Inhalt

FG München, Urteil v. 28.08.2025 – 10 K 332/23
Titel:

Berücksichtigung von Verlusten aus Warentermingeschäften als Betriebsausgabe im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes

Normenketten:
EStG § 4 Abs. 4, § 13 Abs. 1 S. 1, § 15 Abs. 4 S. 3, § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Buchst. a , § 32d Abs. 1
AO § 164 Abs. 2
HGB § 254
FGO § 135 Abs. 1
Leitsatz:
Der Steuerpflichtige kann grundsätzlich frei entscheiden, welche Aufwendungen er für seinen Betrieb tätigen will, da für die betriebliche Veranlassung der allgemeine Zusammenhang mit dem Betrieb durch Schaffen günstiger Rahmenbedingungen genügt (BFH-Urteil vom 18. September 1984 VIII R 324/82, BFHE 142, 251, BStBl II 1985, 92, BeckRS 1984, 22006999 ).  (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Gewinnermittlung, Keine betriebliche Berücksichtigung von Verlusten aus Warentermingeschäften, wenn diese objektiv nicht geeignet sind ein Betriebsrisiko abzusichern.
Fundstellen:
StEd 2025, 572
EFG 2025, 1732
LSK 2025, 32349
BeckRS 2025, 32349

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe

I.
1
Streitig ist die Berücksichtigung von Verlusten aus Warentermingeschäften (European-Processing-Potato-Future) als Betriebsausgabe im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes.
2
Die Kläger erzielten in den Streitjahren u.a. Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Die Ehegatten hatten ein abweichendes Wirtschaftsjahr vom 1. Juli bis 30. Juni des Folgejahres und ermittelten ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich.
3
Der Kläger baute u.a. Kartoffeln an, die er überwiegend an die X GmbH (X), die Pommes frites herstellt, verkaufte. Hierzu schloss er jeweils 1 bis 5 Jahre umfassende Kartoffellieferverträge ab, mit denen er sich verpflichtete, eine bestimmte Kartoffelmenge zu einem bestimmten Preis zu liefern. Sollte die Liefermenge aufgrund von Ernteausfällen nicht eingehalten werden können, wurden nach Angaben des Klägers Vertragsstrafen vereinbart. Teilweise wurden in den Verträgen feste Lieferzeiten festgelegt, teilweise war eine jährliche Liefermenge vereinbart, wobei sich die Preise je nach Lieferdatum änderten. Für die Kartoffeln aus der Ernte 01 ergaben sich für den Kläger gegenüber der X Lieferverpflichtungen in Höhe von 23.000 Dezitonnen (dt).
4
Der zweitgrößte Abnehmer für Kartoffeln war die Y GmbH (Y). Bei den Verträgen mit der Y handelte es sich um Vertragsanbau. Im Falle der Nichterfüllung der vertraglichen Verpflichtungen war der Kläger gemäß Ziffer 1h des Vertrages zum Ersatz der Mehrkosten verpflichtet, die durch die notwendigen Deckungskäufe entstehen würden. Die Liefermenge belief sich ausweislich des vorgelegten Vertrages auf 2.000 Dezitonnen für den Monat September. Dieser Vertrag betraf zwar das Vorjahr, nach Angaben des Klägers seien hier jedoch keine wesentlichen Änderungen eingetreten.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird – soweit sie vorgelegt wurden – auf die Kartoffellieferverträge verwiesen.
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Neben den Lieferverträgen schloss der Kläger von Juni 01 bis 1. April 02 Warentermingeschäfte (Kartoffel-Futures – EEX European Processing Potato Futures –) ab. Den Basiswert dieser Kontrakte bildete der European Processing Potato Index. Das Kontraktvolumen je Future beläuft sich auf 25 Tonnen. Die Erfüllung der Geschäfte erfolgte im Wege des Barausgleichs und berechnete sich aus der Differenz zwischen dem Schlussabrechnungspreis und dem Abrechnungspreis des Börsenvortages. Letzter Handelstag ist in den Fälligkeitsmonaten April und November der Börsentag vor dem letzten Freitag des Monats, im Fälligkeitsmonat Juni der Börsentag vor dem ersten Freitag des Monats. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Kontraktspezifikationen der European Energy Exchange AG (EEX) verwiesen.
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Dabei schloss der Kläger Warentermingeschäfte ab (Kauf von Kartoffel-Futures), deren Glattstellungen im Ergebnis im Wirtschaftsjahr 01/02 insgesamt zu Verlusten führten. Aus diesen Geschäften resultierte ein Verlust im Wirtschaftsjahr 01/02 in Höhe von […] € (darin enthalten sonstige Entgelte in Höhe von […] €).
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Zum xx. November 01 stellte der Kläger einen Kontrakt mit Laufzeit November 01 zu einem Kurs von 14,5 € und einem Einstandskurs von 12,3 € (je 100 kg) glatt. Hieraus resultierte ein Gewinn von 550 € (ohne Transaktionskosten) sowie Transaktionskosten in Höhe von 74 € (Abrechnungen A-Bank; Seite 45 BP-Akte Warentermingeschäfte).
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Zwischen dem xx. März 02 und dem xx. April 02 stellte der Kläger insgesamt 62 Kontrakte mit Laufzeit April 02 zu Kursen zwischen 10,7 € und 11,5 € (je 100 kg) glatt. Hieraus resultierte ein rechnerischer Verlust in Höhe von […] € (ohne Transaktionskosten) sowie Transaktionskosten in Höhe von […] € (Abrechnungen der A-Bank; Seite 20 ff BP-Akte Warentermingeschäfte). Die Transaktionskosten aus den Kaufgeschäften wurden ausweislich der in der BP-Akte befindlichen Excelaufstellung bereits im WJ 01/02 geltend gemacht.
10
Zum Fälligkeitszeitpunkt xx. Juni 02 stellte der Kläger 64 Kontrakte mit Laufzeit Juni 2014 zu einem Kurs von 5,9 € (je 100 kg) glatt. Hieraus resultierte ein rechnerischer Verlust in Höhe von […] € (ohne Transaktionskosten) sowie Transaktionskosten in Höhe von […] € (Abrechnungen der A-Bank; Seite 34 ff BP-Akte Warentermingeschäfte).
