Inhalt

OLG München, Beschluss v. 19.11.2025 – 34 Wx 271/25 e
Titel:

Beschwerde, Eintragung, Gesellschafterversammlung, Anfechtungsklage, Frist, Gesellschafter, Zustimmung, Betreuerbestellung, Gesellschaftsvertrag, Einziehung, Satzung, Anmeldung, FamFG, Handelsregister, Eintragung in das Handelsregister, Beschluss der Gesellschafterversammlung, gesetzliche Regelung

Normenkette:
GmbHG § 54, § 57a, § 34
Leitsätze:
1. Zum Umfang der Prüfungskompetenz des Registergerichts im Falle de Satzungsneufassung einer GmbH.
2. Eine Klausel in der Satzung einer GmbH, wonach im Falle des Versterbens eines Gesellschafters dessen Geschäftsanteil durch Beschluss der Gesellschafterversammlung eingezogen werden kann, ist nicht schon deswegen nichtig bzw. unwirksam, weil in de Satzung keine Frist für den Einziehungsbeschluss festgelegt ist.
Schlagworte:
Beschwerde, Eintragung, Gesellschafterversammlung, Anfechtungsklage, Frist, Gesellschafter, Zustimmung, Betreuerbestellung, Gesellschaftsvertrag, Einziehung, Satzung, Anmeldung, FamFG, Handelsregister, Eintragung in das Handelsregister, Beschluss der Gesellschafterversammlung, gesetzliche Regelung
Fundstelle:
BeckRS 2025, 32365

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beteiligten wird der Beschluss des Amtsgerichts Kempten – Registergericht – vom 4.9.2025 aufgehoben.
2. Das Amtsgericht Kempten – Registergericht – wird angewiesen, die Anmeldung vom 14.10.2024 (UVZ-Nr. …/2024 der Notarin … in …) zu vollziehen.

Gründe

I.
1
Die Beteiligte, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung in der Form einer Unternehmergesellschaft, ist seit 12.7.2019 mit einem Stammkapital von 2.000,- € im Handelsregister eingetragen.
2
Die Gesellschafterversammlung vom 7.5.2024 beschloss die Erhöhung des Stammkapitals um 48.000,- € auf 50.000,- €, die Änderung des Rechtsformzusatzes von UG (haftungsbeschränkt) in GmbH sowie eine Neufassung der Satzung. Die Beschlüsse wurden von dem Geschäftsführer mit notariell beglaubigter Anmeldung vom 14.10.2024 zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet, die Anmeldung wurde von der Urkundsnotarin am 5.11.2024 beim Registergericht eingereicht.
3
§ 7 der neugefassten Satzung lautet auszugsweise wie folgt:
„Einziehung von Geschäftsanteilen
1. Die Einziehung von Geschäftsanteilen kann mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters jederzeit erfolgen.“
2. Die Einziehung eines Geschäftsanteils kann ohne Zustimmung des betroffenen Gesellschafters durch Beschluss der Gesellschafterversammlung erfolgen
a)
e) wenn für den Gesellschafter ein Betreuer bestellt wird,
f) wenn der Gesellschafter verstirbt.
4
Mit Schreiben an die Notarin vom 8.11.2024 wies das Registergericht darauf hin, dass die Klausel, dass die Zwangseinziehung bei Betreuerbestellung zulässig sei, zu unbestimmt und damit unzulässig sei. Nach darauf folgendem Meinungsaustausch mit der Notarin erließ das Registergericht am 9.12.2024 eine Zwischenverfügung, wonach an der Beanstandung des Einziehungsgrundes „Bestellung eines Betreuers“ auch nach nochmaliger Prüfung der Sach- und Rechtslage festgehalten werde.
