Amtsgericht Traunstein befürwortet die Zurückstellung der Strafvollstreckung.
2
Die Staatsanwaltschaft T. hat den Antrag der Verurteilten vom 30.05.2025 auf Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG mit Verfügung vom 03.06.2025 abgelehnt. Zwar liege ein Therapiekonzept vor, welches eine strukturierte Maßnahme erkennen lasse. Allerdings erfülle die im Ausland vorgesehene stationäre Therapie nicht die Anforderungen von § 35 BtMG, da die Maßnahme dort nicht ausreichend kontrolliert und überwacht werden könne. Auch könne nach den vorgelegten Unterlagen die Therapie im Hinblick auf Art, Dauer und Intensität nicht verlässlich beurteilt werden. Im Schreiben vom 04.06.2025 verweist die Staatsanwaltschaft ergänzend auf mehrere nicht erfüllte oder nicht prüfbare Kriterien, die für eine Bewilligung erfüllt sein müssten wie Krisenintervention, Beschäftigung von Psychologen/-innen und Sozialarbeitern/-innen, unangekündigte Suchtmittelkontrollen und wissenschaftlich anerkannte Methoden.
3
Die Antragstellerin hat mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 04.06.2025 Beschwerde gegen die ablehnende Verfügung eingelegt, welche sie mit weiterem Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 24.06.2025 begründete. Als ausländische Staatsangehörige mit Lebensmittelpunkt im Ausland erhalte die Antragstellerin in Deutschland keine Kostenzusage. Bei einer vergleichbaren Verurteilung in Österreich würde die Antragstellerin nach § 39 Suchtmittelgesetz einen Aufschub des Strafvollzugs in der Einrichtung Haus J. oder einer vergleichbaren Einrichtung erhalten. Der von der Staatsanwaltschaft herangezogene Kriterienkatalog sei damit nicht übertragbar. Eventuell dennoch offene Fragen hätte die Staatsanwaltschaft klären müssen anstatt den Antrag abzulehnen. Das Haus J. stehe für Auskünfte zur Verfügung.
4
Der Generalstaatsanwalt in M. hat mit Bescheid vom 04.07.2025 die Beschwerde der Verurteilten vom 04.06.2025 zurückgewiesen. Es sei eine vollständige Sachverhaltsklärung seitens der Staatsanwaltschaft T. erfolgt. Deren Entscheidung sei zutreffend. Ergänzend führte der Generalstaatsanwalt aus, dass Einrichtungen im Ausland nicht die Gewähr einer hinreichenden Kooperation mit der Justiz und der Erfüllung der Kontrollpflichten böten. Auch sei der Zugriff auf Verurteilte im Ausland im Falle eines Abbruches nur mit erheblichem Aufwand möglich.
5
Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 25.07.2025, eingegangen am selben Tage. Sie beantragt die Aufhebung der staatsanwaltschaftlichen Entscheidungen und deren Verpflichtung zu einer neuen Entscheidung. Der X. Y. sei in X bundesweit in der Suchtberatung tätig und unterhalte eigene stationäre Einrichtungen wie in J. Für diese Einrichtung bestehe eine Platz- und Kostenzusage. Für eine inländische Einrichtung könne die Antragstellerin als im Ausland lebende Ausländerin – ohne dass sie in die deutschen Renten- und Sozialkassen eingezahlt habe – keine Kostenzusage erhalten. Die Einrichtung in J. sei kooperationsbereit und die Antragstellerin würde eine unwiderrufliche Schweigepflichtentbindungserklärung vor Antritt der Therapie abgeben. Die gegenläufige Argumentation des Generalstaatsanwalts sei ermessensfehlerhaft. Auch hinsichtlich des Zugriffs auf die Antragstellerin im Falle eines Therapieabbruchs sieht diese nur geringe Nachteile der Auslandstherapie gegenüber derjenigen im Inland.
6
Die Generalstaatsanwaltschaft M. beantragte mit Schreiben vom 12.09.2025 den Antrag der Verurteilten auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zu verwerfen. Insbesondere sei die Unwiderruflichkeit einer Schweigepflichtentbindung nicht gewährleistet.