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Für die Warentermingeschäfte wurden Konten bei der A-Bank eingerichtet. In den Kontoeröffnungsunterlagen vom xx. Januar 01 wurde bei der A-Bank als Vermögensart zunächst „Privatvermögen“ angekreuzt; dies wurde später zu einem nicht erkennbaren Zeitpunkt durchgestrichen und durch „Betriebsvermögen“ ersetzt. Mit Schreiben der A-Bank vom xx. November 05 bestätigte die A-Bank dem Kläger, dass seine „3 Konten für den Warenterminhandel bei der A-Bank ab Beginn der Geschäftsbeziehung am […] betrieblich geführt wurden“.
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Auf den Konten der A-Bank wurden die Gebühren und Provisionen für den Abschluss und die Glattstellung der Warentermingeschäfte, die Sicherheitsleistungen („Initial Margin“), die laufend ermittelten Differenzen zwischen Tageskurs und dem Kaufkurs der Option („Variation Margin“) und die Differenzen vom Glattstellungstag belastet. Sobald das A-Bank-Konto nicht ausreichend gedeckt war, wurde das zur Deckung notwendige Geld automatisch vom betrieblichen Konto auf das Konto bei der A-Bank umgebucht.
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Die laufende Buchführung der Kläger erstellte die Klägerin im Betrieb; die Abschlüsse wurden von einem Steuerberater gebucht. Die Vorgänge auf den Konten der A-Bank wurden nicht im Rahmen der laufenden Buchhaltung gebucht, sondern auf Excel festgehalten. In der laufenden Buchhaltung wurden jedoch die Zahlungen vom betrieblichen Konto auf die Konten bei der A-Bank gebucht.
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Diese Zahlungen wurden in der Buchhaltung auf die beiden Bilanzkonten „948 Terminmarktkonto“ und „959 Terminmarktkonto“ gebucht. Das Konto 948 wurde in der Buchhaltung den „Forderungen und sonstigen Vermögensgegenständen“ zugeordnet, das Konto 959 den „Wertpapieren“ (ersichtlich aus der Datei „Kontennachweis Bilanz“). Auf dem Konto 948 wurden mit Buchungsdatum vom 9. Mai 2014 […] € und mit Buchungsdatum vom xx. Juni 02 … € als Verlust aus Kartoffelkontrakten auf das Gegenkonto „661 Außerordentliche Aufwendungen“ gebucht. Auf dem Konto 959 wurden mit Buchungsdatum vom xx. Juni 02 […] € als Verlust aus Kartoffelkontrakten auf das Gegenkonto „661 Außerordentliche Aufwendungen“ gebucht. Die gebuchten Verluste resultieren ausweislich der Buchungsvermerke aus den aufgrund der Margin Verpflichtungen erforderlichen Deckungsbeiträgen (Seite 94 BPAkte Warentermingeschäfte). In der Summe ergeben die Buchungen einen Verlust in Höhe von […] €.
15
Mit Bescheid vom xx. August 03 setzte das beklagte Finanzamt (FA) die Einkommensteuer für das Jahr 01 auf […] € fest. Mit Bescheid vom xx. August 04 setzte das FA die Einkommensteuer für das Jahr 02 auf […] € fest. Abweichungen im Hinblick auf die erklärten Einkünfte erfolgten – soweit erkennbar – nicht. Die Bescheide ergingen jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
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Mit Prüfungsanordnung vom xx. April 05 ordnete das FA beim Kläger eine Außenprüfung Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer die Jahre […] betreffend an.
17
Auf die im Rahmen des Prüfungsverfahrens eingeholte Stellungnahme des Landesamtes für Steuern vom […] wird hinsichtlich der Einzelheiten verwiesen. Im Wesentlichen führte das Landesamt für Steuern aus, die Geschäfte seien einerseits nicht dazu bestimmt, das Betriebskapital zu stärken, da es sich um keine Anlage mit langfristigen Renditen, sondern um eine spekulative Anlage handele; ohnehin könne die erworbene Kaufoption, die auf einen Differenzabgleich am Glattstellungstag gerichtet sei, nicht in jedem Fall das wirtschaftliche Risiko von Ernteausfall oder Lagerschäden kompensieren. Ein derartiges Geschäft sei nur geeignet das Preisrisiko abzusichern. Und auch diese Absicherung könne nicht über den vom Kläger vorgenommen Kauf der Kontrakte erfolgen. Hierzu wäre der Verkauf der entsprechenden Kontrakte erforderlich gewesen.
18
Andererseits seien die Termingeschäfte vom Steuerpflichtigen nicht in der laufenden Buchführung erfasst; eine Erfassung in einer Excel-Tabelle und die Buchung in Salden im Rahmen der Jahresabschlussbuchungen erfüllten die entsprechenden Vorgaben nicht. Die Verluste seien im Rahmen des § 20 Abs. 2 Nr. 3a Einkommensteuergesetz (EStG) zu berücksichtigen.
19
Dieser Ansicht schloss sich der Prüfer an und führte im Betriebsprüfungsbericht vom […], auf den hinsichtlich der weiteren Einzelheiten verwiesen wird, u.a. im Wesentlichen aus, es liege im Streitfall kein Zusammenhang der Warentermingeschäfte mit dem landwirtschaftlichen Betrieb vor, weil diese keine Absicherung von Grundgeschäften darstellten, weil sie lediglich ein Kursrisiko, nicht aber ein Lieferrisiko ausglichen. Zudem liege kein konkreter Zusammenhang der einzelnen Verkaufsverträge mit den einzelnen Warentermingeschäften vor. Selbst wenn ein Absicherungsgeschäft vorläge, wäre zum einen eine Zuordnung zum Betriebsvermögen wegen des spekulativen Charakters nicht möglich und im Übrigen nicht nachvollziehbar, wann die endgültige Einbuchung tatsächlich erfolgt sei, die auch nicht – wie erforderlich – vollumfänglich erfolgt sei. Eine Festschreibung der Termingeschäfte in der laufenden Buchführung habe nicht festgestellt werden können. Eine entsprechende Datei sei auf dem überlassenen Datensatz nicht enthalten gewesen. Ebenso sei auf den überlassenen Daten keine Vermerkspalte zur „endgültigen Verbuchung“ ersichtlich. Dies gelte auch für das Folgewirtschaftsjahr 02/03, in dem zwar das Erfassungs- und Belegdatum, aber nicht das Datum der endgültigen Verbuchung vermerkt sei.