5
Am 27.03.2025 erließ das Registergericht eine weitere Zwischenverfügung. Es stehe ein weiteres Vollzugshindernis entgegen. Die Satzungsneufassung statuiere den Zwangseinziehungsgrund des Todes eines Gesellschafters, ohne dass für die Geltendmachung des Einziehungsgrundes eine Frist vorgesehen sei. Die Rechtsprechung des BGH sei so zu verstehen, dass die zwangsweise Ausschließung eines neuen Gesellschafters, die an das Versterben des früheren Gesellschafters respektive die Vererbung des Geschäftsanteils anknüpfe, zwingend mit einer angemessenen Frist zu versehen sei. Andernfalls sei die Klausel sittenwidrig und nichtig.
6
Die von der Beteiligten gegen die beiden Zwischenverfügungen eingelegten Beschwerden hat der Senat mit Beschlüssen vom 8.5.2025 (Az.: 34 Wx 99/25 e) und 12.6.2025 (34 Wx 133/25 e) jeweils als unzulässig verworfen.
7
Mit Beschluss vom 4.9.2025 wies das Registergericht die Anmeldung vom 14.10.2024 zurück. Von der Beanstandung hinsichtlich einer Betreuerbestellung in der Satzungsneufassung werde Abstand genommen. Die gerügte Zwangseinziehungsklausel beim Tode eines Gesellschafters stelle nach Überzeugung des Gerichts nach wie vor ein Eintragungshindernis dar.
8
Hiergegen wendet sich die Beteiligte mit ihrer Beschwerde vom 8.10.2025. Die Gesellschafter hätten Vertragsfreiheit bezüglich der beschlossenen Satzung, es bestehe Satzungsautonomie. Eine zwingende Verbotsnorm sei nicht vorhanden. Ein Rechtseingriff in Rechte des Gesellschafters erfolge nicht durch die freiwillig eingegangene Satzungsänderung, sondern gegebenenfalls erst durch eine ausführende Beschlussfassung der Gesellschafter. Unklar sei dann außerdem, wie der Fall gelöst werden könnte, wenn sich z.B. die nachlassgerichtliche Entscheidung hinzieht und die Frist zur Einziehung, die in der Satzung vorgesehen ist, schon abgelaufen ist. Es sei eine „kann“-Regelung vorgesehen, ohne Frist gelten die allgemeinen Verwirkungsklauseln.
9
Das Registergericht hat mit Beschluss vom 13.10.2025 nicht abgeholfen. Die Frist zur Ausübung des Zwangseinziehungsrechts könne sinnvollerweise an die Kenntnis von der Person des/der Erben geknüpft werden. So komme den Mitgesellschaftern ein Zeitraum zur Prüfung des Ausschlusses des/der neuen Gesellschafter zu, der Schwebezustand, in den sich der/die neuen Gesellschafter befinden, ende jedoch zu einem festgelegten Zeitpunkt. Nach Auffassung des Gerichts stehe (nur) dann die Zwangseinziehung nicht einer freien Hinauskündigungsklausel zulasten der neuen Gesellschafter gleich. Eine freie Hinauskündigungsklausel wäre auch unter dem Gesichtspunkt der Vertragsfreiheit nicht zulässig, sondern sittenwidrig und damit nichtig, wie auch die beanstandete Zwangseinziehungsklausel.
II.
10
Die zulässige Beschwerde der Beteiligten hat auch in der Sache Erfolg.
11
1. Die Beschwerde ist zulässig. Gegen den einen Eintragungsantrag zurückweisenden Beschluss ist die Beschwerde gemäß §§ 58 Abs. 1, 382 Abs. 3 FamFG statthaft. Sie wurde nach §§ 63 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1, 64 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Sätze 1 und 3 FamFG form- und fristgerecht beim Ausgangsgericht eingelegt.
12
2. Die Beschwerde ist auch begründet. Die beanstandete Regelung in § 7 Nr. 2 f) der Satzungsneufassung hindert die Eintragung nicht.