7
Am 29.09.2025 hat der Bevollmächtigte der Antragstellerin eine Gegenerklärung abgegeben, am 24.10.2025 hat er ein Schreiben der externen Suchtberatung vorgelegt.
II.
8
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid des Generalstaatsanwalts in M. vom 04.07.2025 ist nach § 23 EGGVG statthaft, er wurde gemäß § 26 Abs. 1 EGGVG form- und fristgerecht eingelegt und ist nach § 24 Abs. 2 EGGVG zulässig, da das erforderliche Vorschaltverfahren (§ 21 StVollstrO) durchgeführt worden ist.
III.
9
Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen. Die Verfügung der Staatsanwaltschaft T. vom 03.06.2025 und der Bescheid des Generalstaatsanwalts in M. vom 04.07.2025 legen mit Blick auf die Eignung der von der Antragstellerin gewählten Therapieeinrichtung keinen vollständig ermittelten Sachverhalt zugrunde (§ 28 Abs. 3 EGGVG), so dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist (§ 28 Abs. 1 S. 1 EGGVG). Die Staatsanwaltschaft T. hat erneut über die Zustimmung zur Zurückstellung der Vollstreckung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu befinden. Eine Entscheidung in der Sache selbst ist dem Senat nicht möglich.
10
1. a) Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung ist die Entscheidung der Staatsanwaltschaft T. in der Gestalt, die sie im Vorschaltverfahren (§ 24 Abs. 2 EGGVG, § 21 StVollstrO) durch den Bescheid des Generalstaatsanwalts in M. erhalten hat (Senat, Beschluss vom 09.12.2024 – 203 VAs 529/24, juris, Rn. 10; BayObLG, Beschluss vom 27.05.2021 – 204 VAs 131/21, juris, Rn. 17, m.w.N.; OLG Nürnberg, Beschluss vom 29.08.2007 – 2 VAs 5/07).
11
b) Der Vollstreckungsbehörde steht bei ihrer Entscheidung über die Zurückstellung der Strafvollstreckung zur Durchführung einer Drogentherapie gemäß § 35 BtMG ein Ermessen und hinsichtlich der dabei zu prüfenden Tatbestandsvoraussetzungen, nämlich die Feststellung einer Betäubungsmittelabhängigkeit, deren Kausalität für die Tat, der Therapiebereitschaft und der Therapiebedürftigkeit der Antragstellerin, ein Beurteilungsspielraum zu (Senat, Beschluss vom 09.12.2024 – 203 VAs 529/24, juris, Rn. 8, m.w.N.; BayObLG, Beschluss vom 26.08.2020 – 204 VAs 298/20, juris, Rn. 22, m.w.N.).
12
c) Gemäß § 28 Abs. 3 EGGVG hat der Senat die Entschließung der Vollstreckungsbehörde auf Rechtsfehler bei der Anwendung gesetzlicher Bestimmungen, auf Ermessensfehler, ob also die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten oder diese überschritten wurden und ob von dem Ermessen in einer dem Zwecke der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist, und darauf zu überprüfen, ob ihr ein zutreffend und vollständig ermittelter Sachverhalt unter Einhaltung der Grenzen des Beurteilungsspielraums zugrunde gelegt ist (BayObLG, Beschluss vom 26.08.2020 – 204 VAs 298/20, juris, Rn. 23; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 31.10.2008 – 2 VAs 16/08, juris, Rn. 6; OLG Koblenz, Beschluss vom 20.07.2017 – 2 VAs 15/17, juris, Rn. 8). Zur Ermöglichung dieser Prüfung muss die Vollstreckungsbehörde ihrem Bescheid einen zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt zugrunde legen und die maßgebenden Tatsachen und Erwägungen mitteilen. Bei unzureichender, lückenhafter Begründung muss der Bescheid aufgehoben werden (vgl. BayObLG, Beschluss vom 18.10.2024 – 204 VAs 325/24, nicht veröffentlicht; OLG Karlsruhe, Beschlüsse vom 11.11.2004 – 2 VAs 37/04, juris, Rn. 4; und vom 05.02.2002 – 2 VAs 51/01, juris, Rn. 4 und 5; OLG Nürnberg Beschluss vom 30.11.2015 – 2 VAs 11/15, juris, Rn. 22; Fabricius in: Patzak/Fabricius, BtMG, 11. Aufl. 2024, § 35 Rn. 398).