20
Aufgrund der Feststellungen der Außenprüfung setzte das FA mit nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geänderten Bescheiden vom […], jeweils unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung, die Einkommensteuer für 01 auf […] € und für 02 auf […] € fest. Dabei ließ es u.a. Verluste in Höhe von […] € aus Warentermingeschäften in 02 bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft nicht zum Abzug zu. Im Jahr 02 verrechnete das FA hingegen laufende Verluste aus Kapitalvermögen in Höhe von […] € und berücksichtigte Kapitalerträge beim Kläger in Höhe von 0 €.
21
Dagegen legten die Kläger Einsprüche ein und begehrten die Berücksichtigung der Verluste aus Warentermingeschäften im Wirtschaftsjahr 01/02. Zum Zeitpunkt der Vertragsabschlüsse seien die Geschäfte an der Warenterminbörse subjektiv und objektiv geeignet gewesen, dem Betrieb zu dienen. Sie seien keine branchenuntypischen oder wesensfremden Geschäfte. Zu keinem Zeitpunkt habe eine Übersicherung der Kontrakte an der Warenterminbörse (maximale Absicherung 35%) vorgelegen. Die Kläger hätten sogar befürchten müssen, durch Vertragsstrafen oder durch Ersatzkäufe auf dem regionalen Markt höher belastet zu werden, wodurch erhebliche Transaktionskosten (z.B. Transportkosten) angefallen wären. Zum Zeitpunkt der Zeichnung der Optionsscheine seien diese objektiv oder subjektiv geeignet gewesen, den landwirtschaftlichen Betrieb, insbesondere die Urproduktion Kartoffelanbau, zu stärken.
22
Mit Einspruchsentscheidung vom […] wurden die Einsprüche zurückgewiesen.
23
Zur Begründung der dagegen gerichteten Klage tragen die Kläger im Wesentlichen Folgendes vor: Von den Ackerbaueinnahmen des Landwirtschaftsbetriebes des Klägers entfielen in den Wirtschaftsjahren […] zwischen 68% und 83% auf den Kartoffelanbau. Dem Kartoffelanbau lägen zu ca. 90% Anbau- und Abnahmeverträge mit verschiedenen Abnehmern und einer Laufzeit von 1 bis 5 Jahren zugrunde. Danach sei der Kläger verpflichtet, jährlich eine bestimmte Menge selbst hergestellter Kartoffeln zu einem festgelegten Preis zu liefern. Bei Nichterfüllung der Lieferverpflichtungen könne jedenfalls der Abnehmer X Vertragsstrafen geltend machen. In 01 sei es zu einem Ernteausfall gekommen mit der Folge, dass nicht alle Verträge hätten erfüllt werden können. X habe keine Vertragsstrafe geltend gemacht, weil er die ausgefallene Menge am freien Markt aufgrund eines damaligen Kartoffelpreisverfalls habe günstig einkaufen können.
24
Um die Kartoffelerträge abzusichern, habe sich der Kläger Anfang 01 entschlossen, Warenterminkontrakte über Kartoffeln abzuschließen. Diese Geschäfte seien über die A-Bank gelaufen, die zu deren Abwicklung zwei Konten für den Kläger eingerichtet habe, davon ein Girokonto, über das der Zahlungsverkehr mit den in der Buchhaltung und Bilanz des Landwirtschaftsbetriebes geführten Bankkonten stattgefunden habe. Die Streichung „Privatvermögen“ auf den Kontoeröffnungsunterlagen vom […] und die Eintragung „Betriebsvermögen“ sei nach Rücksprache mit dem Steuerberater […] vor Versendung der Kontoeröffnungsunterlagen an die A-Bank erfolgt.
25
Die vom […] 01 bis […] 02 abgeschlossenen Kartoffelkontrakte hätten sich zum April 02 auf 1.575 Tonnen (63 Kontrakte x 25 Tonnen) belaufen, das seien ca. 35% der verkauften Kartoffelmengen der Vorjahre von jährlich ca. 4.500 Tonnen.
26
In der Buchhaltung des Landwirtschaftsbetriebes seien zwar nicht die bei der A-Bank eingerichteten Konten, das Girokonto und das zweite Konto für die Sicherheitsleistungen bestandsmäßig geführt worden, die Zahlungsvorgänge zwischen den betrieblichen Bankkonten und den Konten bei der A-Bank seien aber nicht privat gebucht (Entnahme/Einlage), sondern auf beiden Bilanzkonten „948 und 949 Terminmarktkonto“ gebucht. In der Buchhaltung und Bilanz sei das Konto 948 den „Forderungen und sonstigen Vermögensgegenständen“ und das Konto 959 den „Wertpapieren“ zugeordnet worden. Die Verluste in Höhe von […] € seien auf das Konto „661 Außerordentliche Aufwendungen“ von den Konten 948 und 949 (nämlich am xx. Mai 01 […] € und am xx. Juni 02 […] €) und vom Konto 959 (am xx. Juni 02) umgebucht worden.
27
Entgegen der Auffassung der Betriebsprüfung seien die Kartoffelterminkontrakte dem Betriebsvermögen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes zuzuordnen. Auch wenn die Voraussetzungen für notwendiges Betriebsvermögen nicht vorlägen, seien die Kartoffelterminkontrakte dennoch dem gewillkürten Betriebsvermögen zugeordnet worden. Zwar stellten Termin- und Optionsgeschäfte Risikogeschäfte und zudem branchenfremde Geschäfte dar. Soweit ersichtlich, liege aber bisher keine höchstrichterliche Rechtsprechung zu Warentermingeschäften von Land- und Forstwirten vor.