13
a) Bei Satzungs- bzw. Gesellschaftsvertragsänderungen besteht ein Prüfungsrecht des Registergerichts hinsichtlich etwaiger Gesetzesverletzungen. Eine vollständige Prüfung des Gesellschaftsvertrages erfolgt, wenn im Weg der Neufassung der gesamte Vertrag neu beschlossen wurde. Bei der Prüfung einer Änderung des Gesellschaftsvertrages ist das Registergericht nicht an die Beschränkungen des § 9c Abs. 2 GmbHG gebunden (KG BeckRS 2005, 12447; Krafka Registerrecht 12. Aufl. Rn. 162, 1031 ff.). Der Inhalt des Satzungsänderungsbeschlusses ist auf das Vorliegen von Nichtigkeits- oder Unwirksamkeitsgründen zu prüfen. Hinsichtlich eines anfechtbaren Satzungsänderungsbeschlusses umfasst die registerrechtliche Prüfung lediglich Fälle des Verstoßes des Beschlussinhalts gegen zwingende Vorschriften des GmbHG. Demgegenüber bleibt die Geltendmachung von sonstigen zur Anfechtbarkeit führenden Verstößen den Gesellschaftern überlassen, die zu diesem Zweck Anfechtungsklage erheben können (MüKoGmbHG/Harbarth 5. Aufl. § 54 Rn. 69). Das Gericht kann auch nicht die bloße Unzweckmäßigkeit von Änderungen des Gesellschaftsvertrages rügen. Dies gilt grundsätzlich auch hinsichtlich einer Kontrolle, ob geänderte Satzungsteile offensichtlich unklar oder widersprüchlich sind, wenn diese nur gesellschaftsinterne Bedeutung haben, somit für außenstehende Dritte nicht bedeutsam sind (BayObLG NJW-RR 1993, 494).
14
b) Zutreffend hat das Registergericht daher eine entsprechende Überprüfung der Satzungsneufassung vorgenommen. Entgegen der Auffassung des Registergerichts ist allerdings nicht davon auszugehen, dass die beanstandete Regelung in § 7 Nr. 2 f) der neugefassten Satzung nichtig bzw. unwirksam ist.
15
aa) Die Einziehung von Geschäftsanteilen darf nur erfolgen, soweit sie im Gesellschaftsvertrag zugelassen ist, § 34 Abs. 1 GmbHG. Gemäß Abs. 2 der Vorschrift findet ferner die Einziehung ohne Zustimmung des Anteilsberechtigten nur statt, wenn die Voraussetzungen derselben vor dem Zeitpunkt, in welchem der Berechtigte den Geschäftsanteil erworben hat, im Gesellschaftsvertrag festgesetzt waren. Eine gesetzliche Regelung, wonach bei einer für den Todesfall eines Gesellschafters im Gesellschaftsvertrag eingeräumten Einziehungsmöglichkeit zugleich eine Frist zur Ausübung gesellschaftsvertraglich festgelegt werden müsse, existiert nicht. Das Gesetz sieht auch keine gesetzlichen Schranken zur Geltendmachung einer Zwangseinziehung vor (Lutter/Hommelhoff/Kleindiek GmbHG 21. Aufl. § 34 Rn. 62).