13
d) Liegen die Voraussetzungen von § 35 BtMG vor, dann hat die Vollstreckungsbehörde hinsichtlich der Rechtsfolge ein – sehr eingeschränktes – Ermessen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 15.04.2013 – 3 VAs 11/13, juris, Rn. 7; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 21.03.2011 – 2 VAs 3/11, juris, Rn. 6), welches sich am Zweck des § 35 BtMG, drogenabhängige Straftäter aus dem Bereich kleiner und mittlerer Kriminalität im Interesse ihrer Rehabilitation zu einer Behandlung ihrer Abhängigkeit zu motivieren, zu orientieren hat (OLG Karlsruhe, a.a.O.; Weber/Dietsch in: Weber/Kornprobst/Maier/Dietsch, 7. Aufl. 2025, BtMG § 35 Rn. 148, beck-online). Der Verurteilten steht kein Anspruch auf eine bestimmte Therapieform, Therapieeinrichtung oder auf Zuteilung an einen bestimmten Therapeuten zu (Fabricius, a.a.O., § 35 Rn. 135). Vielmehr unterliegt die Auswahl der Therapieform und der Therapieeinrichtung der Entscheidung der Vollstreckungsbehörde. Bei dieser Auswahl muss die Vollstreckungsbehörde unter anderem die Persönlichkeit der Verurteilten, die Dauer und Art ihrer Abhängigkeit, absolvierte Therapien, Rückfälle und Vorstrafen berücksichtigen und danach erwägen, ob die von der Verurteilten vorgeschlagene Therapieeinrichtung als geeignet erscheint, der Drogenabhängigkeit wirksam zu begegnen (OLG Karlsruhe, a.a.O.). Hierfür kommen sowohl staatlich anerkannte als auch nicht staatlich anerkannte Einrichtungen in Betracht (Fabricius, a.a.O., Rn. 138). Bei ihrer Entscheidung hat die Vollstreckungsbehörde einerseits der Offenheit des § 35 BtMG für unterschiedliche Therapiekonzepte Rechnung zu tragen (OLG Hamm, Beschluss vom 06.07.2010 – III – 1 VAs 39 – 42/10, juris, Rn. 34; OLG Karlsruhe, a.a.O.; Kornprobst in: Münchener Kommentar zum StGB, 4. Auflage 2022, § 35 BtMG, Rn. 87, beck-online), andererseits kann sie ungeeignete Einrichtungen oder Therapiemaßnahmen ablehnen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 31.10.2008 – 2 VAs 16/08, juris, Rn. 10 ff.; OLG Hamm, a.a.O., Rn. 34, 35). Hierfür ist eine umfassende Sachaufklärung erforderlich (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 21.03.2011, a.a.O., Rn. 7; Kornprobst, a.a.O., Rn. 89).
14
2. Unter Zugrundelegung dieses Prüfungsmaßstabs hält die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde rechtlicher Überprüfung nicht stand.
15
a) Die Vollstreckungsbehörde legt bei ihren Erwägungen ersichtlich die Betäubungsmittelabhängigkeit der Antragstellerin, deren Kausalität für die Tat, die Therapiebedürftigkeit der Antragstellerin und Therapiebereitschaft zu Grunde. Diese Annahmen sind nicht zu beanstanden.