28
Der Kläger habe im Wirtschaftsjahr 01/02 versucht, die von ihm befürchteten Ernteausfülle durch den Abschluss von Warenterminkontrakten finanziell auszugleichen. Als Kartoffelproduzent und -vermarkter mit jahrelangen Erfahrungen sei er der Auffassung gewesen, Preisentwicklungen auf dem Kartoffelmarkt so gut einschätzen zu können, dass er keine Verluste befürchtet habe. Damit liege eine ausreichende Beziehung zur geschäftlichen Haupttätigkeit der Kartoffelproduktion vor. Der Spekulant, der branchenfremd Warenterminkontrakte erwerbe und von einer Gewinnerzielung ausgehe, werde diese seinem Privatvermögen zuordnen, um von § 32d Abs. 1 EStG profitieren zu können.
29
Der Bundesfinanzhof (BFH) habe in seinem Urteil vom 20. April 1999 (VIII R 63/96, BStBl II 1996, 466) hoch spekulative (verdeckte) Devisentermingeschäfte einer mit Textilien handelnden KG als betrieblich veranlasst anerkannt. Dort sei ausgeführt worden, dass die gewillkürte Zuordnung der streitigen Devisentermingeschäfte zur betrieblichen Sphäre nicht an der Erwägung scheitere, die betreffenden Geschäfte seien nach den konkreten Umständen des Streitfalls von Anfang an mit einem derartigen Verlustrisiko behaftet gewesen, dass deren objektive Eignung zur Förderung des Betriebes ausgeschlossen gewesen sei.
30
Nach diesen Maßstäben müssten auch bei einem Kartoffelproduzenten Warentermingeschäfte mit Kartoffeln dem gewillkürten Betriebsvermögen zurechenbar sein. Auch für Aktien und festverzinsliche Wertpapiere würden hinsichtlich des gewillkürten Betriebsvermögens die gleichen Grundsätze gelten wie für Gewerbebetriebe, weshalb auch für Warentermingeschäfte, insbesondere wenn sie sich auf Produkte bezögen, die der Betrieb selbst herstelle, keine anderen Kriterien anzuwenden seien als bei Gewerbebetrieben. Der Kläger habe aufgrund seiner Ernteerwartung und der Beurteilung des Kartoffelmarktes insgesamt nicht mit einem Preisverfall gerechnet.
31
Es sei auch, wie erforderlich, die betriebliche Verbuchung zeitnah bereits bei den laufenden Buchhaltungsarbeiten erfolgt. Der BFH habe in seinem Urteil vom 5. März 1981 (IV R 94/78, BStBl II 1994, 658) ausgeführt, Termingeschäfte seien schwebende Geschäfte, die regelmäßig nicht in die laufende Buchführung aufgenommen würden und auch im Jahresabschluss nur berücksichtigt werden müssten, wenn aus ihnen ein Verlust drohe. Damit könne es der Klägerin nicht zum Nachteil ausgelegt werden, dass sie von einer solchen Möglichkeit bei einem ungewöhnlichen Geschäftsvorfall keinen Gebrauch gemacht habe.
32
Der Kläger habe gegenüber der A-Bank erklärt, dass es sich bei den Warentermingeschäften um Betriebsvermögen handele. Er habe zwar die bei der A-Bank für die Abwicklung dieser Geschäfte eingerichteten Bankkonten nicht in seiner Buchhaltung geführt, aber in der laufenden Buchhaltung zwei Bilanzkonten aufgenommen (948 und 959), auf denen auch die an die A-Bank überwiesenen Sicherheitsleistungen für die jeweiligen Kontrakte ausgewiesen worden seien. Diese Konten seien den Bilanzausweisen „Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände“ und „Wertpapiere“ zugeordnet worden. Damit sei unter Berücksichtigung der Angaben bei der A-Bank, dass es sich um Betriebsvermögen handle, nachgewiesen, dass von Anfang an eine betriebliche Zuordnung erfolgt sei. Wenn ein Warenterminkontrakt von Anfang an dem Betriebsvermögen zugeordnet worden sei, sei über das Schicksal von Gewinnen und Verlusten entschieden. Im Streitfall seien die Zahlungsvorgänge auf die Konten des Klägers bei der A-Bank, bei denen es sich im Wesentlichen um die zu leistenden Sicherheitsleistungen gehandelt habe, in der Buchhaltung über betriebliche Bestandskonten gebucht worden und nicht als Privatentnahme, wie es bei einer Zuordnung der Kontrakte zum Privatvermögen erforderlich gewesen wäre. Auf die buchhalterische Behandlung der bei der A-Bank eingerichteten Konten komme es nicht entscheidend an, sondern sie teilten das Schicksal der zugeordneten Kontrakte. Seien diese Betriebsvermögen, gehörten auch die Bankkonten, über die die entsprechenden Zahlungsvorgänge abgewickelt würden, zum (insoweit dann notwendigen) Betriebsvermögen.
33
Gewinnwirksame Buchungen seien ausschließlich im Wirtschaftsjahr 01/02 erforderlich gewesen, denn die Glattstellungen aller abgeschlossenen Kartoffelterminkontrakte und die Beendigung der Geschäftsbeziehung mit der A-Bank sei im Wirtschaftsjahr 01/02 erfolgt. Die entsprechenden Buchungen seien nicht erst im Rahmen des Jahresabschlusses für das Wirtschaftsjahr 01/02 durchgeführt worden (mithin lange Zeit nach dem Bilanzstichtag 30. Juni 02), sondern bereits im Laufe des Wirtschaftsjahres am xx. Mai 02 und am xx. Juni 02 (jeweils auf das Konto 661 „außerordentliche Aufwendungen“). Auch wenn die einzelnen Glattstellungen nicht taggenau, sondern zusammengefasst gebucht worden seien, so sei dies doch zeitnah geschehen, insbesondere innerhalb des Wirtschaftsjahres.