16
bb) Nach ganz herrschender Ansicht muss der Einziehungsbeschluss allerdings innerhalb angemessener Zeit nach Eintritt der Einziehungsvoraussetzungen gefasst werden, weil anderenfalls eine Schwebelage eintritt, die der Situation bei Zulassung der freien „Hinauskündigung“ vergleichbar sein kann (BGH NJW 1989, 834; OLG Düsseldorf ZIP 2007, 2418; OLG München NZG 2023, 573; OLG München FHZivR 30 Nr. 4726; Henssler/Strohn/Fleischer GmbHG 6. Aufl. § 34 Rn. 9; Habersack/Casper/Löbbe GmbHG 4.  Aufl. § 15 Rn. 17; BeckOGK/Tiling/Poelzig Stand: 1.6.2025 § 34 GmbHG Rn. 117). Wird eine Einziehung aus wichtigem Grund nicht binnen angemessener Frist nach Kenntnis aller Gesellschafter vom Einziehungsgrund durchgeführt, kann im Rahmen der Ermittlung des wichtigen Grundes hieraus geschlossen werden, dass der weitere Verbleib des jeweiligen Gesellschafters in der Gesellschaft den jeweiligen Gesellschafter auch zumutbar ist (BeckOK GmbHG/Schindler Stand: 1.11.2024 § 34 Rn. 45). Ferner bildet das Rechtsinstitut der Verwirkung eine weitere Grenze der an sich zulässigen Einziehung (MHLS/Sosnitza GmbHG 4. Aufl. § 34 Rn. 115; MüKoGmbHG/Strohn/Fleischer 5. Aufl. § 34 Rn. 23; Wicke GmbHG 5. Aufl. § 34 Rn. 12; Scholz GmbHG 13. Aufl. § 34 Rn. 43; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek a.a.O.). Zeitlich unbeschränkte Ausschließungsrechte stellen grundsätzlich – vorbehaltlich eines besonderen sachlichen Rechtfertigungsgrundes – einen Verstoß gegen § 138 BGB dar (Habersack/Casper/Löbbe a.a.O.).
17
cc) Nach Maßgabe dieser Grundsätze geht der Senat nicht davon aus, dass die beanstandete Klausel nichtig oder unwirksam ist. Zwar enthält der Gesellschaftsvertrag keine Frist zur Ausübung des Einziehungsrechts im Falle des Versterbens eines Gesellschafters. Dies ist aber nicht gleichzusetzen mit einer unbefristeten Ausübungsmöglichkeit. Insoweit unterscheidet sich die vorliegende Regelung auch grundlegend von der vom Registergericht erwähnten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 1989, 834). Dort war im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich festgelegt, dass die eingeräumte Kündigungsmöglichkeit nicht an eine Frist gebunden sein sollte. Vorliegend dagegen fehlt jegliche Festlegung hinsichtlich einer Ausübungsfrist für die Einziehung. Selbst in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall hat dieser die dortige Regelung in entsprechender Anwendung des § 139 BGB als zeitlich begrenztes Ausschließungsrecht aufrechterhalten (BGH NJW 1989, 834/835). Dies muss erst recht gelten, wenn die Satzung sich zu einer zeitlichen Ausübung überhaupt nicht verhält (MHLS/Sosnitza § 34 Rn. 44). Einen Verstoß gegen § 138 BGB vermag der Senat in dieser Konstellation nicht zu erkennen, auch wenn dem Registergericht zuzugeben ist, dass die Festlegung einer Frist für die Ausübung des Einziehungsrechts angesichts der von Rechtsprechung und Literatur entwickelten Grundsätze unter Umständen sinnvoll wäre. Offenbleiben kann auch, ob die Regelung anfechtbar ist. Nach den oben angeführten Maßgaben unterliegt dies nicht der Prüfungskompetenz des Registergerichts.
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3. Gegen die Eintragung der Kapitalerhöhung sowie der mit der Satzungsneufassung verbundenen Änderungen bestehen ansonsten keine weiteren Bedenken. Die Anforderungen der §§ 54, 57 GmbHG sind im Übrigen erfüllt. Mängel in der Beschlussfassung sind nicht ersichtlich, wobei auch insoweit ein lediglich anfechtbarer Beschluss einzutragen wäre (BGH NJW 2023, 1350 Rn. 52), jedenfalls sofern noch keine Anfechtungsklage erhoben wurde (Krafka Rn. 1025).
III.
19
Im Hinblick auf den Erfolg der Beschwerde ist eine Entscheidung zur Kostentragung nicht veranlasst, § 25 Abs. 1 GNotKG. Daher bedarf es auch keiner Festsetzung des Geschäftswerts nach § 79 Abs. 1 GNotKG.