16
b) Nicht tragfähig ist allerdings die Begründung der Vollstreckungsbehörde für die Annahme der Ungeeignetheit der von der Antragstellerin gewählten Therapieeinrichtung Haus J. Der Sitz der Therapieeinrichtung im Ausland rechtfertigt die Ablehnung einer Zurückstellung nicht generell. Statt dessen wäre eine umfassende Einzelfallprüfung zur Eignung der Therapieeinrichtung und der geplanten Therapie für die Behandlung der Antragstellerin unter Berücksichtigung der Vor- und Nachteile der im Ausland befindlichen Therapieeinrichtung durchzuführen gewesen. Die hierfür erforderlichen Fakten wurden indes nicht vollständig geklärt.
17
aa) Die Therapie im Rahmen von § 35 BtMG findet regelmäßig im Inland statt. Es erscheint aber im Einzelfall nicht ausgeschlossen, die Therapie in einer im Ausland befindlichen Therapieeinrichtung durchzuführen. Eine Therapie in einer ausländischen Einrichtung kommt dann in Betracht, wenn es sich um eine Einrichtung im (angrenzenden) europäischen Ausland handelt, wenn die betroffene Person Staatsangehörige dieses Staates ist, ihren Lebensmittelpunkt vor der Inhaftierung in diesem Land hatte und wenn sowohl der Therapieantritt als auch die Überwachung der Therapie durch eine Kooperationsvereinbarung mit der im Ausland befindlichen Therapieeinrichtung ausreichend gesichert erscheinen.
18
(1) Gegen die Auslandstherapie sprechen die Probleme, die sich bei der Überwachung des Therapieantritts und des Therapiefortschritts ergeben, wenn die Einrichtung im Ausland liegt. Auch entstehen gegenüber einer Inlandseinrichtung Erschwernisse im Falle eines Abbruches der Therapie (Fabricius in: Patzak/Fabricius, Betäubungsmittelgesetz, 11. Auflage 2024, § 35 Rn. 193; Kornprobst in: Münchener Kommentar zum StGB, 4. Auflage 2022, § 35 BtMG, Rn. 70; Weber/Dietsch in: Weber/Kornprobst/Maier/Dietsch, 7. Aufl. 2025, BtMG § 35 Rn. 100, beck-online).
19
(2) Für die – nach dem Gesetzeswortlaut von § 35 BtMG nicht ausgeschlossene – Therapieoption im Ausland spricht indes, dass die vor ihrer Verurteilung im Ausland lebende Person zwar in ihrem Heimatland eine Kostenzusage für eine Therapie erhalten kann, in aller Regel jedoch keine Zusage für eine Therapie im Inland, was häufig mangels einer für eine Bewährungsaussetzung günstigen Legalprognose zu einer Haftverbüßung bis zum Endstrafentermin führen wird, also einer Entlassung in die Freiheit in untherapiertem Zustand. Dies läuft dem Rehabilitierungs- und Resozialisierungsinteresse der verurteilten Person zuwider. Keine Therapie im Inland können auch Personen durchführen, denen die Freizügigkeit nach § 6 FreizügG/EU entzogen wurde oder die nach dem AufenthG ausgewiesen wurden. Für diese steht eine Sachbehandlung nach § 456a StPO im Raum, welche aber ebenfalls zu einer Haftentlassung im untherapierten Zustand führt. Auch hängt eine erfolgreiche Kontrolle des Beginns und des Verlaufs der Therapie von der konkreten Kooperationsbereitschaft und der Zuverlässigkeit der jeweiligen Einrichtung ab, welche die betroffene Person aufnehmen soll. Für die Eignung kann eine Einbindung der ausländischen Therapieeinrichtung in Verfahren, die dem Zurückstellungsverfahren nach §§ 35 ff. BtMG vergleichbar sind – wie § 39 des österreichischen Suchtmittelgesetzes (SMG) – sprechen, wenn die Einrichtung sich hierbei als zuverlässige Kooperationspartnerin der Justiz erwiesen hat. Von zentraler Bedeutung bleibt aber das Therapiekonzept, welches unabhängig von Standort der Therapieeinrichtung ist. Dieses muss ausreichend transparent feststehen, für die deutschen Justizbehörden nachvollziehbar sein und den konkreten Bedürfnissen der zu therapierenden Person entsprechen. Die Erschwernisse im Falle des Abbruches einer Therapie im Ausland, die im Übrigen auch entstünden, wenn sich die betreffende Person nach dem Abbruch einer Inlandstherapie ins Ausland absetzt, bedürfen der Abwägung mit den Vorteilen der Bewilligung einer Therapie im Ausland.