34
Entsprechend habe der BFH mehrfach entschieden, dass mit der Buchung einer Prämienzahlung für eine Unfallversicherung auf einem betrieblichen Aufwandskonto die gewillkürte Zuordnung des Vertragsverhältnisses zum Betriebsvermögen dokumentiert werde (Urteile vom 15. Dezember 1977 IV R 78/74, BStBl II 1978, 212; vom 18. November 1971 IV R 132/66, BStBl II 1972, 277; und vom 14. März 1972 VIII R 26/67, BStBl II 1972, 536). Damit sei auch im Streitfall durch die Erfassung der die Kontrakte betreffenden Zahlungsvorgänge auf den betrieblichen Bestandskonten – und nicht auf Entnahme- oder Einlagekonten – die Zuordnung zum gewillkürten Betriebsvermögen erfolgt.
35
Weshalb vom Bruttogewinn von 550 € am November 01 Kapitalertragsteuer einbehalten worden sei, sei hier nicht bekannt. Dies müsse von der A-Bank erklärt werden, vermutlich habe dem ein Versehen zugrunde gelegen.
36
Noch im Laufe des Wirtschaftsjahres 01/02 sei im Hinblick auf die eingetretenen Verluste durch die Kartoffelterminkontrakte ein Antrag auf Herabsetzung der Steuervorauszahlungen 02 und der nachträglich geforderten Steuervorauszahlungen für 01 gestellt worden. Diesem Antrag habe das FA mit Bescheid vom xx. Mai 02 stattgegeben.
37
Im Übrigen sei nach § 13 Abs. 7 EStG § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG auf land- und forstwirtschaftliche Betriebe nicht anzuwenden.
38
Die Kläger beantragen,
unter Änderung der Bescheide vom […] in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom […] Verluste in Höhe von […] € aus Warentermingeschäften im Wirtschaftsjahr 01/02 bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft zu berücksichtigen und die Einkommensteuer 01 und 02 entsprechend herabzusetzen, sowie im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.
39
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen;
40
Zur Klageerwiderung verweist das FA auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung und ergänzt im Wesentlichen Folgendes: Die Aufnahme der zwei Bilanzkonten 948 (Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände) und 959 (Wertpapiere), auf denen die an die A-Bank überwiesenen Sicherheitsleistungen ausgewiesen worden seien, reiche als Nachweis dafür, dass für die Zuordnung zum gewillkürten Betriebsvermögen eine betriebliche Verbuchung zeitnah bereits bei den laufenden Buchhaltungsarbeiten erfolgt sei, nicht aus. Es sei zwar richtig, dass zum 30. Juni 01 noch kein Bilanzausweis der bis dahin abgeschlossenen Kontrakte erforderlich gewesen sei. Bei Glattstellung wären die entsprechenden Gewinne oder Verluste jedoch als Ertrag oder Aufwand einzubuchen gewesen. Die „erste“ Glattstellung mit einem Gewinn von 550 € am xx. November 01 sei in der Buchhaltung nicht erfasst. Mit Buchungsdatum vom xx. Mai 02 sei erstmals auf dem Konto 661 (Außerordentliche Aufwendungen) der Verlust aus Kartoffelkontrakten gebucht worden. Auf der im Rahmen der Betriebsprüfung vorgelegten Abrechnung der A-Bank vom xx. November 01 über die Glattstellung sei Abgeltungssteuer von 119 € und ein Solidaritätszuschlag von 6,54 € ausgewiesen. Dies würde im Umkehrschluss darauf hindeuten, dass es sich bei den A-BankKonten zumindest bis zu diesem Tag noch um die Vermögensart „Privatvermögen“ gehandelt habe.
41
Ein unmissverständlicher, zeitnaher und unumkehrbarer Widmungsakt hinsichtlich der Zuordnung zum gewillkürten Betriebsvermögen sei nicht nachgewiesen worden.
42
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die ausgetauschten Schriftsätze sowie den Inhalt der Akten verwiesen.
43
Auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung am 28. August 2025 wird Bezug genommen.
II.
44
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
45
Der im Rahmen der Abwicklung der Kartoffelkontrakte bezahlte Barausgleich stellt keinen betrieblich veranlassten Aufwand dar.
46
1.a) Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft Einkünfte aus dem Betrieb von Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Weinbau, Gartenbau und aus allen Betrieben, die Pflanzen und Pflanzenteile mit Hilfe der Naturkräfte gewinnen.
47
Nach § 13 Abs. 7 EStG sind § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 1a, Abs. 2 Satz 2 und 3 und §§ 15a und 15b entsprechend anzuwenden.
48
Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG gehört zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch der Gewinn bei Termingeschäften, durch die der Steuerpflichtige einen Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil erlangt. Dies gilt nach § 20 Abs. 8 Satz 1 EStG jedoch nicht, wenn die positiven oder negativen Einkünfte i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe a EStG den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft zuzuordnen sind.
49
Nach § 4 Abs. 4 EStG sind Betriebsausgaben Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind. Die Vorschrift gilt im Fall einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG auch bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft im Sinne des § 13 EStG.