20
(3) Ein – vorliegend nicht gegebenes – Argument zu Gunsten einer Auslandstherapie läge darin, wenn sich eine verurteilte Person bereits in der ausländischen Therapieeinrichtung befinden würde. Denn eine erfolgreich laufende Therapie sollte nicht gestört werden (Bohnen/Schmidt in: BeckOK BtMG, 28. Ed. Stand 15.09.2025, § 35 Rn. 35; dort wird auch auf zwei Entscheidungen verwiesen, in welchen eine Zurückstellung für eine Auslandstherapie erfolgt ist: LG Kleve, Beschluss vom 24.02.2000 – 1 KLs 76/99, StV 2000, 325 für Österreich und LG Trier, Beschluss vom 26.11.2021 – 8031 VRs 24537/20, BeckRS 2021, 37436 für Belgien; in der Kommentierung wird auch auf die Möglichkeit der Abgabe der Vollstreckung nach dem Überstellungsübereinkommen hingewiesen, Rn. 35.1).
21
bb) Daran gemessen steht die Bewilligung einer Auslandstherapie im Raum, da die Antragstellerin als x Staatsangehörige mit Wohnsitz (vor ihrer Inhaftierung) in X eine Therapie in ihrem Heimatland anstrebt, kooperationsbereit ist, umfangreiche Unterlagen zur Therapieeinrichtung der Therapie vorgelegt hat und im Rahmen ihrer Antragstellung angeboten hat, eventuell bestehende Hindernisse für eine Bewilligung zu beseitigen. Nachdem zentrale Fragen zur Eignung der Einrichtung Haus J. offen geblieben sind, kann die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde keinen Bestand haben.
22
(1) Die Antragstellerin hat das 25-seitige Therapeutische Basiskonzept des x Vereins X. Y. eingereicht, welches einschließlich wissenschaftlicher Grundlagen das dort praktizierte Behandlungsmodell erläutert. Vorgelegt wurden auch 12-seitige Ausführungen zur Konzeptumsetzung in den Einrichtungen des Vereins mit Sitz in W. zu denen auch das Haus Schloss J. (S.) gehört. In diesen Unterlagen bleiben aber Fragen offen. So sieht die Vollstreckungsbehörde zu Recht Klärungsbedarf bei der Kontrolle und Überwachung der Patienten. Auch ergibt sich aus den Unterlagen weder der Umgang mit Krisen, noch ob und in welchen Abständen unangemeldete Suchtmittelkontrollen stattfinden. Ebenso haben die Fragen der Vollstreckungsbehörde zum Personal und zu den Methoden ihre Berechtigung.
23
(2) Diese offenen Fragen stellen allerdings keinen tragfähigen Ablehnungsgrund dar. Vielmehr wären diese zu klären gewesen, entweder durch eigene Ermittlungen der Vollstreckungsbehörde (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 21.03.2011 – 2 VAs 3/11, juris, Rn. 10; Kornprobst, a.a.O., § 35 BtMG, Rn. 89), jedenfalls hätte man der Antragstellerin Gelegenheit geben müssen, ergänzende Unterlagen vorzulegen.
IV.
24
1. Gerichtskosten sind für den erfolgreichen Antrag nicht angefallen (§ 25 Abs. 1 GNotKG i.V.m. Nr. 15300 KV GNotKG und Nr. 15301 KV GNotKG).
25
Der Senat erachtet es für sachgerecht, die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, der Staatskasse aufzuerlegen (§ 30 Abs. 1 S. 1 EGGVG).
26
2. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.
27
3. Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen (§ 29 Abs. 2 EGGVG), da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.