50
b) Der Steuerpflichtige kann grundsätzlich frei entscheiden, welche Aufwendungen er für sei-nen Betrieb tätigen will. Für die betriebliche Veranlassung genügt der allgemeine Zusammenhang mit dem Betrieb durch Schaffen günstiger Rahmenbedingungen (BFH-Urteil vom 18. September 1984 VIII R 324/82, BFHE 142, 251, BStBl II 1985, 92). Die Höhe der Aufwendungen, ihre Notwendigkeit, ihre Üblichkeit und ihre Zweckmäßigkeit sind für die Anerkennung als Betriebsausgaben grundsätzlich ohne Bedeutung (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 12. Juni1978 GrS 1/77, BFHE 125, 516, BStBl II 1978, 620; BFH-Urteil vom 28. November 1980 VI R 193/77, BFHE 132, 431, BStBl II 1981, 368). Auch überhöhte, unübliche und unzweckmäßige oder erfolglose Aufwendungen können daher Betriebsausgaben sein. Das Fehlen der Üblichkeit, der Erforderlichkeit und der Zweckmäßigkeit einer Aufwendung kann allerdings ein Anzeichen dafür sein, dass die Aufwendungen aus außerbetrieblichen Erwägungen getätigt wurden (BFH-Urteil vom 10. April 2025 VI R 11/22, BFH/NV 2025, 1108, Rn. 18) 
51
c) Termingeschäfte sind solche Festgeschäfte oder Optionsgeschäfte, die zeitlich verzögert zu erfüllen sind und deren Wert sich unmittelbar oder mittelbar vom Preis oder Maß eines Basiswerts ableitet (BFH-Urteil vom 6. Juli 2016 I R 25/14, BStBl II 2018, 124).
52
Nach der Rechtsprechung des BFH stellen Devisen- oder Warentermingeschäfte ebenso wie Aktienoptionsgeschäfte spekulative Geschäfte dar, die vorwiegend im privaten Bereich getätigt werden. Sie können aber auch betrieblich veranlasst sein. Dies erfordert, dass nach Art, Inhalt und Zweck des zu beurteilenden Geschäfts ein (wirtschaftlicher) Zusammenhang mit dem Betrieb besteht. Ein solcher Zusammenhang mit dem Betrieb setzt nicht notwendigerweise voraus, dass es sich um ein branchentypisches Geschäft handelt. Bei branchenuntypischen Geschäften ist der betriebliche Zusammenhang allerdings sorgfältig zu prüfen. Die Zuordnung solcher Risikogeschäfte zur betrieblichen Sphäre setzt daher zunächst einen eindeutigen, nach außen verbindlich manifestierten Zuordnungsakt des Steuerpflichtigen voraus. Insoweit ist von wesentlicher Bedeutung, ob die Risikogeschäfte von vornherein als betriebliche Geschäfte behandelt worden sind. Für diese Beurteilung ist allerdings nicht ausschlaggebend, dass die Kläger den Abschluss der Geschäfte nicht kontenmäßig erfasst haben. Termingeschäfte sind schwebende Geschäfte, die regelmäßig nicht in die laufende Buchführung aufgenommen werden und auch im Jahresabschluss nur berücksichtigt werden müssen, wenn aus ihnen ein Verlust droht (vgl. zum Ganzen BFH-Urteil vom 23. April 2009 IV R 87/05, BFH/NV 2009, 1650 m.w.N.).
53
Da die Kartoffellieferverträge und die Futures grundsätzlich eigenständig nebeneinanderstehen, setzt der Betriebsausgabenabzug im Rahmen der Verluste aus den Futures jedoch voraus, dass die Geschäfte hinreichend miteinander verknüpft sind. Nur dann setzt sich der betriebliche Veranlassungszusammenhang der Lieferverträge an den Termingeschäften fort. Von einer (objektiven) Verknüpfung der Geschäfte ist insbesondere auszugehen, wenn beide Verträge zeitgleich mit (zumindest annähernd) übereinstimmenden Laufzeiten abgeschlossen werden, inhaltlich aufeinander bezogen und durch die nämliche Zweckbestimmung miteinander verknüpft sind (vgl. BFH-Urteil vom 10. April 2025 VI R 11/22, BFH/NV 2025, 1108).
54
Erst der Sicherungszweck des Termingeschäfts und der Zusammenhang mit dem abgesicherten Grundgeschäft führen dazu, dass der Verlust aus dem Termingeschäft überhaupt steuerlich voll berücksichtigungsfähig ist. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers fallen unter diese Ausnahme insbesondere Warentermingeschäfte, die zur Absicherung von Geschäften des physischen Wareneinkaufs oder Warenverkaufs getätigt werden. Diese Geschäfte würden nicht in Spekulationsabsicht abgeschlossen, sondern deshalb, weil Preis- bzw. Währungsrisiken minimiert bzw. ausgeschlossen werden sollten (BTDrucks 14/443, S. 28). Ausgehend davon, dass Geschäfte i.S. des § 15 Abs. 4 Satz 4 Alt. 2 EStG dazu dienen, Risiken aus dem Grundgeschäft auszuschließen bzw. zumindest zu minimieren, ist sowohl ein objektiver Nutzungs- und Funktionszusammenhang als auch ein subjektiver Sicherungszusammenhang erforderlich. Der Zusammenhang zwischen Grund- und Sicherungsgeschäft muss nicht nur gewollt, das Sicherungsgeschäft muss vielmehr auch geeignet sein, Risiken aus dem Grundgeschäft zu kompensieren. Letzteres setzt eine gegenläufige Erfolgskorrelation von Grund- und Sicherungsgeschäft voraus. Eine gegenläufige Erfolgskorrelation von Grund- und Sicherungsgeschäft ist nur möglich, wenn die mit dem Grundgeschäft verbundenen Risiken bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht anlässlich eines Termingeschäfts als vermeintlichem Sicherungsgeschäft durch gleichgewichtige oder sogar weitergehende Risiken ersetzt werden. Dabei kann Risiko verstanden werden als die Kennzeichnung der Eventualität, dass mit einer (ggf. niedrigen, ggf. auch unbekannten) Wahrscheinlichkeit ein (ggf. hoher, ggf. in seinem Ausmaß unbekannter) Schaden bei einer (wirtschaftlichen) Entscheidung eintritt oder ein erwarteter Vorteil ausbleiben kann (BFH-Urteil vom 9. Februar 2023 IV R 34/19, BStBl II 2023, 742, Rn. 27).
55
Neben der objektiven Verknüpfung von Grundgeschäft und Sicherungsgeschäft (unmittelbarer enger wirtschaftlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang) verlangt der Betriebsausgabenabzug weiter, dass das Sicherungsgeschäft von vornherein als betriebliches Geschäft behandelt wird (BFH-Urteil vom 10. April 2025 VI R 11/22, BFH/NV 2025, 1108).
56
2. Im Streitfall hat das FA im Ergebnis zu Recht die Verluste aus den Terminkontrakten nicht als Betriebsausgaben berücksichtigt.
57
a) Die Terminkontrakte stellen kein gewillkürtes Betriebsvermögen – mit der Folge einer (zwingenden) steuerlichen Berücksichtigung der damit verbundenen Geschäftsvorfälle – dar.
58
aa) Nach den Kontraktspezifikationen der EEX unter Punkt 3.1 handelt es sich im Streitfall um Futures auf das Agrarprodukt Kartoffel. Nach D 3.1.2 erfolgt Erfüllung durch Barausgleich am zweiten, dem letzten Handelstag folgenden ECC-Geschäftstag basierend auf der Differenz zwischen dem Abrechnungspreis des letzten Handelstages und dem Schlussabrechnungspreis.
59
bb) Futures sind als schwebende Geschäfte bei Geschäftsabschluss grundsätzlich nicht zu bilanzieren. Futures werden in der Regel durch Barausgleich oder rechtliche Glattstellung beendet. Im Fall des Barausgleichs sind sämtliche bis dahin aufgelaufenen Bewertungsergebnisse erfolgswirksam zu berücksichtigen, d.h. erhaltene (gezahlte) und passivierte (aktivierte) variations margins sind wie der Barausgleich erfolgswirksam zu vereinnahmen. (Haisch/Helios, Rechtshandbuch Finanzinstrumente, § 2. Finanzinstrumente in der Einzelhandels- und Steuerbilanz Rn. 131, beck-online).
60
cc) Im Streitfall scheidet eine Zuordnung als gewillkürtes Betriebsvermögen aus. Geschäftsvorfälle sind daher nicht bereits als Folge der Betriebsvermögenseigenschaft der Futures steuerlich berücksichtigungsfähig.
61
b) Die getätigten Sicherungsgeschäfte sind weder objektiv geeignet, die Risiken aus den Grundgeschäften (Kartoffellieferverträge) abzusichern noch sind Liefergeschäfte und „Sicherungsgeschäften“ hinreichend aufeinander abgestimmt.
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aa) Die vom Kläger abgeschlossenen Warentermingeschäfte sind weder zur Absicherung ei-nes Preisrisikos noch zur Absicherung eines Lieferrisikos – wie vom Kläger offenbar beabsichtigt – geeignet.
63
Zur Absicherung eines Preisrisikos hätte der Kläger – wie zutreffend vom Landesamt festgestellt – statt der Kaufkontrakte entsprechende Verkaufskontrakte halten müssen. In diesem Fall hätte sich der Kläger über die Kontrakte den aktuellen Handelspreis für seine künftigen physischen Geschäfte gesichert. Etwaige Preissenkungen wären dann über den Barausgleich der Kontrakte abgesichert gewesen. Von möglichen Preissteigerungen hätte der Kläger hingegen ebenfalls nicht profitiert, weil es insoweit selbst zum Ausgleich verpflichtet gewesen wäre. Eine derartige Absicherung war für den Kläger im Rahmen der geschlossenen Geschäfte allerdings bereits deshalb entbehrlich, weil der Kläger gerade überwiegend nicht beabsichtigte, die Kartoffeln zum Tagespreis am freien Markt zu veräußern. Vielmehr standen die Preise im Rahmen der abgeschlossenen Verträge bereits fest.
64
Eine Absicherung gegen ein mögliches Liefer- oder ggf. auch Lagerrisiko hingegen decken die streitgegenständlichen Termingeschäfte bereits konstruktiv nicht ab. Ein solche Absicherung könnte ausschließlich im Wege eines Optionsgeschäfts oder einer Versicherung erfolgen. Nicht entscheidend ist dabei, ob das Geschäft auf physische Lieferung oder einen Barausgleich gerichtet ist, wohl aber, dass die Absicherung nur zum Tragen kommt, wenn tatsächlich Ausfälle erfolgen. Dies wird insbesondere für den Fall einer physischen Lieferung ersichtlich, die den Sicherungsnehmer nur dann von einem Risiko entlastet, wenn sie ausschließlich für den Fall tatsächlicher Lieferausfälle eingreift. Andernfalls wäre der „Sicherungsnehmer“ im Fall der Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtungen genötigt, weitere Abnehmer für die zusätzliche Menge zu finden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zutreffenden Ausführungen des Landesamts für Steuern im Bericht der Betriebsprüfung verwiesen.
65
Nicht von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, wie hoch der Anteil des Kartoffelanbaus oder der Anteil der Betriebseinnahmen aus dem Anbau von Kartoffeln im Betrieb der Kläger ist oder ob sich die Einnahmen aus dem Verkauf von Kartoffeln im Wirtschaftsjahr 01/02 im Vergleich zum Vorjahr erheblich vermindert haben. Ebenso unerheblich ist vor dem Hintergrund der vorgenannten Einschätzung, wie hoch der Anteil der abgeschlossenen Warentermingeschäfte im Vergleich zu den verkauften Kartoffeln der Vorjahre ist.
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bb) Die streitgegenständlichen Termingeschäfte sichern aber auch nicht das Risiko eines Schadensersatzanspruches durch den Hauptabnehmer wegen Nichterfüllung der Liefermenge ab.
67
Selbst wenn der Kläger beabsichtigt hätte, das Risiko eines Schadensersatzes aus bereits feststehenden Lieferverbindlichkeiten zu begrenzen, war dies durch die Art der Geschäfte nicht möglich. Der Kläger hätte lediglich das Risiko steigender Kartoffelpreise gegen das Risiko sinkender Kartoffelpreise getauscht. Denn der Kläger hätte im Falle eines steigenden Kartoffelpreises zwar einen Gewinn gemacht, mit dem er mögliche Schadensersatzansprüche ausgeglichen hätte, im Falle sinkender Kartoffelpreise – wie im Fall des vom Kläger geschilderten Preisverfalls der Kartoffeln im Frühjahr 02 – jedoch gerade nicht. Vielmehr erleidet der Kläger mangels Schadensersatzverpflichtung gerade keinen Verlust aus dem Grundgeschäft, allerdings in diesem Fall zwangsläufig aus dem Futuregeschäft. Dies liegt darin begründet, dass die Geschäfte – wie unter 2 b) aa) ausgeführt – nicht mit dem vorhandenen Lieferrisiko korrelieren, weil sie eine unbedingte Erfüllung des Geschäfts beinhalten.
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cc) Daneben fehlt es im Streitfall an einer hinreichend engen tatsächlichen Verknüpfung zwi-schen den Liefergeschäften und den „Sicherungsgeschäften“.
69
Im Hinblick auf die konkreten Lieferverpflichtungen des Klägers bezüglich Menge und Zeit ist bereits nicht erkennbar, dass die Warenterminkontrakte und die Verpflichtung zur physischen Lieferung aufeinander abgestimmt waren. Ausweislich der vom Kläger vorgelegten Verträge beliefen sich die Lieferpflichten gegenüber dem X auf insgesamt 23.000 dt, wobei sämtliche verbindliche Liefertermine im Herbst des Jahres liegen. Soweit für die Sorte Innovator aus dem Vertrag über die Lieferverpflichtung in Höhe von 7.000 dt kein Liefertermin ersichtlich ist, ergibt sich aus den Lieferscheinen, dass die Anlieferungen ebenfalls im Herbst 01 erfolgt sind. Gleiches gilt für die Lieferpflichten über 2.000 dt gegenüber der Y. Insbesondere für das Frühjahr 02 sind vom Kläger damit Lieferverpflichtungen weder vorgetragen noch belegt.
70
Ein Zusammenhang zwischen Lieferverpflichtung und Sicherungsgeschäft ist somit insbesondere für die Sicherungsgeschäfte vom Monat März/April 02 mit Laufzeit Juni 02 nicht erkennbar. Soweit eine Absicherung vergangener und damit bereits entstandener Schadensersatzansprüche geplant war, wären diese bereits konkret quantifizierbar. Dies ist jedoch nicht dargelegt und nicht erkennbar.
71
c) Aber auch als reine Spekulationsgeschäfte scheidet eine betriebliche Veranlassung aus.
72
Fehlt es an der belastbaren Verknüpfung zwischen den Lieferverpflichtungen und den Terminkontrakten, handelt es sich bei den Termingeschäften um bloße betriebsfremde spekulative Termingeschäfte. Die Ausgleichszahlungen sind in einem solchen Fall aufgrund der fehlenden betrieblichen Veranlassung nicht gemäß § 20 Abs. 8 EStG einer dort genannten Einkunftsart zuzurechnen. Sie gehören vielmehr nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG zu den Einkünften aus Kapitalvermögen. Einnahmen unterliegen damit dem Abgeltungssteuersatz (vgl. BFH-Urteil vom 10. April 2025 VI R 11/22, BFH/NV 2025, 1108, Rn. 29).
73
d) Etwas anderes folgt auch nicht aus § 5 Abs. 1a EStG i.V.m. § 254 Handelsgesetzbuch (HGB).
74
aa) Nach § 254 HGB sind § 249 Abs. 1, § 252 Abs. 1 Nr. 3 und 4, § 253 Abs. 1 Satz 1 und § 256a in dem Umfang und für den Zeitraum nicht anzuwenden, in dem die gegenläufigen Wertänderungen oder Zahlungsströme sich ausgleichen, wenn Vermögensgegenstände, Schulden, schwebende Geschäfte oder mit hoher Wahrscheinlichkeit erwartete Transaktionen zum Ausgleich gegenläufiger Wertänderungen oder Zahlungsströme aus dem Eintritt vergleichbarer Risiken mit Finanzinstrumenten zusammengefasst (Bewertungseinheit) werden. Als Finanzinstrumente im Sinn des Satzes 1 gelten dabei auch Termingeschäfte über den Erwerb oder die Veräußerung von Waren.
75
Gemäß § 5 Abs. 1a EStG sind die Ergebnisse der in der handelsrechtlichen Rechnungslegung zur Absicherung finanzwirtschaftlicher Risiken gebildeten Bewertungseinheiten auch für die steuerliche Gewinnermittlung maßgeblich.
76
bb) Nach der Vorschrift des § 254 HGB sind Grund- und Sicherungsgeschäft zu einer Bewertungseinheit zusammenzufassen. Die Gesetzesbegründung führt hierzu aus, dass die Bewertungseinheit auf der grundsätzlichen Überlegung beruhe, dass die aus einem Grundgeschäft resultierenden Risiken durch den Einsatz von Sicherungsinstrumenten – wirtschaftlich betrachtet – neutralisiert werden könnten. Daher werde bei Bestehen einer Bewertungseinheit – unter Einschränkung des Imparitätsprinzips, des Realisationsprinzips und des Einzelbewertungsgrundsatzes – auf die Berücksichtigung nicht realisierter Verluste verzichtet, wenn diesen in gleicher Höhe nicht realisierte Gewinne gegenüberstünden, also soweit der Eintritt der abgesicherten Risiken ausgeschlossen sei.
77
cc) Eine derartige Verknüpfung kommt im Streitfall – auch nach dem Klägervortrag – insoweit nur zwischen den Kartoffellieferverpflichtungen und den Futures in Betracht. Diese scheitert allerdings daran, dass das im Rahmen des Futurekontrakts absicherbare Risiko (Preisrisiko) nicht mit dem Risiko der Lieferung (Leistungsverpflichtung zur physischen Lieferung) übereinstimmt (vgl. auch die Ausführungen unter 2 b) aa)). Es fehlt insoweit bereits an der tatbestandlichen Voraussetzung zur Anwendung des § 254 HGB.
78
e) Vor diesem Hintergrund kommt es weder auf die weitere Frage der rechtzeitigen Zuordnung der Betriebsausgaben zum betrieblichen Bereich an noch auf die Frage der Anwendbarkeit des § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
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4. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.